L 14 R 32/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 532/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 32/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob die Beklagte im Rahmen des § 44 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) ihren Rentenbescheid vom 21.10.1998 teilweise zurückzunehmen und eine Rente wegen Berufsunfähigkeit seit 01.10.1987 anstatt ab 01.09.1995 zu zahlen hatte.

Die im Jahre 1938 geborene Klägerin, eine jugoslawische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Serbien, hatte in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) Beitragszeiten während einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben als Hausangestellte (Reinigungskraft) in dem Sanatorium W. bzw. der späteren Fachklinik für Orthopädie und Rheumatologie O. von August 1972 bis September 1987 zurückgelegt. Ab 01.10.1987 bezog sie Krankengeld und vom 14.12. 1987 bis 30.03.1988 sowie vom 12.05. bis 31.12.1988 Arbeitslosengeld. In Serbien war sie als selbständige Landwirtin von Januar 1989 bis November 1995 pflichtversichert und bezog nach serbischen Vorschriften ab 02.11.1995 eine Invalidenrente.

Auf den am 12.09.1995 bei der serbischen Verbindungsstelle in B. gestellten Rentenantrag bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 15.07.1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit bei einem Leistungsfall vom 25.01.1990 für die Zeit ab 01.09.1995, weil der Rentenantrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren (§ 99 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI -). Mit weiterem Bescheid vom 28.11.1997 wurde Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei einem Leistungsfall vom 14.08.1997 mit nachgewiesener Aufgabe der Landwirtschaft ab 01.09.1997 gewährt.

Zugrunde lagen hierbei ein äußerst kurzes Gutachten der Invalidenkommission N. vom 24.11.1995 mit den Diagnosen "(in den letzten Jahren behandelte) paranoide Schizophrenie, Übergewicht, arterieller Bluthochdruck und hypertensives Herz" und mit der Beurteilung, dass die Klägerin ab 01.11.1995 zu keinerlei Tätigkeit mehr fähig und daher invalide sei. Beigelegt war ein Bericht des Medizinischen Zentrums Z. zu einer ersten stationären Behandlung in Jugoslawien vom 25.01. bis 27.02.1990 wegen paranoider Wahnideen, einhergehend mit Ängstlichkeit, Insomnie und Hypobulie mit gewisser Besserung (minimierter psychopathologischer Inhalt) und Stabilisierung bei Entlassung. Vorgelegt hatte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Bezirkskrankenhauses K. vom 27.05.1987 über eine dortige stationäre Behandlung seit 14.05.1987 mit der Diagnose einer paranoiden Psychose. Aufgrund dieser Unterlagen und einer stationären Untersuchung der Klägerin in der Ärztlichen Gutachterstelle R. hatte dort der Psychiater Dr.A. das Gutachten vom 26.06.1997 erstellt mit den Diagnosen "Schizophrenie mit Defekt (deutlicher postpsychotischer Defekt mit Denkzerfahrenheit und Antriebsschwäche) und Übergewicht" mit der Folge einer seit 25.01.1990 aufgehobenen Leistungsfähigkeit.

Die Beklagte stellte weitere Ermittlungen an wegen eines bei ihr eingegangenen Hinweises des Schiedsgerichts der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 21.04.1998, dass im Jahre 1987 Gebrechlichkeitspflegschaft bestanden und daher ein früherer Versicherungsfall vorliegen könne. Beim Amtsgericht K. waren keine Unterlagen mehr vorhanden. Das Bezirkskrankenhaus K. übersandte mit Schreiben vom 23.09.1998 einen Arztbrief des zu ihr gehörenden Bezirkskrankenhauses K. vom 19.08.1985 (stationärer Aufenthalt vom 22. bis 30.07.1985 wegen depressiven Syndroms, keine Anhaltspunkte für fragliche Schizophrenie) und einen Bericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 14.12.1987 (depressives Syndrom, stationäre Aufnahme vom 14.05. bis 02.11.1987 aufgrund eines vorläufigen Unterbringungsbeschlusses gemäß § 1846 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei beantragter Pflegschaft, teilstationäre Behandlung vom 13. bis 23.11.1987, Unterbringung im Wohnheim bis 06.12.1987). In Letzterem wurde auf den zwischenzeitlichen Einzug der Klägerin in eine vom Bezirkskrankenhaus betreuten Wohngemeinschaft hingewiesen sowie darauf, dass sich die Klägerin inzwischen zusammen mit dem Sozialarbeiter Herrn M. um eine Arbeitsstelle bemühe und am Liebsten mit ihrem Sparbuch (Guthaben etwa 40.000,00 DM) über Weihnachten nach Jugoslawien fahren wolle; sie wünsche sich auch eine Rente, die aber von Seiten des Hauses nicht befürwortet werde; bezüglich der Medikation werde eine Umstellung auf Antidepressiva erwogen. Das Bezirkskrankenhaus K. wies in dem Schreiben vom 23.09.1998 die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin vom 14.05. bis 23.11.1987 in stationärer und weiterhin bis zu ihrer Ausreise in ambulanter Behandlung gewesen sei. Während dieser Zeit sei sie beim Arbeitsamt K. als Arbeit suchend gemeldet gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. Nachdem während des Vermittlungszeitraums keine Arbeitsstelle angeboten worden und der Klägerin zukünftig nur der Bezug von Arbeitslosenhilfe möglich gewesen sei, habe sie sich zur Ausreise entschlossen. Wäre sie weiterhin im Wirkungskreis des Bezirkskrankenhauses geblieben, wäre ihr damals sicherlich nach einem längeren Zeitraum der Arbeitslosigkeit aufgrund des Krankheitsbildes zu einem Rentenantrag wegen Erwerbsunfähigkeit geraten worden.

Vom Schiedsgericht erhielt die Beklagte ferner einen Beschluss des Amtsgerichts K. vom 14.05.1987 über die Anordnung der Gebrechlichkeitspflegschaft gemäß § 1910 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch in Angelegenheiten der Vermögensverwaltung, Aufenthaltsbestimmung und ärztlichen Betreuung. Hierin wurde auf der Grundlage eines Gutachtens des Staatlichen Gesundheitsamts in S. vom 14.05.1987 mit der Diagnose einer Psychose die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin angenommen und eine vorläufige Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens sechs Wochen angeordnet. Das Schiedsgericht wies die Beklagte weiter darauf hin, dass die Pflegschaft mit Beschluss des Amtsgerichts K. vom 29.08.1988 wieder aufgehoben wurde.

Bei diesem Sachverhalt nahm der Nervenarzt Dr.L. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten einen Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit vom 14.05.1987 an. Mit Bescheid vom 21.10.1998 nahm die Beklagte von Amts wegen gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 15.07.1997 zurück und gewährte der Klägerin (höhere) Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.09.1995 bei einem Leistungsfall vom 14.05.1987; mit weiterem, den Bescheid vom 28.11.1997 ersetzenden Bescheid vom 09.11.1998 wurde (höhere) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.09.1997 wie bisher bewilligt.

Von November 1998 bis Januar 2000 ermittelte der Sohn der Klägerin bei der Stadt K. (Versicherungsamt), beim Amtsgericht K. und beim Landratsamt Oberallgäu (Kreisjugendamt) wegen eines angeblich von einem Betreuer der Klägerin im Jahre 1988 gestellten Rentenantrags und erhielt zur Auskunft, dass das Kreisjugendamt des Landratsamts damals zum Pfleger bestellt worden sei, die Stellung eines Rentenantrags aber nicht mehr nachvollzogen werden könne. Nach Weiterleitung dieses Schreibens an die Beklagte teilte Letztere dem Sohn zweimal mit, dass ein Rentenantrag aus dem Jahre 1988 nicht vorliege.

Am 24.03.2000 ging bei der Beklagten das Schreiben des Sohnes vom 13.03.2000 ein, mit dem eine Rentengewährung bereits ab Dezember 1988/Januar 1989 angesprochen wurde. Als er seine Mutter im Dezember 1988 aus der BRD abgeholt habe, habe der Sozialbetreuer M. seiner Mutter gesagt, sie bekäme Rente aus Deutschland. Er, der Sohn, möchte wissen, wie es dazu kommen konnte, dass seine Mutter in ihre Heimat in geschäftsunfähigem Zustand ohne Berentung zurückgeschickt worden sei, zumal sie für eine Landesversicherungsanstalt gearbeitet habe. Da bei geschäftsunfähigen Personen das Rentenverfahren von Amts wegen eingeleitet werde bzw. vom Arbeitgeber selbst, müsse der Antrag unterlassen oder irgendwo verloren gegangen sein. Vorgelegt wurden hierzu Unterlagen aus einem Arbeitsgerichtsprozess (Entwurf einer Klageschrift vom 18.12.1987 und Sitzungsprotokoll vom 11.01.1988), in dem ein Herr R. I. als bestellter Amtspfleger für die Klägerin die Feststellung begehrte, dass deren Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10.02.1987 nicht aufgelöst worden sei. Der Prozess endete mit Vergleich vom 11.01.1988 dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis, gekündigt mit Schreiben der LVA Schwaben vom 10.02.1987 zum 30.09. 1987, zu diesem Zeitpunkt aufgrund ordentlicher gesundheitsbedingter Arbeitgeberkündigung als beendet angesehen wurde, die Beklagte bis dahin den Lohn zahlte und die Klägerin sich verpflichtete, die Dienstwohnung in der Klinik W. bis zum 25.01.1988 zu räumen.

Die Beklagte ermittelte nochmals (vergeblich) wegen zusätzlicher ärztlicher Unterlagen und fragte bei der LVA Schwaben, beim Landratsamt Oberallgäu sowie beim Caritas-Verband A. nach. Die LVA Schwaben teilte mit, bei ihr seien keine Rentenunterlagen mehr vorhanden, die Beitragsakte sei bereits an die Beklagte abgegeben worden. Das Landratsamt Oberallgäu gab im Schreiben vom 06.09.2000 an, nicht mehr über eine Pflegschaftsakte zu verfügen; laut der beim Amtsgericht K. angeforderten Pflegschaftsakte sei die Pflegschaft am 29.08.1988 auf eigenen Antrag der Klägerin aufgehoben worden, die glaubhaft angegeben habe, dass sie jetzt wieder ihre Angelegenheiten selbst regeln könne. Möglicherweise seien noch Unterlagen bei der wahrscheinlich wegen Übersetzungs- und Verständigungsproblemen eingeschalteten Caritas K. vorhanden. Der Sozialdienst für jugoslawische Arbeitnehmer der Caritas für die Diözese A. e.V. teilte mit Schreiben vom 23.01.2001 mit, dass dort in Sachen Pflegschaft und Rentenversicherung keinerlei Unterlagen vorlägen. Nach Erinnerung sei Hilfe nur wegen sprachlicher Schwierigkeiten geleistet worden, und in Rentenangelegenheiten sei die Caritasstelle nicht der richtige Ansprechpartner.

Der Sohn der Klägerin legte der Beklagten ein an ihn gerichtetes Schreiben des Landratsamts Oberallgäu, Sozialwesen-Betreuungsstelle, vom 10.04.2001 vor. Hierin ist zu lesen, dass unabhängig von der Geschäftsfähigkeit für die Mutter damals ein Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt worden sei, weil sie aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung nicht mehr arbeits- bzw. erwerbsfähig gewesen wäre. Weiter hieß es, dieser Antrag sei bei der LVA Schwaben gestellt worden; wegen der Rentenantragstellung sei seinerzeit jedoch die Caritas K. eingeschaltet worden.

Dasselbe Schreiben war bereits am 11.04.2001 bei der Beklagten eingegangen, enthielt hier jedoch den Zusatz, dass die Betreuungsstelle leider keine Unterlagen mehr habe, deshalb könne nur vermutet werden, dass der Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ca. 1988 gestellt und vermutlich rückwirkend bewilligt worden sei. Daher werde gebeten, in den Rentenversicherungsunterlagen entsprechend nachzuforschen. Auf nochmalige Rückfrage der Beklagten teilte das Landratsamt am 17.08.2001 mit, dass eine Akte nicht vorhanden und auch die Stellung eines Rentenantrags nicht erinnerlich sei; demzufolge könnten auch nicht die Fragen beantwortet werden, von wem, wo und wann ein Rentenantrag gestellt worden sei.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 06.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2002 wurde der Antrag gemäß § 44 SGB X abgelehnt, weil ein vor dem Jahre 1995 gestellter Rentenantrag nicht nachweisbar sei. Wegen eines im September 1995 und damit verspätet gestellten Rentenantrags hätten erst ab Antragsmonat Leistungen gewährt werden können. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch seien nicht gegeben, weil es an der Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung und dem wirtschaftlichen Nachteil für die Klägerin fehle. Da der LVA Schwaben der Gesundheitszustand der Klägerin nicht bekannt gewesen sei, habe diese die Klägerin auch nicht rechtzeitig zu einer Rentenantragstellung auffordern können.

Die hiergegen beim Sozialgericht Landshut erhobene Klage wurde mit Urteil vom 28.10.2002 abgewiesen, weil ein im Jahre 1988 angeblich gestellter Rentenantrag nicht nachgewiesen sei, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gesetzlich nicht vorgesehen sei und die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch nicht erfüllt seien. Der Vortrag der Klägerin, ihr damaliger Pfleger hätte rechtzeitig Rente beantragen müssen, sei unerheblich, weil es sich insoweit nicht um ein Verschulden eines Sozialleistungsträgers handeln könne. Eine Pflichtverletzung der LVA Schwaben, die sich die Beklagte anrechnen lassen müsste, sei nicht ersichtlich, weil der LVA der Gesundheitszustand der Klägerin und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit nicht bekannt gewesen seien.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt der Sohn der Klägerin das Rentenbegehren weiter und bringt wiederholt vor, seine Mutter sei seit 1987/88 andauernd psychisch schwer krank, geschäftunfähig und erwerbsunfähig gewesen. Die LVA Schwaben habe ihr in unzulässiger Weise ohne Abfindung und ohne Berentung gekündigt. Bereits im Zuge des Kündigungsverfahrens hätte die Klägerin zunächst im Hinblick auf eine Rente begutachtet und von Amts wegen ein Rentenverfahren eingeleitet werden müssen. Es sei aufgrund des Schreibens des Landratsamts Oberallgäu vom 10.04.2001 bewiesen, dass damals ein Rentenantrag gestellt worden sei, und wenn dies nicht bewiesen wäre, sei andererseits auch nicht nachgewiesen, dass ein Rentenantrag nicht gestellt worden sei. Im Übrigen sei der LVA Schwaben die Erkrankung und die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin aufgrund des Prozesses beim Amtsgericht bekannt gewesen. Da die LVA Schwaben nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Rentenversicherungsträger gewesen sei, habe eine Verpflichtung zur Berentung bestanden. Es werde bestritten, dass die Pflegschaft bereits im August 1988 aufgehoben worden sei, zumindest sei der Klagepartei hierüber nichts bekannt. Als er (der Sohn) seine Mutter im Dezember 1988 abgeholt habe, sei der Pfleger M. anwesend gewesen und habe ihm die Mutter übergeben, und das Zimmer und der Zimmerschlüssel seien zurückgegeben worden. Der Pfleger M. habe seiner Mutter dabei gesagt, dass sie Rente bekomme. Es werde bestritten, dass eine Person, die sich Rente gewünscht habe, sich in geschäftsunfähigem Zustand um eine Arbeitsstelle bemüht habe, ebenso, dass sich seine Mutter zur Ausreise nach Jugoslawien im Dezember 1988 entschlossen habe; vielmehr sei ihr dies nahegelegt worden.

Der Senat hat die Versichertenakte der Beklagten, die Personalakte der LVA Schwaben und die Akte des Arbeitsgerichts K. beigezogen. Auf Anfrage hat der damalige Amtspfleger I. mit Schreiben vom 21.02.2003 mitgeteilt, dass die Pflegschaft am 14.05.1987 eingeleitet und am 29.08.1988 aufgehoben worden sei. Die Sozialberaterin des Caritasverbands für die Diözese A. hat unter dem 25.03.2003 geschrieben, dass aus hinterlassenen Aktennotizen hervorgehe, dass der Kollege in der Beratungsstelle in Sachen Kündigung und Pflegschaft mit dem Landratsamt Oberallgäu zu tun hatte ("Zusammenarbeit"). Von einer Rentenangelegenheit sei nichts vermerkt. Es müsse darauf hingewiesen werden, dass Rentenangelegenheiten bzw. Rentenanträge nur über das Versicherungsamt und nicht über die Beratungsstelle bearbeitet würden.

Der Senat hat der Klagepartei wiederholte Hinweise zur materiellen und verfahrensrechtlichen Rechtslage gegeben und auch Kopien aus den Aktenunterlagen übersandt (u.a. das Schreiben des Landratsamts vom 10.04.2001 mit dem für die Beklagte bestimmten Zusatz); ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mit Beschluss vom 03.08.2004 abgelehnt worden, nachdem der Sohn der Klägerin einen Beschluss des Zentrums für Sozialarbeit Z. als Behörde erster Instanz für Vormundschaftssachen vom 04.06.2004 vorgelegt hatte mit dem Inhalt, dass der Klägerin die Geschäftsfähigkeit aberkannt und der Sohn gemäß Art.275 des Ehe- und Familiengesetzes zum Vormund bestellt worden sei. Während der Ermittlungen des Senats hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 04.02.2003 Altersrente für die Zeit ab 01.05.2003 bewilligt.

Der Vertreter der Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 21.10.1998 teilweise zurückzunehmen und Rente wegen Berufsunfähigkeit auch vom 01.10.1987 bis 31.08.1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge und die oben angeführten beigezogenen Unterlagen vor. Hierauf wird zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und des Vortrags der Klagepartei, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die unberechtigte Prozessführung des Sohnes der Klägerin in zweiter Instanz - eine Prozessvollmacht lag nur für die erste Instanz vor - und eine eventuell unberechtigte Prozessführung in erster Instanz für den Fall, dass die Klägerin zu dieser Zeit geschäftsunfähig gewesen ist, ist als geheilt anzusehen, weil der jetzige gesetzliche Vertreter durch seinen Vortrag zu erkennen gegeben hat, seine bisherige eventuell unberechtigte Prozessführung zu genehmigen und den Rechtsstreit fortzuführen.

Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 21.10.1998 zurückzunehmen und Rente bereits ab 01.10.1987 zu zahlen, besteht nicht, weil sich im Rechtsstreit nicht ergeben hat, dass bei Erlass dieses Dauerverwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder/und von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 Abs.1 SGB X).

Bei der Prüfung des Rentenbeginns nach § 99 SGB VI ist die Beklagte damals zu Recht von einem am 12.09.1995 gestellten Rentenantrag ausgegangen, so dass bei lange zurückliegendem Eintritt der Berufsunfähigkeit, sei es 1987/88 oder 1990, Rente erst ab Antragsmonat gezahlt werden durfte (§ 99 Abs.1 i.V.m. § 300 Abs.2 SGB VI, vgl. hierzu auch die bis Ende des Jahres 1991 geltende, aber vorliegend nicht mehr anwendbare Vorgängerschrift des § 1290 Abs.1 der Reichsversicherungsordnung mit inhaltsgleicher Regelung). Dahingestellt kann hier bleiben, ob der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit zum 25.01.1990, wie von der Beklagten zuerst angenommen, oder zum 14.05.1987 oder zu einem anderen Zeitpunkt eingetreten ist. Gegen den Stichtag 14.05.1987 sprechen die ärztlichen Unterlagen, die bei anfänglichen akuten Symptomen einer psychischen Erkrankung ein rasches Abklingen der floriden Phase erkennen lassen, so dass nur mehr ein depressives Syndrom (vermutlich als Restzustand) vorlag, die Klägerin bereits ab 13.12.1987 arbeitsfähig geschrieben wurde und im Anschluss hieran Arbeitslosengeld bezog, was ja auch Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit voraussetzte. Laut Bericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 14.12.1987 waren die vormals diagnostizierte Psychose bzw. akute Auswirkungen dieser Krankheit nicht mehr feststellbar, sondern lediglich ein depressives Syndrom und eine (auch nur anfängliche) Realitätsverdrängung hinsichtlich des Verlustes der Dienstwohnung und des Arbeitsplatzes. Damit scheint mit Wahrscheinlichkeit eine damalige andauernde Unfähigkeit zur Verrichtung der bisherigen Berufstätigkeit oder für andere zumutbare Erwerbstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gegeben, erst recht nicht - zumindest im Anschluss an die von Mai 1987 bis August 1988 dauernde Pflegschaft - eine davon zu unterscheidende Geschäftsunfähigkeit, die einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit voraussetzt, der nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (§ 104 Ziffer 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Aus Sicht des Senats ist nicht einmal anhand des Gutachtens der Invalidenkommission vom 24.11.1995 und des Krankenhausberichtes zum stationären Aufenthalt der Klägerin vom 25.01. bis 27.02. 1990 nachgewiesen, dass Berufsunfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit schon im Jahre 1990 bestanden. Das Gutachten der Invalidenkommission, das im Übrigen von einer Invalidität erst seit dem 01.11.1995 ausgeht, besteht im Wesentlichen aus einer kurzen Zusammenfassung (Wertung) der Symptome und Diagnosen, maßgebende stützende Befunde für die Überprüfung und Beurteilung sind nicht vorhanden. Dasselbe gilt für den im Jahre 1990 erstellten Krankenhausbericht mit einer nur aus fünf Sätzen bestehenden Epikrise und dem Hinweis auf die Entlassung im Zustand einer soliden klinischen Remission und der erst in drei Wochen vorgesehenen Kontrolluntersuchung. Mehr als eine vorübergehende akute Krankheitsphase ist hier nicht ersichtlich. Für die anschließende Zeit bis zum 01.11.1995 fehlt es an jeglichen ärztlichen Unterlagen.

Damit bestehen massive Zweifel, ob der Klägerin zumindest bis zum 01.11.1995 überhaupt ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit zugestanden hätte, auch wenn sie 1987/88 nachweislich einen Rentenantrag gestellt hätte. Letztlich war dies aber unerheblich, weil es auch an einem rechtzeitigen Rentenantrag fehlt. Ein solcher konnte trotz Ermittlungen der Beklagten und des Senats nicht nachgewiesen werden. Nach allgemeinen Beweisregeln im Verwaltungs- und auch im Gerichtsverfahren ist der Nachweis, d.h. der mit an Sicherheit grenzende Beweis, erforderlich. Die bloße Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit (es sprechen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen) reichen nicht aus, sie gehen zu Lasten des vom Versicherten erhobenen Anspruchs. Dies gilt gleichermaßen im Rahmen des § 44 Abs.1 SGB X (vgl. dort das Wort "nachweislich") wie auch bei einem wegen Durchführung eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens noch nicht rechtsverbindlich gewordenen Rentenbescheid, d.h. damit auch bei einem noch nicht verbrauchten erstmaligen Antrag auf Berentung.

1. Der Eingang eines Rentenantrags ist bei der LVA Schwaben nicht verzeichnet. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klagepartei, auch wenn sie im Kreiskrankenhaus K. einen Rentenwunsch äußerte, einen Antrag vor September selbst nicht gestellt. Ein Rentenantrag ist ferner auch nicht von der Caritasstelle gestellt worden. Hierzu fehlt jeglicher Nachweis; außerdem war die Beratungsstelle der Caritas für ausländische Arbeitnehmer mit Beratung und sonstiger Hilfestellung (Übersetzung) tätig, und nicht mit der Stellung und weiteren Verfolgung von Rentenanträgen für Versicherte. Dies gehörte nicht zu ihren Aufgaben als eingetragener Verein, dem von Gesetzes wegen keine Befugnisse in Rentenangelegenheiten übertragen sind, und entspricht auch nicht dem von der Caritasstelle geäußerten Selbstverständnis, nur beratend und unterstützend tätig zu werden.

Weiterhin ist die Stellung eines Rentenantrags durch das Kreisjugendamt des Landratsamts Oberallgäu als gesetzlicher Vertreter der Klägerin nicht nachgewiesen. Auf das Schreiben des Landratsamts vom 10.04.2001 kann sich die Klagepartei keineswegs berufen. Hierin wurde nur gegenüber dem Sohn der Klägerin der Anschein erweckt, das Landratsamt habe einen Rentenantrag gestellt oder für die Stellung eines Rentenantrags gesorgt. Dies stellt jedoch nur eine irreführende und unrichtige Behauptung dar. Dasselbe Schreiben wurde nämlich gleichzeitig an die Beklagte versandt mit dem hierauf gesetzten und unterschriebenen Zusatzvermerk, aus dem hervorgeht, dass über einen Rentenantrag nichts bekannt sei und es hierbei sich nur um eine Vermutung handele. Dieses Nichtwissen ist umso glaubhafter, als neben der Vermutung der Stellung eines Rentenantrags im Jahre 1988 zugleich die Vermutung geäußert wurde, die Rente sei deswegen wohl auch rückwirkend bewilligt worden, was eindeutig nicht der Fall war. Weiterhin ergab eine vorsorgliche Rückfrage der Beklagten beim Landratsamt, dass dort keinerlei Unterlagen über die damalige Zeit vorlagen und nicht erinnerlich war, wann, wo und von wem ein Rentenantrag gestellt worden sei.

Der Nachweis einer Antragstellung in den Jahren 1987/88 ist damit nicht erbracht. Nur nebenbei weist der Senat darauf hin, dass nach der ermittelten Sachlage auch wenig Veranlassung bestanden hätte, damals für die Klägerin einen Rentenantrag zu stellen. Da die Pflegschaft vom 14.05.1987 bis 29.08.1988 dauerte und die Klägerin bereits ab 14.12.1987 Arbeitslosengeld bezog, ist davon auszugehen, dass der gesetzliche Vertreter zunächst den für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderlichen Antrag gestellt hat, und zwar in Kenntnis dessen, dass das Krankengeld (zuletzt bis 12.12.1987) nicht weitergewährt werden würde. Berücksichtigt werden muss auch, dass laut Bericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 14.12.1987 die Klägerin keineswegs mehr auffällig gewesen ist. Grund für die Aufnahme und Unterbringung waren schwer nachvollziehbare, aggressive Handlungen in der Kurklinik W. , die sich nach Inhalt der Personalakte als wiederholte Verweigerung von Arbeitsanweisungen, Nichtherausgabe von Schlüsseln und eine einmalige wüste Beschimpfung der dort tätigen Oberin darstellen. Derartige Verhaltensweisen sind im Bericht des Kreiskrankenhauses nicht mehr festgehalten, es haben sich auch keine für eine Psychose typischen Erscheinungen wie Wahnphänomene feststellen oder auch nur erfragen lassen. Alles deutete darauf hin, dass die akute Phase einer psychischen Erkrankung vorübergegangen war und die Klägerin wieder fähig gewesen ist, vollschichtig leichte körperliche Arbeiten zu verrichten, zumindest bereits ab November 1987. Dem steht der Umstand, dass Pflegschaft bis zum 29.08.1988 bestanden hat, nicht entgegen, auch wenn unterstellt wird, dass bis dahin Geschäftsunfähigkeit entgegen dem realen Sachverhalt vorgelegen haben sollte. Hierzu wird der Klagepartei darauf hingewiesen, dass eine Geschäftsunfähigkeit nicht per se die Unfähigkeit beinhaltet, Erwerbstätigkeiten nachzugehen; es hätte nur der gesetzliche Vertreter, wie z.B. auch bei noch nicht volljährigen Kindern, für den Abschluss eines Arbeitsvertrags bei angebotener Stelle sorgen müssen. Der Senat ist sich bewusst, dass aufgrund der seit 1987/88 verstrichenen Zeit sich der oben beschriebene mutmaßliche Sachverhalt nicht mit Sicherheit nachweisen lässt. Dies war aber auch nicht erforderlich. Ebenso wenig lässt sich nachweisen, dass zur damaligen Zeit für das Landratsamt Oberallgäu die dringende Veranlassung bestanden hätte, bereits einen Rentenantrag zu stellen. Und auch dies wäre noch nicht hinreichend, denn nach der Gesetzeslage kommt es maßgebend auch darauf an, dass ein solcher Rentenantrag tatsächlich gestellt worden ist, d.h. bei dem zuständigen Leistungsträger oder einem anderen Leistungsträger im Sinne von § 16 des Sozialgesetzbuches Teil I (SGB I) eingegangen ist.

2. Die Durchführung eines Rentenverfahrens und die Berentung sind zwingend von einem gestellten Rentenantrag abhängig. Am Kern der Sache vorbei gehen die gegenteiligen Ausführungen der Klagepartei, an denen sie trotz mehrfacher Hinweise des Senats festgehalten hat. Offenbar überträgt sie hier Vorstellungen aus dem Rechtssystem Jugoslawiens bzw. aus der dort herrschenden Praxis auf die Gesetzeslage in der BRD. Im Heimatland der Klägerin mag der Arbeitgeber durchaus gehalten sein, bei längerer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und Verdacht auf Invalidität zunächst nicht das Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern die Angelegenheit weiterzuleiten an das örtliche Gesundheitsamt ("Gesundheitshaus"), das auch für die ambulante ärztliche Betreuung zuständig ist. Dieses wiederum prüft, wie aus der Praxis in vielen Berufungsfällen ersichtlich ist, die Gesundheitsstörungen eines Arbeitnehmers und leitet die Angelegenheit dann ggf. an die Invalidenkommission zur Begutachtung weiter, die über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Invalidität oder einer späteren nochmaligen Begutachtung bei Weiterführung der ärztlichen Behandlung zu entscheiden hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände wiederum kann der Arbeitgeber über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit einem erkrankten Arbeitnehmer entscheiden. Derartige Verhältnisse können aber nicht auf das Rechtssystem in der BRD übertragen werden. Hier ist der Arbeitgeber nicht befugt, einen Rentenantrag für den Arbeitnehmer zu stellen, diesen zu der Stellung eines Rentenantrags zu veranlassen, ein Begutachtungsverfahren in Rentenangelegenheiten einzuleiten oder die Einleitung durch andere Behörden zu veranlassen. Ein Rentenverfahren von Amts wegen ist nicht zulässig, auch nicht für den Fall, dass der betroffene Versicherte geschäftsunfähig ist. Kann dieser nicht selbst einen wirksamen Rentenantrag stellen, so muss das der bestellte gesetzliche Vertreter tun. Eine Ausnahme hiervon sah nur der damals geltende § 91a des Bundessozialhilfegesetzes vor, der die entsprechende Regelung in § 1290 Abs.2 der Reichsversicherungsordnung abgelöst hat; danach konnte der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe, der also im Vorgriff Sozialhilfeleistungen erbrachte, die Feststellung einer anderen Sozialleistung betreiben und die diesbezüglichen Anträge stellen (wobei aber anzumerken bleibt, dass eine derartige Antragstellung nicht zum Schutz des Bürgers vorgesehen war, sondern nur zur Verfolgung der eigenen berechtigten Interessen des Sozialhilfeträgers - vgl. BSG vom 28.11.1973 - 4 RJ 159/72 in BSGE 36, 267).

Mithin hätte ein Rentenantrag in der Zeit von Mai 1987 bis August 1988 durch den Amtspfleger und danach durch die Klägerin gestellt werden müssen. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die Amtspflegschaft zum 29.08.1988 aufgehoben worden ist. Zwar ist die Pflegschaftsakte des Landratsamts nicht mehr vorhanden, doch existieren zur Tatsache der Aufhebung der Pflegschaft an anderer Stelle wenigstens Aufzeichnungen über das Ende der gesetzlichen Vertretung. Auch hat der damalige Amtspfleger auf konkrete Rückfrage des Senats bestätigt, dass seine Tätigkeit zum 29.08.1988 endete. Wenn dies der Sohn der Klägerin bestreitet, so geschieht das mit Nichtwissen und ist untunlich. Im Übrigen kam es hierauf nicht an. Falls die Pflegschaft entsprechend dem Vortrag der Klagepartei bis Dezember 1988 bestanden hätte, so hätte eben nach wie vor der Amtspfleger einen Rentenantrag stellen müssen und hat dies nicht getan; jedenfalls ist ein gegenteiliges Verhalten nach wie vor ohne Beweis geblieben.

3. Allein der Glaube der Klagepartei, dass während des Aufenthalts der Klägerin in der BRD noch etwas wegen ihrer Rente, insbesondere die Stellung eines Rentenantrags, veranlasst worden sei, ist nicht zur Begründung eines Rentenanspruchs hinreichend, abgesehen davon, dass auch dieser Glaube höchst zweifelhaft erscheint; denn wenn die Klägerin in gutem Glauben die Zahlung einer Rente in ihr Heimatland erwartet hätte, so ist nicht erklärlich, warum diese und auch der Sohn, der sich ja angeblich auch nach Dezember 1988 dauernd um die Mutter kümmerte, viele Jahre lang zuwarteten, ohne eine Nachfrage zu stellen, und erst im Jahre 1998 mit der Nachforschung begannen, ob ein Rentenantrag gestellt worden sei und wenn nicht, wer hierfür verantwortlich sei. Der behauptete Glaube beruhte im Übrigen nach Sachlage lediglich darauf, dass die Klägerin selbst ihrem Sohn im Dezember 1988 bei Abholung bzw. Rückfahrt in das Heimatland mitgeteilt haben solle, ein Herr M. habe ihr gesagt, dass die Rente nach Jugoslawien gezahlt werden würde. Der Sohn selbst konnte über den Sachverhalt nicht aus eigener Erfahrung berichten, weil mangels Sprachkenntnissen zwischen dem Herrn M. und ihm eine Verständigung nicht möglich war (vgl. den Vortrag des Sohnes im Schreiben vom 31.08.1999 an die Stadt K.). Dies wird auch bestätigt durch einen Vermerk in dem Bericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 19.08.1985. Dort ist festgehalten, dass eine telefonische Verständigung mit dem Sohn der Klägerin wegen extremer Sprachunkenntnisse nicht möglich gewesen sei.

Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, aufgrund dessen die Behandlung des in Jahre 1995 gestellten Rentenantrags als ein im Jahre 1987/88 gestellter Antrag erreicht werden könnte, sind offensichtlich nicht gegeben. Notwendig für einen solchen Anspruch ist zunächst, dass der Klägerin unter Verstoß gegen §§ 14, 15 SGB I eine unrichtige Auskunft in Rentenangelegenheit erteilt worden ist (z.B. über die erfolgte Antragstellung oder die Unnötigkeit eines Rentenantrags) oder es entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung unterlassen wurde, die Klägerin hinreichend zu beraten und die im Einzelfall gebotenen Hinweise zu geben; weiterhin wäre Voraussetzung, dass die Beklagte für einen solchen Pflichtverstoß einzustehen hat, wobei Letzteres ohne weiteres anzunehmen wäre, falls ein pflichtwidriges Verhalten der LVA Schwaben (als Rentenversicherungsträger) vorgelegen hätte.

Wird unterstellt, dass der Amtspfleger des Landratsamts Ober- allgäu entgegen der damaligen wahrscheinlichen Sachlage und entgegen dem Rat der Ärzte des Kreiskrankenhauses dennoch Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hätte beantragen sollen oder müssen, ergäbe sich aus einem pflichtwidrigen oder unter Umständen sogar schuldhaften Unterlassen kein Anspruch der Klägerin darauf, dass die LVA Schwaben bzw. jetzt die Beklagte für den entstehenden Nachteil einstehen müsste. Die LVA Schwaben (wie auch die Beklagte) ist eine juristische Person (Körperschaft des öffentlichen Rechts) und haftet nicht für ein "Fremdverschulden", d.h. für ein Verhalten anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts (Landkreis Oberallgäu als Gebietskörperschaft, vertreten durch den Landrat, dieser wiederum vertreten durch das Kreisjugendamt) und den von diesen mit einem Amt beauftragten Personen. Hierfür fehlt es an jeglicher Rechtsgrundlage. Die Zurechnung eines Fehlverhaltens seitens Dritter wäre nur möglich, wenn der Amtspfleger kraft Gesetzes oder kraft Auftrags der Sozialleistungsträger verpflichtet gewesen wäre, einzelne Pflichten eines Rentenversicherungsträgers zu erfüllen bzw. an Aufgaben mitzuwirken, die allein und ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Sozialleistungsträger (vgl. §§ 14, 15 SGB I: Beratung und Auskunft seitens der Sozialleistungsträger und der nach dem Landesrecht zuständigen Stellen, wie z.B. das Versicherungsamt) fallen. Ein Amtspfleger hat aber nur die Funktion und die Befugnisse eines gesetzlichen Vertreters. Ihm waren keine ureigenen Aufgaben der Rentenversicherungsträger übertragen; gegenüber dem zuständigen Leistungsträger konnte er- selbst bei Geschäftsfähigkeit, auftreten und einen Antrag stellen.

Entsprechendes gilt für Bedienstete der Beratungsstelle des Caritasverbands (juristische Person war hier ein eingetragener Verein) und des Kreiskrankenhauses K. (Träger und letztlich haftende Stelle ist hier der Landkreis als juristische Person). Damit kann eine unterstellte Fehlinformation seitens des Herrn M. nicht zur Begründung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs herangezogen werden. Dieser war laut Bericht des Bezirkskrankenhauses K. vom 14.12.1987 dort als Sozialarbeiter angestellt, also letzten Endes wiederum beim Landkreis Oberallgäu als Arbeitnehmer. Als Sozialarbeiter hatte Herr M. die Patienten in tatsächlicher Hinsicht, z.B. in Angelegenheiten des täglichen Lebens (Arbeitssuche usw.) zu unterstützen, konnte aber nicht die Befugnisse eines gesetzlichen Vertreters (Amtspfleger) ausüben. Im Übrigen war das Verhalten des Herrn M. ohne Belang, weil Bedienstete eines Krankenhauses bzw. des Landkreises nicht in die Pflichten eines Sozialleistungsträgers kraft Gesetzes eingebunden sind.

Letztlich lässt sich auch nicht zugunsten des behaupteten klägerischen Anspruchs etwas aus dem Umstand ableiten, dass vorliegend die LVA Schwaben sowohl Arbeitgeber der Klägerin gewesen ist als auch zufälligerweise (bei Fehlen von Versicherungszeiten in Jugoslawien) der damals zuständige Sozialleistungsträger. Die Verwaltung der Beklagten, der die Personalangelegenheiten oblag, hatte die Rechten und Pflichten eines Arbeitgebers wahrzunehmen. Insoweit war sie nicht befugt, einen Rentenantrag zu stellen oder diesbezügliche Ratschläge zu geben, und durfte auch nicht ihr Wissen über ärztliche Tatbestände, soweit es überhaupt gegeben war, an die Abteilung "Rentenversicherung" weitergeben. Der Rentenversicherungsträger wiederum, d.h. hier die Leistungsabteilung sowie die Auskunfts- und Beratungsstellen der LVA Schwaben, wäre nur dann zu einem den Umständen entsprechenden Verhalten verpflichtet gewesen, wenn dort - und zwar bei dem zuständigen Sachbearbeiter - Sachverhalte offenkundig gewesen wären, die einen dringenden Beratungsbedarf begründeten und ein Herantreten an den Versicherten bzw. dessen Pfleger geboten hätten, um Nachteile für die versicherte Person abzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es nicht darauf an, dass irgendein Beschäftigter im Hause eines Sozialversicherungsträgers um Umstände wusste oder möglicherweise wissen konnte, aus denen ein Beratungsbedarf (hier Anregung der Antragstellung) offenkundig gewesen wäre. Tritt der Bürger nicht selbst an den Rentenversicherungsträger mit einer Bitte um Auskunft oder um Rat oder um Hilfe in seiner Angelegenheit heran, kommt es darauf an, dass beim zuständigen Sachbearbeiter ein aktueller Vorgang anhängig ist oder wird, aus dem ohne weiteres erkennbar ist, dass dem Betroffenen auch ohne Anfrage dringend ein Rat gegeben bzw. eine Information zur Vermeidung eines erheblichen Nachteils bzw. zur Wahrung seiner Rechte gegeben werden muss. Für einen solchen Sachverhalt ergeben sich nach Aktenlage nicht die geringsten Anhaltspunkte. Eine Kenntnis der LVA Schwaben im Sinne einer Kenntnis der Versicherungsabteilung oder Beratungsstelle wurde nicht einmal von der Klagepartei behauptet und ist nach Aktenlage auch nicht anzunehmen.

Die Klägerin stützt sich darauf, dass die Personalabteilung der Beklagten über ihren Gesundheitszustand informiert gewesen ist und dieses Wissen an die Leistungsabteilung hätte weiterleiten müssen. Hierzu sieht der Senat nicht nur keinerlei Verpflichtung, sondern sogar ein Verbot. Dies wäre ein rechtswidriges Verhalten gewesen. Unabhängig davon könnte auch bei Unterstellung einer Beratungs- bzw. Hinweispflicht des Arbeitgebers nicht von einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgegangen werden. Würde eine Beratungs- und Hinweispflicht des Arbeitgebers oder Dienstherrn unterstellt - dies hat das Bundessozialgericht ausdrücklich offengelassen -, so ergäbe sich eine solche Pflicht nur aus dem Beamtenverhältnis oder einem sonstigen Dienstverhältnis, und nicht aus einem Versicherungsverhältnis bzw. in Wahrnehmung der Pflichten eines Rentenversicherungsträgers oder einer Versorgungsanstalt (BSG vom 16.12.1993 - 13 RJ 19/92 in SozR 3-1200 § 14 Nr.12, vgl. ferner BSG vom 15.12.1994 - 4 RA 66/93). Eine unterstellte Verletzung einer Beratungs- und Fürsorgepflicht aus Dienst- oder Arbeitsverhältnis steht nicht dem Verstoß gegen eine sozialrechtliche Beratungspflicht gleich.

Im Übrigen kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auch dann nicht in Frage kommen, wenn die LVA Schwaben als "einheitliche Person" angesehen wird. Sie hätte dann Kenntnis davon, dass das auffällige Verhalten der Klägerin, das zuerst als Arbeitsverweigerung gedeutet worden ist, mutmaßlich auf ein krankheitswertiges Geschehen zurückzuführen ist und im Übrigen die Klägerin derzeit geschäftsunfähig ist, von einem Amtspfleger vertreten wird. Mehr ist aus der Personalakte der LVA Schwaben und des Amtsgerichts K. nicht ersichtlich. Bei diesem Sachverhalt ergibt sich noch keine Verpflichtung, von sich selbst auf den Versicherten, bzw. vorliegend auf dessen Amtspfleger zuzugehen. Es ist dann davon auszugehen, dass die Klägerin fachkundig betreut wird von einer Stelle, die für Minderjährige und nicht geschäftsfähige Erwachsene zuständig ist und sich um deren Belange, auch hinsichtlich öffentlicher Leistungen, zu kümmern hat. Ein Sachbearbeiter der Beklagten durfte ohne weiteres von der Kenntnis des Amtspflegers ausgehen, dass für den Fall der Beanspruchung von Rentenleistungen auch ein entsprechender Antrag beim Leistungsträger erforderlich ist.

Nur nebenbei wird noch angemerkt, dass auch bei einem Hinweis der Beklagten auf die Erforderlichkeit eines Rentenantrags an den Amtspfleger noch nicht davon auszugehen wäre, dass Letzterer diesem Hinweis auch gefolgt wäre, so dass es an dem notwendigen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen unterlassener Information und Untätigkeit des Amtspflegers fehlen würde. Tatsache ist, dass der Amtspfleger, der über mehr Kenntnisse über den Gesundheitszustand der Klägerin verfügte als der Arbeitgeber, die Stellung eines Antrags auf Arbeitslosengeld für notwendig gehalten hat und dies auch getan hat. Aus der damaligen Sachlage, soweit sie heute noch erschlossen werden kann, ergab sich auch nicht zwingend die Notwendigkeit der Stellung eines Rentenantrags. Wahrscheinlich ist, dass bei einem Hinweis der LVA Schwaben der Amtspfleger auch nicht anders als bisher geschehen gehandelt hätte. Keinerlei Veranlassung für die LVA Schwaben bestand im Übrigen zu einer entsprechenden Information an die Klägerin persönlich. Wäre von der Kenntnis der LVA Schwaben (Leistungsabteilung) über eine bestehende Amtspflegschaft auszugehen gewesen, so hätte dann noch keine Kenntnis bestanden, dass diese Pflegschaft im August 1988 wieder aufgehoben worden ist. Es bestand zum Zeitpunkt der Durchführung eines Arbeitsgerichtsverfahrens keinerlei Veranlassung, in Sachen Rentenversicherung an den Amtspfleger oder die Klägerin persönlich heranzutreten; auch war die Beklagte ohne konkreten Anlass bzw. Ereignis in der Zukunft nicht verpflichtet, von sich aus den Gang des Geschehens weiterzuverfolgen und insoweit nachzuforschen, wie sich die Gesundheitsstörungen der Klägerin weiterentwickeln würden und ob die Pflegschaft in Zukunft dauerhaft bestehen oder aufgehoben werden würde.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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