L 15 U 303/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 190/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 303/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.11.2003 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung und Entschädigung eines Unfalls als Wegeunfallgeführt.

Die 1979 geborene Klägerin besuchte seit August 1995 ein Berufskolleg in P. In ihrem Elternhaus in T war sie mit Erstwohnsitz gemeldet. In P hatte sie ab August 1995 eine Wohnung angemietet und dort ihren Zweitwohnsitz. Am 21.05.1998 (Himmelfahrt) befand sie sich auf dem direkten Weg von T nach P, als sie gegen 21.20 Uhr kurz vor dem Ortseingang P auf der Gegenfahrbahn mit einem Pkw zusammenstieß und sich dabei erhebliche Verletzungen zuzog.

Mit Schreiben vom 01.03.2000 erhob die Klägerin Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie gab an, sie habe den unfallbringenden Weg zurückgelegt, um am nächsten Tag um 07.30 Uhr den Unterricht zu besuchen. Zu den Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien sei sie zu ihren Eltern nach T gefahren. Der Freundeskreis sei bedingt durch die Schule in P gewesen. Dort hätten zwangsläufig auch Freizeitaktivitäten stattgefunden. Sie bewohne seit Schulbeginn eine Mietwohnung von circa 40 m2 in P.

Der Beklagte holte Auskünfte vom Berufskolleg P ein, denen zufolge am Freitag, dem 22.05.1998 kein Unterricht stattgefunden hat, weil es sich bei dem Tag um einen sogenannten beweglichen Ferientag der Schule gehandelt habe. Er lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13.12.2000 die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, die Klägerin habe bei dem Unfall nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Es habe nicht die Notwendigkeit bestanden, am 21.05.1998 den Weg zwischen T und P zurückzulegen, weil am 22.05.1998 kein Unterricht stattgefunden habe.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, am 22.05.1998 sei kein beweglicher Ferientag gewesen; dieser sei bereits zur Karnevalszeit genommen worden. Auf erneute Anfrage des Beklagten bestätigte das Berufskolleg, dass es sich bei dem 22.05.1998 um einen beweglichen Ferientag gehandelt habe. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie sei davon ausgegangen, dass am 22.05.1998 Unterricht habe stattfinden sollen. Auch ihr Mitschüler D T habe das angenommen. Sie legte eine Bescheinigung dieses Mitschülers vom 02.03.2001 vor, derzufolge dieser ebenso wie die Klägerin davon ausgegangen ist, am 22.05.1998 finde Unterricht statt. Er habe sich mit der Klägerin treffen wollen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Das Berufskolleg teilte auf weitere Nachfrage des Beklagten unter dem 21.05.2002 mit, dass den Schülern jeweils zu Beginn des Schuljahres die beweglichen Ferientage genannt würden. Auch bei einzelnen Fehltagen der Schüler hätten diesen die Ferientage bekannt sein müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2002 wies der Beklagte den Rechtsbehelf zurück. Es fehle am inneren Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin zurückgelegten Weg und der versicherten Tätigkeit. Zwar könne grundsätzlich auch Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit bestehen, wenn es gar nicht zu einer Arbeitsaufnahme hätte kommen können. Allein die subjektive Vorstellung des Versicherten reiche jedoch nicht aus, um den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Weg und der versicherten Tätigkeit herzustellen. Vielmehr sei zusätzlich erforderlich, dass diese Vorstellung in den objektiv gegebenen Verhältnissen im Einzelfall eine ausreichende Stütze finde. Bereits zu Beginn des Schuljahres seien den Schülern des Berufskollegs die Daten der beweglichen Ferientage mitgeteilt worden. Anhaltspunkte, die auf seiten der Klägerin Zweifel an dem Zeitpunkt des beweglichen Ferientages am 22.05.1998 hätten aufkommen lassen können, seien aus den aktenkundigen Unterlagen nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin sich dabei in einem Irrtum befunden habe, sei dieser allein auf Gründe in ihrer Sphäre - etwa ein Vergessen - zurückzuführen.

Mit der Klage zum Sozialgericht Dortmund hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und zur Begründung vorgetragen, sie sei vor dem 22.05.1998 wegen Erkrankung nicht zur Schule gegangen. Als sie habe absehen können, dass sie die Schule wieder besuchen könne, habe sie sich mit dem Zeugen T verabredet, um nach der Schule

Arbeitsmaterialien auszutauschen. Zudem hätten sie auch besprechen wollen, was sie durch den Unterrichtsausfall versäumt habe. Von dem freien Tag habe sie nichts gewusst. Vielleicht hätte sie es mitbekommen, wenn sie unmittelbar vor dem Himmelfahrtstag in der Schule gewesen wäre. Die Termine seien nicht öffentlich an einem "Schwarzen Brett" bekanntgegeben worden. Üblicherweise würden die beweglichen Ferientage durch den Klassenlehrer mitgeteilt. Wann genau das jeweils gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Sie wisse nicht, warum sie dies für den 22.05.1998 nicht mitbekommen habe. Es könne sein, dass sie zu der Zeit gerade krank gewesen sei.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Schüler des Berufskollegs seien ausreichend darüber informiert worden, dass am 22.05.1998 kein Unterricht stattfinden sollte. Die beweglichen Ferientage seien sowohl von der Schule als auch von der Schülermitvertretung bekanntgegeben worden. Die subjektive Vorstellung der Klägerin, am 22.05.1998 finde Unterricht statt, reiche nicht aus, den erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem Weg zur Wohnung in P und der versicherten Tätigkeit herzustellen. Versicherungsschutz könne auch nicht dadurch begründet werden, dass die Klägerin mit dem Mitschüler versäumten Unterrichtsstoff habe nacharbeiten wollen. Außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule seien Schüler grundsätzlich auch bei den Verrichtungen nicht versichert, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt seien und deshalb an sich mit diesem in einem ursächlichen Zusammenhang stünden.

Das Sozialgericht hat zunächst eine Auskunft des Berufskollegs P vom 23.01.2003 eingeholt, in der es heißt, die Klägerin habe im Monat Mai 1998 den Unterricht offensichtlich nicht besucht. Die beweglichen Ferientage seien zu Beginn des Schuljahres den Schülern und Schülerinnen mitgeteilt worden. Am 23.08.1997 habe der Klassenlehrer, Herr M, im Klassenbuch vermerkt "Hinweise zum Schuljahresbeginn". An diesem Tag habe die Klägerin nicht gefehlt. Daher könne man davon ausgehen, dass ihr an diesem Tag die Termine der beweglichen Ferientage bekannt gemacht worden seien. Auch die Schülervertretung weise regelmäßig auf die freien Tage hin. Des Weiteren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D T. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2003 verwiesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26.11.2003 den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Unfall vom 21.05.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Weg der Klägerin von ihrer elterlichen Wohnung nach P sei grundsätzlich versichert gewesen. Es sei auch der innere Zusammenhang der unfallbringenden Fahrt mit der versicherten Tätigkeit gegeben. Zwar stehe fest, dass am 22.05.1998 kein Unterricht stattgefunden habe. Gleichwohl habe die Klägerin den Weg angetreten, um am nächsten Tag die Schule zu besuchen und damit ihrer versicherten Tätigkeit nachzugehen. Der Irrtum der Klägerin sei in diesem besonderen Fall ausnahmsweise rechtlich unbeachtlich, weil ihre Vorstellung in den objektiv gegebenen Verhältnissen im Einzelfall eine ausreichende Stütze finde. Es sei nicht mehr feststellbar, ob die Klägerin, die im fraglichen Schuljahr häufige Fehlzeiten aufgewiesen habe, an dem Tag, an dem die beweglichen Ferientage genannt worden seien, am Schulunterricht teilgenommen habe. Hinzu komme, dass die Klägerin unmittelbar vor dem beweglichen Ferientag und vor dem Himmelfahrtstag krank gewesen sei und nicht am Schulunterricht teilgenommen habe. Sie habe sich dann mit dem Zeugen T telefonisch für den Freitag verabredet. Auch der Zeuge T, der selbst davon ausgegangen sei, dass am 22.05.1998 Schule stattfinde, habe die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass es sich um einen beweglichen Ferientag handele. Die Klägerin habe die beweglichen Ferientage auch nicht einer Veröffentlichung am Schwarzen Brett entnehmen können, da eine solche im Berufskolleg nicht stattfinde.

Mit der Berufung trägt der Beklagte vor: Die Angaben der Klägerin hinsichtlich ihres Freundeskreises, der Freizeitaktivitäten sowie der Wohnsitzangaben begründeten erhebliche Zweifel, dass die elterliche Wohnung in T den Charakter einer Familienwohnung und die von der Klägerin selber als Zweitwohnsitz qualifizierte Wohnung in P den Charakter einer Unterkunft gehabt habe. Auch die Einschätzung des Sozialgerichts, der Irrtum der Klägerin sei in diesem besonderen Falle ausnahmsweise rechtlich unbeachtlich, überzeuge nicht. Die Angaben des Zeugen T seien widersprüchlich. Er habe in seiner schriftlichen Erklärung vom 02.03.2001 angegeben, er habe sich mit der Klägerin treffen wollen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Dies drücke nach allgemeinem Sprachverständnis ein rein privates Interesse aus. Hingegen habe er als Zeuge ausgesagt, er habe ihr einige Schulunterlagen geben bzw. zeigen wollen. Diese Angaben seien nicht geeignet, einen objektiven Anknüpfungspunkt zum versicherten Tätigkeits-/Risikobereich zu bilden. Auch habe der Schulleiter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die beweglichen Ferientage zu Beginn des Schuljahres den Schülern mitgeteilt worden seien. Die Klägerin könne mithin ihren Irrtum nicht auf objektive Umstände zurückführen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.11.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für Rechtens und trägt vor: Sie habe im elterlichen Haus ein circa 25 m2 großes eigenes Zimmer bewohnt, in dem sich alle üblichen Gebrauchsgegenstände befunden hätten, insbesondere ihre gesamte Kleidung, Bücher, Hobby-Utensilien, Versicherungs- und Arztunterlagen und die Sparbücher. Die Wohnung in P habe eineinhalb Zimmer und Bad mit einer Gesamtgröße von circa 15 bis 20 m2 gehabt.

Ihre Wäsche sei am Wochenende von ihrer Mutter gewaschen und gebügelt worden. Einen Großteil ihrer Verpflegung habe sie vorgekocht von ihren Eltern mitgenommen. Ihr Freundeskreis sei weiterhin in T gewesen. In P habe außerhalb der Klasse kaum Kontakt bestanden. Ihren jetzigen Lebensgefährten, den Zeugen I X, habe sie zu dieser Zeit in T über gemeinsame Freunde und das gemeinsame Hobby "Rollenspiel" kennengelernt. Sie sei Mitglied eines Schützenvereins in T-X gewesen. Auch die behandelnden Ärzte hätten sämtlich in T praktiziert.

Der Beklagte hat dazu vorgetragen, es bestünde ein Widerspruch zwischen den Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren und im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Größe der Wohnung in P und hinsichtlich des Freundeskreises und der Freizeitaktivitäten.

Das Berufungsgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft T beigezogen und im Termin zur Erörterung und Beweisaufnahme am 02.11.2004 durch den Berichterstatter den Vater der Klägerin C C und ihren Lebensgefährten I X uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft und der Streitakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Entschädigung des Unfalls vom 21.05.1998 als Arbeitsunfall verurteilt.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Die Klägerin war als Schülerin des Berufskollegs nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII kraft Gesetzes gegen Arbeitsunfälle versichert.

Zur versicherten Tätigkeit gehört nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Die Familienwohnung der Klägerin im Sinne dieser Vorschrift lag zum Zeitpunkt des Unfalls im elterlichen Haus in T. In P hatte sie lediglich eine Unterkunft. Ständige Familienwohnung ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, eine Wohnung, die für eine nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet. Dabei kommt es auf die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse im Unfallzeitpunkt an, bei deren Prüfung insbesondere soziologische und psychologische Gegebenheiten zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 10.10.2002 - SozR 3-2200 § 550 Nr. 22 m.w.N.). Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Mittelpunkt der Lebensverhälnisse der Klägerin nach wie vor in der elterlichen Wohnung in T gelegen hat. Dafür spricht insbesondere, dass die Klägerin jedes Wochenende, die Feiertage und die Ferien in T verbracht hat, dass sie zu einem Freundeskreis von Jugendlichen in T gehörte, die gemeinsam ihre Freizeit verbracht haben, dass die Wohnung in P nur für die Dauer des Schulbesuches angemietet worden war und die Klägerin nach wie vor hauswirtschaftlich von ihrer Mutter versorgt wurde, die die Wäsche gepflegt und für sie vorgekocht hat. Dafür spricht auch, dass sich die behandelnden Ärzte der Klägerin sämtlich in T befunden haben und sie dort im Schützenverein aktives Mitglied war. Der Senat folgt insoweit den glaubhaften Angaben der Klägerin, die von den ebenso glaubhaften Aussagen der Zeugen C und X bestätigt werden. Die polizeiliche Meldung der Klägerin mit Zweitwohnsitz in P und die Größe der in P angemieteten Wohnung hat demgegenüber für die Frage des Familienwohnsitzes keine ausschlaggebende Bedeutung. Auch der Beklagte ist zuletzt mit Schriftsatz vom 14.01.2005 davon ausgegangen, dass die Klägerin in T ihre Familienwohnung hatte.

Es fehlt auch nicht an dem nach ständiger gefestigter Rechtsprechung des BSG, notwendigen inneren Zusammenhang zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit. Dabei ist unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles wertend zu ermitteln, ob die unfallbringende Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10 m.w.N.). Dieser innere Zusammenhang ist im vorliegenden Fall gegeben, auch wenn am Tag nach dem Unfall kein Unterricht stattfand. Es ist nämlich nicht zwingend erforderlich, dass die unfallbringende Tätigkeit dem Unternehmen objektiv dient; es ist vielmehr ausreichend, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen. Danach kann grundsätzlich auch Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit bestehen, wenn es gar nicht zu einer Arbeitsaufnahme hätte kommen können oder gekommen ist, der Versicherte aber der Meinung war, eine Arbeitspflicht habe bestanden. Allein die subjektive Vorstellung des Versicherten reicht allerdings nicht aus, um den inneren Zusammenhang herzustellen. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass diese Vorstellung in den objektiv gegebenen Verhältnissen im Einzelfall eine ausreichende Stütze findet (BSG, Urteil vom 27.03.1990 - USK 90145 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Es steht zur Überzeugend des Senats fest, dass die Klägerin am Unfalltage nach P gefahren ist, weil sie irrig annahm, am Folgetag finde Unterricht statt. Dies ergibt sich aus der Aussage des im ersten Rechtszug gehörten Zeugen T, an dessen Glaubwürdigkeit der Senat ebenso wenig zweifelt wie das Sozialgericht. Es ist auch kein anderer Grund als die beabsichtigte Teilnahme am Unterricht ersichtlich, der die Klägerin bewogen haben könnte, von T nach P zu fahren, zumal sie nach der Aussage der Zeugen C und X die Wochenenden regelmäßig mit ihrem Freundeskreis in T verbracht hat.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die subjektive Vorstellung der Klägerin angesichts der Besonderheiten dieses Falls eine ausreichende Stütze in den objektiv gegebenen Verhältnissen. Dabei ist zum einen von Bedeutung, dass es sich bei dem 22.05.1998 nicht um einen für alle Schulen verbindlich vorgeschriebenen, landesweit geltenden Ferientag handelt, der ohne weiteres jedem handelsüblichen Taschenkalender entnommen werden kann, sondern um einen sogenannten beweglichen Ferientag, der von der jeweiligen Schule festgesetzt wird. Dies bedarf der Information der Schüler. Diese ist hier durch den Klassenlehrer am 23.08.1987 erfolgt. Eine eine solche Information, die circa neun Monate vor dem unterrichtsfreien Tag gegeben wird, birgt allerdings gerade bei jungen Menschen die Gefahr in sich, dass sie in einem solch langen Zeitraum einen Termin schlicht vergessen. Eine Auffrischung der Erinnerung durch Bekanntgabe der beweglichen Ferientage etwa an einem "Schwarzen Brett" ist nach den Angaben der Klägerin nicht erfolgt und ergibt sich auch nicht aus den Auskünften des Berufskollegs. Abgesehen von der Frage, ob ein Schüler gehalten ist, sich über einen solchen Aushang über unterrichtsfreie Tage zu informieren, macht ein solcher Hinweis praktisch nur bei einer aktuellen Informationsmöglichkeit einen Sinn. Diese stand der Klägerin nicht offen. Ebenso wenig konnte sie profitieren von den (allgemeinkundig) gemeinhin unmittelbar vor einem (beweglichen) Ferientag stattfindenden Gesprächen unter Schülern und/oder Hinweisen von Lehrern zum Unterrichtsausfall. Denn die Klägerin konnte wegen ihrer Erkrankung in den Wochen vor dem Unfall die Schule nicht besuchen und war damit von diesen Informationsmöglichkeiten abgeschnitten. Bei dieser Konstellation (krankheitsbedingte Nichtteilnahme am Unterricht mehrere Wochen vor einem beweglichen Ferientag) liegt der Irrtum nicht allein in der Person des Schülers, hier der Klägerin, begründet mit der Folge, dass die Klägerin der berechtigten Überzeugung sein durfte, dass an dem (nur durch eine besondere schulische Regelung unterrichtsfreien) Tag nach dem Unfall nicht schulfrei war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Es besteht kein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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