L 2 KN 5/05 P

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 KN 71/04 P
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 5/05 P
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 20.12.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Pflegegeld aus der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege.

Die am 00.00.1930 geborene, bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin leidet u.a. an einer Gonarthrose in beiden Kniegelenken, einer Harninkontinenz, an den Folgen eines behandelten Corpus-Karzinoms (Erstdiagnose 1993), an Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule und an einem Diabetes mellitus (Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 02.07.2004, Internist M). Es besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 v.H. mit dem Merkzeichen G (Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes B vom 08.06.2004). Sie lebt alleine in einem zweigeschossigen Einfamilienhaus.

Am 06.02.2004 beantragte sie bei der Beklagten die Zahlung von Pflegegeld. Die von der Beklagten eingeschaltete Pflegefachkraft O ermittelte beim Leeren/Wechseln des Urinbeutels und beim Ankleiden einen Grundpflegebedarf von 6 Minuten täglich (SMD-Gutachten vom 22.03.2004; Untersuchungstag 17.03.2004). Die Klägerin sei noch "geistig rüstig", lediglich bei der Wahrnehmung der sozialen Bereiche des Lebens sei sie teilweise auf fremde Hilfe angewiesen. Mit Bescheid vom 22.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies auf die Notwendigkeit von Fremdhilfe beim Aufstehen, Anziehen der Stützstrümpfe, Waschen, Duschen und bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Zudem legte sie ein Pflegetagebuch für den Zeitraum vom 02. - 15.06.2004 vor. Zur Überprüfung veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung (SMD-Gutachten Internist M vom 02.07.2004; Untersuchungstag 02.07.2004), wonach ein täglicher Grundpflegebedarf von 20 Minuten bestehe (Duschen/Baden: 9 Minuten, Entleeren des Urinbeutels: 2 Minuten, An- und Auskleiden: 8 Minuten, Hilfe beim Transfer in die Badewanne: 1 Minute). Die Klägerin sei vollständig zur Person, Ort und Zeit orientiert gewesen und unternehme täglich mit Hilfe ihres Gehstocks Spaziergänge in der Umgebung ihres Hauses. Eine Antriebsminderung sei nicht erkennbar. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Bescheid vom 21.07.2004).

Gegen diese ihr am 24.07.2004 mit Postzustellungsurkunde zugestellte Entscheidung hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Köln (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie angeführt, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Der Poststempel des Briefumschlages der Klageschrift trägt das Datum des 27.08.2004. Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin angegeben, sie habe "alles frühzeitig unterschrieben", sei aber "leider auf ihre Nachbarschaft angewiesen" gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20.04.2004). Die Klage sei unzulässig. Die Klagefrist sei am 24.08.2004 abgelaufen, Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich.

Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, durch ihre zahlreichen Krankheiten erheblich eingeschränkt und finanziell belastet zu sein.

Ihrem schriftlichen Vorbringen ist zu entnehmen, dass sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 20.12.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 zu verpflichten, ihr Pflegegeld ab Februar 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin nicht zum Termin erschienen ist. Sie ist mit ordnungsgemäßer Terminsbenachrichtigung auf diese zulässige Verfahrensweise (§§ 124 Abs 1, 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung ist schon deshalb unbegründet, weil die Klage unzulässig war und Wiedereinsetzungsgründe nicht gegeben sind.

Die Klägerin hat die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGG) versäumt. Es galt die Monats- und nicht die Jahresfrist nach § 66 Abs 2 SGG, da der Bescheid vom 25.07.2004 richtig und schriftlich über das Rechtsmittel der Klage, das zuständige SG, seinen Sitz und die einzuhaltende Monatsfrist belehrt hat (vgl § 66 Abs 1 SGG). Diese Frist war bei Klageerhebung am 30.08.2004 verstrichen. Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung (§ 64 Abs 1 SGG). Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs 2 Satz 1 SGG). Da hier nichts anderes bestimmt ist, begann die Frist zur Erhebung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2004 mit dem Tag nach der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 25.07.2004 und endete, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, am Dienstag, dem 24.08.2004.

Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass Wiedereinsetzungsgründe nicht gegeben sind. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Ohne Verschulden verhindert war ein Beteiligter, der diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist (BSG, Urteil vom 31.03.1993, Az: 13 RJ 9/92 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Hinweise darauf, dass bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch eine gewissenhaft und sachgemäß Prozessführende das Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen wäre, ergeben sich weder aus dem erst- und zweitinstanzlichten Vortrag der Klägerin noch dem Inhalt der Akten. Die Klägerin selbst hat für ihre Säumnis keine nachvollziehbaren Gründe benannt. Wenn sie, wie sie vorgetragen hat, alles frühzeitig unterschrieben hat, lag es an ihr, dafür Sorge zu tragen, die Klageschrift rechtzeitig zur Post aufzugeben. Unabhängig davon, dass das SG unter Hinweis auf das SMD-Gutachten M angenommen hat, die Klägerin sei selbst gesundheitlich in der Lage gewesen, den Brief rechtzeitig zur Post aufzugeben, hat sie es jedenfalls unterlassen, durch Einschaltung einer geeigneten Hilfsperson, deren ausreichende Information über den Fristablauf und seine Bedeutung sowie deren Überwachung zB durch Rückfragen hierfür Sorge zu tragen. Anhaltspunkte, dass die Klägerin hierzu aufgrund ihrer Krankheiten aktuell nicht in der Lage gewesen ist, bestehen nicht. Nach den insoweit übereinstimmenden, zeitnah erstellten SMD-Gutachten verfügt sie noch über eine ausreichende Alltagskompetenz zur Regelung ihrer sozialen Bereiche, was im Ergebnis durch ihre Prozessführung belegt wird. Gravierende Einschränkungen oder gar Defizite im geistigen Bereich liegen bei ihr nicht vor. Sie stellt eigene Anträge bei der Beklagten, reagiert auf Verfahrensanfragen des Gerichts, kann selbständig telefonieren und hat Hilfe durch eine Pflegeperson. Dass ihr die Bedeutung der Einhaltung der Klagefrist bewusst war, belegt ihre eigene Einlassung, wonach Sie "alles frühzeitig unterschrieben" habe. Dem steht der Inhalt der ärztlichen Bescheinigung ihres behandelnden Hausarztes Dr. I vom 10.03.2005 nicht entgegen. Dr. I beschreibt in Übereinstimmung mit den SMD-Gutachten keine psychisch bedingten Defizite. Soweit er kognitive Einschränkungen anführt, beziehen sich diese ersichtlich ausschließlich auf das Zurücklegen unbekannter Wegstrecken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved