L 15 KR 105/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1200/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 KR 105/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 2000 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.322,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 % p.a. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 8. März 1998 zu zahlen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens für beide Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Krankenhausbehandlungskosten, die in der Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 für die Behandlung des Versicherten M entstanden sind.

Der 1957 geborene Versicherte, der bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist, stellte sich am 2. Juli 1997 in der Rettungsstelle des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses vor und wurde noch in der Nacht zum 3. Juli 1997 wegen Alkoholmissbrauchs als unabweisbar zur vollstationären Entgiftungsbehandlung in der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie des Krankenhauses der Klägerin aufgenommen. Nach einer so genannten Vorabmeldung vom 3. Juli 1997, deren Eingang bei der Beklagten nicht feststeht, teilte die Klägerin der Beklagten mit ihrer dort am 9. Juli 1997 eingegangenen Aufnahmeanzeige vom 4. Juli 1997 die Aufnahme des Versicherten, den Aufnahmegrund und die Aufnahmediagnose mit und beantragte auf der Grundlage des Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 1. November 1994 (KBV) sowie des Vertrages zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung vom selben Tage (KÜV) die Übernahme der Kosten der vollstationären Behandlung, die voraussichtlich 21 Tage dauern werde. Mit Kostenübernahmeschein vom 17. Juli 1997, der am 21. Juli 1997 bei der Klägerin einging, befristete die Beklagte die Kostenübernahme ohne nähere Erläuterung zunächst bis zum 9. Juli 1997. Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 25. Juli 1997, die Kostenübernahme zu verlängern. Noch vor Eingang dieses Antrages bei der Beklagten am 30. Juli 1997 wurde der Versicherte in den Vormittagsstunden des 28. Juli 1997 aus dem Krankenhaus der Klägerin entlassen und zwecks Durchführung einer so genannten Motivationstherapie in das Kreiskrankenhaus A verlegt.

Nachdem die Beklagte die Klägerin mit ihrem am 1. August 1997 eingegangenen Schreiben vom 26. Juli 1997 um Übersendung eines Kurzberichts gebeten hatte, legte sie den Fall - ohne den Eingang des angeforderten Kurzberichts abzuwarten - dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B e.V. (MDK) zur Beurteilung vor. Für diesen führte Dr. Bam 4. August 1997 auf der Grundlage des Verlängerungsantrages aus, die Entgiftungsbehandlung des Versicherten in einem Akutkrankenhaus sei nur bis zum 23. Juli 1997 notwendig gewesen; für die sich daran anschließende Entwöhnungsbehandlung sei der Rentenversicherungsträger zuständig. Daraufhin übersandte die Beklagte der Klägerin unter dem 6. August 1997 einen bis zum 23. Juli 1997 befristeten Kostenübernahmeschein und lehnte mit ihrem Schreiben vom 7. August 1997 die Übernahme der weiteren Krankenhausbehandlungskosten für die Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 aus den Gründen der Stellungsnahme des MDK ab.

Am 13. August 1997 sowie erneut am 23. September 1997 ging bei der Beklagten der am 29. Juli 1997 gefertigte Entlassungsbericht des Krankenhauses der Klägerin ein. Am 20. August 1997 erhielt sie überdies den von ihr angeforderten Kurzbericht vom 15. August 1997, in dem - ebenso wie in dem Entlassungsbericht - darauf hingewiesen worden war, dass nunmehr im Anschluss an die Entgiftungsbehandlung eine Motivationstherapie durchgeführt werden müsse. Diese Unterlagen legte die Beklagte Ende September 1997 nochmals dem MDK zur Überprüfung vor, für den erneut Dr. Bam 30. September 1997 ausführte, die stationäre Entgiftungsbehandlung sei nur bis zum 23. Juli 1997 notwendig gewesen. Da- raufhin lehnte die Beklagte die Übernahme der Behandlungskosten für die Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 mit ihrem Schreiben vom 7. Oktober 1997 erneut ab.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einem von der Oberärztin der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie PD Dr. Horn (vormals Jformulierten Einspruchsschreiben vom 20. Oktober 1997, in dem es u.a. heißt: Die stationäre Behandlung des Versicherten sei bis zum 28. Juli 1997 notwendig gewesen, weil der Versicherte zur Durchführung der weiterführenden psychosomatischen Therapie erst hätte ausreichend motiviert werden müssen und zur Stützung seines Abstinenzwillens eine Medikamentenumstellung erforderlich gewesen sei. Für den von der Beklagten daraufhin nochmals eingeschalteten MDK teilte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie O am 3. November 1997mit, dass eine qualifizierte motivierende Entzugsbehandlung als beginnende Rehabilitationsmaßnahme zu werten sei, hinsichtlich derer sich die Krankenkasse und der Rentenversicherungsträger entscheiden müssten, wer für diese Phase zuständig sei. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme lehnte die Beklagte die Übernahme der streitigen Behandlungskosten mit Schreiben vom 6. November 1997 erneut ab. Hiergegen legte die Klägerin nochmals Einspruch ein und überreichte eine weitere Stellungnahme von Dr. vom 26. November 1997, mit der diese ihre bisherige Argumentation weiter vertiefte.

Nachdem die Beklagte der Klägerin unter dem 31. Dezember 1997 die Kosten für die gesamte Behandlungszeit vom 2. bis zum 28. Juli 1997, zahlbar bis zum 7. März 1998, in Rechnung gestellt hatte, wobei auf die streitige Zeit unter Berücksichtigung des Abteilungspflegesatzes, des Basispflegesatzes sowie des Investitionszuschlages für insgesamt vier Tage 2.586,16 DM (= 1.322,28 EUR ) entfielen, wies die Beklagte auch den letzten Einspruch der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 14. Januar 1998 zurück, weil sich auch aus dem Schreiben vom 26. November 1997 nicht entnehmen lasse, dass eine akut-medizinische Behandlung nach dem 23. Juli 1997 weiter notwendig gewesen sei.

Am 20. November 1998 hat die Klägerin beim Sozialgericht B Klage auf Zahlung der Kosten für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 in Höhe von 2.586,16 DM erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Wie sich bereits aus den der Beklagten eingereichten ärztlichen Stellungnahmen ergebe, sei die vollstationäre Behandlung des Versicherten, die im Wesentlichen aus der Gabe von Medikamenten, einer täglichen Gesprächstherapie durch den Stationsarzt, zusätzlichen Einflussmaßnahmen durch Pflegekräfte und Sozialarbeiter sowie soziotherapeutischen Maßnahmen zur psychischen Stabilisierung bestanden habe, in der streitigen Zeit notwendig gewesen. Der abweichenden Einschätzung des MDK sei nicht zu folgen, weil der MDK den Versicherten nicht selbst untersucht habe und medizinische Bewertungen, die nach Abschluss der Behandlung abgegeben würden, von vornherein nicht geeignet seien, die Einschätzung der behandelnden Ärzte zu widerlegen, die sich diese während der laufenden Behandlung gebildet hätten. Auf die ihrer Auffassung nach zu ihren Gunsten zu beantwortende Frage, ob die Krankenhausbehandlung notwendig gewesen sei, komme es zur Entscheidung des Falles auch maßgeblich an, weil ihr eventuelle Formfehler, die ihr nach den Bestimmungen des KBV im Zusammenhang mit den Anträgen auf Kostenübernahme unterlaufen sein könnten, schon deshalb nicht entgegengehalten werden dürften, weil diese Formfehler durch das Verhalten der Beklagten hervorgerufen worden seien, die insoweit ihrerseits gegen die Bestimmung des KBV verstoßen habe.

Das Sozialgericht hat sich von der Klägerin die Patientenunterlagen des Versicherten vorlegen lassen und bei der Beklagten angeregt, diese Unterlagen vom MDK auswerten zu lassen. Für den daraufhin von der Beklagten eingeschalteten MDK hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie O am 24. Januar 2000 nach Aktenlage ausgeführt: Den Patientenunterlagen lasse sich entnehmen, dass der Versicherte am 24., 25., 26. und 27. Juli 1997 jeweils ganztägig Ausgang gehabt habe und jeweils ohne Komplikationen in das Krankenhaus zurückgekehrt sei. Therapien seien an diesen Tagen nicht durchgeführt worden. Vor diesem Hintergrund sei festzustellen, dass eine stationäre Behandlung in der streitigen Zeit nicht erforderlich gewesen sei.

Nachdem die Klägerin hierzu eine Stellungnahme von Dr. H vom 26. April 2000 vorgelegt und ergänzend vorgetragen hatte, dass es sich bei den Ausgängen um notwendige soziotherapeutische Maßnahmen zur Erprobung des Abstinenzwillens gehandelt habe, die fachärztlich begleitet worden seien, hat das Sozialgericht die Klage mit seinem Urteil vom 6. Oktober 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die in Rede stehende Krankenhausbehandlung sei aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen. Dies belegten die überzeugenden Ausführungen des MDK sowie vor allem der Umstand, dass der Versicherte in der streitigen Zeit jeweils ganztägig beurlaubt gewesen sei. Dieser Umstand mache deutlich, dass der Versicherte auf die Mittel und Einrichtungen eines Krankenhauses, insbesondere die ständige Präsenz eines Arztes nicht angewiesen gewesen sei.

Gegen dieses ihr am 1. November 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. November 2000 bei Gericht eingegangene Berufung der Klägerin. Mit ihr überreicht die Klägerin eine weitere Stellungnahme von Dr. Hvom 20. November 2000 und macht unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens geltend: Abgesehen davon, dass auch eine Beurlaubung den Vergütungsanspruch nicht zu Fall brächte, habe es sich bei den Ausgängen des Versicherten auch nicht um Beurlaubungen, sondern um soziotherapeutische Maßnahmen gehandelt. Sie seien unverzichtbarer Bestandteil der stationären Krankenhausbehandlung gewesen, ohne die eine Entgiftungsbehandlung bei Alkoholkranken nicht erfolgreich durchgeführt werden könne. Dass der MDK die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung unter Verkennung der Erforderlichkeit dieser Maßnahmen verneint habe, stehe dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen. Denn wie bereits zu den früheren Stellungnahmen des MDK ausgeführt, seien erst im Nachhinein allein anhand der Aktenlage gebildete Überzeugungen - noch dazu bei psychischen Erkrankungen - nicht geeignet, die situationsbezogen getroffenen Entscheidungen der Krankenhausärzte mit Erfolg anzuzweifeln.

Die Klägerin, für die der in der mündlichen Verhandlung anwesende damalige Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie Prof. Dr. Uauf Befragen des Senats nähere Angaben zur medizinischen Versorgung und Tagesgestaltung des Versicherten in der streitigen Zeit gemacht hat, beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.322,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskont- satz der Deutschen Bundesbank seit dem 8. März 1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten und die von der Klägerin vorgelegten Patientenunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das mit ihr angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist unzutreffend.

Die von der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung der Behandlungskosten des Versicherten ist zulässig. Richtige Klageart ist insoweit die von ihr von Anfang an gewählte (echte) Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Denn es geht im vorliegenden Fall um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Dementsprechend ist auch die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich (vgl. BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).

Die Klage ist auch begründet. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 in Höhe von 1.322,28 EUR nebst 2 % Zinsen p.a. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 8. März 1998.

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Verbindung mit den Bestimmungen des KBV und des KÜV, die beide zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Berliner Krankenhausgesellschaft abgeschlossen worden sind, deren Mitglieder die Beteiligten sind. Beide Verträge, in denen die Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflicht der Krankenkassen geregelt sind, sind auf der Grundlage von § 112 Abs. 2 SGB V geschlossen worden, der zur Sicherstellung der gesetzesentsprechenden Krankenhausbehandlung den Abschluss von Rahmenverträgen auf Landesebene vorsieht. Im Rahmen dieses Normgefüges entsteht der Anspruch eines jeden nach § 108 SGB V zur Versorgung von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses gegen die jeweils zuständige Krankenkasse auf Zahlung der normativ festgelegten Entgelte als Korrelat zu seiner Behandlungspflicht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, sofern dessen Versorgung im Krankenhaus erforderlich ist.

Ob die Krankenkasse dem Krankenhaus die Übernahme der Kosten zugesagt hat oder hätte zusagen müssen, ist für die Entstehung des Zahlungsanspruchs ohne Bedeutung. Denn der Kostenübernahmeerklärung, deren nähere Einzelheiten in § 6 KBV geregelt sind, kommt lediglich eine beweisrechtliche Funktion für die Fälle zu, in denen sie abgegeben wird und den jeweiligen Behandlungszeitraum abdeckt. Liegt ein solcher Fall vor, ist in ihr die deklaratorische Anerkennung der Leistungspflicht für die Behandlung in dem betroffenen Zeitraum zu sehen, die weitere Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch insoweit endgültig ausschließt. Fehlt sie, hängt der Zahlungsanspruch hingegen davon ab, dass die Krankenhausbehandlung, um deren Kosten es geht, erforderlich (gewesen) ist (BSG a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Denn die Beklagte hat sich - nachdem sie die Kostenübernahme mit ihrem Kostenübernahmeschein vom 17. Juli 1997 ohne nähere Erläuterung zunächst bis zum 9. Juli 1997 befristet hatte - im Laufe des vorprozessualen Schriftverkehrs nach Einschaltung des MDK lediglich dazu bereit erklärt, die Kosten der Krankenhausbehandlung bis einschließlich 23. Juli 1997 zu übernehmen. Für die hier streitige Zeit vom 24. bis zum 28. Juli 1997 hat sie die Kostenübernahme hingegen abgelehnt. Damit kommt es für diesen Zeitraum auf die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung an, an deren tatsächlicher Erbringung in Form der vollstationären Krankenhausbehandlung entgegen der Auffassung der Beklagten kein Zweifel besteht. Letzteres ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den schriftlichen Stellungnahmen der Oberärztin PD Dr. Hvom 26. April und 20. November 2000 sowie den mündlichen Erläuterungen des damaligen Direktors der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie Prof. Dr. U in der mündlichen Verhandlung des Senats am 27. Oktober 2004, die mit den von der Klägerin überreichten Patientenunterlagen in Einklang stehen. Nach den dort abgehefteten Aufzeichnungen des Pflegepersonals (so genannter Pflegebericht) lässt sich zwar feststellen, dass der Versicherte am 24. und 25. Juli 1997 während der Spätschicht bis jeweils 20.00 Uhr sowie am 26. und 27. Juli 1997 von 9.00 Uhr bzw. 9.30 Uhr bis jeweils 20.00 Uhr Ausgang gehabt hat. Wie Dr. H und Prof. Dr. U überzeugend dargelegt haben, spiegeln diese Angaben jedoch die Versorgungssituation des Versicherten im Krankenhaus der Klägerin nicht vollständig wieder. Sie sind dementsprechend entgegen ihrem ersten Anschein nicht so zu verstehen, dass sich der Versicherte während der im Pflegebericht als Ausgangszeiten vermerkten Zeiten überhaupt nicht im Krankenhaus aufgehalten hat und Therapien mit ihm nicht durchgeführt worden sind. Vielmehr ist - was sich ansatzweise auch schon anhand des schriftlich fixierten Verlaufsberichts des Stationsarztes sowie der in den Krankenblättern vermerkten Anordnungen der behandelnden Ärzte nachvollziehen lässt - davon auszugehen, dass der Versicherte zum Mittagessen jeweils wieder in der Klinik gewesen ist und es sich bei den Ausgängen nicht um Freizeit, sondern um ärztlich angeordnete und überwachte soziotherapeutische Maßnahmen gehandelt hat, die gezielt zur Stärkung und Erprobung des Abstinenzwillens des Versicherten eingesetzt worden sind. Hierbei ist dem Versicherten durch den jeweils zuständigen Krankenhausarzt aufgegeben worden, sich z.B. bei der Caritas zu melden, um an einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen, sowie das Arbeitsamt, seine Krankenkasse und eine Schuldnerberatungsstelle aufzusuchen, um zur Minimierung des Rückfallrisikos seine desolaten sozialen Verhältnisse zu ordnen. Nach Rückkehr des Versicherten in das Krankenhaus sind die ihm auferlegten Aufgaben durch die behandelnden Krankenhausärzte jeweils überprüft und die insoweit gemachten Erfahrungen jeweils täglich im Rahmen der ärztlichen Visiten aufgearbeitet worden. Zudem ist der Versicherte während der streitigen Zeit auch medikamentös behandelt worden, und zwar, was sich bereits den Krankenblättern entnehmen lässt, ab dem 24. Juli 1997 dreimal täglich nur noch mit dem Medikament Campral. Wie Prof. Dr. Uhierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in sich stimmig und nachvollziehbar ausgeführt hat, hat die Gabe des Medikaments Campral seinerzeit gerade im Fall des Versicherten besondere Kontrollen im Krankenhaus nach sich gezogen, weil der Versicherte einer der ersten Patienten gewesen ist, die dort mit diesem Medikament behandelt worden sind.

Vor diesem Hintergrund bleibt bezogen auf den streitigen Zeitraum allein die Erforderlichkeit der durchgeführten Krankenhausbehandlung zu prüfen. Sie ist im Hinblick darauf, dass der Zahlungsanspruch des Krankenhauses mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, dann zu bejahen, wenn bei dem Versicherten ein Krankheitszustand bestanden hat, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel des Krankenhauses - apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit rufbereiten Arzt - erforderlich gemacht hat. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass über diese Frage vorrangig der Krankenhausarzt zu entscheiden hat. Wie bei der ambulanten Behandlung dem Vertragsarzt kommt ihm nämlich im Bereich der Krankenhausbehandlung eine "Schlüsselstellung" zu, weil das zugelassene Krankenhaus und seine Ärzte aufgrund des Sachleistungsprinzips gesetzlich ermächtigt sind, mit Wirkung für die Krankenkassen über die Krankenhausaufnahme sowie die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und damit konkludent auch über den Leistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden. Hat der Krankenhausarzt die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung bejaht, ist die Krankenkasse an diese Entscheidung grundsätzlich gebunden. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt, er also de lege artis eine Fehlentscheidung getroffen hat, hinsichtlich derer er vorausschauend ("ex ante") hätte erkennen können, dass die geklagten Beschwerden nicht die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründeten (BSG a.a.O. sowie BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1).

Dass die Entscheidung des Krankenhausarztes unvertretbar (gewesen) ist, kann die Krankenkasse allerdings mit Erfolg nur nach Maßgabe der auf der Grundlage von § 112 Abs. 2 SGB V geschlossenen Rahmenverträge geltend machen, die in den §§ 1 und 2 KÜV hinsichtlich der Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung ein abgestuftes Verfahren unter frühzeitiger Einschaltung des MDK vorsehen und damit auch der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen Rechnung tragen, bei der Prüfung von Krankheitsverläufen eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen (§§ 275 Abs. 1 Nr. 1, 276 Abs. 4 SGB V). Danach sind die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung medizinisch zu beurteilende Fragen, die nur in Bezug auf einen einzelnen Behandlungsfall beurteilt werden können (§ 1 Abs. 3 KÜV). Sofern aus der Sicht der Krankenkasse in einem Behandlungsfall nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf eine Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung erforderlich ist, fordert sie eine medizinische Stellungnahme beim Krankenhaus an. Bei der Anforderung des Kurzberichts teilt sie den Anlass gemäß § 275 Abs. 1 SGB V für die Überprüfung des Behandlungsfalles gegenüber dem Krankenhaus mit. Der Kurzbericht ist vom Krankenhaus auszufüllen und der Krankenkasse innerhalb einer Woche nach Eingang der Anforderung im Krankenhaus zuzusenden. Er soll der Krankenkasse über die Aufnahmeanzeige hinaus weitere Informationen zur Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten geben (§ 2 Abs. 1 KÜV). Sofern auf der Grundlage des vom Krankenhaus übersandten Kurzberichts das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen durch die Krankenkasse nicht abschließend beurteilt werden kann, beauftragt diese den MDK für die weitere Überprüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Die Krankenkasse übersendet hierzu dem MDK den vom Krankenhaus vorgelegten Kurzbericht (§ 2 Abs. 2 KÜV). Der MDK prüft auf der Grundlage des vorliegenden Kurzberichts die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. Ergänzend hierzu kann ein Gespräch zwischen dem Arzt, der für den MDK tätig ist, und dem beauftragten Arzt des Krankenhauses erfolgen unter Einschluss einer Übermittlung weiterer Informationen durch den Krankenhausarzt (§ 2 Abs. 3 KÜV). Soweit die Prüfung auf der Grundlage des Kurzberichts sowie ggf. ergänzender Informationen durch den Arzt des Krankenhauses nicht zu einer Bestätigung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung führen, erfolgt eine Prüfung durch den MDK im Krankenhaus und in der Regel während der Zeit, in der sich der Patient in stationärer Krankenhausbehandlung befindet (§ 2 Abs. 4 KÜV). Bestehen aus der Sicht des Arztes des MDK auch nach der Überprüfung Bedenken gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung, legt er sie gegenüber dem Krankenhausarzt dar und erörtert sie mit ihm. Der Inhalt dieser Erörterung ist in einer gutachtlichen Stellungnahme zu dokumentieren. Das Krankenhaus erhält vom MDK eine Durchschrift seiner gutachtlichen Stellungnahme (§ 2 Abs. 7 KÜV). Für Fälle, in denen nach Beendigung der stationären Behandlung eine Überprüfung aus der Sicht der Krankenkasse notwendig wird, gelten für die Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung § 2 Abs. 1 bis 7 KÜV entsprechend (§ 2 Abs. 8 KÜV).

Dieses Verfahren hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Denn sie hat sich auf die Durchführung eines rein schriftlichen Verfahrens beschränkt und vor allem davon abgesehen, eine Prüfung des Behandlungsfalles durch den MDK im Krankenhaus nebst eventueller Erörterung und Dokumentation der unterschiedlichen Standpunkte zu veranlassen, obwohl der MDK nach der Auswertung des Kurzberichts und im Übrigen auch des schon früher eingegangenen Entlassungsberichts zu einer anderen Einschätzung gelangt war als die behandelnden Krankenhausärzte. Dieses Verhalten, das die auf Seiten der Klägerin festzustellende verspätete Übersendung des Kurzberichts als marginal erscheinen lässt, hat zur Folge, dass sich die Beklagte hier nicht mehr mit Erfolg darauf berufen kann, die streitige Krankenhausbehandlung sei nicht erforderlich gewesen. Der - wie hier - erhebliche Verstoß eines Vertragspartners gegen das im KÜV geregelte Verfahren führt zwar nicht zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Heilung möglich ist. Der Verfahrensfehler kann aber nur geheilt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Das im KÜV vereinbarte Verfahren ist nämlich auf eine zeitnahe Durchführung ausgerichtet. Es soll nicht ein Gutachter nachträglich allein auf schriftliche Dokumentationen angewiesen sein, sondern vor allem die anschauliche Beurteilung des laufenden Falles oder die frische Erinnerung des behandelnden Krankenhausarztes im Zusammenwirken mit dem Vertreter des MDK nutzbar sein. Dies ist der beste Weg, aufgekommene Zweifel möglichst rasch und unbürokratisch auszuräumen. Ein solches Verfahren kann im Betrieb einer Großklinik, wie sie die Klägerin mit dem hier durch den Versicherten in Anspruch genommenen Krankenhaus betreibt, nicht noch lange Zeit nach Abschluss des jeweiligen Behandlungsfalls nachgeholt werden, weil die anschauliche Erinnerung, insbesondere des behandelnden Arztes, nachlässt. Das verschlechtert die Beweislage des Krankenhauses und erhöht seinen Aufwand. Die Einleitung des vorgesehenen Verfahrens ist deshalb spätestens dann notwendig, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung (§ 12 Abs. 4 KBV: 14 Kalendertage nach Rechnungseingang) Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie dies - wie im vorliegenden Fall -, ist sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 2).

Der Senat ist damit hinsichtlich der Frage, ob die Krankenhausbehandlung des Versicherten in der streitigen Zeit erforderlich gewesen ist, darauf beschränkt, die Einwendungen zu überprüfen, auf die sich die Beklagte bis 14 Kalendertage nach Eingang der Rechnung vom 31. Dezember 1997 bei ihr berufen hat. Diese Einwendungen erschöpfen sich jedoch, soweit sie inhaltsgleich aus den Stellungnahmen des MDK vom 4. August, 30. September und 3. November 1997 übernommen worden sind, in der bloßen Behauptung, die Krankenhausbehandlung sei in der streitigen Zeit nicht mehr notwendig gewesen. Sie sind mithin nicht geeignet, den durch die Entscheidung des Krankenhausarztes begründeten Anscheinsbeweis zu erschüttern. Ob hinsichtlich der von der Beklagten übernommenen Ausführungen der für den MDK tätigen Ärztin für Neurologie und Psychiatrie O vom 24. Januar 2000 etwas anderes zu gelten hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn diese Ausführungen sind ungeachtet ihres Beweiswerts erst während des sozialgerichtlichen Verfahrens nach Auswertung der bis dahin vollkommen unbeachtet gebliebenen Patientenunterlagen zu einem Zeitpunkt gemacht worden, in dem sich die Beweislage bereits zu Ungunsten der Klägerin aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen verschlechtert hatte.

Da eventuelle Ermittlungen, die der Senat von Amts wegen anstellen könnte, ebenfalls nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt lägen, kommt eine weitere Sachaufklärung zur Frage der Erforderlichkeit der hier streitigen Krankenhausbehandlung nicht mehr in Betracht. Auch eine Aussetzung des Verfahrens mit dem Ziel, der Beklagten Gelegenheit zu geben, das vertraglich vorgesehene Überprüfungsverfahren durchzuführen, scheidet im Hinblick darauf, dass die Beklagte die ihr zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Überprüfungsverfahrens zur Verfügung stehende Zeit ungenutzt hat verstreichen lassen, aus.

Bedenken gegen die Höhe des nach allem bestehenden Vergütungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte bestehen nicht und sind von Letzterer auch nicht geltend gemacht worden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 5 KBV in Verbindung mit § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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