Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KN 41/02 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Bescheid vom 18.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2002 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Zuzahlungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2001 gemäß § 61 SGB V zu befreien. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von Zuzahlungen gemäß § 61 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger lebt alleine in seinem Haushalt. Er bezog ab 1. Juli 2001 neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1965,33 DM brutto eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. in Höhe von 891,30 DM. Seine Ehefrau lebt mit den beiden gemeinsamen Kindern getrennt von ihm in einem eigenen Haus. Mit gerichtlichem Vergleich vom 12. Oktober 2000 verpflichtete sich der Kläger, ab 1. November 2000 an die Ehefrau und die Kinder Unterhalt in Höhe von insgesamt 732 DM zu zahlen. Ferner übernahm der Kläger Tilgung und Zinsen für das Haus der Ehefrau in Höhe von 402 DM bzw. 121,81 DM. Diese Zahlung wurde bei dem Unterhaltsvergleich als Abzug vom Einkommen des Klägers berücksichtigt, und die Unterhaltsverpflichtung wurde entsprechend ermäßigt.
Im August 2001 beantragte der Kläger die Befreiung von Zuzahlungen gemäß § 61 SGB V. Zuzahlungen sind für ihn im Jahre 2001 in Höhe von 149,91 DM angefallen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 ab. Sie führte im Wesentlichen aus, das Bruttoeinkommen des Klägers übersteigeden Grenzbetrag für 2001 in Höhe von 1792 DM für einen alleinstehenden Versicherten. Dabei zog sie von der Verletztenrente einen Betrag von 225 DM in Höhe einer Grundrente nach einer MdE um 30 v.H. ab. Ferner zog sie die Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 732 DM ab und kam so zu einem monatlichen Einkommen für 2001 in Höhe von 1899,63 DM.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2002 zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 22. Februar 2002 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, wenn er nicht die Kosten für das Haus der Ehefrau zu übernommen hätte, hätte er höheren Unterhalt zahlen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Zuzahlungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2001 gemäß § 61 SGB V zu befreien, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Tilgung und Zinsen für das Haus der Ehefrau könnten nicht in Abzug gebracht werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Zu Unrecht hat die Beklagte die Befreiung von Zuzahlungen abgelehnt. Der Kläger hat Anspruch auf die Befreiung von Zuzahlungen für das Jahr 2001 gemäß § 61 SGB V.
Die in § 61 SGB V aufgeführten Tatbestände für eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht liegen allerdings nicht vor. Jedoch hat bereits die Beklagte zu Recht angenommen, daß im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 61 SGB V auch Unterhaltsverpflichtungen eines Versicherten gegenüber getrennt lebenden Familienangehörigen berücksichtigt werden müssen. Insofern liegt nämlich eine Lücke des Gesetzes vor, die durch eine Analogie zu schließen ist (so auch Maaßen/Schermer/Zipperer Kommentar zum SGB V § 61 Rnr. 10).
Der Gesetzgeber hat § 61 Abs. 4 SGB V die Funktion beigemessen, der vermehrten finanziellen Belastung von Familien entsprechend der Anzahl der Familienmitglieder Rechnung zu tragen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 69, der später § 61 SGB V wurde). Dabei hat der Gesetzgeber übersehen, dass eine vermehrte finanzielle Belastung nicht nur für den Ernährer einer Familie besteht, die in einem Haushalt mit ihm lebt, sondern auch dann, wenn die Familie getrennt von ihm lebt; eine Variante der Familie, die in der Bundesrepublik inzwischen übrigens einen wesentlichen Anteil der Familien ausmacht. Bei diesen Familien besteht noch mehr als bei gemeinsam lebenden Familien Bedarf, die Unkosten zu berücksichtigen. Denn bei getrennt lebenden Familien sind die Kosten durch die doppelte Haushaltsführung in aller Regel höher als bei gemeinsam lebenden Familien.
Diese Lücke ist zur Überzeugung der Kammer dadurch zu schließen, dass bei getrennt lebenden Familien der vom Versicherten gewährte Unterhalt zumindest bis zur Höhe der in § 61 Abs. 4 SGB V festgelegten Grenzbeträge berücksichtigt wird.
Demnach ist von dem Einkommen des Klägers der Unterhalt in Höhe von 732 DM abzuziehen. Darüber hinaus ist auch die Zahlung der Kosten für das Haus abzuziehen. Denn dabei handelt es sich um die Wohnungskosten für die getrennt lebende Ehefrau und die Kinder, also vom Charakter her ebenfalls um Unterhalt. Das zu berücksichtige Einkommen beläuft sich demnach ab 1. Juli 2001 auf 1375,82 DM, also weniger als der Grenzbetrag für 2001 bei einer gemeinsam lebenden Familie mit vier Mitgliedern nach § 61 Abs. 4 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat die an sich nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von Zuzahlungen gemäß § 61 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger lebt alleine in seinem Haushalt. Er bezog ab 1. Juli 2001 neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1965,33 DM brutto eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. in Höhe von 891,30 DM. Seine Ehefrau lebt mit den beiden gemeinsamen Kindern getrennt von ihm in einem eigenen Haus. Mit gerichtlichem Vergleich vom 12. Oktober 2000 verpflichtete sich der Kläger, ab 1. November 2000 an die Ehefrau und die Kinder Unterhalt in Höhe von insgesamt 732 DM zu zahlen. Ferner übernahm der Kläger Tilgung und Zinsen für das Haus der Ehefrau in Höhe von 402 DM bzw. 121,81 DM. Diese Zahlung wurde bei dem Unterhaltsvergleich als Abzug vom Einkommen des Klägers berücksichtigt, und die Unterhaltsverpflichtung wurde entsprechend ermäßigt.
Im August 2001 beantragte der Kläger die Befreiung von Zuzahlungen gemäß § 61 SGB V. Zuzahlungen sind für ihn im Jahre 2001 in Höhe von 149,91 DM angefallen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 ab. Sie führte im Wesentlichen aus, das Bruttoeinkommen des Klägers übersteigeden Grenzbetrag für 2001 in Höhe von 1792 DM für einen alleinstehenden Versicherten. Dabei zog sie von der Verletztenrente einen Betrag von 225 DM in Höhe einer Grundrente nach einer MdE um 30 v.H. ab. Ferner zog sie die Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 732 DM ab und kam so zu einem monatlichen Einkommen für 2001 in Höhe von 1899,63 DM.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2002 zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 22. Februar 2002 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, wenn er nicht die Kosten für das Haus der Ehefrau zu übernommen hätte, hätte er höheren Unterhalt zahlen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Zuzahlungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2001 gemäß § 61 SGB V zu befreien, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Tilgung und Zinsen für das Haus der Ehefrau könnten nicht in Abzug gebracht werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Zu Unrecht hat die Beklagte die Befreiung von Zuzahlungen abgelehnt. Der Kläger hat Anspruch auf die Befreiung von Zuzahlungen für das Jahr 2001 gemäß § 61 SGB V.
Die in § 61 SGB V aufgeführten Tatbestände für eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht liegen allerdings nicht vor. Jedoch hat bereits die Beklagte zu Recht angenommen, daß im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 61 SGB V auch Unterhaltsverpflichtungen eines Versicherten gegenüber getrennt lebenden Familienangehörigen berücksichtigt werden müssen. Insofern liegt nämlich eine Lücke des Gesetzes vor, die durch eine Analogie zu schließen ist (so auch Maaßen/Schermer/Zipperer Kommentar zum SGB V § 61 Rnr. 10).
Der Gesetzgeber hat § 61 Abs. 4 SGB V die Funktion beigemessen, der vermehrten finanziellen Belastung von Familien entsprechend der Anzahl der Familienmitglieder Rechnung zu tragen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 69, der später § 61 SGB V wurde). Dabei hat der Gesetzgeber übersehen, dass eine vermehrte finanzielle Belastung nicht nur für den Ernährer einer Familie besteht, die in einem Haushalt mit ihm lebt, sondern auch dann, wenn die Familie getrennt von ihm lebt; eine Variante der Familie, die in der Bundesrepublik inzwischen übrigens einen wesentlichen Anteil der Familien ausmacht. Bei diesen Familien besteht noch mehr als bei gemeinsam lebenden Familien Bedarf, die Unkosten zu berücksichtigen. Denn bei getrennt lebenden Familien sind die Kosten durch die doppelte Haushaltsführung in aller Regel höher als bei gemeinsam lebenden Familien.
Diese Lücke ist zur Überzeugung der Kammer dadurch zu schließen, dass bei getrennt lebenden Familien der vom Versicherten gewährte Unterhalt zumindest bis zur Höhe der in § 61 Abs. 4 SGB V festgelegten Grenzbeträge berücksichtigt wird.
Demnach ist von dem Einkommen des Klägers der Unterhalt in Höhe von 732 DM abzuziehen. Darüber hinaus ist auch die Zahlung der Kosten für das Haus abzuziehen. Denn dabei handelt es sich um die Wohnungskosten für die getrennt lebende Ehefrau und die Kinder, also vom Charakter her ebenfalls um Unterhalt. Das zu berücksichtige Einkommen beläuft sich demnach ab 1. Juli 2001 auf 1375,82 DM, also weniger als der Grenzbetrag für 2001 bei einer gemeinsam lebenden Familie mit vier Mitgliedern nach § 61 Abs. 4 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat die an sich nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
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