L 4 RA 19/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 25 RA 145/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 RA 19/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.01.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit von April bis Oktober 1999 nach § Nr. 9 Satz 1 Buchstabe a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1a des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) streitig.

Seit Juni 1994 war die 1947 geborene Klägerin Pächterin eines Geschäfts für Modeschmuck und modische Accessoires. Verpächterin war die Firma C modische Accessoires AG. Das Geschäftslokal befand sich in M, Nordrhein-Westfalen. In der Zeit ab Januar 1999 beschäftigte die Klägerin mehrere Aushilfskräfte als Verkäuferinnen. Die Aushilfskräfte verdienten im Zeitraum von Januar bis Oktober 1999, jeweils weniger als 630,00 DM brutto monatlich, die Summe der Entgelte der Aushilfskräfte überschritt monatlich den Betrag von 630,00 DM. Zwischen der Klägerin und den Aushilfskräften war eine Beschäftigung auf der Basis eines "630,00 DM Job" vereinbart, der Stundenlohn belief sich auf 11,00 bis 12,50 DM, zusätzlich zahlte die Klägerin ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50,00 DM sowie ein Urlaubsgeld in Höhe von 24 Stunden jährlich. Die Arbeitszeit belief sich bei den Aushilfskräften S, E, X und F auf 12,5 Stunden wöchentlich.

Für den streitbefangenen Zeitraum war der Lohntarifvertrag des Einzelhandels, gültig ab dem 1.04.1999 für allgemeinverbindlich erklärt worden (Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom 18.11.1999, Bundesanzeiger Nr. 2041 vom 18.11.1999, Seite 20320). Der Geltungsbereich des Tarifvertrages erstreckte sich auf alle Unternehmen des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen und auf alle Arbeitnehmer in diesen Unternehmen, deren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen lag. Der Lohntarifvertrag sah bis zum 30.06.1999 in der niedrigsten Lohngruppe einen monatlichen Lohn von 2680,00 DM (Stundenlohn 16,44 DM) und ab dem 01.07.1999 von 2760,00 DM (Stundenlohn 16,93 DM) vor.

Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 26.11.1997 fest, dass die Klägerin berechtigt ist, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten ab Januar 1997 zu zahlen. Die Abwicklung der Beitragszahlung erfolgte maschinell, ohne Einschaltung der Sachbearbeitung. In den Bezugsgrößenmitteilungen von März 1999, Dezember 1999 Januar und 2000 an freiwillig Versicherte war unter anderem ein Hinweis auf die seit dem 01.01.1999 eingeführte Versicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige und die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Hinweises verwiesen.

Nach Eingang der maschinellen Meldung über die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung durch die Klägerin ab Juli 2000 wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 11.09.2000 an die Klägerin, um zu klären, ob die Klägerin als Selbständige der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI unterliege. Daraufhin übersandte die Klägerin unter anderem die Nachweise für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen. Mit Bescheid vom 04.04.2001 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit von April 1999 bis Januar 2000 als Selbständige nach § 2 Nr. 9 SGB VI fest. Ausgehend von einem monatlichen Regelbeitrag in Höhe von 855,68 DM bezifferte sie die Beitragsforderung auf insgesamt 8.604,19 DM. Des Weiteren beanstandete sie die für die Zeit von April 1999 bis Januar 2000 geleisteten freiwilligen Beiträge in Höhe von insgesamt 1.227,27 DM. Die gezahlten freiwilligen Beiträge seien rechtsunwirksam, da die bestehende Versicherungspflicht die Berechtigung zur Zahlung von freiwilligen Beiträgen ausschließe.

Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass die zeitgleiche Beschäftigung mehrerer Arbeitnehmerinnen, die jeweils für sich gesehen, im Rahmen der Geringfügigkeitsgrenze tätig gewesen seien, der einer versicherungspflichtigen Arbeitnehmerin gleichzusetzen sei. Insoweit entfalle ihre soziale Schutzwürdigkeit als Selbständige und die Voraussetzungen des § 2 Nr. 9 SGB VI seien nicht erfüllt. Am 25.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Mit der am 28.08.2001 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 begehrt.

Mit Urteil vom 07.01.2003 hat das SG Dortmund den Bescheid vom 04.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 aufgehoben. Eine Versicherungspflicht der Klägerin bestehe nicht. Die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI a. F. sei dahingehend auszulegen, dass die Beschäftigung von mehreren nach § 5 Abs. 2 SGB VI versicherungsfreien Arbeitnehmern, deren Entgelt zusammengerechnet den Betrag von 630,00 DM übersteige, der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers gleichstehe und die Versicherungspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Nr. 9 SGB VI entfallen lasse.

Gegen das am 13.02.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.03.2003 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, aus den vorgelegten Quittungen sei zu entnehmen, dass die Klägerin regelmäßig Arbeitnehmerinnen im beschäftigt habe. Das regelmäßige, tatsächliche Arbeitsentgelt der Arbeitnehmerinnen habe im Zeitraum von April bis Oktober 1999 unter 630,00 DM im Monat gelegen. Da eine Zusammenrechung der Arbeitsentgelte von geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerinnen nicht möglich sei, müsse es bei der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 9 SGB VI für den genannten Zeitraum verbleiben. Die vom SG vertretene Auslegung der Vorschrift des § 2 Nr. 9 SGB VI stehe im Widerspruch zu deren Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers stehe. Aufgrund der Novellierung des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung vom 19.12.1998 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 seien bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Nr. 9 SGB VI, bei deren Vorliegen Rentenversicherungspflicht eintrete, in wesentlichen Teilen konkretisiert worden. Nach dem geändertem Wortlaut des § 2 Nr. 9 SGB VI unterlägen selbstständig tätige Personen der Rentenversicherungspflicht, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630,00 DM im Monat übersteige, und auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sei. Die Klägerin habe im streitbefangenen Zeitraum keine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin beschäftigt. Der Begriff des "versicherungspflichtigen Arbeitnehmers" könne nach dem Schutzzweck des § 2 Nr. 9 Satz 1a SGB VI nur so zu verstehen sein, dass die Art der ausgeübten Tätigkeit grundsätzlich versicherungspflichtig und nicht lediglich geringfügig seien dürfe. Dementsprechend seien beschäftigte Arbeitnehmerinnen bei der Beurteilung der Versicherungspflicht einer Selbstständigen auch dann zu berücksichtigen, wenn die Arbeitnehmerinnen im konkreten Einzelfall versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien. Den tatsächlichen Verhältnissen komme maßgebende Bedeutung zu. Zahle eine Selbständige ihren Arbeitnehmerinnen nur ein untertarifliches geringfügiges Arbeitsentgelt trotz eines einschlägigen, entgegenstehenden, für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages, bestehe unter Umständen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Arbeitnehmerinnen sowie ein Beitragsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber der Selbständigen. Dieser Umstand habe jedoch für die Beurteilung der Versicherungspflicht der Selbstständigen nach § 1 Nr. 9 Satz 1a SGB VI keine Bedeutung. Vielmehr sei die Selbstständige hinsichtlich ihrer eigenen Versicherungspflicht genauso zu behandeln wie eine selbstständige Tätige, die rechtlich zulässig nur einen geringfügig entlohnten Arbeitnehmer beschäftige. In beiden Fällen sei im Sinne der bei § 2 SGB VI vorzunehmenden pauschalierenden Betrachtungsweise anzunehmen, dass die Selbstständige nicht in der Lage sei, dauerhaft ein über 630,00 DM im Monat liegendes Arbeitsentgelt zu zahlen, so dass sie selbst einem abhängig Beschäftigten vergleichbar und schutzbedürftig sei. Ferner würde es dem verwaltungsmäßig vereinfachenden Charakter des § 2 Nr. 9 SGB VI widersprechen, wenn in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der verschiedenen Tarifverträge geprüft werden müsste, ob die Angabe der selbstständig Tätigen, sie beschäftige nur Arbeitnehmer in geringfügigen Umfang, korrekt sei. Der Klägerin könne auch keine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 a SGB VI oder § 231 Abs. 5 SGB VI gewährt werden. Zwar lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung nach §§ 6 Abs. 1 a Nr. 2 SGB VI, 231 Abs. 5 SGB VI in der Person der Klägerin vor. Die Klägerin habe aber keinen Befreiungsantrag innerhalb der jeweiligen Antragsfrist gestellt. Wegen der Versäumung der Antragsfrist könne der Klägerin weder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, noch eine rechtzeitige Antragstellung im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.01.2003 zu ändern und die Klage hinsichtlich der Zeit von April bis Oktober 1999 abzuweisen.

Der Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Falls Versicherungspflicht angenommen werde, sei ihr zumindest eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI zu gewähren.

Der Senat hat Auskünfte von den Arbeitnehmerinnen K, S, H, E, X, F, M, E1, C, I, O, T, G, F1, S1, C1 und N eingeholt. Des weiteren hat der Senat den Gehaltstarifvertrag und Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 29.06.1998, gültig ab 01.04.1998, den Gehaltstarifvertrag und Lohntarifvertrag vom 07.08.1999, gültig ab dem 01.04.1999 für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen dieser Tarifverträge vom 29.09.1998 und 18.11.1999 sowie den Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 20.11.1996 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrages vom 29.11.1997, gültig ab 28.11.1997, und dessen Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom 30.08.1998 für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 04.04.2001 in der Fassung der Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001, soweit die Versicherungspflicht der Klägerin für den Zeitraum von April bis Oktober 1999 festgestellt wird. Durch die Beschränkung des Berufungsantrags in der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2005 hat die Beklagte die Berufung hinsichtlich des restlichen Zeitraums von November 1999 bis Januar 2000 nach § 156 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückgenommnen. Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend der Klage stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nach § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Die Beklagte hat im Bescheid vom 04.04.2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 zu Unrecht die Versicherungspflicht der Klägerin für die Zeit von April bis Oktober 1999 festgestellt.

In der Zeit vom 01.07.1994 - 31.12.12.1998 war die Klägerin als Selbstständige nicht pflichtversichert nach §§ 2, 3, 4 SGB VI, sie war bei der Beklagten nach § 7 SGB VI freiwillig versichert. Mit Einführung der Versicherungspflicht für " arbeitnehmerähnliche Selbständige" zum 01.01.1999 wurde die Klägerin für die Zeit vom 01.04 bis 31.10.1999 nicht versicherungspflichtig. Denn sie beschäftigte in diesem Zeitraum im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit mehrere versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsentgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630,00 DM im Monat überstieg.

Durch § 2 Nr. 9 SGB VI , eingefügt durch Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 - Korrekturgesetz - (BGBl. I, S. 3843), in Kraft getreten am 01.01.1999, erweiterte sich der Kreis versicherungspflichtigen Selbständigen um die sogenannten "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen". Danach waren selbstständig tätige Personen versicherungspflichtig, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen (§ 7 Abs.4 Satz 3 Viertes Buch) keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sowie regelmäßig und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (arbeitnehmerähnliche Selbstständige). Anschließend wurde § 2 SGB VI durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 (BGBl I S.388) mit Wirkung zum 01.04.1999 um Satz 2 (heute: Satz 3 Nr. 2) ergänzt, wonach geringfügig Beschäftigte, die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 auf die Versicherungspflicht verzichtet haben, nicht als versicherungspflichtige Arbeitnehmer im Sinne des Satzes Nr.1, 2, 7 und 9 gelten. Durch Art. 2 Nr. 1a des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) wurde § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI mit Wirkung vom 01.01.1999 abermals erweitert und neu gefasst. In § 2 Nr. 9 Satz 1 SGB VI wurde der Begriff des arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen dahingehend konkretisiert, dass dieser keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark im Monat übersteigt (a), und auf Dauer und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (b).

Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe a SGB VI sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin beschäftigte in der Zeit von April bis Oktober 1999 versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsentgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630,00 DM überstieg. Der in § 2 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe a SGB VI als Abgrenzungskriterium verwandte Begriff " keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt" entspricht dem in § 2 Satz 1 Nrn.1, 2 und 7 SGB VI verwandten Begriff, wonach die Versicherungspflicht von bestimmten, gruppenspezifisch Selbständigen von der Anzahl der versicherungspflichtigen beschäftigten Arbeitnehmer abhängt. Dabei ist der Begriff des "versicherungsfreien Arbeitnehmers" nach der Konzeption des SGB VI in § 5 SGB VI definiert. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI in der ab dem 01.04.1999 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999, BGBl I, S. 388) ist ein Arbeitnehmer, der eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV ausübt, versicherungsfrei. Nach dem Wortlaut des § 2 SGB VI in der Fassung des Korrekturgesetzes unterfallen Selbständige, welche die sonstigen Voraussetzungen der Nr.1, 2, 7 oder 9 erfüllen, also nur dann nicht der Versicherungspflicht, wenn sie einen Arbeitnehmer beschäftigen, der nach § 5 SGB VI nicht versicherungsfrei ist, insbesondere die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreitet. Die Beschäftigung eines nach § 5 Abs. 2 SGB VI versicherungsfreien , also nach § 8 SGB IV geringfügig Beschäftigten nach § 8 SGB VI genügt nicht für den Ausschluss der Versicherungspflicht. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der ab dem 01. 04.1999 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999, BGBl I, S.388) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630,00 DM nicht übersteigt.

Die Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin mit den Aushilfskräften in der streitbefangenen Zeit von April bis Oktober 1999 wurden zwar als geringfügige Beschäftigungen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI abgewickelt. Weder überschritt das tatsächlich gezahlte Entgelt monatlich die Geringfügigkeitsgrenze von 630,00 DM noch die vereinbarte wöchentliche Stundenzahl. Die Beurteilung der Versicherungspflicht einer Arbeitnehmerin nach § 5 SGB VI richtet sich aber nach der Rechtsprechung des BSG (siehe Urteile vom 14.07.2003, B 12 KR 7/03 R u.a.), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, nicht nach dem tatsächlich zugeflossenen Arbeitsentgelt, sondern nach der Höhe des geschuldeten Arbeitentgelts. Denn für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragshöhe gilt nicht das Zuflussprinzip, sondern das Entstehungsprinzip. Bei untertariflicher Bezahlung ist die Versicherungspflicht nach dem tariflich zustehenden, nicht lediglich nach dem zugeflossenen Arbeitsentgelt zu beurteilen.

Der Senat folgt nicht der von der Beklagten vertretenen Auslegung des § 2 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe a SGB VI, wonach abweichend vom Entstehungsprinzip bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers, dessen Entgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis regen nach dem Zuflussprinzip auf das tatsächlich zugeflossene Entgelt abzustellen ist. Eine solche Auslegung widerspricht der Konzeption des SGB VI zu Inhalt und Grenzen der Versicherungspflicht von Arbeitnehmern, die in § 1 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 SGB VI lmäßig 630,00 DM im Monat übersteigt" nicht auf das geschuldete Entgelt, sonderzum Ausdruck kommt. Die von der Beklagten vertretene Auslegung hätte zur Folge, dass sie von einem Arbeitgeber, der seine Arbeitskräfte untertariflich bezahlt, sowohl Beiträge wegender eigenen Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI wie auch Gesamtsozialversicherungs- beiträge für die geschuldeten Arbeitnehmerentgelte verlangen kann. Dies entspricht nicht der Konzeption des Gesetzes. Des Weiteren steht es einem Arbeitnehmer frei, seine tariflichen Entgeltansprüche nach § 4 Tarifvertragsgesetz gegenüber seinem Arbeitgeber durchzusetzen. Die Beurteilung der Versicherungspflicht einer Selbstständigen kann nicht davon abhängen, ob Arbeitnehmer ihre tariflichen Entgeltansprüche gegenüber einem Arbeitgeber durchsetzen oder nicht. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, bei der Feststellung der Versicherungspflicht einer Selbstständigen nach § 2 SGB VI zu prüfen, ob eine Versicherungspflicht der beschäftigten Arbeitnehmer besteht. Für diese Prüfung steht der Beklagten das Mittel der Betriebsprüfung zur Verfügung.

Im streitbefangenen Zeitraum gelten die zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten tariflichen Entgelte für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen auch für die Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin, unabhängig davon, ob die Geltung der einschlägigen Tarifverträge zwischen Aushilfskräften und der Klägerin einzelvertraglich vereinbart war oder nicht. Denn der Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 07.08.1999, gültig ab dem 01.04.1999, war für allgemeinverbindlich erklärt worden. Der Geltungsbereich des Lohntarifvertrages erstreckte sich auf alle Unternehmen des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen; er galt für alle Arbeitnehmer in Unternehmen, deren Beschäftigungsorte in Nordrhein-Westfalen lagen , somit auch für die Aushilfskräfte der Klägerin. Der Lohntarif sah bis zum 30.06.1999 in der niedrigsten Lohngruppe einen monatlichen Lohn von 2680,00 DM, also einen Stundenlohn von 16,44 DM und ab dem 01.07.1999 von 2760,00 DM, also einen Stundenlohn von 16,93 DM vor. Damit überstieg zumindest das den Arbeitnehmerinnen S, E, X und F, die bei der Klägerin in der Zeit von April bis Oktober 1999 durchgehend beschäftigt waren, tariflich geschuldete Entgelt den Betrag von 630,00 DM monatlich. Ausgehend von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 12,5 Stunden belief sich das wöchentliche geschuldete Entgelt der Arbeitnehmerinnen S, E, X und F ab April 1999 mindestens auf 205,50 DM (12,5 X 16,44 DM) und ab Juli 1999 auf 211,62 DM (12,5 X 16,93 DM) und damit das geschuldete monatliche Entgelt ab April 1999 mindestens auf 822,00 DM (4 X 205,50 DM) und ab Juli 1999 mindestens auf 846,48 DM (4 X 211,62 DM). Bei der Berechnung der geschuldeten Entgelte legt der Senat die schriftlichen Angaben der Arbeitnehmerinnen über den Umfang der Arbeitszeit zugrunde, die von den Beteiligten nicht bestritten worden sind. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die an der Richtigkeit der Angaben zweifeln lassen. Damit beschäftigte die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze mehrere i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen. Diesen Arbeitnehmerinnen stand gegenüber der Klägerin nach § 4 Abs.1 Tarifvertragsgesetz monatlich ein höherer Arbeitsentgeltanspruch als 630,00 DM zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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