L 16 RJ 653/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1034/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 653/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 7. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1952 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro und hat seinen Wohnsitz dort.

Im Rentenantrag vom 01.04.1999 gab er eine Berufsausbildung in Jugoslawien von Mai 1976 bis Mai 1977 als hoch qualifizierter Eisenflechter an. Vorgelegt hat er ein Abschlussprüfungszeugnis über die Ausbil- dung zum Eisenflechter im Baufach, wobei eine zweijährige Aus- bildung erwähnt, allerdings nur das Schuljahr 1968/69 angege- ben wird. Serbische Versicherungszeiten wurden von August 1969 bis Juli 1999 für insgesamt 24 Jahre 4 Monate und 20 Tage mitgeteilt.

In der Bundesrepublik hat der Kläger träge von Oktober 1972 bis April 1977 insgesamt für 55 Monate Beiträge bezahlt und war in dieser Zeit bei der Stadt H. im Reinigungsdienst als Arbeiter beschäftigt. Nach eigenen Angaben bezieht er seit 27.05.1999 in Serbien Invalidenrente.

Mit dem Rentenantrag wurde ein Untersuchungsbericht der Invali- denkommission in B. vom 27.05.1999 vorgelegt. Darin wird über einen im Juni 1997 erlittenen akuten Herzinfarkt bei Gene- sung ohne Komplikationen berichtet.

Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger im November 2001 in der Untersuchungsstelle in R. internistisch begutachtet. Dr.S. stellte folgende Diagnosen:

1. Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Herzhinterwandinfarkt 6/1997; Zustand nach Gefäßdehnung 10/1997.

2. Arterieller Bluthochdruck mit beginnenden Umbauerscheinungen am linken Herzen.

Deshalb könne der Kläger als Eisenflechter nur noch unter drei Stunden arbeiten, leichte Arbeiten zeitweise im Gehen, Stehen oder Sitzen ohne Akkord, ohne Nachtschicht und geschützt vor ungünstigen Witterungseinflüssen dagegen noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 03.01. 2002 ab mit der Begründung, es liege bei mindestens sechsstündigem Leistungsvermögen weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit noch teilweise oder volle Erwerbsminderung vor, so dass der Kläger weder nach dem bis zum 31.12.2000 noch nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht Anspruch auf Rente habe, da er auf Grund seiner bisherigen Berufstätigkeit auch auf dem allge- meinen Arbeitsmarkt tätig sein könne.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2002 zurück.

Dagegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht Landshut mit dem Antrag, alle notwendigen Unterlagen auszuwerten und neue Gutachten zu erstellen.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts wurde der Kläger von Dr.Z. untersucht. Dieser stellte im Gutachten vom 04.07.2003 folgende Diagnosen:

1. Herzminderleistung bei abgelaufenem Herzinfarkt, Aufdehnung einer verengten Herzkranzarterie und Bluthochdruck.

2. Chronisch rezidivierendes Zwölffingerdarmgeschwür-Leiden

Der Kläger solle im Hinblick auf die Verengung des Herzens keine körperlich schweren Arbeiten ausüben sowie keine Arbeiten mit großer Stressbelastung. Bei einer Belastbarkeit bis 60 Watt seien aber körperlich nicht anstrengende Tätigkeiten noch ausführbar. Auch das seit Jahren bestehende Zwölffingerdarmgeschwürs-Leiden führe, da keine Minderung des Kräfte und Ernährungszustands vorliege, nicht zu einer Leistungseinschränkung in nennenswertem Umfang. Im Vergleich zu dem Vorgutachten sei es zu keiner Befundverschlechterung gekommen, der Kläger könne acht Stunden oder mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne große Anforderung an die nervliche Belastbarkeit verrichten. Auch die Umstellungsfähigkeit und die Wegefähigkeit seien nicht eingeschränkt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 07.08.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sowohl nach der Untersuchung bei der Gutachterstelle in R. als auch nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten kein Rentenanspruch besteht, da der Kläger im zuletzt ausgeübten Beruf in der Bundesrepublik als ungelernter Arbeiter der Straßenreinigung nach dem deutschen Recht auf alle angelernten und ungelernten Tätigkeiten verweisbar sei und bei ihm noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt. Er sei nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten als Eisenbieger zu verrichten, auch die Tätigkeit als Straßenkehrer sei nicht zumutbar. Er müsse bei der Arbeit zusätzliche Pausen einlegen, deshalb beschäftige ihn kein Arbeitgeber mehr. Auf Grund des erlittenen Herzinfarktes und der von Dr.Z. festgestellten Gesundheitsstörungen sei keine Tätigkeit mehr möglich.

Der vom Senat mit der Begutachtung des Klägers beauftragte In- ternist Dr.E. hat im Gutachten vom 29.09.2004 die Diagnosen gestellt:

1. koronare Herzerkrankung, Zustand nach Hinterwandinfarkt

2. arterieller Hypertonus

3. Gefäßrisikofaktoren

a) Hyperlipidämie

b) Übergewicht

c) Nikotinabusus

4. helicobacterassoziierte Gastritis, Verdacht auf Ass- bedingte Schleimhauterosionen.

Nebenbefundlich bestehe der Verdacht auf eine grenzwertig ob-struktive Ventilationsstörung und eine Nierenzyste rechts. stellt. Die erhobenen Untersuchungsergebnisse zeigten keine Einschränkung der Herzfunktion, Ischämiezeichen seien bei einer Belastung bis 125 Watt nicht nachweisbar, obwohl subjektiv eine Beschwerdesymptomatik im Sinne eines retrostenalen Drucks ange- geben werde. Eine wesentliche Leistungseinschränkung ergebe sich durch diese Befunde nicht, ebenso nicht aus der helicob- acterassoziierten Gastritis, da keine Rückwirkung auf den All- gemeinzustand feststellbar sei. Auf Grund der Gesundheitsstörungen könne der Kläger leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen mit gelegentlichem Positionswechsel acht Stunden pro Tag ab April 1999 noch verrichten. Es liege keine Summierung ungewöhnlicher Behinderungen und keine Einschränkung der Wegefähigkeit vor, auch die Umstellungsfähigkeit sei erhalten. Dr.E. hat vermerkt, dass eine geringgradige Verbesserung bezüglich der Herzveränderungen seit der letzten Begutachtung bereits eingetreten sei. Vermieden werden müssten Akkordbedingungen und das häufige Bücken oder häufige Zwangshaltung bei der Verrichtung der Arbeit. Nicht mehr tätig sein könne der Kläger als Eisenbieger.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 07.08.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung( §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht den Anspruch des Klägers auf Rente abgelehnt, da der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 44 SGB VI a.F. bzw. §§ 43, 240 SGB VI n.F. ist.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, daß jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 01.04.99 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Der Kläger hat zwar in Serbien den Beruf eines Eisenflechters erlernt, nachgewiesen ist aber eine nur eine einjährige Ausbildung. Die Dauer der Berufsausbildung ist jedoch ohne besondere Bedeutung, denn der Kläger hatte sich vom erlernten Beruf aus anderen wie gesundheitlichen Gründen gelöst und in der Bundesrepublik ungelernte Tätigkeiten im Reinigungsamt der Stadt Hildesheim ausgeführt. Da im Sozialversicherungsabkommen mit Jugoslawien, das im Verhältnis zu Serbien und Montenegro weiter Anwendung findet, keine Gleichstellung bezüglich der Ausbildung erfolgte, ist für den Berufsschutz allein die in der Bundesrepublik ausgeübte Beschäftigung maßgeblich. Nach dem sog. Mehrstufenschema des BSG ist der Kläger nur als einfach Angelernter beschäftigt gewesen und daher auf alle angelernten und ungelernten Tätigkeiten verweisbar, die mit seinem Leistungsvermögen noch vereinbar sind.

Nach den ärztlichen Feststellungen von Dr.E. kann der Kläger zwar die Tätigkeit als Eisenflechter nicht mehr ausüben, da diese Tätigkeit ständig im Freien geleistet wird und ebenso wie die Tätigkeit im Reinigungsamt mit Heben und Tragen von Lasten verbunden und daher nicht geeignet ist. Trotzdem liegt keine Berufsunfähigkeit i.S. des Gesetzes vor, denn der Kläger ist auf Grund der breiten Verweisbarkeit für auch ungelernte Tätigkeiten geeignet. Es sind keine so schwerwiegenden Leistungseinschränkungen erkennbar, dass der Kläger solche Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Er kann vielmehr mit dem verbliebenen Leistungsvermögen leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten und ist somit acht Stunden bzw. mehr als sechs Stunden täglich einsetzbar.

Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernten - Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt beim Kläger weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8).

Seit April 1999 hat sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht verändert, wie sowohl die Ärzte bei der Untersuchungsstelle R. als auch Dr. Z. im erstinstanzlichen Verfahren und Dr. E. im Berufungsverfahren übereinstimmend festgestellt haben. Besonders das Gutachten von Dr. E. hat sich ausführlich mit den vom Kläger vorgetragenen Beschwerden auseinander gesetzt und unter Erhebung aller Befunde die Bewertung gut nachvollziehbar begründet dargestellt. Der Senat musste sich deshalb zu keiner weiteren Sachermittlung gedrängt fühlen, zumal der Kläger weder zum Gutachten von Dr. Z. noch zum Gutachten von Dr. E. Einwendungen erhoben hat. Es ist somit nicht erkennbar, warum das Gutachten von Dr. E. nicht zutreffend den Gesundheitszustand des Klägers widergeben und bewerten sollte. Nach diesen Gutachten kann der Kläger aber noch vollschichtig tätig sein und es sind eine Vielzahl von Arbeiten denkbar, die mit diesem Leistungsvermögen noch vereinbar sind. Da der Kläger in der Bundesrepublik nur ungelernte Arbeiten verrichtet hat, ist ihm eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen, grundsätzlich sind die Einschränkungen aber nicht sehr schwerwiegend und schließen leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen ohne ständige Zwangshaltung nicht aus.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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