L 4 AL 4/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 986/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 4/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu einer neuen Entscheidung über die Bewilligung von Überbrückungsgeld für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 3. Februar 2002.

Der 1963 geborene Kläger war vom 1. September 1990 bis zum 15. Mai 2001 als Fachbauleiter beschäftigt. Das Ende des Arbeitsverhältnisses beruhte auf einer Kündigung vom 29. Dezember 2000 und war mit einer Abfindung in Höhe von 18.500,- DM verbunden. Vom 16. Mai 2001 bis zum 30. September 2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 1.400,- DM mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 627,69 DM. Zum 1. Oktober 2001 meldete der Kläger sich aus dem Leistungsbezug ab, weil er ab diesem Zeitpunkt als selbständiger Geschäftsführer für die im September 2000 gegründete a Steinbau GmbH tätig war. Dem war vorausgegangen, dass der Kläger am 26. Juli 2001 Geschäftsanteile der Gesellschaft im Wert von 13.000,- EUR (entsprechend 26 % der Gesamtanteile) erworben hatte, womit er nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende Sperrminorität verfügte. Der Kaufpreis in Höhe von 12.500,- EUR war in fünf Raten zu je 1.500,- EUR, beginnend mit dem 1. Oktober 2001, zu zahlen. Für die Restzahlungen ab März 2002 sollte die Mindestrate 250,- EUR betragen. Gleichzeitig erklärte der Kläger sich bereit, eine Bürgschaft in Höhe von 25.000,- DM für den Kontokorrentkredit der Hausbank der Gesellschaft sowie eine anteilige Bürgschaft als Auflage der Bürgschaftsbank Berlin an die Gesellschafter zur Rückdeckung der gewährten Landesbürgschaft für Investitionskredite in Höhe von 78.000,- DM zu leisten. Außerdem ging der Kläger die Verpflichtung ein, zur Absicherung der Bürgschaft eine Risikolebensversicherung in Höhe von netto 65.000,- DM abzuschließen. Im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 15. September 2001 wurde mit dem Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.700,- EUR brutto vereinbart, ab April 2002 3.100,- EUR. Zusätzlich sollte eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 1.500,- EUR gezahlt werden sowie eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresgewinns, die auf maximal 25 % der Gesamtbezüge begrenzt war.

Am 17. Juli 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Überbrückungsgeld im Hinblick auf die genannte Geschäftsführertätigkeit. Eine von der Beklagten beauftragte Steuerberatungsgesellschaft bescheinigte, dass mit dem Vorhaben des Klägers der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar sei. Mit Bescheid vom 20. November 2001 lehnte die Beklagte jedoch den Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld ab. Es lägen bei dem Kläger erleichterte Voraussetzungen für den Eintritt in die selbständige Tätigkeit vor. Mit dem vereinbarten Gehalt zuzüglich einer gewinnabhängigen Tantieme könnten der Lebensunterhalt sowie die Aufwendungen für die soziale Sicherung schneller erwirtschaftet werden. Gemäß § 57 SGB III könnten aber Existenzgründungswillige nur gefördert werden, soweit die aus dem Betrieb erzielten Einkünfte nicht ausreichten, um in der Anlaufzeit den Lebensunterhalt und die Aufwendungen für die soziale Sicherung aufzubringen.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass sein Gehalt nicht genüge, um den Lebensunterhalt abzusichern, denn neben den üblichen Abzügen müsse berücksichtigt werden, dass er ja auch wegen der Übernahme der Geschäftsanteile monatlich 1.500,- EUR gesondert zu leisten habe. Aufgrund der Firmensituation seien gewinnabhängige Tantiemen in der nächsten Zeit nicht absehbar. Ein Arbeitsvermittler habe ihm seinerzeit zugesagt, dass die Raten auf die Geschäftsanteile vom Geschäftsführergehalt abgezogen würden. Nur daraufhin habe er sich aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet und den Berufseinstieg gewählt. Ihm sei der Eindruck vermittelt worden, dass es mit der Bewilligung von Überbrückungsgeld keine Probleme gebe. Sollte er aus dieser Berufstätigkeit aussteigen müssen, sei die Existenz der gesamten Firma gefährdet. Als Familienvater von drei Kindern und angesichts seiner katastrophalen finanziellen Situation sei er dringend auf das Überbrückungsgeld angewiesen.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Bewilligung von Überbrückungsgeld komme nicht in Betracht. Dabei handele es sich um eine Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Sinn und Zweck der Leistung sei die Sicherstellung des Lebensunterhalts eines Betroffenen für eine Anlaufzeit der selbständigen Tätigkeit, in der der Betrieb aufgebaut werde und der Lebensunterhalt noch nicht allein durch die betriebliche Tätigkeit gesichert werden könne. Dieser Zweck entfalle grundsätzlich beim Einstieg in einen bereits bestehenden Betrieb, weil hier die Anlaufzeit entfalle. So liege es auch im Falle des Klägers, denn der Gewerbebetrieb sei bereits im September 2000 angemeldet worden. Außerdem sei durch das monatliche Geschäftsführergehalt von 2.700,- EUR gesichert, dass der Kläger die Aufwendungen für seine soziale Sicherung selbst aufbringen könne. Seinem Vorbringen, dass die Einlagenabgaben in Höhe von 1.500,- EUR von seinem Verdienst abgesetzt werden müssten, könne nicht gefolgt werden. Zweck der Gewährung von Überbrückungsgeld sei es nicht, die auf dem Gesellschaftervertrag bestehende Verbindlichkeit zur Einzahlung der Gesellschafteranteile auszugleichen. Vielmehr solle der Lebensunterhalt für den Fall gesichert werden, dass die betriebliche Tätigkeit für eine gewisse Anlaufzeit noch keine ausreichenden Einnahmen erbringe.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides meldete der Kläger sich erneut arbeitslos. Vom 4. Februar 2002 bis zum 31. August 2002 bezog er Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 320,95 EUR. Gleichzeitig ging er einer erlaubten Nebenbeschäftigung bei der a Steinbau GmbH von weniger als 15 Stunden wöchentlich nach. Am 1. September 2002 schied der Kläger erneut aus dem Leistungsbezug aus und war seitdem als selbständiger Baustellenkoordinator, im Wesentlichen für die Firma a Steinbau GmbH, tätig. Ein Geschäftsführervertrag lag dieser Tätigkeit nicht zugrunde. Anlässlich der Aufnahme dieser selbständigen Tätigkeit bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. August 2002 für den Zeitraum 1. September 2002 bis 28. Februar 2003 Überbrückungsgeld in Höhe von 2.337,43 EUR monatlich.

Am 5. März 2002 hat der Kläger gegen die Ablehnung des Überbrückungsgeldes für den Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 3. Februar 2002 Klage erhoben. Mit ihr begehrt er die Verpflichtung der Beklagten zur neuen Entscheidung über seinen Antrag. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht: Das Überbrückungsgeld sei zur Sicherung seines Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung erforderlich. Weil eine Gewinnerzielung bei der gegenwärtigen Situation des Baugewerbes nicht als sicher angesehen werden könne, müsse die Tantiemenzahlung bei der Prüfung seiner Bedürftigkeit außer Betracht bleiben. Zwar sei daneben ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von anfänglich 2.700,- EUR vereinbart gewesen, doch müsse die Leistung der Gesellschaftseinlage hiervon in Abzug gebracht werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte einen solchen Abzug verweigere. Die Existenzgründung sei an keine besondere Gesellschaftsform gebunden, so dass die Beteiligung an den Geschäftsanteilen einer GmbH ohne weiteres statthaft und berücksichtigungsfähig sei. Das Gehalt habe gerade der Zahlung der Einlage dienen und das Überbrückungsgeld dementsprechend den Lebensunterhalt für den Kläger und seine Familie absichern sollen. Er habe drei minderjährige Kinder, seine Ehefrau beziehe Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte gehe außerdem von falschen Ermessenserwägungen aus, wenn sie ausführe, das Überbrückungsgeld sei bei einem Einstieg in eine bereits bestehende Firma grundsätzlich nicht zu gewähren. Dies sei weder vom Gesetz noch durch die Dienstanweisungen zu § 57 SGB III zu begründen. Das Gesetz fordere lediglich die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und nicht die Neugründung einer Firma. Dadurch, dass er als Mitgesellschafter in eine Zwei-Mann-Firma eingestiegen sei, habe es sich auch praktisch um eine Neugründung gehandelt. Wie die Firma in der neuen Konstellation weiterlaufen würde, sei völlig ungewiss gewesen. Weil das Überbrückungsgeld nicht gezahlt worden sei, habe er seine selbständige Tätigkeit Anfang 2002 wieder aufgeben müssen, denn er sei finanziell am Ende gewesen. Dies hätte durch die Gewährung des Überbrückungsgeldes vermieden werden können. Soweit die ablehnende Entscheidung der Beklagten für rechtmäßig angesehen werde, bestehe jedenfalls ein Schadensersatzanspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch in Höhe des nicht gezahlten Überbrückungsgeldes. Er habe den Antrag schon im Juli 2001 gestellt, wobei ihm sein zuständiger Sachbearbeiter Hoffnung auf eine Bewilligung dieser Leistung gemacht habe. Die Ablehnung habe er als Katastrophe empfunden, zumal er seit dem 1. Oktober 2001 kein Arbeitslosengeld mehr erhalten habe. Es liege ein eklatanter Verstoß gegen die Beratungspflicht der Beklagten vor, der dazu führe, dass er so zu stellen sei, wie er ohne den Beratungsfehler gestanden hätte. Es liege auf der Hand, dass er den Geschäftsführervertrag bei ordentlicher Beratung nicht abgeschlossen hätte.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat erklärt, die monatliche Einlage von 1.500,- EUR habe nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes des Klägers gedient, sondern seinem Vermögensaufbau, weshalb sie insgesamt unberücksichtigt bleiben müsse.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. November 2002 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung protokolliert sowie hilfsweise den Antrag aufgenommen, festzustellen, dass die Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Überbrückungsgeld rechtswidrig gewesen sei.

Mit Urteil vom 7. November 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Die Ablehnung der Gewährung von Überbrückungsgeld ab dem 1. Oktober 2001 habe sich durch die Bewilligung des Überbrückungsgeldes ab dem 1. September 2002 erledigt. Der Kläger habe zwar zwischenzeitlich Arbeitslosengeld bezogen und sei auch ab dem 1. September 2002 nicht mehr als Geschäftsführer tätig gewesen. Er sei jedoch weiterhin Gesellschafter der GmbH geblieben und habe im Wesentlichen für diese ab dem 1. September 2002 Aufträge ausgeführt, und zwar so, wie er es bereits ab dem 1. Oktober 2001 getan habe. Dass Erledigung eingetreten sei, werde auch darin deutlich, dass der Kläger keinen neuen Anspruch auf Überbrückungsgeld ab dem 1. September 2002 gehabt hätte, wenn ihm dieses für die nahezu identische selbständige Tätigkeit bereits ab dem 1. Oktober 2001 gewährt worden wäre. Die Klage sei aber auch als zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG unbegründet. Der Kläger habe zwar ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes, weil eine Amtshaftungsklage in Betracht komme. Allerdings sei der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig gewesen. Es sei nämlich nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte Existenzgründungswillige nur dann fördere, soweit die aus dem Betrieb erzielten Einkünfte nicht ausreichen, um in der Anlaufzeit den Lebensunterhalt und die Aufwendungen für die soziale Sicherung aufzubringen. Dementsprechend sei die Beklagte berechtigt gewesen, ihre Ablehnung von Überbrückungsgeld ab dem 1. Oktober 2001 darauf zu stützen, dass der Betrieb bereits seit September 2000 bestand und bereits Umsätze erzielte, die die Zahlung eines monatlichen Entgelts von 2.700,- EUR an den Kläger ermöglichten. Dieser Betrag habe das der Bewilligung von Arbeitslosengeld zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt von ca. 1.400,- EUR bei weitem überstiegen. Die Zahlungspflicht von monatlich 1.500,- EUR auf den Anteil am Stammkapital führe zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen solle das Überbrückungsgeld der Sicherung des Lebensunterhaltes dienen und nicht für die Schaffung eines Grundstocks für den Betrieb und damit zur Kapitalbildung eingesetzt werden. Zum anderen habe der Kläger – was unstreitig ist – aufgrund einer Stundung tatsächlich auf die Einlage der Gesellschaft noch keine Zahlung geleistet, so dass seine wirtschaftliche Situation durch diese Ratenzahlungen nicht beeinträchtigt werde. Ein Ermessensfehler könne auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger nach seinem Vortrag dahin beraten worden sei, Anteile an der Gesellschaft in Höhe einer Sperrminorität zu übernehmen und einen Geschäftsführervertrag abzuschließen. Dieser Hinweis sei erkennbar darauf gerichtet gewesen, eine abhängige Beschäftigung als Geschäftsführer zu vermeiden, die die Gewährung von Überbrückungsgeld ausgeschlossen hätte. Es sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass dem Kläger nahegelegt worden sei, ein Entgelt aus dieser Geschäftsführertätigkeit von 2.700,- EUR zu vereinbaren.

Gegen das ihm am 12. Dezember 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Januar 2003 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen und trägt im Wesentlichen vor, der Antrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung habe sich durch die zwischenzeitliche Bewilligung von Überbrückungsgeld ab dem 1. September 2002 nicht erledigt. Das Gericht habe insoweit seine Entscheidungskompetenz überschritten. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Überbrückungsgeld ab dem 1. Oktober 2001 hätten von Anfang an vorgelegen und seien auch nicht durch die Bewilligung von Überbrückungsgeld für einen späteren Zeitraum entfallen. Es treffe auch nicht zu, dass die am 1. September 2002 aufgenommene Tätigkeit als Baustellenkoordinator mit der am 1. Oktober 2001 aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer identisch sei. Zwar sei er nach wie vor Gesellschafter der Firma a Steinbau GmbH, doch diese Gesellschafterstellung stehe in keinem Zusammenhang mit seiner jetzigen Selbständigkeit. Er habe eine Einzelfirma gegründet und erhalte als solche Aufträge von verschiedenen Geschäftspartnern. Zwar sei die a Steinbau GmbH aus der Vergangenheit heraus noch der größte Auftraggeber, jedoch solle sich dies auf mittlere Sicht ändern. Anders als bei der ersten Selbständigkeit sei er auch nicht als Organ dieser Firma tätig. Ohne die Bewilligung von Überbrückungsgeld sei sein Lebensunterhalt für die Zeit ab dem 1. Oktober 2001 nicht gesichert gewesen. Es dürfe ihm nicht entgegengehalten werden, mit der Zahlung auf seine Geschäftsanteile "Kapitalbildung" betrieben zu haben. In der von ihm gewählten Art und Weise habe die Arbeitslosigkeit gerade dadurch beendet werden sollen, dass gleichzeitig Geschäftsanteile übernommen wurden und eine Geschäftsführertätigkeit aufgenommen werden sollte. Die Haltung der Beklagten werde dem insgesamt nicht gerecht. Geradezu zynisch sei es, wenn ihm nun zum Nachteil gereichen solle, dass der Gläubiger, der Mitgesellschafter K, bislang von der Durchsetzung seiner Ansprüche abgesehen habe. Er müsse seinen Pflichten aus dem Vertrag nachkommen, d.h. insbesondere die Einlage leisten, die Bürgschaft erbringen und die Lebensversicherung bezahlen. Bei einer tatsächlichen Zahlung der Einlage in Höhe von 1.500,- EUR monatlich hätte seine Familie nicht existieren können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002 aufzuheben und die Be- klagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Bewilligung von Über- brückungsgeld vom 17. Juli 2001 für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 3. Februar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

hilfsweise festzustellen, dass die Ablehnung des Antrages auf Gewäh- rung von Überbrückungsgeld rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. In der Nichtberücksichtigung der Zahlungen für den Kauf eines Gesellschaftsanteiles könne nach wie vor keine fehlerhafte Ermessensausübung erkannt werden. Auch wenn die einzige Möglichkeit einer erfolgversprechenden Selbständigkeit in der Übernahme eines Gesellschaftsanteiles bestehe, folge daraus nicht, dass die finanzielle Belastung als notwendige Position der Lebenshaltungskosten anerkannt werden müsse. Der Kläger übersehe, dass diese Kosten in die Beurteilung der Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III hätten einfließen müssen. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung sei bejaht worden. Damit sei auch entschieden worden, dass die Mittel zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Eintrittsvertrag zur Verfügung gestanden hätten, ohne dass der Lebensunterhalt gefährdet gewesen sei. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts seien Zahlungen auf die Geschäftsanteile im Zeitraum von sechs Monaten nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht erbracht worden. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt auch ohne Überbrückungsgeld für einen vorübergehenden Zeitraum gesichert gewesen sei.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Leistungsakte der Beklagten (Arbeitslosengeld) sowie des weiteren Verwaltungsvorganges (Überbrückungsgeld) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Bewilligung von Überbrückungsgeld für die Zeit ab 1. Oktober 2001; der ablehnende Bescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Unrichtiger Weise hat das Sozialgericht allerdings das Hauptbegehren des Klägers – die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung – als erledigt angesehen und nur über die hilfsweise formulierte Fortsetzungsfeststellungsklage entschieden. Durch die Bewilligung von Überbrückungsgeld für die Zeit ab 1. September 2002 hat sich das auf einen früheren Zeitraum bezogene Begehren – Überbrückungsgeld ab 1. Oktober 2001 – nicht erledigt. Rechtlich und tatsächlich ist es der Beklagten nach wie vor möglich, gegebenenfalls positiv über die Bewilligung von Überbrückungsgeld für die Zeit ab 1. Oktober 2001 zu entscheiden. Eine tatsächliche Bewilligung für diesen ersten Zeitraum hätte allenfalls Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Überbrückungsgeld für den zweiten Zeitraum ab 1. September 2002 durch den Bescheid vom 27. August 2002. Diese Auswirkungen sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Für den Fall des Obsiegens des Klägers müsste die Beklagte prüfen, ob die Bewilligung von Überbrückungsgeld für den ersten Zeitraum die erfolgte Bewilligung für den zweiten Zeitraum gleichsam sperrt, weil nicht wiederholt Überbrückungsgeld für denselben Sachverhalt gewährt werden darf. Inwieweit die vom Kläger seit 1. September 2002 ausgeübte selbständige Tätigkeit identisch ist mit derjenigen vom 1. Oktober 2001 bis 3. Februar 2002, muss deshalb vom Senat nicht entschieden werden.

Die Ablehnung der Bewilligung von Überbrückungsgeld für die Zeit ab 1. Oktober 2001 (Bescheid vom 20. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags vom 17. Juli 2001, denn die die Ablehnung tragenden Erwägungen der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere frei von Ermessensfehlern (vgl. § 131 Abs. 3 SGG).

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Überbrückungsgeld ist im vorliegenden Fall (Antrag vom 17. Juli 2001) § 57 SGB III in der Fassung des Zweiten SGB III - Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648). Die Vorschrift lautet:

(1) Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten.

(2) Überbrückungsgeld kann geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer 1. in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung mindestens vier Wochen a) Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme gefördert worden ist, und 2. eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Das Überbrückungsgeld wird für die Dauer von sechs Monaten geleistet.

(4) Das Überbrückungsgeld setzt sich zusammen aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zuletzt bezogen hat oder bei Arbeitslosigkeit hätte beziehen können, und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen. ( ...)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift hat die Beklagte zutreffend als gegeben angesehen. Den notwendigen Antrag hat der Kläger am 17. Juli 2001 gestellt. Weil er vom 16. Mai 2001 bis zum 30. September 2001 Arbeitslosengeld erhielt, ist der nötige Vorbezug nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III gegeben. Der Kläger hat zum 1. Oktober 2001 auch eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und so seine Arbeitslosigkeit beendet, § 57 Abs. 1 SGB III. Im Gegensatz zum abhängig beschäftigten Arbeitnehmer ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer für die a Steinbau GmbH erfüllt diese Voraussetzungen, was auch deshalb nicht weiter vertieft werden muss, weil die Beteiligten übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgehen. Kennzeichnend für die Tätigkeit des Klägers ab dem 1. Oktober 2001 waren vor allem das eigene unternehmerische Risiko, die Einflussmöglichkeit durch Sperrminorität in der Gesellschafterversammlung und die freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit. Der Kläger hat auch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung vorgelegt, § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Die DBB DATA Steuerberatungsgesellschaft mbH, eine fachkundige Stelle in diesem Sinne, hat am 19. Juli 2001 nach Prüfung der Antragsunterlagen bescheinigt, dass mit dem Vorhaben des Klägers der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung realisierbar sei. Ob diese Prognose der fachkundigen Stelle zutreffend ist, kann von der Beklagten ebenso wenig überprüft werden wie von dem Gericht (vgl. Winkler in Gagel, SGB III, Stand März 2002, Rdnr. 24 zu § 57).

Vor diesem Hintergrund stand die Bewilligung des Überbrückungsgeldes im Ermessen der Beklagten, welches sie in den gesetzlichen Grenzen und in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. § 39 Abs. 1 SGB I, § 114 Satz 1 VwGO).

Den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck der Leistung von Überbrückungsgeld hat die Beklagte zutreffend erkannt. Sie hat im Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2002 ausgeführt, Sinn und Zweck der Leistung sei die Sicherstellung des Lebensunterhalts eines Betroffenen für eine Anlaufzeit der selbständigen Tätigkeit, in der der Betrieb aufgebaut werde und der Lebensunterhalt noch nicht allein durch die betriebliche Tätigkeit gesichert werden könne. Diese Umschreibung entspricht dem tatsächlichen Leistungszweck, der allgemein in der Hilfe für Existenzgründungen liegt (vgl. Winkler, a.a.O., Rdnr. 8 bis 10 zu § 57). Ihre konkrete Ermessensentscheidung zu Lasten des Klägers, die den formellen Anforderungen an die Begründungspflicht aus § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X genügt, hat die Beklagte darauf gestützt, dass zum einen der Leistungszweck entfalle beim Einstieg in einen bereits bestehenden Betrieb, weil dabei nicht mehr von einer Existenzgründung im engeren Sinne die Rede sein könne; zum anderen sei durch das vereinbarte Geschäftsführergehalt von 2.700,- Euro monatlich gesichert, dass der Kläger seine soziale Sicherung selbst bewerkstelligen könne, wobei die Einlagenabgaben in Höhe von 1.500,- Euro monatlich nicht zwingend vom Gehalt abzusetzen seien. Diese Erwägungen hält der Senat für tragfähig und fehlerfrei. Zum einen kann nicht die Rede davon sein, dass etwa das Ermessen der Beklagten zu Gunsten des Klägers im Sinne einer Leistungsgewährung auf Null reduziert war. Dies käme der Annahme eines Rechtsanspruchs gleich und ist nicht mit Wortlaut und Zweck des § 57 SGB III zu vereinbaren. Im Übrigen lag der Fall des Klägers wegen des Einstiegs in einen laufenden Betrieb und wegen des verhältnismäßig hohen Anfangsgehalts so besonders, dass ein näheres Hinsehen in jedem Falle geboten war. Auch ein Ermessensfehlgebrauch im engeren Sinne ist nicht zu erkennen. Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung vom zutreffenden tatsächlichen Sachverhalt ausgegangen und hat genau zur Kenntnis genommen, unter welchen Bedingungen der Kläger ab dem 1. Oktober 2001 seine selbständige Tätigkeit aufnahm. Bei ihrer konkreten Entscheidung schließlich ist sie auch keiner Fehleinschätzung unterlegen, denn sie hat nur Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die dem Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage entsprechen. So liegt es auf der Hand, den Einstieg in ein schon – hier: seit etwa einem Jahr – bestehendes Unternehmen nicht zwingend genau so zu beurteilen wie die echte Neugründung eines solchen, denn die werbende Stellung des bestehenden Unternehmens am Markt kann schon so fortgeschritten sein, dass übliche Risiken und Erschwernisse der Existenzgründung entfallen oder minimiert sind. Nachvollziehbar und sachgerecht ist daher die von der Beklagten berücksichtigte Dienstanweisung 57.22 zu § 57 SGB III, wonach Existenzgründungswillige, die einen bestehenden Betrieb übernehmen oder in einen solchen eintreten, gefördert werden können, soweit die aus dem Betrieb erzielten Einkünfte nicht ausreichen, um in der Anlaufzeit den Lebensunterhalt und die Aufwendungen für die soziale Sicherung aufzubringen. Das für den Kläger als Geschäftsführer vertraglich vereinbarte Einstiegsgehalt von 2.700,- Euro brutto nebst Weihnachtsgratifikation und gewinnabhängiger Tantieme durfte die Beklagte beanstandungsfrei als für Lebensunterhalt und soziale Sicherung ausreichend ansehen. Sie hat dabei keine Gesichtspunkte außer acht gelassen, die nach Lage der Dinge und dem Zweck der Leistung unbedingt zu berücksichtigen gewesen wären. Fraglich ist hier einzig, ob rechtlich zu beanstanden ist, dass die Beklagte die monatlich vorgesehenen Aufwendungen für die Übernahme der Geschäftsanteile in Höhe von 1.500,- Euro nicht vom zu erwartenden Gehalt des Klägers in Abzug gebracht hat. Der Senat hält die Entscheidung der Beklagten, diese Aufwendungen außer Betracht zu lassen, für rechtlich vertretbar und sieht jedenfalls nicht, warum die Beklagte diesen Aufwendungen etwa zwingend hätte vom Gehalt des Klägers in Abzug bringen müssen. Von einer Ermessensreduzierung in diese Richtung kann keine Rede sein. Hier bewegt die Beklagte sich im Bereich des "gerichtsfreien" Ermessens, das nur eingeschränkt überprüfbar ist. Jedenfalls ist diese "Aufrechnung" nicht zwingend, denn es ist nicht Zweck des Überbrückungsgeldes, den Vermögensaufbau zu unterstützen, sondern den Lebensunterhalt zu gewährleisten. Deshalb unterliegt die Beklagte keiner Fehleinschätzung, wenn sie ihren Blick einzig auf das Geschäftsführergehalt richtet und sonstige Verpflichtungen – die Zahlungspflicht auf die Geschäftsanteile wie etwa auch sonstige aus Schulden resultierende Zahlungsverpflichtungen – außer Betracht lässt. In der Tat betrifft das "Gesamtbild" der Vermögensverhältnisse eher die nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III vorzulegende Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung, die im Falle des Klägers offensichtlich zu kurz griff, denn es zeigte sich, dass das "Gesamtpaket" der selbständigen Tätigkeit ab 1. Oktober 2001 auf sehr tönernen Füßen stand. Das Überbrückungsgeld dient jedoch nicht dem Zweck, die Tragfähigkeit der Existenzgründung an sich zu gewährleisten.

Soweit der Kläger Haftungsansprüche gegenüber der Beklagten angesprochen hat, wird er dafür den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu beschreiten haben; aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch jedoch kann sich ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich nicht ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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