L 4 KR 96/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 124/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 96/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 26/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin über den 31.12.1998 hinaus bei der Beklagten versichert ist.

Die 1929 geborene Klägerin bezieht seit 01.11.1980 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist ab Antragstellung 30.07.1979 in der KVdR pflichtversichert. Die Rente wurde laut Auskunft der BfA ab 01.07.1994 in eine Regelaltersrente umgewandelt. Die Klägerin ist außerdem beihilfeberechtigte pensionierte Beamtin auf Lebenszeit und hat eine zusätzliche private Krankenversicherung. Mit Schreiben vom 28.09.1998 hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, ihr Versichertenverhältnis sei derart nachhaltig gestört, dass sie hiermit die fristgerechte Kündigung aussprechen müsse. Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 07.10.1998 die Bezirksfinanzdirektion (BFD) davon informiert, die Mitgliedschaft der Klägerin bei ihr ende zum 31.12.1998.

Nachdem die Klägerin aus der Rentenanpassungsmitteilung vom 01.07.1999 entnommen hatte, dass nach wie vor Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Rente abgezogen werden, forderte sie mit Schreiben vom 15.10.1999 diese Beiträge von der Beklagten zurück.

Die BfA teilte der Beklagten mit, nach ihrer Auffassung sei die Klägerin weiterhin als Rentnerin pflichtversichert. Die Beklagte schloss sich dieser Rechtsauffassung an und informierte die BfA hierüber. Gleichzeitig gab sie an, die Klägerin sei vom 01.01.1955 bis 29.07.1979 freiwilliges Mitglied bei ihr gewesen. Die BfA lehnte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2001 einen Anspruch auf Beitragszuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung wegen der weiter bestehenden Pflichtmitgliedschaft ab.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22.02.2001 mit, die bestehende Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner könne mit der ausgesprochenen Kündigung zum 31.12.1998 nicht beendet werden, da durch die Kündigung allein kein Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werde. Es müsse innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch Mitgliedbescheinigung nachgewiesen werden. Die Kündigungsbestätigung zum 31.12.1998 wurde für ungültig erklärt. Die Beklagte bat die BFD, ab 01.04.2001 die Beiträge aus Versorgungsbezügen direkt an sie abzuführen. Daraufhin teilte die BFD der Beklagten mit, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung würden ab Zahltag Juni 2001 rückwirkend zum 01.04.2001 abgeführt. Die Beklagte forderte daraufhin die Klägerin auf, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seit 01.01.1999 bis 31.03.2001 nachzubezahlen (Bescheid vom 07.05.2001). Die Klägerin äußerte hiergegen im Schreiben vom 07.05.2001 ihre Meinung, als beihilfeberechtigte Beamtin sei sie nicht gesetzlich pflichtversichert und erneuerte ihre fristlose Kündigung. Sie hat am 30.04. 2001 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die Beklagte hat die Klage auch als Widerspruch angesehen und dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2001 nur insoweit stattgegeben, als die Beitragsnachforderung nicht direkt von der Klägerin, sondern über die Zahlstelle des Versorgungsbezuges geltend zu machen sei. Ansonsten wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Kündigung der Pflichtmitgliedschaft sei gemäß § 175 Abs.4 Satz 2 SGB V nur dann wirksam, wenn innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse nachgewiesen werde. Diesen Nachweis könne die Klägerin nicht er- bringen, weil sie privat versichert sei. Für die Zeit vom 01.01. 1999 bis 31.03.2001 seien Beiträge aus Versorgungsbezügen zu entrichten. Die Klägerin sei verpflichtet, den von der Zahlstelle vorzunehmenden Beitragsabzug zu dulden.

Das Sozialgericht hat die Bezirksfinanzdirektion Augsburg beigeladen und die Klage mit Urteil vom 6. November 2002 abgewiesen. Die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung habe nicht durch die Kündigung zum 31.12.1998 geendet. Daher sei sie auch weiterhin grundsätzlich zur Beitragszahlung aus den Versorgungsbezügen im Zeitraum ab 01.01.1999 verpflichtet. Die Klägerin sei seit der Rentenantragstellung 30.07.1979 gemäß § 165 Abs.1 Nr.3 RVO pflichtversichert. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien erfüllt gewesen. Einen Antrag auf Befreiung habe die Klägerin 1979 weder gestellt noch stellen wollen. Sie habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie damals die gesetzliche Krankenversicherung wegen ihrer Erkrankung bewusst fortführen wollte. Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung könne nicht durch Kündigung beendet werden. Die am 30.09.1998 bei der Beklagten eingegangene Kündigung sei nicht wirksam geworden, weil gemäß § 175 Abs.4 Satz 2 und 4 SGB V eine Mitgliedschaftsbescheinigung bei einer anderen Krankenkasse innerhalb der Kündigungsfrist nicht eingegangen sei. Eine private Krankenversicherung sei nicht wählbar. Die Pflichtversicherung sei auch nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 13.10.1998 beendet worden. Es habe sich nicht um eine Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X gehandelt. Die Beklagte habe deshalb im Bescheid vom 22.02.2001 zutreffend festgestellt, dass das Schreiben vom 13.10.1998 ungültig sei. Die Beklagte sei auch berechtigt, in der Zeit vom 01.01.1999 bis 31.03.2001 Beiträge aus Versorgungsbezügen nachzuerheben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung, die die Klägerin unter anderem damit begründet, als Beihilfeberechtigte, die seit 1962 DKV-zusatzversichert ist, müsse sie die ihr angemessene Krankenversicherung bevorzugen. Es handele sich nicht um eine private Krankenversicherung, wenn der Staat einem Beamten gegenüber das Krankheitsrisiko zu 70 % abdecke. Eine DAK, die das Versicherungsverhältnis mit Anerkennung der Kündigung 1998 endgültig gelöst habe, und die bis heute null Leistung erbracht habe, könne nicht nach über zwei Jahren diese Kündigung widerrufen und rückwirkend Beiträge fordern. Ein vertrauensvolles Versicherungsverhältnis mit der DAK sei nicht mehr herstellbar. Außerdem verschlechtere die DAK ständig ihre Leistungen. Die Beklagte habe ein Recht auf Mitgliedschaft der Klägerin verwirkt. Darüber hinaus sei es ihr auch wegen ihrer persönlichen Situation unzumutbar, über den Beihilfeanspruch plus Quotentarif hinaus mit DAK-Beiträgen belastet zu werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2002 sowie die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten vom 22.02. 2001 und 07.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2001 aufzuheben und festzustellen, dass die Mitgliedschaft in der KVdR und bei der Beklagten zum 31.12. 1998 beendet worden ist und seitdem Versicherungsfreiheit besteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil entspreche der geltenden Rechtslage und sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei im Besitz einer gültigen Krankenversicherungskarte.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin weiterhin Mitglied der Beklagten ist und Beiträge aus ihren Versorgungsbezügen (durch die Zahlstelle) einzubehalten sind.

Die Klägerin wurde nach dem im Zeitpunkt der Rentenantragstellung geltenden § 165 Abs.1 Nr.3 RVO durch die Rentenantragstel- lung und den darauf folgenden Rentenbezug für den Fall der Krank- heit pflichtversichert. Die sog. Halbbelegung mit Mitgliedszeiten war gegeben. Eine Befreiungsmöglichkeit nach § 173a Abs.1 Satz 1 RVO wäre an § 173a Abs.1 Satz 2 RVO in der bis 31.12. 1982 geltenden Fassung gescheitert, weil die Klägerin während der letzten fünf Jahre vor Rentenantragstellung mehr als 52 Wochen bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war.

Die Mitgliedschaft endete nicht zum 31.12.1998. Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung kann nicht durch Kündigung beendet werden. § 175 Abs.4 SGB V regelt lediglich die Ausübung des Wahlrechts zwischen unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der Versicherungspflichtige an die Wahl der Krankenkasse mindestens zwölf Monate gebunden war (geltende Fassung 1998). Die Klägerin hatte 1998 gemäß § 175 Abs.4 Satz 2 SGB V lediglich die Möglichkeit, mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres die Mitgliedschaft bei der Beklagten zu kündigen und in eine andere gesetzliche Krankenkasse zu wechseln.

Nichts anderes als die Bestätigung dieser rechtlichen Möglichkeit bedeutet das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 13.10.1998. Es wird lediglich mitgeteilt, die Mitgliedschaft bei uns (= Beklagte) endet zum 31.12.1998. Die Kündigung ist jedoch gemäß § 175 Abs.4 Satz 4 SGB V nicht wirksam geworden, weil die Klägerin nicht innerhalb der Kündigungsfrist die Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse nachgewiesen hat. Die die Beihilfe ergänzende private Krankenversicherung reicht nicht aus. Die Beklagte hat deshalb mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22.02.2001 rechtmäßig festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR nicht beendet wurde. Der Zusatz "die Ihnen zugesandte Kündigungsbestätigung zum 31.12.1998 erklären wir hiermit für ungültig" wäre nicht erforderlich gewesen. Auch der Bescheid vom 17.05.2001, mit dem die Beklagte für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.03.2001 Beiträge aus Versorgungsbezügen zur Kranken- und Pflegeversicherung nachfordert, ist rechtmäßig. Nach § 237 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt (§ 237 Satz 1 Nr.2 SGB V). Diese Regelung war geltendes Recht 1998 und wurde auch bis jetzt nicht geändert. Gemäß § 229 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V sind Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-recht- lichen Dienstverhältnis der Rente vergleichbare Einnahmen. Der Bescheid vom 07.05.2001 ist nur insoweit zu beanstanden, als die Beklagte die Klägerin gebeten hat, die Nachforderung zu überweisen. Dies entspricht nicht § 256 Abs.1 Satz 1 SGB V. Danach haben nämlich für Versicherungspflichtige, die eine Rente der gesetzlichen Krankenversicherung beziehen, die Zahlstellen der Versorgungsbezüge die Beiträge aus Versorgungsbezügen einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse zu bezahlen. Da dies bereits im Widerspruchsbescheid korrigiert wurde und der Senat die Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides überprüft, braucht der Bescheid nicht geändert zu werden.

Der Einwand der Klägerin, Beiträge könnten deshalb nicht gefordert werden, weil sie ab 01.01.1999 auch keine Leistungen der Beklagten erhalten habe, ändert nichts an der Versicherungs- und Beitragspflicht. Die Klägerin hätte von der Beklagten Kostenerstattung unter der Voraussetzung des § 13 SGB V verlangen können und den Nachweis der von ihr in Anspruch genommenen Leistungen durch Abrechnung der Beihilfe bzw. der privaten Zusatzkasse ohne Probleme erbringen können.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzu- lassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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