L 4 KR 189/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 69/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 189/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 27/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 8. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beigeladenen zu 1) dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten, sonstige Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Abführung von ca. 5.000 EUR Sozialversicherungsbeiträge und dabei vorrangig über die Arbeitnehmereigenschaft des Beigeladenen zu 1) Anfang der 90er Jahre.

Am 20.12.1991 wurde zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) - B. - ein "Anstellungsvertrag für Musikschullehrer", worin die Pflichten des B. und seine Ansprüche geregelt waren, geschlossen. Die wöchentliche Arbeitzeit betrug anfänglich 5,75 Stunden und die monatliche Vergütung war mit brutto 858,40 DM festgesetzt. Nahezu identische Verträge waren mit weiteren Musiklehrern geschlossen worden. Die sich ihrerwegen ergebenden Streitigkeiten hinsichtlich ihrer Versicherungspflicht und Beitragserstattung sind durch Berufungsrücknahmen am 22.04. 2004 erledigt worden. Zum 01.09.1992 wurde die Wochenarbeitszeit beim B. auf sechs Stunden erhöht und der Bruttolohn auf 1.152,05 DM. B. war daneben noch als Musiklehrer anderweitig beschäftigt. Nachdem für ihn keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, wandte er sich am 17.12.1993 unter Vorlage seiner monatlichen Gehaltsabrechnungen, nach denen jeweils Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden waren, an die Beklagte. Diese führte daraufhin am 16.03.1994 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch.

Dabei stellte der Betriebsprüfer fest, dass für den Zeitraum 01.09.1991 bis 28.02.1994 9.553,26 DM Sozialversicherungsbeiträge für die Beklagte und die BfA angefallen, jedoch nicht abgeführt worden waren. Dazu hatte B. auch seine Lohnsteuerkarte von 1993 vorgelegt, auf der von dem buchführenden Steuerbüro der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen vermerkt war. Mit Bescheid vom 19.05.1994 forderte die Beklagte die Beiträge bis einschließlich 30.09.1994 samt Säumniszuschlägen inzwischen in Höhe von 10.512,38 DM. Mittlerweile war B. am 31.08.1994 aus den Diensten des Klägers ausgeschieden.

Mit weiterem Bescheid vom 27.06.1994 erläuterte die Beklagte ihre Forderung näher, insbesondere hinsichtlich des zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses und hielt auch im Widerspruchsbescheid vom 30.11.1994, dessen Zustellungsdatum nicht dokumentiert ist, an ihrer Auffassung fest.

Hiergegen legte der Kläger am 03.01.1995 Klage beim Sozialgericht Regensburg ein und berief sich auf den Fall des Musiklehrers A. A., der als Selbständiger über die Künstlersozi- alkasse versichert gewesen sei.

Um den Ausgang eines Strafverfahrens gegen den klägerischen Steuerberater abzuwarten, der auch für die Lohnbuchungen verantwortlich gewesen war, kam das Klageverfahren am 20.07.1995 zum Ruhen und wurde am 25.02.2003 von der Beklagten wieder aufgenommen (S 10 KR 69/03). In der Erörterung vom 20.03.2003, bei der es auch um weitere Verfahren ähnlichen Inhalts mit anderen Musiklehrern ging, regte der Vorsitzende Klagerücknahme an, weil die Feststellung von der Arbeitnehmereigenschaft des B. zutreffe. Der Kläger verwies dagegen auf zwei weitere Künstler, die dem B. vergleichbar, von der Künstlersozialkasse jedoch als selbständig angesehen worden wären. Die Beteiligten waren, wie auch in den anderen am gleichen Tage vom Sozialgericht entschiedenen Fällen hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zur Beitragszahlung, darüber angehört worden, dass im Wege des Gerichtsbescheides entschieden werden sollte. Mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2003 wies das Sozialgericht die Klage ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 150,00 EUR als Ersatz für entstandene Kosten des Gerichts. An der Arbeitnehmereigenschaft des B. sei nicht zu zweifeln. Aus verschiedenen Arbeitsgerichtsverfahren mit anderen Angestellten habe der Beklagte die Erkenntnis gewinnen müssen, dass auf B. gerade nicht die Kriterien eines Selbständigen zuträfen.

Gegen den am 25.07.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.08.2003 Berufung einlegen lassen und lässt diesmal vortragen, B. sei von Anfang an als freier Mitarbeiter geführt worden. Auch habe keine Weisungsbefugnis ihm gegenüber bestanden, insbesondere nicht hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung. Er habe daneben auch andere selbständige Tätigkeiten verrichtet, nicht aber Verwaltungsarbeiten an der Schule. Dagegen beharrt B. darauf, Weisungen der Schulleitung unterworfen gewesen bzw. in den Schulbetrieb eingebunden gewesen zu sein.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 08.07.2003 sowie die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 19.05. und 27.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten bzw. der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beschränkungen des § 144 Abs.1 SGG liegen nicht vor.

In der Sache selbst ist die Berufung unbegründet, denn die Beitragsforderung der Beklagten besteht zu Recht. Insbesondere ist sie nicht verjährt (§ 25 Abs.1 Sozialgesetzbuch - SGB - IV bzw. § 52 Abs.1 SGB X). Der Kläger schuldet als Arbeitgeber nach § 28e SGB IV i.V.m. § 253 SGB V und § 174 SGB VI die in der Höhe unstreitigen Sozialversicherungsbeiträge für B. An dessen Arbeitnehmereigenschaften im Sinn des § 7 SGB IV, dem eigentlichen Streitpunkt, besteht ebenso wenig ein Zweifel wie in den bereits bestandskräftig gewordenen Fällen aus den Streit- verfahren L 4 KR 185, 186, 187/03, die auf Hinweis des Senats vom Kläger durch Rücknahme am 22.04.2004 für erledigt erklärt wurden. Für den vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Dazu lässt sich auf die Gründe im Beschluss (L 4 B 426/03 KR PKH) des Senats bezüglich der PKH-Gewährung vom 16.01.2004, die die oben genannten Verfahren betreffen, verweisen. Dort heißt es an maßgeblicher Stelle: "Denn nach dem Akteninhalt spricht nichts dagegen, dass zwischen dem Kläger und den beigeladenen Musiklehrern jeweils versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestanden haben, die durch die Anstellungsverträge und die Tätigkeiten der Musiklehrer begründet worden sind (§ 7 Abs.1 Sozialgesetzbuch IV - SGB IV-). Danach ist die Beschäftigung, die eine Voraussetzung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung ist, die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der Senat verkennt nicht, dass die Tätigkeit eines Musiklehrers auch als freier Mitarbeiter oder als Selbständiger möglich ist. Entscheidend für die Abgrenzung der Ausübungsformen der beruflichen Tätigkeit sind nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung folgende Kriterien, die durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bestimmt werden. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht die enge Weisungsgebundenheit durch Eingliederung in ein hierarchisches System, insbesondere durch Unterstellung unter ein durch andere ausgeübtes Befehls- und Kontrollsystem, ein fremdbestimmter Aufgabenkreis verbunden mit der Pflicht, andere und nicht unmittelbar zum Aufgabenkreis gehörende Arbeiten zu übernehmen, die Bindung an einen bestimmten Arbeitsplatz oder an eine den Arbeitsplatz bestimmende Tätigkeit, die Bindung an geregelte Arbeitszeiten verbunden mit der Pflicht, regelmäßig zu erscheinen, Unterbrechungen zum Beispiel durch Urlaub bewilligen zu lassen und Verhinderungen anzuzeigen und die Verpflichtung, Arbeitszeit und Arbeitskraft nicht oder nicht beliebig anderweitig zu verwerten. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit geprägt durch die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, verbunden mit der Befugnis, übernommene Verrichtungen selbst zu erledigen oder durch Dritte erledigen zu lassen, weitgehend freigestaltete Tätigkeit und beliebige Arbeitszeit sowie frei gewählter Arbeitsplatz, soweit die zu erbringende Leistung dies zulässt, die uneingeschränkte Befugnis, gleichzeitig für andere Auftraggeber tätig zu sein und das eigentliche wirtschaftliche Risiko für den Erfolg (Unternehmerrisiko). Liegen nach den Umständen des Einzelfalles sowohl Merkmale der Abhängigkeit als auch der Selbständigkeit vor, kommt es darauf an, welche Merkmale bei einer Gesamtwürdigung wertungsmäßig überwiegen (BSG vom 29.01.1981 BSGE 51, 164; BSG vom 01.12.1977 BSGE 45, 199; BSG vom 24.06.1981 SozR 2200 § 1227 Nr. 34 = USK 81240; Krauskopf, Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 7 SGB IV, Rdnr.10 ff. m.w.N.)."

Unter Berücksichtigung dieser Merkmale war B. aufgrund der "Anstellungsverträge" vom 20.12.1991 und 17.02.1993 bei dem Kläger in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig. Er war vertraglich verpflichtet, nicht nur die Pflichtstundenzahl von zuletzt 6 Unterrichtsstunden wöchentlich zu erfüllen, sondern auch nach Weisung der Vorstandschaft und Schulleitung des Klägers zusätzlichen Musikunterricht zu erteilen, insbesondere im Fall der Verhinderung von Kollegen. Der Kläger behielt sich außerdem vor, den Musiklehrern neben der Unterrichtserteilung eine andere zumutbare Tätigkeit innerhalb der Musikschule zuzuweisen. Außerdem war die Dauer der Musikstunden geregelt und B. erhielt für seine Tätigkeit eine bestimmte monatliche Vergütung. Er war außerdem verpflichtet, ohne zusätzliche Vergütung nach Anordnung der Vorstandschaft oder der Schulleitung an Konferenzen, Prüfungen, Arbeitsgemeinschaften und Veranstaltungen teilzunehmen bzw. bei diesen und den vorbereitenden Proben aktiv mitzuwirken und unterlag im Übrigen der Schulordnung, den Dienstanweisungen und den Einzelanweisungen durch die Vorstandschaft oder Schulleitung. Er hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Damit hatte B. die typischen Pflichten eines Arbeitnehmers in einem gewöhnlichen Dienstverhältnis.

Das, was die Klägerseite als maßgeblichen Unterschied dieses Falles im Gegensatz zu den oben genannten ansieht und weswegen sie die vorliegende Streitsache anders behandelt wissen will, ist belanglos. Der tatsächliche Unterschied zu den oben genannten Streitsachen liegt darin, dass dort Sozialversicherungsbeiträge bereits abgeführt worden waren und streitig ihre Rücker- stattung wegen angeblich fehlender Arbeitnehmereigenschaft war, während hier die Beiträge gar nicht abgeführt worden waren und B. nicht einmal gemeldet worden war. Der Kläger hatte jedoch ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen und der Lohnsteuerkarte 1993 die Arbeitnehmeranteile vom Lohn des B. einbehalten und sie dann nicht weitergeleitet. D.h., er und der Arbeitnehmer waren seinerzeit ebenso wie in den Bezugsfällen vom Bestehen der Sozialversicherungspflicht ausgegangen, andernfalls die Gehaltsabrechnung mit der Bestätigung der Abführung von Lohnsteuer und angeblich auch Sozialversicherungsbeiträgen sinnlos gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass B. neben der Tätigkeit für den Kläger hauptberuflich selbständig gewesen sei, liegen nicht vor. Derartiges hätte der Kläger gemäß Nr.16 des Arbeitsvertrages ausdrücklich genehmigen müssen. Zusammengefasst ist festzuhalten, B. war in der streitigen Zeit abhängig Beschäftigter beim Kläger gewesen, der als Arbeitgeber für die Abführung der Beiträge einzustehen hat, die durch die Beklagte in korrekter Weise geltend gemacht werden.

Nicht geltend gemacht hat die Beklagte zu Recht Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, denn nach den damals geltenden §§ 102, 169 AFG bestand Beitragsfreiheit für B. wegen der geringen Wochensstundenzahl.

Da das Verfahren bereits vor In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes begonnen hat, richtet sich die Kostenentscheidung noch nach § 193 SGG.

Auf die Verhängung von Mutwillenskosten nach § 192 SGG hat der Senat angesichts der Vermögensverhältnisse des Klägers verzichtet.

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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