L 2 KR 121/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 44 (8) KR 202/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KR 121/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.09.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet um die Erstattung der Kosten privatärztlicher Krankenhausbehandlung (§ 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch [SGB V]). Dem 1969 geborenen Kläger, Mitglied der Beklagten, genehmigte die Beklagte wegen Frau-zu-Mann-Transsexualismus die geplante Geschlechtsumwandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (Bescheid vom 19.05.2003). Der Kläger beantragte, die Kosten der Operation in der nicht zugelassenen Klinik T/Q zu übernehmen (26.05.2003). Dort sei ein nur sechswöchiger Aufenthalt erforderlich. Die Operation und ihre Ergebnisse seien nach Information aus dem Internet und von Selbsthilfegruppen bisher stets komplikationslos. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 05.06.2003). Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor (16.06.2003), die Beklagte habe auch in Parallelverfahren die Kosten übernommen. Dr. E, Chefarzt und Operateur der Klinik, habe am 07.03.2003 während der "Plastic Surgery Week" in Davos unter der Kongressleitung von Prof. Dr. C mit Berücksichtigung von 253 Operationen (Frau zum Mann) über "one stage total transforming procedure" vorgetragen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 04.07.2003).

Zur Begründung seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund hat der Kläger vorgetragen, für die Operation im Oktober 2003 in der Klinik T habe er 53.700 Euro bezahlt. Dr. E erziele mit seiner Methode gute Ergebnisse bei kürzerem Klinikaufenthalt. In Parallellfällen habe die Beklagte Kosten übernommen.

Das SG hat eine Auskunft von Privatdozent Dr. F (06.04.2004) eingeholt, das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. C1 (17.05.2000) aus dem Verfahren SG Potsdam S 7 KR 6/99 beigezogen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.09.2004).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die Klinik T arbeite schneller und kostengünstiger. Sie biete die besten Ergebnisse. Die Versorgungsqualität in den zugelassenen Krankenhäusern sei nicht optimal. Er verweise auf die Krankenhausrechnung. Die Operation in T habe der Beklagten Kosten erspart, die ihm zu erstatten seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.09.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.06. und 04.07.2003 zu verurteilen, die Kosten für die operative Geschlechtsanpassung Frau zu Mann und Implantation von Erektionsprothesen und Hoden in der Klinik T/Q zu erstatten in Höhe von 53.700 Euro.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt. Weder konnte die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen (1. Fall von § 13 Abs. 3 SGB V) noch hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Fall von § 13 Abs. 3 SGB V).

Ein Kostenerstattungsanspruch kann mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung begründet werden, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - entweder nicht möglich oder nicht zumutbar war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (BSG, Beschluss vom 10.01.2005, B 1 KR 69/03 B; Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es. Es handelte sich um einen planbaren Eingriff, für den der Kläger einen Termin in seinem Urlaub ausgewählt hat. In G hätte sich der Kläger insoweit ebenfalls im Rahmen eines Eingriffs operieren lassen können, soweit nach der dortigen Vorstellung dies seine Konstitution zugelassen hätte (Privatdozent Dr. F, 06.04.2004). Dass sich seit dem Gutachten von Dr. Dr. C1 (17.05.2000) die Wartezeiten von 4 bis 6 Monaten in den zugelassenen Krankenhäusern geändert hätten, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dafür ist auch nichts ersichtlich.

Die Beklagte hat es auch nicht rechtswidrig abgelehnt, die Operation in der nicht zugelassenen Klinik T vornehmen zu lassen. Rechtswidrig wäre die Ablehnung nur gewesen, wenn die Beklagte die geschuldete Leistung nicht von zugelassenen Leistungserbringern hätte zur Verfügung stellen können, also ein Versorgungsnotstand bestanden hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000, a.a.O.). Darauf soll das Vorbringen des Klägers zielen, in der Klinik T gegenüber zugelassenen Krankenhäusern die optimale Versorgung erhalten zu haben. Es bedarf keiner Feststellung, wo die Behandlung optimal erfolgt. Allerdings weist schon im Tatsächlichen das Gutachten von Dr. Dr. C1 darauf hin, dass die zugelassenen Kliniken, die sich auf Frau-zu-Mann-Geschlechtsanpassungsoperationen spezialisiert haben - Klinik für plastische Wiederherstellungschirurgie im Klinikum rechts der Isar, Prof. Dr. C, und N-Krankenhaus G, Privatdozent Dr. F, nicht nur über Operateure verfügen, die die Entwicklung der Operationsmethode wissenschaftlich begleitet haben, sondern auch über ein Qualitätsmanagement, über das die Klinik T bisher nicht verfügt hat. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zuträfe, ist indes damit kein Versorgungsnotstand zu begründen. Vorrang kommt der Behandlung bei zugelassenen Leistungserbringern auch dann zu, wenn das Leistungsangebot in einer Privatkllinik wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Eine solche Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkassen schulden den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik; sie haben die Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (§ 2 Abs. 1 Satz 3 ; § 12 Abs. 1; § 27 Abs. 1; § 70 Abs. 1 SGB V). Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch. Spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten oder überlegene technische oder personelle Kapazitäten eines Krankenhauses können erst dann eine Insanspruchnahme zu Lasten der Krankenversicherung rechtfertigen, wenn sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen, das nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Teil einer zweckmäßigen medizinischen Behandlung der betreffenden Krankheit ist, bei zugelassenen Leistungserbringern aber nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht (vgl. insgesamt hierzu BSG, Urteil vom 16.06.1999, B 1 KR 4/98 R, SozR 3 - 2500 § 18 Nr. 4; Urteil vom 23.05.1989, SozR 5520 § 29 Nr. 3 S. 8 f). Das ist indessen hier nicht der Fall. Die Auskunft von Privatdozent Dr. F belegt, dass die gleiche Operation jedenfalls auch von zugelassenen Leistungserbringern im erforderlichen Standard angeboten wird. Ohne Belang ist, ob das N-Krankenhaus im Vergleich zur Klinik T kostengünstiger arbeitet, wie der Kläger vorbringt. Dies vermag einen Versorgungsnotstand nicht zu begründen.

Ebensowenig hat der Kläger Anspruch auf Kostenerstattung wegen früherer Kostenübernahme in Parallelfällen. Selbst wenn man unterstellt, es sei hierzu in der Vergangenheit unter Mißachtung der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V gekommen, lässt sich aus dem Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) kein Anspruch ableiten. Es besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1999, B 6 KA 65/98 R, USK 99159). Der Gesetzgeber hat die Fälle zulässiger Kostenerstattung bewusst abschließend geregelt (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht schließlich nicht schon deshalb, weil eine Krankenkasse dadurch, dass der Versicherte Leistungen außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, vermeintlich Aufwendungen anderer Art erspart. Sonst könnte die krankenversicherungsrechtliche Beschränkung auf bestimmte Formen der Leistungserbringung letztlich durch den Anspruch auf (teilweise) Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden (vgl. dazu z.B. BSGE 79, 125, 127 = SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 11 S. 51; E 80, 181, 182 = SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 14 S. 69; E 86, 66, 76 = SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 21 S. 97 f m.w.N.; Beschluss vom 26.07.2004, B 1 KR 30/04 B, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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