L 17 U 114/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 202/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 114/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. Dezember 2003 geändert und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 05. April 2001 abgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 14. November 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2001 wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagten zu 1) oder zu 2) den Kläger aufgrund eines Ereignisses am 01. November 1999 entschädigen müssen.

Der Kläger ist im Januar 1930 geboren und wohnt in C bei C1. Vom 01. September bis zum 31. Oktober 1999 waren er und seine Lebensgefährtin D B als Schauspieler bei der Konzertdirektion M GmbH & Co. KG in U für eine Theater-Tournee engagiert. Während seines Auftritts am 13. September 1999 in C2 verspürte der Kläger nach eigener Aussage plötzlich starke Schmerzen "im Knie", die sich in der Folgezeit verstärkten. Bei einer Lesung in der Kölner Philharmonie verdrehte er sich am 30. Oktober 1999 bei der Schlussverbeugung angeblich den Fuß bzw. das rechte Knie. Am nächsten Tag reiste der Kläger nach Bad S, wo die Theatertournee am Abend beendet werden sollte. Am Nachmittag vor der Aufführung ließ er sich wegen Kniebeschwerden von Prof. Dr. Q, Chefarzt (CA) der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Bad S, mit einer Injektion ambulant behandeln. Eine weitere Spritze verabreichte ihm Prof. Dr. Q in der Garderobe unmittelbar vor dem Auftritt und bestellte den Kläger für den nächsten Tag zur Kontrolle und Weiterbehandlung ein.

Am 01. November 1999 holte ein Fahrer der Konzertdirektion M GmbH & Co. KG den Kläger und seine Lebensgefährtin mit einem Firmenwagen vom Hotel ab, um sie über die Autobahn zum Münchner Flughafen zu bringen. Von dort wollten beide nach Hause fliegen. Zuvor steuerten sie jedoch das Städtische Krankenhaus Bad S an, das in entgegengesetzter Richtung liegt und wo der Kläger sich absprachegemäß noch einmal bei Prof. Dr. Q vorstellen wollte. Der Kläger saß auf dem Beifahrersitz, seine Partnerin dahinter auf dem Rücksitz. Nachdem der Wagen vor dem Hauptportal des Krankenhauses gehalten hatte, öffnete der Kläger die Beifahrertür und erhob sich, um auszusteigen. In diesem Moment traf ihn ein Projektil aus einer Schusswaffe im rechten Oberarm. Um ihm zu helfen und ihn abzustützen, öffnete D B die hintere Wagentür und stieg aus. Dadurch geriet sie in die Schusslinie des Amokschützen und wurde an der Schulter getroffen. Der Kläger riss sie zu Boden und forderte sie auf, in Deckung zu gehen. Gemeinsam krochen sie zum Heck des Fahrzeugs. Dabei wurden beide durch mehrere Schüsse verletzt.

CA Prof. Dr. Q, der die Erstversorgung übernahm, diagnostizierte beim Kläger Schusswunden an beiden Ober- und Unterarmen mit offenem Bruch des rechten Oberarms sowie inkompletter Schädigung des Mittelarmnervs (nervus medianus) und des Ellennervs (nervus ulnaris) links. Im Unfallkrankenhaus T wurden die Schusswunden revidiert und der Schussbruch am rechten Oberarm mit einem Oberarmverriegelungsnagel versorgt. Nach der Rückverlegung in das Städtische Krankenhaus Bad S behandelte Prof. Dr. Q auch einen "degenerativen Kniegelenksschaden am rechten Kniegelenk", den er ausdrücklich als unfallunabhängig bezeichnete. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) des rechten Knies zeigte einen ausgeprägten Kniegelenksverschleiß (Gonarthrose) mit degenerativem Meniskusschaden und kurzstreckigem Einriss. Ferner zeigten sich Verschleißerscheinungen der Kniescheibenrückfläche (Retropatellararthrose), Degenerationszeichen der Kniescheibensehne und ein Kniegelenkserguss. Die weitere Behandlung übernahm die Chirurgische Abteilung des N-Krankenhauses in C1-I. Der Kläger erhielt Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Mit Bescheid vom 27. November 2000 lehnte es die Beklagte zu 2) ab, den Kläger aus Anlass des Ereignisses vom 01. November 1999 zu entschädigen. Der Kläger habe weder einen Arbeits- noch einen Wegeunfall erlitten. Der geplante Arztbesuch habe weder mit seiner Schauspielertätigkeit noch mit einem zuvor erlittenen Arbeitsunfall zusammengehangen und sei deshalb privater Natur gewesen. Bei dieser privaten Tätigkeit sei er zufällig Opfer des Amokschützen geworden.

Dagegen erhob der Kläger am 22. Dezember 2000 Widerspruch und behauptete, am 31. Oktober vom Flughafen Köln/Bonn nach München geflogen zu sein. Vor dem Abflug sei er auf dem Köln-Bonner Flughafen über seinen Gepäckwagen gestolpert und habe sich dabei das rechte Knie verletzt. Deshalb habe er Prof. Dr. Q vor dem Auftritt am Abend im Kurhaus Bad S konsultiert. Da ihn seine Arbeitgeberin mit einem Firmenwagen zum Krankenhaus chauffiert habe, könne es sich nicht um eine private Fahrt gehandelt haben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. April 2001 wies die Beklagte zu 2) den Widerspruch zurück: Dass sich der Kläger sein rechtes Knie am 31. Oktober 1999 auf einem versicherten Weg verletzt habe, sei angesichts der bisherigen Angaben im Verwaltungsverfahren weder glaubhaft noch mit Gewissheit erwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 03. Mai 2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben (Az: S 18 U 86/01) und vorgetragen, der beabsichtigte Arztbesuch am 01. November 1999 sei berufsbezogen gewesen. Prof. Dr. Q habe ihn am Tag zuvor im Kurhaus Bad S vor der abendlichen Vorstellung "fit gespritzt". Erst danach sei er in der Lage gewesen, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Gleichzeitig habe ihn Prof. Dr. Q für den nächsten Tag ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung einbestellt. Der Weg zum Krankenhaus sei zwar ein sog. Abweg gewesen. Dieser sei nur einige Kilometer lang und im Verhältnis zum Heimweg über die Flughäfen München und Köln/Bonn bis zum Wohnort in C so geringfügig, dass sich der Verlust des Unfallversicherungsschutzes nicht rechtfertigen lasse. Der Umweg sei genauso kurz wie der Abweg eines Versicherten gewesen, der die Straßenseite wechsle, um an einem Kiosk eine Zeitung zu kaufen. Ordne man den Arztbesuch dem privaten Bereich zu, so sei das Krankenhaus Ziel des (Heim-)Wegs von der Arbeit gewesen, der dem Versicherungsschutz unterliege.

Nachdem der Kläger in einem Interview mit der Illustrierten "Stern" angegeben hatte, sich auf seine Lebensgefährtin geworfen zu haben, "um sie vor weiteren Kugeln zu schützen", leitete die Beklagte zu 1) ein Feststellungsverfahren ein und lehnte es mit Bescheid vom 14. November 2000 ab, das Ereignis vom 01. November 1999 zu entschädigen: Die Schussverletzungen seien nicht bei einer Hilfeleistung eingetreten.

Den Widerspruch vom 20. Juni 2001 wies die Beklagte zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2001 zurück, nachdem sie dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hatte: Die Schussverletzungen habe der Kläger nicht während oder infolge einer Hilfeleistung erlitten. Die erste Kugel habe ihn getroffen, als er aus dem PKW gestiegen sei. Die Streifschüsse hätten ihn verletzt, als er Deckung gesucht habe. Indem er D B gleichzeitig zu Boden gerissen und mit ihr um das Auto herumgekrochen sei, habe er sein Risiko, getroffen zu werden, nicht erhöht. Die Schussverletzungen habe er nicht bei einem Fremdrettungs-, sondern allein bei einem Selbstrettungsversuch erlitten.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 20. September 2004 vor dem SG Köln ebenfalls Klage erhoben (Az: S 18 U 202/01), die mit der anhängigen Klage gegen die Beklagte zu 2) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurde (Beschluss vom 12. Februar 2002).

Mit Urteil vom 12. Dezember 2003 hat das SG die Beklagte zu 2) unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 01. November 1999 als Versicherungsfall anzuerkennen und dem Kläger die gesetzlichen Leistungen der Unfallversicherung zu erbringen: Die Fahrt zum Krankenhaus habe als Dienst- oder Geschäftsreise noch im inneren Zusammenhang mit der versicherten Schauspielertätigkeit gestanden. Geringfügige Um- oder Abwege auf Dienstreisen ließen den Unfallversicherungsschutz nicht entfallen. Erst wenn sich der Versicherte allein dem persönlichen Bereich zuwende, könne Versicherungsschutz verneint werden. Berücksichtige man diese Kriterien, so habe der "Abstecher" ins Krankenhaus noch in einem inneren Zusammenhang mit der Theater-Tournee gestanden. Prof. Dr. Q habe den Kläger am Vorabend behandelt, um ihm den Auftritt im Rahmen der Theatertournee zu ermöglichen. Gleichzeitig habe er ihn zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus einbestellt. Aufgrund dieser "besonderen Umstände" bestehe ein - wenn auch loser - Bezug zur versicherten Tätigkeit, zumal sich die geplante Nachuntersuchung ohne die Behandlung am Vortag "nicht denken" lasse. Dabei sei unerheblich, dass der Kläger Prof. Dr. Q wegen eines unfallunabhängigen Knieleidens aufsuchen wollte. Nehme man dagegen an, dass der Kläger einen Wegeunfall erlitten habe, so stelle sich die Fahrt zum Krankenhaus nur als geringfügige und damit unschädliche Verlängerung der Heimreise dar.

Nach Zustellung am 13. April 2004 hat die Beklagte zu 2) gegen dieses Urteil am 30. April 2004 Berufung eingelegt und vorgetragen, Prof. Dr. Q habe ursprünglich ein anlagebedingtes Knieleiden behandelt. Die Wege, die damit zusammenhingen, seien privater, eigenwirtschaftlicher Natur gewesen und hätten deshalb keinesfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Unerheblich sei, dass der Kläger in einem Firmenfahrzeug von einem Fahrer des Arbeitgebers zum Krankenhaus befördert worden sei, weil dies die private, eigenwirtschaftliche Zweckrichtung des Arztbesuchs nicht ändere. Versicherungsschutz hätte nur bestanden, wenn die Kniebeschwerden akut aufgetreten wären und durch den Arztbesuch eine sofortige Wiederaufnahme der Arbeit hätte erreicht werden können. Eine solche Konstellation liege aber schon deshalb nicht vor, weil die Tätigkeit des Klägers für die Konzertagentur M GmbH & Co. KG am 01. November 1999 bereits beendet gewesen sei. Der Weg zum Krankenhaus habe sich mit dem direkten, versicherten Weg zum Flughafen auch nicht überschnitten. Er sei deshalb als nicht versicherter Abweg zu qualifizieren. Den Heimweg habe der Kläger vielmehr erst im Anschluss an die Krankenhausbehandlung antreten wollen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12. Dezember 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 2) zurückzuweisen, hilfsweise die Beklagte zu 1) unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2000 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 24.08. 2001 zu verurteilen, das Ereignis vom 01.11.1999 zu entschädigen.

Das SG habe zu Recht angenommen, dass der beabsichtigte Arztbesuch am 01. November 1999 unmittelbar mit der versicherten Tätigkeit zusammen gehangen habe. Die therapeutischen Maßnahmen vor der Theateraufführung am 31. Oktober 1999 und die geplante Nachbehandlung am nächsten Tag seien bei wertender Gesamtbetrachtung als einheitliche Behandlung anzusehen, die das Ziel gehabt habe, seine Arbeitskraft als Schauspieler zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Dies werde dadurch unterstrichen, dass er mit einem Pkw seines Arbeitgebers zum Krankenhaus chauffiert worden sei. Dorthin habe ihn Prof. Dr. Q ausdrücklich "einbestellt". Im Übrigen habe der "Abstecher" ins Krankenhaus den eigentlichen Weg nur geringfügig verlängert, wodurch der Unfallversicherungsschutz nicht entfalle.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen, hilfsweise darüber Beweis zu erheben, welche Verletzungen infolge einer Rettungshandlung beim Versicherten aufgetreten sind.

Zur Sachaufklärung hat der Senat von Amts wegen einen Befundbericht von Prof. Dr. Q vom 19. Oktober 2004 eingeholt, wonach er den Kläger am 31. Oktober 1999 "zur Hälfte" wegen "eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses" (Kniegelenksverdrehtrauma) sowie zur anderen Hälfte "wegen eines degenerativen Gesundheitsschadens" behandelt habe. Am 01. November 1999 habe er eine Nachuntersuchung und ggf. Nachbehandlung des Knies beabsichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten zu 1) (Az.: 000) und zu 2) (Az: 000) Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2) ist begründet (dazu I.); die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist unbegründet (II.).

I. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zu 2) verurteilt, das Ereignis vom 01. November 1999 als Versicherungsfall anzuerkennen und dem Kläger Unfallversicherungsleistungen zu erbringen. Denn der Bescheid vom 27. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 05. April 2001 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat nämlich keinen Arbeitsunfall erlitten, als ihn der Amokschütze vor dem Städtischen Krankenhaus Bad S anschoss.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Die Feststellung eines Arbeitsunfalls setzt regelmäßig voraus, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 20. Januar 1987, Az: 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr. 84 und vom 26. Juni 2001, Az: B 2 U 30/00 R, SozR 3-2200 § 548 Nr. 43; Senatsurteil vom 27. Oktober 2004, Az: L 17 U 68/03). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog. innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG, a.a.O. und Urteil vom 28. Juni 1988, Az: 2 RU 60/87, SozR 2200 § 548 Nr. 92; Senatsurteil, a.a.O.; vgl. ferner Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII Rn. 23 ff.; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 8 Rn. 4f.). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG, Urteil vom 1. Juli 1997, Az: 2 RU 36/96, SozR 3 - 2200 § 548 Nr. 32). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG, Urteil vom 5. Mai 1994, Az: 2 RU 26/93, SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSG, Urteil vom 30. April 1985, Az: 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt - noch - eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; Mehrtens, a.a.O., § 8 Rn. 10).

Der innere Zusammenhang liegt hier nicht schon deshalb vor, weil sich der Kläger am 01. November 1999 behandeln lassen wollte, um seine Arbeitskraft zu erhalten oder wiederherzustellen. Denn ärztliche Untersuchungen und Behandlungen gehören grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, weil diese Verrichtungen im Wesentlichen der eigenen Gesundheit dienen, an deren Erhaltung oder Wiederherstellung der Versicherte ein eigenwirtschaftliches Interesse hat (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 43; Mehrtens, a.a.O., § 8 Anm. 7.23). Versicherungsschutz besteht nur ausnahmsweise bei zusätzlicher Betriebsbezogenheit. Dies ist der Fall, wenn die beabsichtigte Maßnahme nach den Umständen des Einzelfalls wesentlich dazu dienen soll, einer Verschlechterung des Befindens entgegenzuwirken und dem Versicherten voraussichtlich eine Fortsetzung der aktuellen betrieblichen Tätigkeit in der Arbeitsschicht ermöglichen. Dann tritt neben die eigenwirtschaftlichen Interessen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Weiterarbeit. Die Arbeitgeberin, die M GmbH & Co. KG, hatte am 01. November 1999 kein betriebliches Interesse an einer Weiterarbeit des Klägers, weil das Theaterengagement am 31. Oktober 1999 bereits beendet war. Insofern lässt sich zwischen dem beabsichtigten Arztbesuch am 01. November 1999 und der versicherten Tätigkeit keine Betriebsbezogenheit mehr herstellen. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger - was der Senat annimmt - am 31. Oktober 1999 versichert war, als er am Nachmittag vor der Aufführung Prof. Dr. Q im Krankenhaus aufsuchte, um sich "fit spritzen" zu lassen. Denn bei diesem Arztbesuch hat sich der Kläger nicht verletzt. Dasselbe gilt für die Behandlung in der Garderobe am Abend vor dem Auftritt am 31. Oktober 1999. Die Betriebsbezogenheit lässt sich auch nicht damit begründen, dass Prof. Dr. Q den Kläger am Abend des 31. Oktober 1999 für den nächsten Tag zu sich ins Krankenhaus "einbestellte". Es handelte sich dabei keinesfalls um eine verbindliche Anordnung, sondern lediglich um einen unverbindlichen Rat, dem der Kläger aus eigenwirtschaftlichen Interessen (und nicht aus betrieblichen Gründen) Folge leistete. Zu Recht hat das SG daher erkannt, dass die privaten Interessen des Klägers an einer Heilung bzw. Linderung der Kniebeschwerden am 01. November 1999 - im Gegensatz zur ärztlichen Behandlung am Vorabend - deutlich überwogen. Dies lässt sich auch nicht mit dem Gedanken überspielen, die Behandlung bei Prof. Dr. Q sei bei wertender Gesamtbetrachtung als Einheit aufzufassen. Denn der jeweilige Zweck der Behandlung am 31. Oktober 1999 (Linderung der Schmerzen, um abends auftreten zu können) und am 01. November 1999 (allgemeine Nachuntersuchung und ggf. Schmerzlinderung) unterscheiden sich deutlich. Ein irgendwie gearteter "loser Zusammenhang" mit der betrieblichen Tätigkeit wird bei ärztlichen Behandlungen häufig bestehen, kann aber den Versicherungsschutz nicht begründen.

Zu Unrecht hat das SG den sachlichen Zurechnungszusammenhang und damit den Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt einer Dienstreise bejaht. Eine versicherte Dienstreise liegt vor, wenn der Betroffene sich von der Betriebsstätte seines Beschäftigungsunternehmens entfernt oder diese zu Beginn seiner Reise gar nicht aufsucht, weil er z.B. die Reise unmittelbar von zu Hause aus antritt, und - im Unterschied zu den sog. Betriebswegen - den Ort, in dem die Betriebsstätte liegt, verlässt (BSG Urteile vom 11. August 1998, Az: B 2 U 17/97 R, USK 98156 und vom 19. August 2003, Az: B 2 U 43/02 R, SozR 4-2200 § 550 Nr. 1). Das gilt auch für Reisende, die - wie hier der Kläger - überhaupt keinen regelmäßigen, sondern ständig wechselnde Beschäftigungsorte haben (sog. Einsatzwechseltätigkeit). Der Umstand allein, dass sich der Versicherte im Verlauf einer Dienstreise verletzt hat, besagt jedoch nicht, dass bereits deshalb die unfallbringende Betätigung als eine versicherte Tätigkeit anzusehen und der Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist nämlich bei solchen Reisen zwischen Betätigungen zu unterscheiden, die mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängen und solchem Verhalten, das der Privatsphäre des Reisenden zugehörig ist. So lassen sich gerade bei längeren Reisen im Ablauf der einzelnen Tage in der Regel Verrichtungen unterscheiden, die mit der Tätigkeit für das Unternehmen wesentlich im Zusammenhang stehen, und solchen, bei denen dieser Zusammenhang in den Hintergrund tritt. Der Versicherungsschutz entfällt, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet. Allerdings kann auch bei nicht unmittelbar zur versicherten Tätigkeit gehörenden Verrichtungen ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit am Ort der auswärtigen Betätigung in der Regel eher anzunehmen sein, als am Wohn- oder Betriebsort (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 1958, Az: 2 RU 177/55, BSGE 8, 48, 49 ff und vom 13. Februar 1975, Az: 8 RU 86/74, BSG SozR 2200 § 548 Nr. 7). Der sehr weit gehende Versicherungsschutz bei Dienstreisen findet seine Begründung in der Erwägung, dass der durch die versicherte Tätigkeit bedingte Aufenthalt in einer fremden Stadt auch außerhalb der Arbeitszeit nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst ist, wie derjenige am Wohnort (vgl. BSGE 8, 48, 57) und dass der Versicherte sich aufgrund der versicherten Tätigkeit in einer fremden Umgebung aufhält und damit gegebenenfalls gefahrbringenden Umständen ausgesetzt ist, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten während seines normalen Verweilens an seinem Wohnort nicht begegnet wären (BSG, Urteil vom 4. August 1992, Az: 2 RU 43/91, SozR 3-2200 § 539 Nr. 17 und SozR 2200 § 548 Nr. 7).

Berücksichtigt man diese Kriterien, so hat der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten. Der geplante Arztbesuch bei Prof. Dr. Q am 01. November 1999 stand schon deshalb nicht mehr im wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, weil sie bereits am Tag zuvor aufgrund des befristeten Arbeitsverhältnisses beendet worden war. Die Nachuntersuchung diente daher rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen. Im Übrigen war der Weg zum Krankenhaus nicht gefahrvoller als jeder andere Weg in ein anderes Krankenhaus, wo der Kläger ebenfalls zufällig Opfer eines Amokschützen hätte werden können.

Der Kläger hat auch keinen versicherten Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten. Nach dieser Vorschrift gilt als versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit ihr zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Allerdings steht nicht schlechthin jeder Weg unter Versicherungsschutz, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass es sich um den unmittelbaren Weg handelt, was besagt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges bestehen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu zu dienen bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder einen andern Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Ein anderer Zielpunkt als die Wohnung kann auch ein sog. dritter Ort sein, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zu oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgelegten Weg steht (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003, Az: B 2 U 23/03 R SozR 4-2700 § 8 Nr. 3). Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil vom 21. August 1991, Az: 2 RU 62/90, SozR 3-2200 § 550 Nr. 4). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG, Urteile vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 45/99 R, SozR 3-2200 § 550 Nr 21, vom 4. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10, vom 24. Juni 2003 - B 2 U 40/02 R, HVBG-INFO 2003, 2446, 2247ff. und zuletzt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 3).

Mit dem Begriff "unmittelbar" statt "kürzester Weg", wird dem Versicherten hinsichtlich der Wahl des geeigneten Weges ein Entscheidungsspielraum zugebilligt (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; Mehrtens, a.a.O., § 8 Anm. 12.2). Schiebt er in die eigentliche Wegstrecke einen zusätzlichen Weg ein und kann er deshalb die Zielrichtung (Arbeitsstätte/Wohnung) nicht mehr einhalten, so befindet er sich auf einem unversicherten Abweg. Der Richtungswechsel bewirkt mit dem 1. Schritt eine deutliche Zäsur innerhalb eines grundsätzlich versicherten Weges, weil er sich sowohl nach seiner Zweckbestimmung als auch nach seiner Zielrichtung von dem zunächst eingeschlagenen Weg unterscheidet. Auf die Länge des Abweges kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht an. Bereits bei geringfügigen Abwegen besteht kein Versicherungsschutz mehr (Mehrtens, a.a.O., § 8 Anm. 12.36). Hier lag das Städtische Krankenhaus Bad S nicht auf dem Weg zum Münchener Flughafen, sondern in entgegengesetzter Richtung, so dass sich der Kläger im Zeitpunkt, als die Schüsse fielen, auf einem unversicherten Abweg befand. Das Städtische Krankenhaus Bad S ist schließlich auch nicht als sog. "dritter Ort" zu qualifizieren. Denn bei Wegen zum dritten Ort muss der Versicherte dort Tätigkeiten beabsichtigen, die bei objektiver Betrachtung mindestens 2 Stunden in Anspruch genommen hätten (BSG, Urteil vom 03. Dezember 2002, Az: B 2 U 19/02 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 14; Mehrtens, a.a.O., § 8 Rn. 12.20). Dies war hier schon deshalb nicht der Fall, weil der Kläger bei einer zweistündigen Behandlung sein Flugzeug nach Köln/Bonn nicht mehr erreicht hätte.

Schließlich ist die Schussverletzung auch keine mittelbare Folge eines vorangegangen Arbeitsunfalls. Zwar sind gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Prof. Dr. Q sollte am 01. November 1999 aber keine Unfallfolgen behandeln. Jedenfalls ist ein entsprechendes Unfallereignis, das dem geplanten Arztbesuch am 01. November 1999 vorausgegangen ist, nicht mit Gewissheit bewiesen. Dass der Kläger am 13. September 1999 bei seinem Auftritt in C2 einen Arbeitsunfall erlitten hat, steht keinesfalls fest. Die Schilderung des Unfallhergangs, er habe während der Aufführung "plötzlich starke Schmerzen im Knie" verspürt, lässt zwanglos auf eine innere Ursache schließen, zumal erhebliche degenerative Veränderungen magnetresonanztomographisch erwiesen sind und Prof. Dr. Q ausweislich seines Durchgangs- und Abschlussberichts einen "unfallunabhängigen degenerativen Kniegelenksschaden am rechten Kniegelenk" behandelte. Vor diesem Hintergrund sind seine Ausführungen im Befundbericht 19. Oktober 1999 unverständlich, die Behandlung sei "zur Hälfte wegen eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses" (Kniegelenkverdrehtrauma) erfolgt. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er einen Durchgangsarztbericht erstellen müssen. Die angebliche Verletzung in der Kölner Philharmonie am 30. Oktober 1999 erlitt der Kläger jedenfalls nicht im Rahmen der Theatertournee für die M GmbH & Co. KG. Dass er am 31. Oktober 1999 auf dem Köln-Bonner Flughafen vor dem Abflug über seinen Gepäckwagen stolperte und sich dabei das rechte Knie verletzte, ist ebenfalls nicht Gewissheit bewiesen. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger dieses Ereignis erst 16 ½ Monate später erstmals erwähnt, was eine Überprüfung der Angaben faktisch unmöglich macht. Insgesamt sprechen alle maßgeblichen Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung bei Prof. Dr. Q nicht unfall-, sondern anlagebedingt erforderlich wurde. Aber selbst wenn erwiesen wäre, dass Prof. Dr. Q am 01. November 1999 Unfallfolgen behandeln wollte, so wären die Schussverletzungen nicht als eigenständiger Versicherungsfall, sondern nur als (mittelbare) Folge des Unfallereignisses anzusehen, das dem geplanten Arztbesuch am 01. November 1999 vorausgegangen ist (vgl. hierzu Mehrtens, a.a.O., § 11 Rn. 3). Hinsichtlich dieses (vorausgegangen) Unfallereignisses fehlt es aber bereits an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten.

II. Auch der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 14. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24. August 2001 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht. Denn er ist nicht bei einer Hilfe- oder Rettungsleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13c SGB VII angeschossen worden.

Im Berufungsverfahren überprüft der Senat auch die Bescheide der Beklagten zu 1), obwohl das SG über sie nicht entschieden hat. Dies war - aus Sicht des SG - auch folgerichtig, weil es bereits dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben und die Beklagte zu 2) verurteilt hat. Deshalb musste es auf den Hilfsantrag gegen die Beklagte zu 1) nicht mehr eingehen. Diesen Hilfsantrag hatte der Kläger nämlich nur für den Fall gestellt, dass er mit seinem Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zu 2) unterliegt (sog. echter Hilfsantrag, vgl. dazu Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16. November 1951, Az: I ZR 22/51, NJW 1952, 184; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 56 Rn. 7). Obwohl er mit dem Hauptantrag im ersten Rechtszug obsiegte, blieb der Hilfsantrag rechtshängig. Denn ein nicht beschiedener Hilfsantrag erlischt erst rückwirkend (also so, als ob er nie erhoben worden wäre) mit der Rechtskraft des Urteils, das dem Hauptantrag stattgibt (BGH, Urteil vom 29. Januar 1964, Az: V ZR 23/63, BGHZ 41, 38, 40f.; Knöringer, Die Assessorklausur im Zivilprozess, 5. Aufl. 1995, S. 116). Deshalb fällt der Hilfsantrag auch ohne Anschlussrechtsmittel in der Berufungsinstanz an, wenn dem Hauptantrag im ersten Rechtszug stattgegeben worden ist (BGH, NJW 1952, 184; BGHZ 41, 38, 40f. und zuletzt BGH, Urteil vom 24. Januar 1990, Az: VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; Eschner, Berliner Kommentar zum SGG, 2003, § 94 Rn. 9; Meyer-Ladewig, a.a.O.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht, 15. Aufl. 1993, § 139 Anm. 3 b, S. 838; a.A.: Rimmelspacher, Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 536 Rn. 28).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a) SGB VII sind Personen kraft Gesetzes unfallversichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Diese Vorschrift entspricht - lediglich sprachlich überarbeitet - dem § 539 Abs. 1 Nr. 9 lit. a) der Reichsversicherungsordnung (RVO), die am 31. Dezember 1996 außer Kraft trat (vgl. BT-Drs. 13/2204, S. 75; Kater/Leube, SGB VII, 1997, § 2 Rn. 293). Deshalb kann Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung dieser Vorschrift weiter herangezogen werden (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002, Az: B 2 U 8/02 R, HVBG-Info 2002, 3598). Dass der Amoklauf ein "Unglücksfall" war und die Gesundheit des Klägers und seiner Lebensgefährtin "gegenwärtig" und "erheblich" gefährdete, bedarf keiner weiteren Begründung.

Der Kläger ist jedoch nicht bei einer Hilfe- oder Rettungshandlung angeschossen worden. Denn Nothelfer und Retter müssen nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum aktiv zugunsten eines Dritten eingreifen (BSG, Urteile vom 26. Mai 1977, Az: 2 RU 80/87, SozR 2200 § 1504 Nr. 4; vom 08. Dezember 1988, Az: 2 RU 31/88, SozR 2200 § 539 Nr. 130 und vom 02. November 1999, Az: B 2 U 42/98 R, HVBG-Info 1999, 3780, 3782; Senatsurteil vom 27. Mai 1998, Az: L 17 U 179/97, HVBG-Info 1999, 980, 984; Brackmann/Wiester, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl., § 2 Rn. 653; Kater/Leube, a.a.O., § 2 Rn. 307; Lauterbach/ Schwerdtfeger, UV-SGB VII, § 2 Rn. 433; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII Rn. 69; Schmitt, SGB VII, 1997, § 2 Rn. 86). Untätigkeit oder Flucht sind ebenso wenig versichert (Grosser, SGb 1990, 98) wie Handlungen, die vornehmlich der eigenen Rettung dienen (ders., a.a.O., 99). Denn nur wer seine eigenen Interessen zurückstellt, einem Dritten uneigennützig hilft und dabei verunglückt, kann erwarten, dass ihn die Gemeinschaft für dieses Sonderopfer entschädigt (Senatsurteil vom 27. Mai 1998, Az: L 17 U 179/97, HVBG-Info 1999, 980, 986; Grosser, a.a.O., 101). Bestand - wie hier - eine objektive Gefahrenlage, so muss der Handelnde subjektiv mit der Absicht tätig geworden sein, den Dritten zu retten oder ihm zu helfen. Die Beseitigung der (objektiven) Gefahrenlage muss subjektiv wesentlich von der Vorstellung des Handelnden bestimmt gewesen sein. Auf diese zweckgerichtete finale Handlungstendenz muss aus den objektiven Umständen geschlossen werden können. Die objektiven Umstände, die einen Rückschluss auf die subjektive Rettungsabsicht zulassen, müssen mit Gewissheit bewiesen sein (BSG, HVBG-Info 1999, 3780, 3782; Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 28. Oktober 1987, Az.: L 2 U 28/86, Breithaupt, 633, 636 und LSG Niedersachsen, Urteil vom 24. Juni 1997, Az.: L 3 U 463/96, HVBG-Info 1998, 1860, 1863).

Legt man diese rechtlichen Kriterien zugrunde, so gilt folgendes: Den ersten Schuss in den Oberarm zog sich der Kläger beim Aussteigen aus dem Pkw und damit keinesfalls bei einer Nothilfeleistung zu. Als er seine Lebensgefährtin zu Boden riss [und sich nach dem Stern-Interview "auf sie warf"], handelte er zwar objektiv und subjektiv als "Nothelfer" bzw. als "Retter", wurde dabei aber nicht angeschossen. Als er dann gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hinter das Auto in Deckung kroch und dabei angeschossen wurde, lag seinem Verhalten ein Bündel unterschiedlicher Handlungsmotive zugrunde, die insgesamt darauf gerichtet waren, weitere Treffer des Amokschützen zu vermeiden. In wieweit seine Reaktion hierbei wesentlich von dem Motiv bestimmt war, seine Lebensgefährtin abzuschirmen, oder wesentlich von dem Bestreben, sich selbst zu schützen, lässt sich nach der Schwere und dem Grad der beiderseitigen Gefährdung bestimmen: So ist eine Rettungsabsicht eher anzunehmen, wenn die Beteiligten höchst unterschiedlich gefährdet sind, also für den "Retter" ein relatives geringes und für den Gefährdeten ein relativ hohes Verletzungsrisiko besteht. Im umgekehrten Fall spricht mehr für Selbstschutz- als für Fremdrettungsabsichten. Ist das Gefahrenpotential für den "Retter" und den Gefährdeten - wie hier - annähernd gleich groß, so müssen zusätzliche Anhaltspunkte vorliegen, um eine Ausweichreaktion wie das In-Deckung-gehen nicht lediglich als instinktives Abwehrverhalten oder automatische Fluchtreaktion zu qualifizieren (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 130; BSG, HVBG-Info 1999, 3780, 3782). Derartige Indizien dafür, dass der Kläger im Wesentlichen aus Fremdinteresse in Deckung kroch, liegen hier jedoch nicht vor. Für ihn und seine Lebensgefährtin bestand die konkrete, dringende Gefahr, von dem Amokschützen erschossen zu werden. Angesichts dieser Gefahrenlage spricht im Grunde alles dafür, dass der Kläger in Todesangst und Panik unter den Wagen kroch, um sich selbst zu schützen. Denn wer sich augenblicklich in höchster Todesgefahr befindet, denkt - bei natürlicher, lebensnaher Betrachtungsweise - primär an Selbstschutz und nicht an Fremdrettung. Jedenfalls ist nicht erwiesen, dass der Kläger bei einer Hilfeleistung oder einem Rettungsversuch angeschossen wurde. Vielmehr ist zumindest von einem Überwiegen der Eigenrettung im Verhältnis zur Fremdrettung auszugehen, soweit letztere bei Würdigung der Gesamtumstände überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Es fehlt nämlich an jeglichen Anhaltspunkten, dass das panikartige Schutzsuchen unter bzw. hinter dem Auto wesentlich von der Absicht bestimmt war, die Gefährdung anderer abzuwenden (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Februar 1956, Breithaupt 1957, 504, 505f.). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1) in Bezug auf D B einen Arbeitsunfall anerkannt hat, weil diese von Anfang an unwiderlegbar ausgesagt hat, sie sei aus dem PKW ausgestiegen, um dem verletzten Kläger zu helfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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