S 7 (27) KR 48/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (27) KR 48/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 für den Zeitraum vom 19.10.2000 bis 28.10.2000 sowie vom 10.12.2000 bis 26.12.2001 und vom 18.01.2002 bis 14.03.2002 Krankengeld unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe des Krankengeldes.

Der am 19.07.1950 geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Schlosserausbildung und einer im Jahre 1972 durchgeführten Umschulung zum Schweißer bei verschiedenen Arbeitgebern tätig. Zuletzt arbeitete er als Schweißer bei der Firma T. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers. In diesem Zusammenhang kam es zu einem Klageverfahren zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Siegburg (AZ: 4 Ca 4103/99 G), das am 08.03.2000 durch einen gerichtlichen Vergleich endete. In dem Vergleich wurde u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 30.09.2000, die genaue Höhe des Stundenlohnes bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und die Höhe einer Abfindung vereinbart. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vergleiches wird auf Blatt 76 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Unter dem 29.09.2000 schloss der Kläger dann mit der H mbH (H) einen auf den Zeitraum vom 01.10.2000 bis 30.09.2002 befristeten Anstellungsvertrag. Nach dem Inhalt der Präambel zu diesem Vertrag war es Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses, die Chancen des Klägers zur dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern. Nach § 2 des Vertrages galten die Bedingungen der "Strukturkurzarbeit Null" gemäß § 175 SGB III. In dem Vertragszeitraum hatte der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Auszahlung des auf der Basis von 80 % des Bemessungsentgeltes berechneten Strukturkurzarbeitergeldes als Leistung des Arbeitsamtes sowie auf gewisse zusätzliche Leistungen (z.B. Urlaubs- und Feiertagsentgelt), die von dem ehemaligen Arbeitgeber zu finanzieren waren. Zu den weiteren Einzelheiten bezüglich der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus dem Vertrag vom 29.09.2000 wird auf Blatt 71 bis 74 sowie 116/117 der Gerichtsakte verwiesen. Tatsächlich erhielt der Kläger von der H in der Zeit von Oktober 2000 bis März 2001 die auf Blatt 26 der Verwaltungsakte ausgewiesenen Zahlungen. In dem Zeitraum von März 2002 bis September 2002 wurden ihm die Beträge gezahlt, die auf Blatt 117 der Gerichtsakte genannt sind. Vom 27.12.2001 bis zum 17.01.2002 absolvierte er eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung und bezog in diesem Zusammenhang Übergangsgeld. In der Zeit vom 01.10.2000 bis 15.10.2000 sowie vom 19.10.2000 bis 28.10.2000 zahlte die Beklagte dem Kläger Krankengeld. Nach einer kurzen Unterbrechung zahlte sie wiederum Krankengeld für die Zeit vom 10.12.2000 bis 14.03.2002 ausschließlich des Zeitraumes, für den der Kläger Übergangsgeld vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Bei der Berechnung des Krankengeldes legte sie für die Zeit vom 28.09.2000 bis 15.10.2000 die bei der Firma T erzielten Verdienste in den Monaten Juni, Juli und August des Jahres 2000 unter Berücksichtigung der in den letzten 12 Monaten bezogenen Einmalzahlungen zugrunde, woraus sich ein Regelentgelt in Höhe von 152,43 EUR ergab. Für die Zeit ab dem 19.10.2000 zahlte sie dem Kläger ein niedrigeres Krankengeld und zwar in einer Höhe von 90 % des vom Arbeitsamt zu gewährenden Kurzarbeitergeldes. Nach dem 30.09.2002 war der Kläger arbeitslos gemeldet und bezog Leistungen des Arbeitsamtes. Hinsichtlich der Höhe der seit dem 01.10.2002 gezahlten Beträge durch das Arbeitsamt ist ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg unter dem AZ: S 16 AL 2/03 anhängig, welches im Hinblick auf das vorliegende Klageverfahren im Einverständnis der Beteiligten ruhend gestellt wurde.

Die vorstehend beschriebenen Krankengeldzahlungen erfolgten vor folgendem medizinischen Hintergrund: Seit 1998 litt der Kläger zunehmend unter linksseitigen, teilweise aber auch rechtsseitigen Schulterbeschwerden. Im Mai 2000 wurde eine arthroskopische Operation der linken Schulter bei festgestellter kleiner Rotatorenmanschettenruptur sowie eines älteren Abrisses der langen Bizepssehne und Verschleiß des Acromialgelenkes durchgeführt. Am 26.07.2000 kam es zu einem Arbeitsunfall des Klägers, bei dem sich dieser im Rahmen eines Treppensturzes eine Verletzung des rechten Schultergelenkes zuzog (Ein in der Folgezeit gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durchgeführtes Klageverfahren im Hinblick auf die aus dem Arbeitsunfall resultierenden Leistungsansprüche, welches vor dem Sozialgericht Duisburg unter dem AZ: S 6 (17) U 153/01 geführt wurde, endete am 06.08.2003 durch Klagerücknahme.). Nach dem Arbeitsunfall befand sich der Kläger bei dem Orthopäden Dr. B in Behandlung. Am 07.08.2000 wurde ein Magnetresonanztomographie des rechten Schultergelenkes in der Praxis Q/S in P durchgeführt. Für die Zeit vom 28.09.2000 bis zum 15.10.2000 bescheinigte der praktische Arzt Dr. I dem Kläger Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Entzündung des linken Schultergelenkes. Am 18.10.2000 bescheinigte Dr. B dann durchgehend weitere Arbeitsunfähigkeit wegen einer Bursitis der rechten Schulter, eines Impingementsyndroms der rechten Schulter sowie einer chronisch rezidivierenden Cervicobrachial- und Lumboischialgie. In der Zeit vom 30.11.2000 bis 08.12.2000 kam es zu einem stationären Krankenhausaufenthalt des Klägers im N. Dort wurde eine offene Schulterrevision rechts mit einer Acromioplastik nach Neer durchgeführt, wobei der Kläger postoperativ mit einem Thorax-Abduktionsgips bis zum 15.01.2001 versorgt wurde.

Im Juli 2001 wandte er sich gegen die Absenkung der Höhe des Krankengeldes an die Beklagte. Darin vertrat er die Auffassung, es liege ein durchgehender Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit vor. Er bat um Überprüfung der Höhe der Zahlungen sowie um Konkretisierung der Zahlungszeiträume, da die H überzahltes Arbeitsentgelt zurückgefordert habe. Demgegenüber wies die Beklagte darauf hin, dass aus ihrer Sicht am 18.10.2000 eine neue Zeit der Arbeitsunfähigkeit begonnen habe, nachdem die vorhergehende Arbeitsunfähigkeitszeit am 15.10.2000 beendet gewesen sei. Aus diesem Grunde liege ein neuer Anspruch auf Zahlung von Krankengeld, einen Tag nach der ärztlichen Feststellung gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V vor. Dieser Anspruch bestünde jedoch zunächst lediglich bis zum 28.10.2000, da ab dem 29.10.2000 eine maximal sechswöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber beginne. Aufgrund dessen ruhe der Anspruch vom 29.10. bis 09.12.2000. Die Berechnung der Höhe des Krankengeldes richte sich nach der Höhe des Kurzarbeitergeldes. Dagegen wandte der Kläger ein, dass das Krankengeld nach seiner Auffassung nicht unter Zugrundelegung des Kurzarbeitergeldes zu zahlen, sondern nach der Höhe des zuletzt bei der Firma T erzielten Arbeitsentgeltes zu berechnen sei. Dies ergebe sich entweder bei Annahme einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit aus § 47 SGB V oder alternativ bei nicht durchgehender Arbeitsunfähigkeit aus § 47 b Abs. 3 SGB V, wonach bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Kurzarbeitergeld für die Berechnung der Höhe des Krankengeldes ebenfalls das zuletzt vor dem Arbeitsausfall erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei. Zu einer Lücke im Nachweis der Arbeitsunfähigkeitszeiten zwischen den Bescheinigungen des Dr. I und des Dr. B sei es nur deswegen gekommen, weil Dr. B den Kläger terminlich nicht früher habe behandeln können.

Mit Bescheid vom 10.10.2001 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines höheren Krankengeldes bzw. Gewährung von Krankengeld in einem größeren zeitlichen Umfang ab. Grundsätzlich bestehe ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in der Zeit vom 28.09.2000 bis 15.10.2000 sowie vom 19.10.2000 bis 28.10.2000 und dann wieder vom 10.12.2000 an. Die erste Unterbrechung ergäbe sich daraus, dass erst am 18.10.2000 eine weitere Arbeitsunfähigkeit durch Dr. B bescheinigt worden sei. Die weitere Unterbrechung bis zum 10.12.2000 beruhe darauf, dass Krankengeld erst nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf Grundlage des neuen Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden könne. Zur Begründung wurde insoweit maßgebend auf das Ende der Beschäftigung bei der Firma T zum 30.09.2000 und den Beginn der Beschäftigung bei der H zum 01.10.2000 abgestellt, was insbesondere nach der einheitlichen Beurteilung der Spitzenverbände der Krankenkassen automatisch zu dem Beginn eines neuen Mitgliedschaftsverhältnisses zum 01.10.2000 geführt habe. Eine Fortzahlung des Krankengeldes unter Zugrundelegung des Verdienstes aus der "alten" Beschäftigung sei dafür nur bis zum 15.10.2000 möglich. Über diesen Zeitpunkt hinausgehend sei keinesfalls eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit belegt. Denn insoweit bestünde nicht nur eine zeitliche Lücke zwischen den beiden maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die Bescheinigung wiesen auch inhaltlich unterschiedliche Diagnosen nämlich einmal bezogen auf die rechte und einmal bezogen auf die linke Schulter aus. Selbst eine rückwirkende Feststellung einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeitszeit würde wegen der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V keine andere Beurteilung rechtfertigen. Ob die H gegenüber dem Kläger ihrerseits Rückforderungsansprüche geltend mache, betreffe das Verhältnis des Klägers zu der Beklagten nicht.

Gegen den Bescheid vom 10.10.2001 ging der Kläger zunächst nicht vor. Er stellte jedoch am 03.12.2001 einen Antrag auf Überprüfung, weil nach seiner Auffassung die Höhe des Krankengeldes nicht zutreffend berechnet worden sei. Zur Begründung bezog er sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen. Mit Bescheid vom 28.02.2002 erklärte die Beklagte daraufhin den Widerspruch für zulässig, weil der Bescheid vom 10.10.2001 eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Inhaltlich behielt sie jedoch ihre bisherige Rechtsauffassung bei. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger ergänzend geltend, dass nicht das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen, sondern die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Beurteilung des Falles verbindlich sei. Nach dieser Rechtsprechung werde bei einem einheitlichen Versicherungsfall als Bezugspunkt für die Berechnung des Krankengeldes die letzte Beschäftigung zugrundegelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie darin aus, dass in der hier vorliegenden Fallkonstellation unter Berücksichtigung von § 186 Abs. 1 SGB V die Rechtsprechung des BSG der Entscheidung der Beklagten nicht entgegen stehe.

Am 05.04.2002 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der er sein Begehren auf Zahlung eines höheren Krankengeldes über den 18.10.2000 hinaus weiter verfolgt. Er beansprucht die Berechnung des Krankengeldes nach der Höhe des Regelentgelts, welches sich aus seinem Verdienst vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 28.09.2000 ergibt. Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen weiterhin darauf, dass eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit nur zufällig aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten nicht bescheinigt worden sei. Tatsächlich habe lückenlos Arbeitsunfähigkeit bestanden, weil die Beschwerden an der linken Schulter nicht mit dem 15.10.2000 ausgeheilt gewesen seien. Die Krankschreibung des Dr. B aufgrund der Beschwerden in der rechten Schulter habe allein abrechnungstechnische Gründe gehabt, da Herr Dr. B den Kläger ab dem 18.10.2000 zunächst nur wegen der Beschwerden in der rechten Schulter aufgrund des Arbeitsunfalles habe behandeln wollen. Andererseits habe Dr. I, den der Kläger aufgesucht habe, nachdem er zunächst keinen Termin bei Dr. B bekommen hatte, zunächst nur die linke Schulter behandeln wollen, weil er kein Durchgangsarzt sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 zu verurteilen, ihm für die Zeiträume vom 19.10.2000 bis 28.10.2000 sowie vom 10.12.2000 bis 26.12.2001 und vom 18.01.2002 bis zum 14.03.2002 Krankengeld unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Kläger wegen des Beginns des neuen Beschäftigungsverhältnisses am 01.10.2000 keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld auf Grundlage des Verdienstes aus dem vorangegangenen Beschäftigungsverhältniss über den 15.10.2000 hinaus habe. Jede andere Beurteilung führe zu einer Besserstellung gegenüber den Kollegen, die mit dem Kläger gleichzeitig bei der Firma T ausgeschieden seien und bei fehlender Erkrankung nur strukturelles Kurzarbeitergeld erhalten hätten. Ferner ergebe sich auch aus den beigezogenen Befundberichten des Dr. B und des Dr. I, dass keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Die Vorschrift des § 47 b Abs. 3 SGB V hält die Beklagte für nicht anwendbar. Hierzu führt sie aus, die Zahlung von Krankengeld verfolge den Zweck der Lebensstandardsicherung. Selbst wenn dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich hervorgehe, dürfe ein Arbeitsunfähiger in keinem Fall besser gestellt werden, als der Arbeitsfähige. Dies ergebe sich auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. I, Dr. B und Q/S eingeholt. Ferner sind die Akten der beim Sozialgericht Duisburg anhängigen bzw. anhängig gewesenen Verfahren mit den Az: S 6 (17) U 153/01, S 22 SB 58/01 sowie S 16 AL 2/03 beigezogen worden. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Bescheide vom 10.10.2001 und 28.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2002 sind rechtswidrig, soweit die Beklagte darin die Berechnung der Höhe des Krankengeldes für die fraglichen Zeiträume unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR abgelehnt hat. Der Anspruch des Klägers auf Berechnung seines Krankengeldes unter Zugrundelegung des vorgenannten Regelentgeltes ergibt sich aus §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 2 sowie 47 b Abs. III SGB V.

Dem Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen steht zunächst nicht entgegen, dass sich der Kläger erst im Juli 2001 mit seine Begehren an die Beklagte gewandt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Berechnung bzw. die Höhe des Krankengeldanspruches noch nicht bestandskräftig festgestellt. Die Bewilligung von Krankengeld stellt zwar einen Verwaltungsakt dar (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 44 SGB V Rz. 27 m.w.N.) und kann daher grundsätzlich in Bestandskraft erwachsen. Nach den Umständen des Falles hat die Beklagte dem Kläger hier das Krankengeld aber ab dem 19.10.2000 nicht aufgrund von mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen formellen Bescheiden sondern auf andere Weise bewilligt, so dass eine Bestandskraft der Entscheidungen bis zum Juli 2001 noch nicht eingetreten war.

Die Voraussetzungen für die Gewährung eines höheren Krankengeldes sind erfüllt.

Dem Grunde nach setzt der Anspruch des Klägers auf Krankengeld gem. § 44 Abs. 1 SGB V zunächst die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit nach dem 18.10.2000 voraus. Hiervon gehen die Beteiligten überstimmend aus. Auch nach Überzeugung der Kammer war der Kläger in den hier fraglichen Zeiträumen zwischen dem 18.10.2000 und dem 15.03.2002 arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB V. Von Bedeutung ist dabei jedoch die von den Beteiligten nicht problematisierte Frage, welcher Maßstab für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers anzulegen ist, d.h. aufgrund welcher Bezugstätigkeit die Arbeitsunfähigkeit bestimmt werden muss. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu insbesondere die Urteile vom 19.09.2002, AZ: B 1 KR 32/01 R u.a.) ist insoweit maßgebend, woran die den Krankengeldanspruch vermittelnde Versicherteneigenschaft im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit anknüpfte. Im Einklang mit der Auffassung der Beklagten ist dies im vorliegenden Fall die Beschäftigung im Rahmen des Anstellungsvertrages zwischen dem Kläger und der H seit dem 01.10.2000. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er insbesondere wegen seiner Schulterbeschwerden objektiv seit dem 28.09.2000 nicht in der Lage gewesen ist, seine Tätigkeit bei der Firma T als Schweißer zu verrichten, ist wegen des zwischenzeitlichen Abschlusses des Anstellungsvertrages mit der H eine Änderung der Bezugstätigkeit eingetreten. Die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus der Tätigkeit bei der Firma T bestand aufgrund des Bezuges von Krankengeld gem. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur bis zum 15.10.2000 fort. Da nach dem 15.10.2000 die Arbeitsunfähigkeit nicht durchgehend weiter festgestellt war, bzw. die Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht rechtzeitig angezeigt wurde, führte dies zu einem Ruhen des Anspruches nach § 49 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V. Für eine Fortdauer eines Versicherungsverhältnisses aus einer Beschäftigung reicht jedoch ein Krankengeldanspruch dem Grunde nach nicht aus (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 192 SGB V Randziffer 18/19, 11 m.w.N.). Ein Fortbestehen der Mitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung bei der Firma T kommt nach Überzeugung der Kammer auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 192 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in Betracht. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger und die Firma T bzw. die H die Zahlung des Kurzarbeitergeldes von der rechtlichen Konstruktion her ausdrücklich im Rahmen eines neuen, von dem bisherigen Beschäftigungsverhältnis rechtlich unabhängigen Anstellungsvertrages regeln wollten. Nach Auffassung der Kammer ist demnach als Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 18.10.2000 hier also von der Tätigkeit bzw. Beschäftigung bei der H auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 29.09.2000 auszugehen.

Dies führt jedoch im Ergebnis nicht zu einem Nachteil für ihn, da auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabes von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen ist. Problematisch ist insoweit zwar, dass nach den Ausführungen der H in dem Schreiben vom 09.11.2004 sämtliche Mitarbeiter und damit auch der Kläger im Rahmen des befristeten Anstellungsvertrages keine klassische Arbeitsleistung erbrachten, da sie Strukturkurzarbeit Null gem. § 175 SGB III (heute § 216 b SGB III) verfuhren. Dies führt nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht dazu, dass letztlich auch die für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit heranzuziehenden körperlichen Anforderungen der Tätigkeiten auf ein Minimum zu reduzieren wären. Maßgebend sind vielmehr die Tätigkeiten heranzuziehen, die auf Grundlage des Arbeitsvertrages von dem Kläger zu verlangen gewesen wären; und zwar auch dann, wenn ihm diese nicht konkret abverlangt wurden. Nur so wird man nach Auffassung der Kammer den Besonderheiten gerecht, die sich aus einer Anstellung im Rahmen von Kurzarbeit Null in einer Beschäftigungsgesellschaft ergeben. Nach dem Inhalt dieses Vertrages war der Kläger nicht von der Verpflichtung jeglicher Arbeitsleistung freigestellt. So gehörte es nach § 3 des Vertrages zu seinen Pflichten, an den angebotenen Veranstaltungen/Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Diese Tätigkeiten waren im Falle des Klägers nicht nur leichter Art. Nach den Ausführungen der H in dem Schreiben vom 09.11.2004 unter Ziffer 4 handelt es sich insoweit nicht nur um Orientierungs- und Feststellungsmaßnahmen, sondern auch um Qualifizierungen in seinem bisherigen Berufsbereich, d.h. bsplw. Erwerb weiterer Prüfungszeugnisse bzw. Zertifikate im Schweißerbereich. Zu derartigen Qualifizierungsmaßnahmen musste der Kläger nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages grundsätzlich in der Lage sein, um seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Dementsprechend war das Tätigkeitsprofil, welches für die Tätigkeit bei der H zugrunde zu legen ist, nicht nur körperlich leichter Art, sondern anzulehnen an das Anforderungsprofil, welches der bisherigen Tätigkeit bei der Firma T entsprach. Abstriche sind insoweit lediglich hinsichtlich der zeitlichen Intensität zu machen, da der Erwerb von Zertifikaten im Schweißbereich keine körperlichen Anforderungen im Sinne einer vollschichtigen Schweißertätigkeit stellt. Zu fordern ist jedoch zumindest eine wenn nicht vollwertige so doch jedenfalls grundsätzliche Belastbarkeit beider Schultergelenke. Diese war bei dem Kläger jedoch jedenfalls in der Zeit nach dem 18.10.2002 nicht mehr gegeben. Hiefür stützt sich die Kammer auf die im laufenden Verfahren beigezogenen ärztlichen Befunde, insbesondere des behandelnden Arztes Dr. I vom 05.11.2002 und des Dr. B vom 30.07.2002 (Bl. 35/40 GA) sowie auf die Ausführungen in den Gutachten des Dr. X vom 10.12.2002 bzw. des Dr. I2 vom 03.03.2003 (vgl. dazu Akte Sozialgericht Duisburg Az.: S 6 (17) U 153/01). Unter Berücksichtigung der vorstehend benannten Befunde und dem Ergebnis des stationären Krankenhausaufenthaltes zwischen dem 30.11.2000 bis zum 08.12.2000 ist nach Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass jedenfalls ab Oktober 2000 die Verschleißerscheinungen an beiden Schultergelenken so stark fortgeschritten waren, dass eine Belastbarkeit für Schweißertätigkeiten in nennenswertem Umfang und damit auch für kürzere Qualifizierungsmaßnahmen nicht mehr gegeben war. Denn die behandelnden Ärzte hielten in ihren Befundberichten nur allenfalls noch leichte körperliche Arbeiten für zumutbar. Aus den genannten Gutachten ergibt sich unter Berücksichtgung des Ergebnisses der stationären Krankenhausbehandlung im N in P eine ausgeprägte Bewegungsstörung und Belastungsinsuffizienz beider Schultergelenke. Dass sich diese Gesundheitsstörungen im Verfahren gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zugunsten des Klägers auswirkten steht der Beurteilung im vorliegenden Fall nicht entgegen, denn die Ursache einer Gesundheitsstörung ist für den Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung anders als in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich.

Dem Grunde nach liegt damit ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Krankengeld in den streitbefangenen Zeiträumen vor. Denn auch vom zeitlichen Umfang her war sein Leistungsanspruch jedenfalls vor dem 14.03.2002, nicht erschöpft (vgl. § 48 SGB V).

Der Höhe nach steht der geltend gemachte Anspruch dem Kläger ebenfalls in vollem Umfang zu. Daraus, dass nach dem Inhalt der vorstehenden Ausführungen Bezugspunkt für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach nicht die Beschäftigung bei der Firma T, sondern bei der H gewesen ist, folgt nicht automatisch, dass Anknüpfungspunkt für die Höhe des Krankengeldes ebenfalls die Beschäftigung bei der H sein muss. Denn die Berechnung der Höhe des Krankengeldes ergibt sich im vorliegenden Fall nicht – wie normalerweise – ausschließlich aus § 47 SGB V, sondern entscheidend aus der Spezialregelung des § 47 b Abs. III SGB V. Insofern folgt die Kammer der Argumentation des Klägers. Nach der zuletzt genannten Vorschrift erhalten Versicherte, die während des Bezuges von Kurzarbeiter- oder Winterausfallgeld arbeitsunfähig erkrankt sind, Krankengeld nach dem regelmäßigen Arbeitsentgelt, das zuletzt vor Eintritt des Arbeitsausfalls erzielt wurde (Regelentgelt). Diese Voraussetzungen liegen – was auch von der Beklagten nicht bestritten wird – dem Wortlaut nach vor. Denn wenn man hier – wie vorstehend ausgeführt – von einer Unterbrechung des Krankengeldbezuges ausgeht, der eine Veränderung der Grundlage des Versicherungsverhältnisses des Klägers bewirkt, muss zwangsläufig auch bejaht werden, dass die Arbeitsunfähigkeit während des Bezuges von Kurzarbeitergeld im Sinne von § 47 b Abs. 3 SGB V eingetreten ist.

Die Anwendung des § 47 b Abs. III SGB V ist nicht dadurch gehindert, dass sich möglicherweise abweichend von der gedachten gesetzgeberischen Konzeption die Kurzarbeit hier nicht im Rahmen des ursprünglichen Beschäftigungsverhältnisses, sondern im Rahmen eines durch einen neuen Anstellungsvertrag begründeten Beschäftigungsverhältnisses (nämlich bei der H) vollzogen hat. Denn insoweit handelte es sich lediglich um eine besondere formale Ausgestaltung bzw. Abwicklung der Strukturkurzarbeit Null, die in der Rechtspraxis üblich ist (vgl. dazu Spellbrink/Eicher, Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003 § 18 Rz. 20, 24/25) und keine inhaltlichen Unterschiede zur "normalen" Kurzarbeit im Rahmen des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses aufweist, so dass eine abweichende Behandlung derartiger Fälle nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu auch Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12.04.2002, AZ: S 75 KR 4408/00, Randziffer 16).

Die in der Literatur vertretene Gegenansicht (vgl. Pivit, Höhe des Krankengeldes bei struktureller Kurzarbeit gem. § 175 SGB III, NZS ´03, 472-475) überzeugt die Kammer nicht. Die dortigen Ausführungen bestätigen vielmehr, dass es sich bei der Regelung in § 47 b Abs. 3 SGB V letztlich um eine vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Spezialregelung handelt, die eine Ausnahme zu dem in § 47 SGB V zugrunde gelegten Grundsatz der "strengen" Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes darstellt. Dies wird gerade durch die in dem Aufsatz beschriebene historische Entwicklung der Vorschrift aus der Regelung des § 164 AFG belegt. Daher greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch, dass der Kläger durch die hier vertretene Auffassung, was die Höhe des Krankengeldanspruches angeht, besser gestellt wird, als die Versicherten, die ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis mit der H standen, jedoch anders als der Kläger nicht erkrankten. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des § 47 b Abs. 3 SGB V kommt insbesondere eine von der Autorin geforderte teleologische Reduktion der Regelung nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht. Denn dies wäre nur dann möglich, wenn durch die einschränkende Auslegung das eigentliche Ziel der Regelung verwirklicht werden könnte. Ziel der Regelung war es jedoch, wie sich gerade aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. V/2291 S. 90 zu § 161 AFG) ergibt, den Versicherten, die Kurzarbeitergeld beziehen – ggf. in Abweichung zu den üblichen Berechnungsvorschriften – nicht nur den Entgeltersatz im Hinblick auf die im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit aktuell bezogenen Leistungen der Arbeitsverwaltung zu sichern, sondern in jedem Fall die Zahlung eines ausreichenden Krankengeldes sicher zu stellen, wobei schon damals vom Gesetzgeber gesehen und ausdrücklich in Kauf genommen wurde, dass dadurch in manchen Fällen zwangsläufig eine Privilegierung von arbeitsunfähigen Versicherten gegenüber arbeitsfähigen Beziehern von Kurzarbeitergeld eintreten kann. Insofern widerspricht die Entscheidung der Kammer auch nicht der Rechtsprechung des BSG in Bezug auf die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes (vgl. insbesondere Urteil des BSG vom 30.03.2004 Az. B 1 KR 32/02). Denn hier geht es um die Auslegung einer Spezialregelung, die eine Ausnahme von dem Prinzip des strengen Entgeltersatzes darstellt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der in dem vorstehend zitierten Aufsatz vertretenen Auffassung, das Krankengeld jedenfalls in Höhe des strukturellen Kurzarbeitergeldes und nicht, wie von der Beklagten tatsächlich umgesetzt, nur in Höhe eines Bruchteils dessen zu zahlen wäre.

Nach alledem steht fest, dass der Kläger zu Recht die Berechnung des Krankengeldes aufgrund des Verdienstes beansprucht, den er in dem Zeitraum vor Eintritt des Arbeitsausfalls, also zuletzt vor dem 28.09.2000 erzielt hat. Dies führt zur Gewährung eines Krankengeldes unter Zugrundelegung eines Regelentgeltes in Höhe von 152,43 EUR, welches die Beklagte auf Grundlage der bisher von dem Kläger vorgelegten Verdienstbescheinigungen in der Vergangenheit errechnet hat und an dessen Höhe die Kammer deswegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anlass hatte zu zweifeln.

Die Beklagte war nach Auffassung der Kammer dennoch nur dem Grunde nach zu verurteilen, die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, da für die fraglichen Zeiträume auch noch Zahlungen der H in Form von Kurzarbeiter- bzw. Arbeitsentgelt geleistet wurden, so dass insoweit die Vorschriften des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SGB V zur Anwendung gelangen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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