L 5 KR 32/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 40 KR 126/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.01.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines Arzneimittels, das der Klägerin außerhalb seines Zulassungsbereiches (sog. off-label-use) verordnet worden ist.

Die 1936 geborene Klägerin leidet seit Jahren an einem Tremor, der als nicht sicher klassifizierbar bzw. am ehesten als essentieller Tremor eingestuft wird. In Bezug auf den Tremor sind bereits zahlreiche Medikamente angewandt worden, nach Darstellung des behandelnden Neurologen Dr. M haben sich die Standardtherapien als unzureichend erwiesen. Seit dem Jahr 2001 wird durch Dr. M u.a. das Medikament Seroquel (Quetiapin) eingesetzt. Dieses Medikament ist nur für die Indikation Schizophrenie zugelassen. Während eines stationären Aufenthaltes im St.-Marien-Hospital I vom 08.03. bis 20.03.2002 wurde eine Umstellung auf das Medikament Primidon versucht, das von der Klägerin subjektiv nicht toleriert wurde.

Die Klägerin beantragte am 17.06.2002 mit einer privatärztlichen Verordnung von Dr. M vom 04.06.2002 sowie einer Begründung von Dr. M für den Einsatz dieses Medikamentes vom gleichen Tag die Kostenübernahme für das Medikament. Dr. M führte aus: Nachdem Standardtherapien zur Behandlung des Tremors unzureichend gewesen seien, werde seit dem letzten Jahr Seroquel eingesetzt. Dadurch sei eine gewisse Linderung erzielt worden. Durch dieses Medikament und durch neurologische Krankengymnastik solle eine Operation als ultima ratio vermieden werden. Das Risiko einer weiteren Verordnung könne er wegen der Regressproblematik beim off-label-use nur bei Einvernehmen mit der Krankenkasse tragen. Die Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. T verneinte in seinem Gutachten vom 05.07.2002 das Vorliegen einer Ausnahmeindikation für den Einsatz des Medikamentes außerhalb seines Anwendungsgebietes. Mit Bescheid vom 15.07.2002 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, den von Dr. T als Behandlungsalternative genannten operativen Eingriff zur Tiefenhirnstimulation habe die Beklagte abgelehnt. Sie sei seit Januar 2001 bei Dr. M in Behandlung. Dieser habe alle möglichen Medikamente ausprobiert; Seroquel sei das einzige Medikament, das ihr ohne Nebenwirkungen helfe. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme von Dr. T ein, der in der weiteren Stellungnahme vom 08.08.2002 darlegte, bei Seroquel handele es sich um ein atypisches Neuroleptikum. Atypische Neuroleptika hätten u.a. ein geringeres Risiko akuter und chronisch überwiegend extrapyramidaler Bewegungsstörungen, eine höhere Effektivität in der Behandlung so genannter Negativsymptome sowie von therapieresistenten schizophrenen Psychosen. Eine Recherche in medizinischen Datenbanken mit der Suchverbindung Quetiapin/Seroquel und Tremor habe keine Treffer hinsichtlich von Studien ergeben, die die Wirksamkeit von Quetiapin bei der Behandlung des Tremors belegten. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK (Dr. T1 vom 21.08.2002) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2002 den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht bei einem off-label-use seien nicht erfüllt, da keine Studien zu finden seien, die die Wirksamkeit der angewandten Therapie belegten.

Die Klägerin hat am 12.11.2002 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre Lebensqualität sei ohne den Einsatz des Medikaments beeinträchtigt. Die sie behandelnden Ärzte befürworteten übereinstimmend dessen Einsatz. Sie bezog sich insoweit auf einen Arztbrief des Universitätsklinikums N - Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Prof. Dr. X) -, in dem ausgeführt wird, die operative Therapie sei für die Klägerin kein geeignetes Therapieverfahren. Da nach Therapieversuchen mit verschiedenen Medikamenten lediglich positive Therapieerfolge mit dem Medikament Seroquel erzielt worden seien, könne vom Vorliegen weiterer Therapiemöglichkeiten bei der Klägerin nicht gesprochen werden.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischen Gutachtens von Prof. Dr. I (Universitätsklinikum N, Klinik für Neurologie). In seinem Gutachten vom 16.07.2003 hat er ausgeführt, das therapeutische Vorgehen beim essentiellen Tremor beruhe in erster Linie auf der Verabreichung der Substanzen von Propranolol (Betablocker) und Primidon (Antiepileptikum). Einen ungesicherten medikamentösen Ansatz stelle der Einsatz des atypischen Neuroleptikums Clozapin dar, bei dem in einer Studie bei 75 % der Patienten eine gute Reduktion des Tremors eingetreten sei. Neuroleptika besäßen als Nebenwirkung die Eigenschaft, Bewegungsabläufe zu minimieren und würden daher verbreitet in der Therapie von Basalganglienerkrankungen mit unwillkürlichen Bewegungsabläufen eingesetzt. Auch bei einem essentiellen Tremor handele es sich um eine Erkrankung der Basalganglien, der durch unwillkürliche abnorme Bewegungen gekennzeichnet sei. In Analogie zur Studie von Clozapin werde auch Seroquel als atypisches Neuroleptikum zur Behandlung des essentiellen Tremors eingesetzt. Die Studien zum Einsatz von Quetiapin beim essentiellen Tremor seien nicht umfangreich, sie stützten sich im Wesentlichen auf eine im November 2002 publizierte prospektive Studie an 10 Patienten. In dieser Studie habe sich bei 30 % der Teilnehmer eine Linderung des Tremors ergeben. Anhand der Datenlage bestünden wissenschaftlich begründete Hinweise dafür, dass die Behandlung mit Seroquel beim essentiellen Tremor bei einer kleinen Gruppe von Patienten zu einer Verbesserung des Tremors führe. Da es sich bei dem essentiellen Tremor um eine seltene Erkrankung handele, sei es wegen der Kosten für eine Zulassung sehr unwahrscheinlich, dass jemals ein Verfahren zur Zulassung von Seroquel bei der Indikation essentieller Tremor eingeleitet werde. Zugleich verneinte er die Frage, dass die Behandlung eines Tremors mit dem Arzneimittel Seroquel in der Praxis verbreitet sei, die Therapie werde auch in den gängigen Lehrbüchern in der neuesten Auflage nicht angeführt.

Mit Urteil vom 19.01.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. I ergebe sich keine wissenschaftlich begründete Aussicht auf Wirksamkeit des Medikaments im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Gegen das ihr am 28.01.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.02.2004 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für einen off-label-use lägen vor. Der Tremor sei eine schwere, die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Therapiealternativen seien nicht verfügbar. Soweit das Sozialgericht einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit vermisst habe, übersehe es, dass keine Studien der Phase III zwingend erforderlich seien. Auch der Kriterienkatalog des BSG sei nicht abschließend. Aus dem Urteil ergebe sich auch nicht, dass eine 30%ige Erfolgsaussicht nicht ausreiche. Ferner sei in ihrem Fall zu beachten, dass eine seltene Erkrankung vorliege, so dass geringere Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis zu stellen seien. Sie verweist insoweit auf einen weiteren Arztbrief des Universitätsklinikums N - Klinik für Neurochirurgie - vom 11.06.2004, in dem es heißt, die Klägerin berichte, von der Therapie mittels Vojta und Seroquel hochgradig zu profitieren, bei einem Auslassversuch habe sich eine deutliche Verschlechterung ergeben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.01.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2002 zu verurteilen, ihr Kosten für die Beschaffung von Seroquel in Höhe von 1.600,- Euro zu erstatten und sie künftig nach jeweiliger ärztlicher Verordnung mit dem Medikament Seroquel zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass in einem professionellen Informationsforum für Kliniken im Internet der Einsatz von Seroquel beim essentiellen Tremor nicht erwähnt werde.

Im Berufungsverfahren hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. I eingeholt. In der Stellungnahme vom 18.08.2004 legt er dar: Wenn Patienten auf eine Therapie mit den erstrangigen Medikamenten Propranolol und Primidon nicht ansprächen, würden andere Medikamente eingesetzt, die keine sogenannte "first-line"- Medikamente darstellten. Die Therapieleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sähen als second-line-Präparate Derbabentin, Lomapezan und Clozapin vor. Auch diese Medikamente seien nicht für die Indikation der Behandlung des esstentiellen Tremors zugelassen. Der Einsatz von Medikamenten der second-line bedeute nicht, dass diese nicht effektiv seien, sondern dass die Wahrscheinlichkeit eines positiven Therapieeffektes geringer sei als mit den Medikamenten der first-line. Das im Falle der Klägerin gewählte Vorgehen entspreche der allgemeinen Verfahrensweise, wenn die Krankheit der Therapie der first-line-Medikamente nicht zugänglich sei. Die durchgeführte Therapie stelle die letzte Therapiestufe vor der Behandlung mittels einer stereotaktischen Operation dar. Die Datenlage der Studie sei in der Summe ausreichend, um in dem individuellen Fall einer Patientin, die bereits 25 Jahre an einem essentiellen Tremor leide und bei der bisherige Therapieversuche nicht erfolgreich gewesen seien, eine Therapie mit Quetiapin zu versuchen. Die Therapiedauer richte sich in diesen Fällen allein nach dem individuellen Therapieerfolg. Die wissenschaftliche Datenlage sei nicht so umfangreich wie bei anderen Medikamenten, jedoch seien Erfolge bei der Behandlung des essentiellen Tremors auch dann, wenn sie nur an kleinen Patientengruppen gewonnen würden, so wesentlich, dass sie auch in sehr guten neurologischen Zeitschriften publiziert werden könnten. Im speziellen Fall der Klägerin sei daher die Datenlage trotz der geringen Studiengröße und des Ergebnisses ausreichend, um einen entsprechenden Therapieversuch durchzuführen und zu rechtfertigen. Letztlich werde die Therapie seltener Erkrankungen mit selten eingesetzten Medikamenten durch den therapeutischen Erfolg, wie er auch in diesem Fall eingetreten sei, gerechtfertigt. Zur Seltenheit der Krankheit hat er angegeben, dass es für Deutschland relativ widersprüchliche Zahlen gebe. Die Prävalenz liege zwischen 0,4 bis 5,6 % der über 40-Jährigen, andere epidemiologische Daten hätten eine Prävalenz im Alter von mehr als 60 Jahren von 1 bis 5 % festgestellt. In einer Studie aus Spanien an 2000 Teilnehmern über 65 Jahre sei eine Prävalenz von 4,8 % festgestellt worden. Oft werde aber der essentielle Tremor selbst von erfahrenen Neurologen zu häufig diagnostiziert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem Medikament Seroquel zur Behandlung des bei ihr vorliegenden Tremors.

Der sich aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ergebende Anspruch der Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt den Einschränkungen aus §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlt es zum einen, wenn das verordnete Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist (BSG SozR 3-2500 § 31 Nrn. 3, 5). Das gleiche gilt grundsätzlich für die Verordnungsfähigkeit eines zum Verkehr zugelassenen Arzneimittels, wenn es in einem Anwendungsgebiet zum Einsatz kommen soll, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 8). Diese Beschränkung findet ihre Berechtigung darin, dass die arzneimittelrechtliche Zulassung Rückschlüsse auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des geprüften Medikaments nur im Bereich der vom Hersteller im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete zulässt, aber keinen Hinweis darauf gibt, ob das betreffende Arzneimittel auch bei anderen Indikationen verträglich und angemessen wirksam ist.

Von diesem grundsätzlichen Verbot des off-label-use von Arzneimitteln im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) nur in eng begrenzten Fällen Ausnahmen zuzulassen. Die Verordnung eines Medikamentes in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt danach nur in Betracht, wenn 1) es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. einen relevanten Nutzen bei vetretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar geht es im Falle der Klägerin um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung und zu ihren Gunsten kann auch davon ausgegangen werden, dass keine anderen Therapien verfügbar sind (auch wenn es nach der Aufzählung der Medikamente im Entlassungsbericht des St. Marien-Hospitals Hamm vom 25.03.2002 zweifelhaft erscheint, ob die von Prof. Dr. I in seinem Gutachten genannten second-line-Medikamente tatsächlich schon eingesetzt worden sind). Es fehlt jedenfalls am Vorliegen gesicherter Erkenntnisse zur Wirksamkeit des Medikaments Seroquel zur Behandlung des essentiellen Tremors. Da das BSG ausdrücklich fordert, dass Forschungsergebnisse vorliegen müssen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann, müssen über den Einzelfall hinaus reichende Erkenntnisse vorliegen. Medizinisch-wissenschaftliche Aussagen lassen sich zuverlässig erst dann treffen, wenn eine breit angelegte klinische Prüfung der Wirksamkeit in dem vom BSG beschriebenen Umfang durchgeführt worden ist. Auch bei unterstellter Besserung bzw. Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Klägerin unter der Therapie mit Seroquel und Verschlechterung bei Absetzen des Medikaments lässt sich der Beweis der Wirksamkeit der Behandlung mit diesem Arzneimittel im wissenschaftlichen Sinne nicht führen (Senat, Urteil vom 12.02.2004 - L 5 KR 84/03). Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. I ergibt sich nicht, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in dem geforderten Umfang vorliegen. Er räumt selbst ein, dass die Datenlage "nicht umfangreich" sei und bezieht sich auf eine einzige Studie mit 10 Teilnehmern. Es ist schon außerordentlich fraglich, ob eine Studie mit einer Studienpopulation von 10 Personen wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulässt. Selbst wenn man die Studie als ausreichend ansehen würde, fehlt es jedenfalls an dem vom BSG weiter geforderten Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über einen voraussichtlichen Nutzen von Seroquel zur Behandlung des essentiellen Tremors. Auch Prof. Dr. I hat eingeräumt, dass der Einsatz des Medikamentes bei der Behandlung des essentiellen Tremors nicht verbreitet sei und vor allem in den aktuellen Lehrbüchern nicht erwähnt werde. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in dem professionellen Informationsdienst für Kliniken der Einsatz von Seroquel für die Behandlung des essentiellen Tremors nicht erwähnt werde. Daraus kann geschlossen werden, dass es keinen Konsens in der medizinischen Wissenschaft bezüglich der hier streitigen Therapie gibt.

Letztlich ergibt sich auch aus der Argumentation von Prof. Dr. I in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2004, dass es ihm mehr um die Begründung für die Einleitung eines Therapieversuches geht, wenn er ausführt, dass die Datenlage trotz der geringen Studiengröße des Ergebnisses ausreichend sei, um einen entsprechenden Therapieversuch durchzuführen und zu rechtfertigen. Für einen Therapieversuch besteht jedoch keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (BSGE 86, 54). Ebensowenig fällt die wissenschaftliche Erforschung von Arzneimitteln in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. BT-Drucksache 11/2237, 157; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4).

Unerheblich ist auch der Hinweis von Prof. Dr. I, dass aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht damit zu rechnen sei, dass der Hersteller das Zulassungsverfahren für die Indikation essentieller Tremor betreiben werde. Unabhängig davon, ob tatsächlich eine seltene Erkrankung vorliegt (bei einer Prävalenz von 4,8 % wie für Spanien ermittelt, liegt wohl kaum eine seltene Erkrankung vor), hat das BSG bei der Behandlung neuer Behandlungsmethoden bei seltenen Krankheitsbildern, die entsprechende Studien nicht zulassen, verlangt, dass der Nachweis des therapeutischen Nutzens durch die Verbreitung der Behandlungsmethode und den entsprechenden Konsens in der medizinischen Wissenschaft zu belegen sei (BSG a.a.O. Seite 23 ff). Wie oben dargelegt, lässt sich der geforderte Konsens in der Wissenschaft hier aber gerade nicht feststellen.

Der Senat verkennt nicht, dass es für die Klägerin schwer verständlich sein mag, wenn eine von ihr und ihren behandelnden Ärzten als erfolgreich bezeichnete Behandlung nicht von der Beklagten zu übernehmen ist. Jedoch genügt der Erfolg der Behandlung im Einzelfall nicht, um einen Leistungsanspruch gegen die Kankenkasse zu begründen; erforderlich ist der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit im oben genannten Sinne.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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