S 5 AS 78/05 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 78/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Wege der einstweiligen Anordnung.

Bei der Antragstellung am 21.01.05 gab die Antragstellerin an, in eheähnlicher Gemeinschaft mit ihrem Mitbewohner ... zu leben.

Die Antragsgegnerin berücksichtigte daraufhin das Einkommen des Lebenspartners der Antragstellerin (EURO 1.452,06) und lehnte nach Feststellung des Bedarfes (EURO 899,34) mit Bescheid vom 02.02.05 die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ab, weil die Antragstellerin nicht hilfsbedürftig sei. Über den am 03.03.05 erhobenen Widerspruch hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden.

Am 15.04.05 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er machte unter Hinweis auf den Beschluss des SG Düsseldorf vom 16.02.05 (Az. S 35 SO 28/05 ER) geltend, dass hinsichtlich Anrechnung von Einkommen eheähnlicher Partner erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken beständen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende seien gegeben, weil die Antragstellerin lediglich über monatliche Einkünfte in Höhe von EURO 80.- aus Gelegenheitsarbeiten und keinerlei Vermögen verfügen würde, andererseits, unterstützt durch ihren Lebensgefährten, die Kosten für die Unterkunft und für ihre freiwillige Krankenversicherung zu tragen hätte.

Er beantragt daher,

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet der Antragstellerin bis zum Abschluss des Verfahrens als Lebensgrundsicherung den Betrag von EURO 276.- zu bezahlen sowie die Krankenversicherungskosten in Höhe von derzeit EURO 119.- (AOK Hof) zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Regelung des § 7 SGB II nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, wenn sie gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die ihre Beziehung nicht unter den Schutz des Lebenspartnerschaftsgesetzes gestellt haben, nicht in eine Bedarfsgemeinschaft einbezieht.

Zur Entscheidung lagen dem Gericht die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin vor. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird hinsichtlich der Einzelheiten auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte und die bei Gericht eingegangenen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Der statthafte zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Bayreuth gestellte Antrag auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Wege der einstweiligen Anordnung ist zulässig, §§ 51, 57 und 90 SGG (Sozialgerichtsgesetz).

Im Ergebnis ist der Antrag vom 15.04.05 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch unbegründet, denn die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsgrund, noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach § 86b Absatz 2 Satz 1 kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86b Absatz 2 Satz 2 SGG.

In beiden Fällen setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der Antragsteller den geltend gemachten Anspruch glaubhaft gemacht hat, d.h. dass der behauptete Anspruch überwiegend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und dass die für eine einstweilige Anordnung gesetzlich genannten Gründe (Anordnungsgrund) vorliegen, wobei eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung durch die einstweilige Regelung nur dann erfolgen darf, wenn schwere, für den Antragsteller nicht mehr wieder gut zu machende Konsequenzen drohen würden. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind zwar rechtlich selbstständig, sie stehen jedoch in einer Wechselbeziehung zueinander: Je gravierender der drohende Nachteil ist, umso geringere Anforderungen sind an die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu stellen. (vgl. Rohwer- Kahlmann; Kommentar zum SGG § 86b Rn. 19, 21)

Die Antragstellerin konnte jedoch bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft machen, weil sie unstreitig - nach ihren eigenen Angaben im Bewilligungsantrag vom 21.01.05 - mit ihrem Mitbewohner ... in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und dieser sie - so zumindest die Einlassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin - bei der Kostentragung bezüglich der Wohnungskosten und der Krankenversicherung unterstützt. Im Hinblick auf diese Angaben ist auch davon auszugehen, wenn dies auch nicht ausdrücklich eingeräumt worden ist, dass der Lebenspartner der Antragstellerin dieser auch hinsichtlich des übrigen Lebensunterhaltes Unterstützung zukommen lässt.

Ein Anordnungsgrund kann angenommen werden, wenn es aus besonderen Gründen unzumutbar erscheint, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Finkelnburg/Jank; Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998 Rn. 154 m.w.N.).

Im Falle der Antragstellerin sind jedoch keine Gründe ersichtlich, die es ihr unzumutbar machen würden, das Ende des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, insbesondere weil ihr Lebensunterhalt durch die tatsächliche Unterstützung des Lebenspartners gesichert ist und auch die zusätzliche finanzielle Belastung, die mit der freiwilligen Krankenversicherung (EURO 119.- lt. Angaben im Klageantrag) einhergeht, - im Hinblick auf das zu berücksichtigende Einkommen (EURO 1.452,06) und den bestehenden Bedarf (EURO 899,34) der Bedarfsgemeinschaft - die Antragstellerin nicht hilfsbedürftig werden lässt.

Darüber hinaus konnte die Antragstellerin auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach der für den Anspruch der Antragstellerin maßgeblichen Rechtslage nicht vorliegen.

Die Antragstellerin lebt mit ihrem Lebensgefährten in einer eheähnlichen Gemeinschaft, so dass im Rahmen dieser Bedarfsgemeinschaft, § 7 Absatz 3 Nr.1 und Nr.3 b) SGB II, auch das Einkommen des Partners der Antragstellerin zu berücksichtigen war, und der Bedarf der Bedarfgemeinschaft durch dieses Einkommen vollständig gedeckt wird. Ein offensichtlicher Verstoß dieser Rechtsgrundlage gegen höherrangiges Recht ist - entgegen der Auffassung des SG Düsseldorf (Beschluss vom 16.02.05; Az. S 35 SO 28/05 ER) - nicht so offenkundig, dass in einem Hauptsacheverfahren zu erwarten wäre, dass der Antragstellerin Leistungen zugesprochen werden.

Die Regelung des § 7 SGB II begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, so dass ein Vorlageverfahren nach Art. 100 Absatz 1 GG erforderlich wäre.

Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zu § 137 Absatz 2a AFG ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Anrechnung von Einkommen eheähnlicher Partner wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatz vollständig entfallen wird.

Mit der Entscheidung vom 17.11.92 (Az.: 1 BvL 8/87) hat das BVerfG eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der homosexuellen Gemeinschaft im Verhältnis zur eheähnlichen Gemeinschaft im wesentlichen mit dem Argument verneint, dass eheähnliche (heterosexuelle) Gemeinschaften häufiger vorkommen und sich deutlicher als sozialer Typus herausgebildet haben als die homosexuellen Gemeinschaften. An diesem Umstand hat sich lediglich insofern etwas geändert, als mit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartEDiskrG) homosexuellen Paaren die Möglichkeit eröffnet wurde, die bestehende Partnerschaft eintragen zu lassen und damit einhergehend Rechte in Anspruch zu nehmen, die bis dahin lediglich Ehepaaren zustanden.

Mit der Regelung hat der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck gebracht, dass die homosexuelle Gemeinschaft keine sozial völlig atypische Lebensform ist; jedoch spielt auch heute noch die heterosexuelle eheähnliche Gemeinschaft eine sehr viel größere praktische Rolle, so dass nicht ohne weiteres zu erwarten ist, dass das BVerfG heute einen Gleichheitsverstoß darin sehen wird, dass nicht auch die Anrechnung der Mittel homosexueller nicht eingetragener Partner vorgeschrieben ist.

Aber auch wenn sich eine grundrechtswidrige Benachteiligung eheähnlicher Lebensgemeinschaften im Verhältnis zu entsprechenden homosexuellen Gemeinschaften feststellen ließe, ist im Ergebnis jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die existierende Anrechnungsregelung für nichtig erklärt wird, weil es bei der Anrechnung der Mittel nichtehelicher (heterosexueller) Partner im wesentlichen darum geht, eine Benachteiligung von Ehegatten zu verhindern. Die Lösung die das Sozialgericht Düsseldorf gewählt hat, begegnet in diesem Zusammenhang erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil dies bedeuten würde, dass nur die Mittel des Partners allein in der Ehe, nicht aber in der eheähnlichen Gemeinschaft bedürftigkeitsmindernd angerechnet werden. Hierdurch wird jedoch Art. 3 Absatz 1 GG i.V.m. Art. 6 Absatz 1 GG verletzt und die Ehe in verfassungswidriger Weise benachteiligt

Soweit das BVerfG - im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde oder eines Vorlageverfahrens nach Art. 100 Absatz 1 GG - heute in der Nichtanrechnung der Mittel homosexueller nicht eingetragener Partner eine verfassungswidrige Benachteiligung heterosexueller Gemeinschaften sehen würde, wäre daher am wahrscheinlichsten damit zu rechnen, dass dem Gesetzgeber allenfalls für die Zukunft eine Nachbesserung nahe gelegt wird.

Nach allem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin im Hinblick auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes offensichtlich Leistungen nach dem SGB II zustehen würden.

Da die Antragstellerin in der Hauptsache erfolglos bleibt hat sie keinen Anspruch auf die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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