L 14 RJ 177/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 39 RJ 143/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RJ 177/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.09.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) darüber, ob die dem Kläger ab 01.11.1999 bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines nach Maßgabe des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der Fassung vom 16.12.1997 (BGBl. I 2998) - jetzt § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI - ungeminderten Zugangsfaktors von 1,00 zu berechnen ist oder ob wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme dieser Rentenart ein Zugangsfaktor von 0,898 zugrunde zu legen ist.

Der am 00.00.1939 geborene Kläger war seit dem 23.05.1955 bei der Firma D GmbH / O im Produktionsbereich versicherungspflichtig beschäftigt. Vor dem Hintergrund einer bis Ende 1996 geplanten Stilllegung des gesamten Produktionsbereichs vereinbarten der Betriebsrat und die D GmbH am 18.02.1994 ein Sozialplanvolumen, dem ein Sozialplan vom 15.03.1994, in welchem unter Bezugnahme auf den Interessenausgleich vom 18.02.1994 insbesondere die Höhe der Abfindungsleistungen geregelt war, folgte. Aus dem Sozialplan und dem Interessenausgleich geht weiter hervor, dass die von der Werksstilllegung betroffenen Arbeitnehmer jeweils zu einem späteren Zeitpunkt durch individuelle firmenseitige Kündigung oder durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen aus dem Betrieb ausscheiden sollten. Nachdem sich wegen unvorhergesehener Entwicklungen innerhalb der internationalen D-Gruppe der Termin für die Schließung des Produktionsstandortes in O in das Jahr 1997 verschob, wurde eine zusätzliche Betriebsvereinbarung vom 07.03. bzw. 13.03.1996 getroffen, in dem weitere Modalitäten hinsichtlich der Abfindungen etc. geregelt wurden.

Mit Schreiben vom 04.12.1996 kündigte die D GmbH das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Bezugnahme auf die Konzernentscheidung zur Restrukturierung von D sowie auf der Grundlage des Interessenausgleichs / Vereinbarung über Sozialplanvolumen vom 18.02.1994, dem Sozialplan vom 15.03.1994 und der Betriebsvereinbarung vom 7. / 13.03.1996 unter Einhaltung der arbeitgeberseitigen gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30.09.1997. Am 30.06.1997 erfolgte die tatsächliche Schließung des Werks in O.

Der zwischenzeitlich arbeitslos gemeldete Kläger bat unter dem 05.12.1997 bei der Beklagten um Auskunft, ob er im Falle eines vorzeitigen Rentenbeginnes unter die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Nr. 1 b SGB VI falle. Hierbei vertrat er die Ansicht, dass der Interessenausgleich / Sozialplan vom 18.02.1994 als Vereinbarung im Sinne dieser Vertrauensschutzregelung anzusehen sei. Mit Bescheid vom 30.01.1998 und Widerspruchsbescheid vom 02.06.1998 stellte die Beklagte fest, eine wirksame Vereinbarung im Sinne des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI liege nicht vor. Im anschließenden Klage- bzw. Berufungsverfahren (Sozialgericht Düsseldorf, Aktenzeichen S 39 RJ 89/98 und L 14 RJ 168/00) hob die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 26.10.2001 die erteilten Feststellungsbescheide auf und wertete die eingelegte Berufung vom 28.11.2000 als Überprüfungsantrag hinsichtlich des zwischenzeitlich ergangenen Altersrentenbescheid vom 05.08.1999. In diesem Bescheid hatte die Beklagte die dem Kläger ab dem 01.11.1999 auf der Grundlage seines Antrags vom 05.06.1999 gewährte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines auf 0,898 gekürzten Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente berechnet. An Stelle von 51,8529 wurden der Rente nur 46,5639 persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegt.

Mit Bescheid vom 31.01.2002 lehnte die Beklagte eine Rücknahme bzw. Änderung des Bescheides vom 05.08.1999 und Gewährung der Altersrente unter Einbeziehung eines ungekürzten Zugangsfaktors ab. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass eine wirksame Vereinbarung im Sinne des § 237 SGB VI voraussetze, dass Gegenstand der Vereinbarung entweder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses sei. Die bloße Vereinbarung eines Sozialplanes ohne konkrete Vereinbarung im Einzelfall führe nicht zur Anwendung der Vertrauensschutzregelung. Im Rahmen des hiergegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger weiterhin geltend, auch Sozialpläne oder Tarifverträge seien Vereinbarungen im Sinne des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI. Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich eine Einschränkung im Sinne einer individuellen Vereinbarung nicht entnehmen. Nach der Zielrichtung des Gesetzes solle der Vertrauensschutz auch für solche Arbeitnehmer gelten, deren Arbeitsverhältnis mit oder ohne eigenes Zutun in der Zeit des Umbruchs der gesetzlichen Regelung beendet worden sei oder dessen Beendigung eingeleitet worden sei und die bis zum Stichtag auf den Fortbestand der alten Rechtslage vertrauen durften. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Vertrauensschutzregelung nach § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI (jetzt § 237 Abs. 4 SGB VI) finde im Falle des Klägers keine Anwendung. Sein Arbeitsverhältnis sei erst mit Kündigungsschreiben vom 04.12.1996 beendet worden. Eine Kündigung oder Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens bis zum 13.02.1996 (Stichtag) sei nicht erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 07.08.2002 vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Er hat vorgetragen, es bedürfe keiner individuellen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 14.02.1996. Die kollektiv-rechtliche Vereinbarung von 1994 sei ausreichend. Eine solche Auslegung sei auch verfassungsrechtlich geboten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 31.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2002 aufzuheben und ihm unter Änderung des Bescheides vom 05.08.1999 ungekürzte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Zugangsfaktor 1,0) ab dem 01.11.1999 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.

Mit Urteil vom 10.09.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger gehöre nicht zum geschützten Personenkreis der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI in der bei Rentenbeginn am 01.11.1999 gültigen Fassung vom 16.12.1997 (Bundesgesetzblatt I 2998). Danach werde bei vor 1941 geborenen Versicherten die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14.02.1996 erfolgt sei, für eine Zeit nach dem 13.02.1996 beendet werde und der Versicherte anschließend arbeitslos geworden sei. Der Kläger sei zwar vor dem 14.02.1941 geboren und sei nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.09.1997 bis zum Bezug der Altersrente arbeitslos gewesen. Sein Arbeitsverhältnis sei jedoch nicht aufgrund einer Kündigung oder individuellen Vereinbarung, die vor dem 14.02.1996 erfolgt sei, beendet worden. Vielmehr sei die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erst durch die Kündigung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 04.12.1996 und damit nach dem Stichtag 14.02.1996 erfolgt. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die arbeitgeberseitige Kündigung vom 04.12.1996 und nicht bereits der Abschluss des Sozialplanes/Interessenausgleichs vom 18.02.1994. Der genannte Sozialplan sei keine Vereinbarung im Sinne des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI. Als Vereinbarung im Sinne des genannten Buchstaben b) seien nur individuell-rechtliche Verträge anzusehen. Dies entspreche nach Auffassung der Kammer dem Sinn und Zweck der Vertrauensschutzregelung. Die Vertrauensschutzregelung solle solche Versicherte schützen, die bis zum 14.02.1996 auf den Fortbestand des alten Rechts zur Altersrente u.a. wegen Arbeitslosigkeit vertraut hätten und im Vertrauen auf diese Gesetzeslage eine konkret individuelle Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihrem Arbeitgeber getroffen hätten. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers nicht erfüllt. Er habe vor dem 14.02.1996 keine konkrete Disposition zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma D GmbH getroffen. Der Sozialplan vom 18.02.1994 und die ergänzende Betriebsvereinbarung vom 7. / 13.03.1996 hätten keine individuellen Vertragsbeendigungen der einzelnen Arbeitsverhältnisse enthalten. Zur Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse habe es vielmehr einer zusätzlichen individuellen Kündigung bzw. einer individuellen Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien bedurft. Die Kammer sehe sich in ihrer Auffassung auch durch das Urteil des BSG vom 30.10.2001, Aktenzeichen B 4 RA 15/00 R, bestätigt. Danach würden Versicherte von der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI auch dann erfasst, wenn sie aufgrund einer vor dem 14.02.1996 geschlossenen kollektiven und auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zielenden Vereinbarung einen sie selbst (und den Arbeitgeber) gemäß der Betriebsvereinbarung bindenden Antrag auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestellt hätten. Das Bundessozialgericht fordere in der genannten Entscheidung nicht nur das Vorliegen einer kollektiven Vereinbarung vor dem 14.02.1996, sondern auch das Vorliegen einer konkret-individuellen Disposition des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers vor dem 14.02.1996 aufgrund der kollektiven Vereinbarung. Eine solche konkret-individuelle Disposition hätten weder der Arbeitgeber noch der Kläger vor dem 14.02.1996 getroffen. Das Abwarten der Kündigungserklärung des Arbeitgebers im Jahre 1996 könne nach Auffassung der Kammer nicht mit einer den Vertrauensschutz auslösenden bindenden Entscheidung des Klägers vor dem 14.02.1996 gleichgestellt werden. Nach alledem habe die Beklagte die Altersrente des Klägers ab dem 01.11.1999 zu Recht auf den Zugangsfaktor 0,898 abgesenkt.

Gegen das am 21.11.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.11.2003 Berufung eingelegt. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des dort dargestellten Sinnes und Zweckes des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI sei festzustellen, dass auch den Personengruppen Vertrauensschutz zuzubilligen sei, bei denen vor dem Stichtag am 14.02.1996 festgestanden habe, dass das Arbeitsverhältnis wegen einer Betriebsstilllegung nach dem 14.02.1996 seine Beendigung finden werde. Eine solche Fallgestaltung liege hier vor. Entsprechend den kollektiven Vereinbarungen von 1994 und 1995 habe festgestanden, dass der Produktionsbereich in naher Zukunft stillgelegt werde und damit Arbeitslosigkeit des Klägers nach dem 14.02.1996 eintreten werde. Dass sich die erwartete Schließung der Produktion zu Ende Juni 1996 bzw. Ende Dezember 1996 auf das Kalenderjahr 1997 verschoben habe, sei entscheidungsunerheblich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. September 2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.01.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2002 zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 05.08.1999 teilweise zurückzunehmen, den Wert des Rechts auf Altersrente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,00 statt 0,898 festzustellen und dem Kläger hieraus ab 01.11.1999 eine entsprechend höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Werts des Rechts auf Altersrente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,00 statt 0,898 und Gewährung einer entsprechend höheren Rente. Der nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 SGB X zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 05.08.1999 entspricht der Sach- und Rechtslage, so dass eine Änderung dieses Bescheides im Zugunstenwege nicht in Betracht kommt.

Die Beklagte hat bei der Bewilligung der um 34 Monate vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und damit bei Ermittlung des Werts des Rechts auf Altersrente zu Recht einen Zugangsfaktor von 0,898 zugrunde gelegt. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der hier bei Rentenbeginn zum 01.11.1999 gültigen Fassung richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente zu berücksichtigen sind. Entgeltpunkte werden bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, in vollem Umfang berücksichtigt (Zugangsfaktor 1,00). Nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ist der Zugangsfaktor bei Entgeltpunkten, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente wegen Alters waren, für jeden Kalendermonat, für den Versicherte eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch nehmen, um 0,003 niedriger. Dies ergibt sich aus der Regelung der §§ 38, 41 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit der Anlage 19 zum SGB VI in der bei Rentenbeginn am 01.11.1999 maßgeblichen Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.09.1996 (BGBl. I 1461). Danach wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit für Versicherte, die nach dem 31.12.1936 geboren sind, angehoben. Dies führt bei dem im Oktober 1939 geborenen Kläger dazu, dass er eine abschlagsfreie Altersrente erst ab dem 01.09.2002 hätte erhalten können und eine Inanspruchnahme unter Inkaufnahme einer Rentenminderung in dem festgestellten Umfang frühestens ab dem 01.11.1999 - wie in dem Bescheid vom 05.08.1999 festgestellt - möglich war (zur Entwicklung der Vorschriften §§ 38, 41, 237 SGB VI vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, Az.: B 5 RJ 44/04 R). Die Voraussetzungen des § 237 Abs. 2 SGB VI (jetzt § 237 Abs. 4 SGB VI), unter denen gleichwohl eine abschlagsfreie vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen werden kann, erfüllt der Kläger nicht. Dabei scheiden die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VI im Falle des Klägers ersichtlich aus, da er nicht aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden ist (Nr. 2) und keine 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 3) belegt hat. Der Versicherungsverlauf des Klägers weist insoweit Pflichtbeitragszeiten vom 01.04.1954 bis 30.09.1997 aus.

Der Kläger kann auch nicht die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Nr. 1 b SGB VI für sich in Anspruch nehmen. Nach dieser Vorschrift wird bei Versicherten, die vor dem 14.02.1941 geboren sind, die Altersgrenze von 60 Jahren nicht bzw. in geringerem Umfang angehoben, wenn deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und sie daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben. Der Kläger ist zwar vor dem 14.02.1941 geboren und war auch nach dem 13.02.1996 - hier ab dem 01.10.1997 - bis zum Bezug der Altersrente arbeitslos. Sein Arbeitsverhältnis ist aber nicht aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung vor dem Stichtag 14.02.1996 beendet worden. Es endete vielmehr erst durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 04.12.1996. Zwar hatte diese Kündigung ihren Hintergrund in dem Interessenausgleich und der Vereinbarung über Sozialplanvolumen sowie dem Sozialplan vom 18.02. bzw. 15.03.1994 und damit letztlich in der unternehmerischen Entscheidung einer Werksschließung spätestens im 2. Halbjahr 1996. Diese kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen aus dem Jahr 1994 sind jedoch keine solche im Sinne der gesetzlichen Vertrauensschutzregelung. Zwar können auch kollektive Vereinbarungen unter den Anwendungsbereich des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI fallen (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001, SozR 3 - 2600, § 237 Nr. 1 mit weiteren Nennungen). Danach erfasst der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auch diejenigen Versicherten, die aufgrund einer kollektiven Vereinbarung vor dem 14.02.1996 einen bindenden Antrag auf Beendigung ihres Arbeitsvertrages gegenüber dem Arbeitgeber gestellt hatten, der zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führte. Der Versicherte als Arbeitnehmer, der sich in dem Bewusstsein, sich auf Dauer nicht oder vorübergehend nur unter Inkaufnahme einer Verschlechterung seiner Arbeitssituation seinem arbeitgeberseitig vorgesehenen Ausscheiden widersetzen zu können, zum Ausscheiden bindend bereit erklärt, ist ebenso schutzwürdig, wie der in § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI erkennbar angesprochene Personenkreis derer, bei denen das Arbeitsverhältnis aufgrund einer vor dem 14.02.1996 geschlossenen individuellen Aufhebungsvereinbarung oder durch vorher ausgesprochene Kündigung mit Wirkung für die Zukunft beendet worden war (BSG, Urteil vom 30.10.2001 a.a.O.). Somit fordert der Begriff Vereinbarung auch nach seiner systematischen Stellung bei den Beendigungstatbeständen zumindest einen bindenden Antrag des Versicherten auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne der §§ 133, 145 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor dem genannten Stichtag oder ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers, wobei offen bleiben kann, wie die aufgrund dieses Antrags zu Stande gekommene Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsrechtlich zu qualifizieren wäre. Ein solches Vertragsangebot eines Versicherten bzw. des Arbeitgebers ist nach den Bestimmungen des BGB in den Grenzen der §§ 145, 146 BGB bindend, unabhängig davon, ob es sich insoweit um einen Antrag auf Abschluss eines Vertrags zur einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder auf den Abschluss eines sogenannten Abwicklungsvertrages handelt. Ein derartiges sie bindendes "Beendigungsangebot" haben weder der Kläger noch seine Arbeitgeberin unter Bezugnahme auf den Interessenausgleich / Sozialplan unterbreitet, wobei ein derartiges Prozedere weder im Sozialplan noch in den ergänzenden Betriebsvereinbarungen vorgesehen war. Der Interessenausgleich bzw. Sozialplan der D GmbH enthielt nicht einmal ein Angebot der Arbeitgeberin auf individuelle Vertragsaufhebung, welches bereits vor der formellen Kündigung vom 04.12.1996 unmittelbar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers hätte führen können. Vielmehr enthielt der Sozialplan eine Beschäftigungsgarantie bis zum 30.06.1996 und sah Kürzungen der Sozialplanabfindung vor, sofern das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Beschäftigungsgarantie arbeitnehmerseitig gekündigt würde. Nach Wortlaut und Interessenlage der Vereinbarung ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Arbeitgeberin nicht bereits abschließend individuell bezüglich des genauen Beendigungszeitpunkts der einzelnen Arbeitsverhältnisse binden wollte. Vielmehr sollten diese später durch arbeitgeberseitige Kündigung oder einvernehmliche individuelle Vereinbarungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beendet werden. Eine für den Kläger wie seine Arbeitgeberin gleichermaßen bindende unumkehrbare Disposition über sein Arbeitsverhältnis wurde daher mit den Sozialplanvereinbarungen nicht getroffen. Vielmehr entstanden die in den Vereinbarungen begründeten Ansprüche erst zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Auch nach dem Schutzzweck der gesetzlichen Vorschrift des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b SGB VI ist es nicht gerechtfertigt, die Vertrauensschutzregelung vorliegend anzuwenden. Die Norm dient nur dem Vertrauensschutz von Versicherten, die am 14.02.1996 ein bestimmtes Lebensalter erreicht hatten und zu diesem Zeitpunkt bereits arbeitslos waren oder die aufgrund der Rentenanwartschaft und dem Vertrauen auf die damaligen gesetzlichen Regelungen, wegen Arbeitslosigkeit das Recht auf eine Altersrente bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres erlangen zu können, Dispositionen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen hatten, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten und die später zur Arbeitslosigkeit geführt haben. Es fehlt hier jedoch gerade an einer eigenen Disposition des am Stichtag noch nicht arbeitslosen und auch noch nicht gekündigten Klägers. Der Kläger ist rentenrechtlich nicht anders gestellt als andere Versicherte, die am 14.02.1996 noch nicht arbeitslos, aber von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht waren, denen aber keine Ansprüche aus einem Sozialplan zustanden (siehe zu einer gleichgelagerten Fallgestaltung BSG, Urteil vom 25.02.2004, Az.: B 5 RJ 62/02 R).

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgezogene Anhebung der Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und insbesondere die Ausgestaltung der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 SGB VI hat der Senat nicht. Das BSG hat in mehreren Urteilen, u.a. auch in dem Fall eines 1939 geborenen Klägers, dessen Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen 1997 gekündigt worden war, unter verfassungsrechtlichen Aspekten mit diesen Regelungen befasst und sie als mit dem Eigentumsschutz aus Artikel 14 Grundgesetz (GG), dem rechtstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, Az.: B 5 RJ 44/02 R und B 5 RJ 62/02 R; vom 05.08.2004, Az.: B 13 RJ 40/03 R sowie vom 07.07.2004, Az.: B 8 KN 3/03 R). In diesen Entscheidungen wird zusammenfassend ausgeführt, dass die genannten Abschlagsregelungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente wegen Arbeitslosigkeit im Einklang mit den Grundrechten stünden. Dies gelte ungeachtet der Frage, ob die gesetzliche Gewährung einer ungeminderten Altersrente bei Vollendung eines bestimmten Lebensalters und Arbeitslosigkeit vom Eigentumsschutz des Grundgesetzes erfasst werde. Ebenso wie die beschleunigte Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente für Frauen und der Abschlag bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Rente, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluss der 3. Kammer des 1. Senat vom 13.02.2004 (1 BVR 2491/97) bereits als verfassungsgemäß beurteilt habe, sei auch die erweiterte Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erforderlich und geeignet, um das Rentenversicherungssystem für die Beitragszahler bezahlbar zu erhalten und zusätzliche Lohnnebenkosten im Interesse der Schaffung oder jedenfalls des Erhalts von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Ein Gegensteuern sei hier umso mehr geboten, als die seit dem Rentenreformgesetz 1992 festzustellende und weiterhin zu erwartende erhebliche Ausweitung der Rentenzugänge mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit den Kostendruck auf die Rentenversicherung im besonderen Maße verstärkt habe und bei dieser Rentenart in der Praxis nicht nur in den industriellen Großbetrieben, sondern zunehmend auch im Handel und Dienstleistungsgewerbe die Kosten betrieblicher Personalanpassungen auf die sozialen Sicherungssysteme verlagert worden seien. Bei Abwägung des Interesses des Klägers an der Beibehaltung der ihm durch das Rentenreformgesetz 1992 eingeräumten Rechtsposition und dem öffentlichen Interesse an deren Veränderung habe letzteres Vorrang. Die Hinnahme des Abschlags bei Belassung der Wahlmöglichkeit, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres Rente zu beziehen, sei zumutbar. Die Übergangsregelungen genügten auch insoweit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, als sie die weitere Anwendung des früheren Rechts davon abhängig machten, ob im Hinblick darauf bereits unumkehrbare Dispositionen getroffen worden seien. Unter Berücksichtigung der beschriebenen Interessenlage zur Sicherung des Sozialversicherungssystems sei auch die für alle vorgezogenen Altersrenten einheitliche Voraussetzung von 45 Pflichtbeitragsjahren für die Beibehaltung der nach dem Rentenreformgesetz 1992 gegebenen Rechtslage verfassungsgemäß. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus eigener Überzeugung im vollem Umfang an.

Die Entscheidungen des 4. Senats des BSG vom 28.10.2004, wonach die Revisionsverfahren B 4 RA 42/02 und B 4 RA 7/03 R gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden, betreffen eine Fallgestaltung nach § 237 Abs. 4 Nr. 3 sowie § 237 Abs. 3 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1999 (vgl. Pressemitteilung Nr. 63/04, die schriftlichen Entscheidungsgründe lagen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht vor). Sie geben deshalb keinen Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung.

Aus alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und im Hinblick auf die zwischenzeitlich anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25.02.2004 und 05.08.2004 (Az.: 1 BvR 1220/04, 1 BvR 1576/04, 1 BvR 1631/04 und 1 BvR 1662/04 sowie 1 BvR 2230/04) und die Vorlagebeschlüsse des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 28.10.2004 gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen worden.
Rechtskraft
Aus
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