L 13 (18) RA 25/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 69/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 (18) RA 25/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.09.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Tennislehrer.

Der 1956 geborene Kläger ist Diplom-Sportlehrer und selbständiger Tennislehrer. Er beschäftigte vom 1.7.1987 bis zum 31.3.1999 eine versicherungspflichtige kaufmännische Angestellte.

Am 24.9.2001 beantragte der Kläger unter Hinweis u.a. auf eine 1986 abgeschlossene private Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Bescheid vom 25.2.2002 lehnte die Beklagte zunächst die Befreiung gemäß § 231 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, ggf. Rentenversicherung (SGB VI) ab mit der Begründung, der Kläger habe zum 31.12.1998 nicht der Versicherungspflicht unterlegen, da er im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. 2 SGB VI einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt habe. Hiergegen legte der Kläger am 24.4.2002 Widerspruch ein, den er zunächst nicht begründete.

Mit Bescheid vom 9.10.2002 bestimmte die Beklagte sodann die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 1.3.1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 SGB VI und berechnete die Beitragsforderung ab diesem Zeitpunkt. Dagegen legte der Kläger am 8.11.2002 Widerspruch ein und machte geltend, bereits die Einbeziehung in den Kreis der rentenversicherungspflichtigen Selbständigen sei materiell rechtswidrig. Hilfsweise beantragte er erneut die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 6 SBG VI. Dazu berief er sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. H "Zu Rechtsfragen der Versicherungspflicht selbständiger Tennislehrer gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI" vom 31.7.2000. Prof. Dr. Dr. H verneint in diesem Gutachten zwar Eingriffe in spezielle Freiheitsgrundrechte, nimmt aber durch die Einbeziehung selbständiger Lehrer ohne Berücksichtigung einer privaten Alterversorgung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs.1 GG) sowie eine Verletzung des Allgemeinen Gleichheitssatzes an. Die Einbeziehung der selbständigen Lehrer sei insoweit widersprüchlich, als sie nur in die Rentenversicherung einbezogen seien, wo das Solidarprinzip geringer als in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung ausgeprägt sei und zudem die höchste Beitragslast bestehe. Die Einbeziehung sei nicht erforderlich. Die fehlende Befreiungsmöglichkeit bei Nachweis einer privaten Absicherung belaste den Einzelnen unangemessen. Denn dem Interesse des Staates daran, seine Fürsorgekosten (für sozial nicht Abgesicherte) zu begrenzen, werde auch durch eine entsprechende private Absicherung genüge getan. Der Einwand, ein Sozialversicherungssystem funktioniere nur dann hinreichend, wenn möglichst die gesamte Gruppe in das System der Pflichtversicherung einbezogen sei, um einen durchschnittliche Versichertenstruktur zu gewährleisten, vermöge in diesem Zusammenhang nicht durchzugreifen. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung spiele die Gefahr der Risikoselektion in der gesetzlichen Rentenversicherung keine wesentliche Rolle, da hier die Leistungen im Wesentlichen nach dem Äquivalenzprinzip bemessen würden. Die Befreiungsmöglichkeiten (SGB V, VI, VII, XI) zeigten zudem, dass ein System nicht hermetisch geschlossen sein müsse, um seine Funktion zu erfüllen. Art. 3 Abs. 1 GG werde verletzt, weil der Gesetzgeber habe seinen Beurteilungsspielraum nicht oder zumindest fehlerhaft gebraucht habe. Die selbständigen Lehrer würden gegenüber anderen Gruppen von Selbständigen nicht gerechtfertigt ungleich behandelt. Schließlich sei auch Art. 6 Abs. 1 GG verletzt.

Die Beklagte stellte fest, dass der Widerspruch vom 23.4.2002 gegen den Bescheid vom 25.2.2002 verfristet gewesen sei und legte den verspäteten Widerspruch als Überprüfungsantrag gemäß § 44 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus, welchen sie durch Bescheid vom 30.1.2003 ablehnte. Sodann wies sie mit Bescheid vom 6.5.2003 den Widerspruch zurück. Der Kläger unterfalle dem Personenkreis des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Hinter der Rechtsbehelfsbelehrung wies sie auf die bindend gewordene Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI und den Überprüfungsbescheid vom 30.2.2003 hin.

Mit der am 4.6.2003 zum Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat weiterhin die Ansicht vertreten, die Bestimmung des § 2 Nr. 1 SGB VI verstoße gegen das Grundgesetz. Zumindest sei § 231 Abs. 6 SGB VI einschlägig; die Vorschrift beinhalte eine echte Rückwirkung, sodass er überhaupt keine Möglichkeit gehabt habe, die Frage einer etwaigen Rentenversicherungspflicht in seine kaufmännische Disposition einzubeziehen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.9.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger sei als selbständig tätiger Lehrer, der im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte, gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig. Die Kammer habe sich auch nicht gedrängt gefühlt, das Verfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung der Frage anzurufen, ob § 2 Nr. 1 SGB VI mit der Verfassung im Einklang stehe.

Zwar sei Prof. Dr. Dr. H in seinem Rechtsgutachten zu dieser Auffassung gelangt; den dortigen Ausführungen vermöge sich die Kammer jedoch nicht anzuschließen: Dem Kläger sei zwar zu konzedieren, dass der Gesetzgeber nicht alle schutzbedürftigen Selbständigen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterzogen habe. Die vom Gesetzgeber gewählte Differenzierung sei sicherlich eine sozialpolitisch diskussionswürdige aber sachlich nachvollziehbare Begründung, die nicht willkürlich erscheine und stelle eine insgesamt noch sachgerechte Vorgehensweise im Rahmen des Schutzkonzeptes des § 2 dar (Hinweis auf Hauck-Haines, Rentenversicherungsrecht Anmerkung 8 zu § 2 SGB VI). Auch das BSG sei in seiner Entscheidung in SozR 2200 § 166 Nr. 5 nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorschrift gegen die Verfassung verstoße.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Befreiung gemäß § 231 Abs. 6 SGB VI. Der Kläger verkenne insoweit, dass er überhaupt nicht dem Personenkreis unterfalle, der in § 231 Abs. 6 SBG VI angesprochen sei.

Gegen das am 6.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6.11.2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Einbeziehung der selbständigen Tennislehrer in die Versicherungspflicht sein verfassungswidrig. Hierzu bezieht er sich erenut auf das Rechtsgutachten des Prof.Dr.Dr. H.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.09.2003 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden ( § 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 9.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.5.2003 zu Recht abgewiesen. Die Beklagte fordert mit diesen Bescheiden vom Kläger zutreffend ab 1.3.1999 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, weil der Kläger als selbständiger Tennislehrer, der seit dem genannten Zeitpunkt keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig ist. Über den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht ( vgl. dazu Urteile des LSG NRW L 14 RA 28/04 vom 28.5.2004, mit zustimmender Anmerkung von Tiemann in: jurisPR -SozR: 24/2004; L 14 RA 65/03 vom 5.9.2003; L 8 RA 66/03 vom 19.5.2004) hat die Beklagte weder mit dem Bescheid vom 9.10.2002 noch mit dem Widerspruchsbescheid vom 6.5.2003 entschieden.

Der Senat ist nicht überzeugt, dass die Einbeziehung des Personenkreies der selbständigen Tennislehrer in die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr.1 SGB VI ohne die Möglichkeit, bei Nachweis einen anderen ausreichenden Alterssicherung von der Versicherungspflicht befreit zu werden, verfassungswidrig ist, sodass die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht erfüllt sind.

Wegen der Begründung bezieht sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ( § 153 Abs. 2 SGG). Wie das Sozialgericht und das BSG, das die Versicherungspflicht der selbständigen Lehrer ebenfalls für verfassungsgemäß gehalten hat (BSG, Urt.v. 12.10.2000 - B 12 RA 2/99 R, SozR 3-2600 § 2 Nr 5), hält der Senat einen unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ebensowenig für gegeben wie eine gleichheitsatzwidrige Ungleichbehandlung. Letztere wird auch nicht dadurch bedingt, dass ein nach § 2 Abs. 1 Nr 1 SGB VI versicherungspflichtiger selbständiger Lehrer trotz seit langem getroffener privater Vorsorge keine Möglichkeit (nach § 231 Abs. 6 SGB VI ) hat, sich befreien zu lassen ( vgl. auch LSG NRW , L 8 RA 66/03 , Urt. v. 19.5.2004). Insoweit ist insbesondere ein selbständiger Tennislehrer wie der Kläger, der nach Beendigung der Beschäftigung des einzigen versicherungspflichtigen Mitarbeiters versicherungspflichtig geworden ist, nicht in einer wesentlich anderen Situation als ein Arbeitnehmer, der unabhängig von etwaigen früheren versicherungsfreien Tätigkeiten und unabhängig von einer anderen Altersversorgung, Vermögen o.ä. bei Aufnahme einer nicht geringfügigen abhängigen Beschäftiung pflichtversichert ist. Einen Verstoß des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gegen Art. 6 schließlich vermag der Senat hier ebenfalls nicht zu erkennen (vgl. auch LSG NRW Urt. v. 5.9.2003, L 14 RA 65/03).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlaß zur Revisionszulassung hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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