L 2 U 119/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 236/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 119/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 16.07.2001 und der Bescheid vom 02.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.1998 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin an einer von der Beigeladenen zu entschädigenden Berufskrankheit nach der Nr. 60 der Liste der Berufskrankheiten der DDR leidet.
II. Die Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin an einer Berufskrankheit nach der Nr. 60 der Liste der Berufskrankheiten der DDR (BK Nr. 60 BKVO-DDR) leidet.

Die am ...1964 geborene Klägerin absolvierte von September 1981 bis August 1982 ein Vorpraktikum am Kreiskrankenhaus R ... und von September 1982 bis August 1988 ein Medizinstudium an der Universität L ... Während des Studiums leistete sie am 02.05.1985, am 13.07.1985 und vom 19.07. bis 01.08.1985 Berufspraktika in der Chirurgischen Klinik der K ...-Universität und in der urologischen und chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses R ... ab. Anlässlich einer Serumuntersuchung im Rahmen einer Blutspende wurde am 25.07.1985 erstmals das HBs-Antigen festgestellt; vom 03.10. bis 12.10.1985 erfolgte eine stationäre Beobachtung im S ...-Krankenhaus L ... In einem Arztbrief vom 14.10.1984 nach der Entlassung der Klägerin aus dem Krankenhaus wird als Diagnose "HBsAg-Carrier, abgeklungene Virushepatitis-B" genannt. In der Folgezeit bis 1993 vierteljährlich vorgenommene Laborkontrollen ergaben stets normale Transaminasen.

Mit am 27.05.1993 beim Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin die Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Hepatitis als solche sei nie zum Ausbruch gekommen, jedoch sei das HBs-Antigen positiv geblieben. Eine Meldung hinsichtlich einer Anerkennung ihrer Erkrankung als BK sei wegen der geringen gesundheitlichen Auswirkungen bisher nicht erfolgt. Da ihr jetzt wegen ihres HBs-Ag-Carrier-Status gekündigt worden sei, bitte sie um Überprüfung.

Der Gemeindeunfallversicherungsverband Brandenburg gab den Antrag an die Beklagte ab, die das Feststellungsverfahren durchführte und medizinische Befunde beizog, u. a. einen Befundbericht von Dr. A1 ..., der die Klägerin am 01.09.1993 untersuchte und in dem als Diagnose Carrier-Status einer Hepatitis-B-Virusinfektion ohne klinische Aktivität, jedoch bei nachweisbarer Infektiosität genannt wird.

Ferner beauftragte die Beklagte Prof. Dr. S1 ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Gutachter diagnostizierte im Gutachten vom 05.12.1996 u. a. eine inaktive chronische Infektion mit dem Hepatitisvirus B bei minimaler oder fehlender Infektiosität, wobei die Infektion nicht von subjektiven Beschwerden oder klinischen bzw. sonographischen oder laborchemischen Zeichen einer chronischen Leberkrankheit begleitet sei. Die Virusbelastung sei grenzwertig bzw. minimal, eine Infektionsgefahr könne von der Klägerin nur bei erheblichem Blutkontakt ausgehen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass ein 20jähriger gesunder Mensch ganz ohne jegliche Krankheitserscheinungen eine Hepatitis-B-Infektion erwerbe, die zufällig entdeckt werde und dann über mehr als 10 Jahre im Sinne eines gesunden Carrier-Status persistiere. Dieser Verlauf lasse eher an eine Infektion im frühen Kindesalter denken. Die sehr milde chronische Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus könne somit nicht mit Wahrscheinlichkeit als BK anerkannt werden.

In einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 10.02.1997 führte die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. B1 ... aus, dass hinsichtlich der von der Klägerin zwischen 1982 und 1988 absolvierten Praktika von einem überdurchschnittlich hohen Infektionsrisiko auch nach DDR-Recht (BK Nr. 60 BKVO-DDR) ausgegangen werden könne. Eine akute Erkrankung habe nicht vorgelegen. Eine BK nach dem Berufskrankheitenrecht der DDR könne anerkannt werden, wenn die MdE 20 v. H. und mehr betrage.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.07.1997 die Anerkennung der inaktiven chronischen Hepatitis B als Berufskrankheit ab. Zwar sei die Klägerin bei ihrer Tätigkeit einer erhöhten Infektionsgefährdung ausgesetzt gewesen und eine berufliche Infektion sei hinreichend wahrscheinlich. Jedoch könne eine BK nach Nr. 60 BKVO-DDR nicht anerkannt werden, da nach dem Berufskrankheitenrecht der DDR eine akute Erkrankung gefordert werde.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass hinsichtlich der BK Nr. 60 nicht zwischen akuten und chronischen Krankheiten unterschieden werde. Eine Virus-Hepatitis sei, egal wie sie sich manifestiere, eine Infektionskrankheit.

Mit Bescheid vom 30.06.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine akute Erkrankung, die als BK anerkannt werden könne, habe nicht vorgelegen. Hiergegen hat die Klägerin am 30.07.1998 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere vorgetragen, sie habe im August 1985 eine leichte Gelbfärbung der Haut bemerkt, was auf eine akute Hepatitis-B-Infektion hindeute.

Das SG hat zur Klärung der Frage, ob es sich bei der Klägerin um eine lebergesunde Trägerin von Hepatitis-B-Virusmarkern handelt oder ob eine chronisch persistierende bzw. chronisch aktive Hepatititis vorliege, eine gutachterliche Stellungnahme vom 30.04.2001 eingeholt, in der der Gutachter Prof. Dr. P1 ... zu dem Ergebnis kam, dass eine sichere Aussage, ob es sich um einen HBsAg-Carrier handele oder ob eine chronische Hepatitis vorliege, nicht möglich sei. Aus dem Verlauf sei am ehesten ein Carrier-Status anzunehmen. Jedoch müsse beachtet werden, dass selbst bei einem Carrier-Status der weitere Verlauf nicht absehbar sei, da auch ein Carrier in eine chronische Hepatitis mit Folgen der Zirrhose übergehen könne und dass das HCC-Risiko um zwei bis vier Jahre erhöht sei und Superinfektionen mit HAV, HCV und HDV mit schweren Verläufen stattfinden könnten.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 16.07.2001 die Klage abgewiesen. Nach dem Gesamtergebnis der Beweiserhebung handele es sich bei der Klägerin um eine lebergesunde Trägerin von Hepatitis-B-Virusmarkern, für die nach den Anerkennungsempfehlungen der DDR mangels Leberkrankheit die Anerkennung einer BK nicht in Betracht komme.

Gegen den ihr am 16.08.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Kläger am 14.09.2001 Berufung eingelegt und zur Begründung zunächst insbesondere ausgeführt, dass sie kein lebergesunder Carrier-Träger sei. Sie sei im August 1985 sehr wahrscheinlich einer Infektionskrankheit erkrankt und habe im Anschluss daran eine stille bzw. chronisch-persistierende Hepatitis-B durchgemacht.

Im Berufungsverfahren ist insbesondere ein arbeitsmedizinisches Fachgutachten bei Dr. K1 ..., ehemals Leiter der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten der DDR eingeholt worden. Der Gutachter hat im Gutachten vom 07.07.2003 zunächst ausgeführt, dass Trägertum von Hepatitisviren (Carrier) Ausdruck unvollständiger Immunantwort auf dei Hepatitis-B-Virusinfektion und definiert durch Nachweis des HBsAG länger als sechs Monate sei. Als "gesunder Carrier" gelte, wer anamnestisch beschwerdefrei, klinisch asymptomatisch, ohne erhöhte SGPT sei und bei dem kein HBeAg als Ausdruck fehlender Virämie nachweisbar sei. Ein "kranker Carrier" sei charakterisiert durch den immunologischen Status: Positiver HBsAg, HBeAG, ggf. Nachweis von HBV-DNA als Maß der Infektiosität, deutliche anhaltende Transaminasen-Aktivität und histologische Entzündungszeichen des Lebergewebes, welche nur durch Biopsie nachgewiesen oder ausgeschlossen werden könnten. Der seroimmunologische Status des "kranken Carrier" allein sei die Beschreibung eines regelwidrigen Zustandes, jedoch per se noch keine Krankheit. Etwa 5 bis 10 % der Fälle von akuter Hepatitis B würden zu chronischen Virusträgern. Für "kranke Carrier" sei die Rückfallgefahr nach klinisch ausgeheilter Hepatitis B ziemlich hoch.

Im BK-Verfahren sei bei Tätigkeiten in anerkannten Risikobereichen der Infektionsquellennachweis im Einzelfall nicht zu fordern. Carrier seien in der DDR bis 1989 generell nicht als Berufskranke anerkannt worden, weil der Krankheitsbegriff für sie nach übereinstimmender Auffassung der seinerzeit maßgeblichen Sachkenner nicht zugetroffen habe. Zusätzlich seien auch heute noch objektive Befunde vorzuweisen, welche auf eine Leberschädigung mit Wahrscheinlichkeit schließen ließen (Transaminasen) oder eine solche nachweisen könnten (Histologie).

Hinsichtlich der von der Klägerin abgeleisteten Praktika sei auch unter Berücksichtigung des insoweit begrenzten Zeitrahmens von einer realen Infektionsgefährdung für Hepatitis B auszugehen, die im Vergleich zur Bevölkerung als überdurchschnittlich einzustufen sei. Sie sei auch berufseigentümlich gewesen. Der Infektionsquellennachweis im Einzelnen sei nicht zu fordern. Zwischen Erstkontaktmöglichkeiten (02.05.1985) und erstmaligem Nachweis der Hepatitis-B-Infektion (25.07.85) hätten 11 Wochen gelegen. Dies entspreche der normierten Inkubationszeitspanne beim Hepatitis-B-Virus zwischen sechs Wochen und sechs Monaten.

Eine chronische Virushepatitis-B-Erkrankung durch klinische und laborchemische Untersuchungen sei zu keiner Zeit objektiviert worden. Erwiesen sei, dass die Klägerin seit 07/1985 zur Gruppe der Hepatitis-B-Träger (Carrier) gehöre. Die Konstellation der immunologischen Parameter spreche für das Fortbestehen der Infektion bei allenfalls minimaler Infektiosität und ohne Zeichen einer Aktivität. Ob zugleich auch eine entzündliche Reakton an den Leberzellen ablaufe, die als Hepatitis interpretiert werden könne, bleibe ohne Kenntnis der Leberhistologie durch die fehlende Biopsie durchaus offen. Erst im positiven Fall sei es berechtigt, die Klägerin als "kranken Carrier" einzustufen. Die vorliegende Faktenlage gestatte mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht die Annahme, dass eine chronische Hepatitis B vorliege oder in der Folge der 1985 stattgehabten Infektion vorgelegen habe.

Dagegen genügten die verfügbaren Informationen, um eine leichte, subikterisch verlaufene, akute Virushepatitis rückwirkend zu diagnostizieren (Gelbfärbung der Haut 8/85, positives Urobilinogen, eingeschränkter Quick-Wert bei der Untersuchung 10/85). Demzufolge sei die damalige akute Erkankung rückwirkend als BK Nr. 60 anerkennungsfähig, allerdings ohne Rentenberechtigung. Der Zeitpunkt des Beginns der Erkrankung sei wahrscheinlich August 1985 (Gelbfärbung der Haut), mit Sicherheit jedoch Oktober 1985 gewesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.04.2004 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwei Krankenblätter vom 03.10.1985 vorgelegt. Insoweit wird auf Bl. 92/93 der Akte des Sächs. LSG verwiesen.

Dr. K1 ... hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.05.2004 zum einen ausgeführt, dass die Befunddokumentation auf dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Krankenblattauszug dafür spreche, dass zum Zeitpunkt der Bestimmung der genannten Parameter am 03., 04. und 08.10.1985 mit großer Wahrscheinlichkeit eine bereits weitgehend abgeklungene, klinisch unauffällige Lebenerentzündung vorgelegen habe. Maßgebend für seine Auffassung, dass die Klägerin 1985 eine akute, leichte, klinisch nur schwer rückwirkend objektivierbare, aber durch Vorgeschichte und Befundkonstellation hinreichend gesicherte Virushepatitis B duchgemacht habe, sei die Gesamtheit aller Angaben, wobei die von der Klägerin beschriebene vorübergehende geringe Gelbfärbung der Haut und die noch im S ...-Krankenhaus nachgewiesene schwachpositive Urobilinogen-Probe gut zusammenpassten. Wissenschaftlich noch nicht geklärt sei, ob sog. "gesunde Carrier" ebenso wie "kranke Carrier" ein erhöhtes Risiko einer erneuten Erkrankung bzw. von Spätfolgen der Erkrankung hätten. Soweit die Hepatitis B als BK anerkannt werde, sei der andauernde Carrierstatus Folge und Dauerzustand bei annehmbar klinischer Inaktivität der Lebererkrankung. Versicherungsmedizinisch "ruhe" die BK. Eine eventuelle Aberkennung stehe nicht zur Diskussion.

Nach Ansicht der Klägerin sind die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 16.07.2001 und den Bescheid vom 02.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.06.1998 aufzuheben und das Vorliegen einer BK Nr. 60 der Liste der Berufskrankheiten der DDR festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine überdurchschnittliche berufseigentümliche Infektionsgefährdung der Klägerin insbesondere wegen der Kürze der abgeleisteten Praktika bezweifelt. Als mögliche außerberufliche Infektionsquelle komme zudem eine zahnärztliche Behandlung im September/Oktober 1984 in Betracht. Insbesondere fehle es an einer gesicherten Diagnose einer akuten Virushepatitis. Die im Berufungsverfahren genannten Laborwerte von 1985 könnten eine akute Virushepatitis nicht bestätigen. Zudem komme die Anerkennung der geltend gemachten BK nur für die Zeit der akuten Erkrankung in Betracht.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 03.07.2003, 02.06.2003 und 25.02.2004 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, da das gemäß § 155 Abs. 4, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Einverständnis vorliegt.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin leidet an einer BK Nr. 60 der Anlage zur Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten - Liste der Berufskrankeiten - vom 21.04.1981 (Liste der Berufskrankheiten der DDR) i. V. m. § 221 S. 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (AGB/DDR - GBl DDR Teil I Nr. 18/1977).

Nach § 1150 Abs. 2 RVO, der gem. §§ 212, 215 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) weiterhin anzuwenden ist, sind Unfälle und Krankheiten, die vor dem 01.01.1992 eingetreten sind, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten i. S. des Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entschädigen, wenn sie nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren.

Entscheidend für den Eintritt einer Berufskrankheit ist der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles (Kassler Kommentar § 1150 RdNr. 2). Darunter ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren soll, somit der Zeitpunkt, zu dem der Gesundheitsschaden eingetreten ist, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der Berufskrankheit erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand August 2002, E § 9 SGB VII, Rdnr. 42 Seite 97 m. w. N.).

Vorliegend kann der Versicherungsfall nur vor dem 01.01.1992 eingetreten sein, da die im S ... -Krankenhaus L ... im Oktober 1985 durchgeführten Untersuchungen jedenfalls den Carrier-Status der Klägerin belegen mit der Folge, dass das Vorliegen einer aktiven Virushepatitis nur für vor diesem Zeitpunkt liegende Zeiträume im Betracht kommt.

Die Klägerin leidet an einer BK Nr. 60 BKVO-DDR (Krankheiten durch von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionserreger und Parasiten). Voraussetzung für die Anerkennung dieser BK war die Ausübung von Tätigkeiten, bei denen die Gefährdung hinsichtlich der Infektionskrankheit oder parasitären Krankheit berufseigentümlich und im einzelnen Erkrankungsfall nachweisbar oder durch epidemiologische Untersuchungsergebnisse belegt war. Dabei war im Einzelfall der Nachweis der überdurchschnittlichen berufseigentümlichen Infektionsgefährdung ausreichend, wobei der Nachweis der einzelnen Infektionsquelle, wenn irgend möglich, zu führen war. Er war aber nicht Bedingung für die Bejahung des Zusammenhanges zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit, wenn die epidemiologische Situation genügend geklärt und der Infektionsquellennachweis nach Lage der der Dinge nicht zu erbringen war (Konetzke,G: Mitteilung der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten, Berlin 1974, abgedruckt in: Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer [1945 - 1990], Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin, Sonderschrift 4, Anhang B, S. 273). Bei lebergesunden Trägern von Hepatitis-B-Virusmarkern erfolgte keine Anerkennungsempfehlung, da keine Leberkrankheit und somit auch keine Berufskrankheit vorliege; die Diagnose einer akuten Virushepatitis musste klinisch und bochemisch gesichert sein (Schimmelpfennig/Konetzke/Lun, Virushepatatitis als Berufskrankheit, Zeitschrift für klinische Medizin 1986, S. 805 ff.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die Klägerin war zum einen im Rahmen der von ihr abgeleisteten Praktika einer berufseigentümlichen Gefährdung ausgesetzt. Das Gericht hat keine Bedenken, trotz der relativ kurzen Zeitdauer der gefährdenden Tätigkeit der Einschätzung von Dr. K1 ... zu folgen, der im Gutachten vom 07.07.2003 eine reale und im Vergleich zur Bevölkerung überdurchschnittliche Infektionsgefährdung der Klägerin für Hepatitis B beschrieben hat, angesichts derer ein Infektionsquellennachweis nicht zu fordern sei. Bestätigt wird dies durch die gewerbeärztliche Stellungnahme vom 10.02.1997, der auch die Beklagte in ihrem Bescheid vom 02.07.1997 folgte.

Des Weiteren geht das Gericht ebenso wie Dr. K1 ... davon davon aus, dass die Klägerin im zweiten Halbjahr 1985 an einer akuten Virushepatitis B erkrankt war. Insoweit kann, wie Dr. K1 ... in seiner Stellungnahme vom 11.05.2004 nochmals schlüssig und für das Gericht überzeugend dargelegt hat, aus der Gesamtheit aller Angaben - der von der Klägerin beschriebenen geringen Gelbfärbung der Haut im August 1985, dem Arztbrief der Ärzte des S ...-Krankenhauses vom 14.10.1985 mit der Diagnose "abgeklungene Virushepatitis B" und der im Oktober 1995 erhobenen Befunde - auf das Vorliegen einer zwar leichten, aber akuten Hepatitis-B-Erkrankung geschlossen werden. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen ist eine Fortdauer der akuten Erkrankung für die Anerkennung der BK nicht erforderlich. Dr. K1 ... hat hierzu in seiner Stellungnahme vom 11.05.2004 klargestellt, dass nach dem Recht der DDR zwar eine akute Erkrankung für die Anerkennung der BK erforderlich war, bei Abklingen derselben und nachfolgendem Carrierstatus eine Aberkennung der BK jedoch nicht erfolgt sei.

Das Vorliegen einer außerberuflichen Infektion ist nicht anzunehmen. Zwar befand sich die Klägerin im Oktober 1984 in zahnärztlicher Behandlung; allein hieraus kann entgegen den Ausführungen der Beigeladenen jedoch nicht geschlossen werden, dass ein hohes außerberufliches Infektionsrisiko bestand. Vielmehr war nach der Verwaltungspraxis der DDR ein hohes außerberufliches Infektionsrisiko insbesondere dann anzunehmen, wenn in der Familie, der Hausgemeinschaft oder im Freundes- und Bekanntenkreis im fraglichen Inkubationszeitraum eine entsprechende Erkankung aufgetreten war. In derartigen Fällen war zu prüfen, wie hoch das berufliche bzw. außerberufliche Risiko einzuschätzen war (Schimmelpfennig, Konetzke, Lun, aaO.). Eine dem entsprechende Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Eine von der Verwaltungspraxis der DDR abweichende Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten BK wäre nach Ansicht des Gerichtes nicht möglich. Insoweit hat der Senat bereits mehrfach (z. B. Urteil vom Urteil vom 15.11.2001, L 2 U 47/96; Urteil vom 01.04.2004, L 2 U 84/03) darauf hingewiesen, dass über § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO den Versicherten im Beitrittsgebiet für eine Übergangszeit Bestandsschutz gewährt werden sollte und dass die Versicherten in dem Umfang geschützt sein sollten, in dem ihnen das bisherige Recht Ansprüche zuerkennen wollte. Prüfungsmaßstab kann somit nur die Frage sein, ob die Versicherten, wenn das Feststellungsverfahren noch vor dem 01.01.1991 abgeschlossen gewesen wäre, mit der Zuerkennung des geltend gemachten Anspruchs hätten rechnen dürfen. Dies ist hier angesichts der Ausführungen von Dr. K1 ... im Gutachten vom 07.07.2003 bzw. der Stellungnahme vom 11.05.2004 zu bejahen.

Die Beigeladene ist der für die Entschädigung der BK zuständige Unfallversicherungsträger. Nach Anlage I Kap. VIII Sachgebiet I Abschn. III Nr. 1 Buchst. c Abs. 8 Nr. 2 EinigVtr wurden die Träger der Unfallversicherung ab 01.01.1991 im Beitrittsgebiet (Art. 3 EinigVtr) für die Durchführung der Aufgaben der Un- fallversicherung zuständig. Nach Anlage I Kap. VIII Sachgebiet I Abschn. III Nr. 1 Buchst. c Abs. 8 Nr. 2 Buchst. aa Satz 2 EinigVtr wurden die Arbeitsunfälle numerisch nach Geburtstag und -monat des Leistungsempfängers, innerhalb eines Geburtstages alphabetisch nach dem Familiennamen auf die Träger der Unfallversicherung verteilt. Dementsprechend hat der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften gemäß Anlage I Kap. VIII Sachgebiet I Abschn. III Nr. 1 Buchst. c Abs. 8 Nr. 2 Buchst. bb EinigVtr eine Liste über die "Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger - Arbeitsunfälle/Berufskrankheiten bis 31.12.1990", abgedruckt in Petri ua., Leistungsgewährung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in den neuen Bundeslandern, 1993, S. 93 erstellt (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.1999, Az. B 2 U 8/98 R). Hiernach ist die Beigeladene für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten von Versicherten mit Geburtstag ab 23.02. Schröder/Ida bis 20.03. zuständig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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