L 9 AL 141/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AL 136/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 141/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rückzahlung eines an die Klägerin als Arbeitgeberin gezahlten Eingliederungszuschusses für die Zeit vom 06.10.2002 bis 31.07.2003 in Höhe von 22.125 Euro.

Die Klägerin, die mit der Anlieferung von marinetechnischen Anlagen befasst ist, beantragte am 31.05.2002 die Bewilligung eines Eingliederungszuschusses für die Einarbeitung des älteren Arbeitnehmers G L (geboren 00.00.1950). Dieser war ausweislich des Anstellungsvertrages vom 28.06.2002 bei der Klägerin seit dem 01.07.2002 als Projektingenieur für Schwerlasttransporte, Binnenschiffstransporte, Schwerlast- und Industriemontagen sowie Logistik-Projekte mit einer monatlichen Vergütung von 3.875 Euro eingestellt. Mit Bescheid vom 01.11.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 2.250 Euro monatlich für die Einstellung des Arbeitnehmers G L für die Dauer vom 01.07.2002 bis 30.06.2004.

Am 07.08.2003 erfuhr die Beklagte durch Herrn L, dass dieser wegen einer Herzoperation im November 2002 für längere Zeit erkrankt sei und zum 31.08.2003 selbst gekündigt habe. Eine Rückfrage bei der C BKK ergab, dass G L bereits seit 07.10.2002 durchgehend Krankengeld bezog. Auf das mit der Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen zu den tatsächlich monatlich gezahlten Arbeitsentgelten verbundene Anhörungsschreiben der Beklagten vom 13.08.2003 teilte die Klägerin unter dem 03.09.2003 mit, die Zahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts sei in der Zeit vom 06.10.2002 bis 30.08.2003 unterbrochen gewesen. Sie habe den Arbeitsplatz des Herrn L durch Mehrarbeit der übrigen Mitarbeiter aufrechterhalten.

Mit Bescheid vom 19.09.2003 hob die Beklagte die Bewilligung des Eingliederungszuschusses zunächst mit Wirkung ab 06.12.2002 auf. Für die Zeit vom 01.07.2002 bis 31.07.2003 seien Leistungen in Höhe von 29.250 Euro ausgezahlt worden. Es sei eine Überzahlung in Höhe von 22.125 Euro eingetreten. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten.

Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe die Eingliederung des Herrn L in den Arbeitsprozess vollzogen, da er aus dem mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung zu seinem neuen Arbeitgeber gewechselt und seit dem 01.07.2003 nicht mehr arbeitslos sei. Mit Schreiben vom 05.11.2003 korrigierte die Beklagte den Beginn der Aufhebung der Leistungsbewilligung als Schreibfehler dahin, dass die Rücknahme des Bewilligungsbescheides gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) - wegen Unterbrechung der Lohnzahlungen bereits ab 06.10.2002 erfolge. Ab diesem Zeitpunkt bestehe kein Anspruch auf die weitere Zahlung des Eingliederungszuschusses, da keine Lohnzahlungen mehr erfolgt seien. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2004 als unbegründet zurück.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die am 01.04.2004 erhobene Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2004 abgewiesen und ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin sei durch den Bescheid vom 19.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2004 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da dieser rechtmäßig sei. Die Beklagte habe zu Recht die streitige Bewilligung des Eingliederungszuschusses aufgehoben. Es sei eine Änderung insofern eingetreten, als die Klägerin ab 06.10.2002 kein Arbeitsentgelt mehr an Herrn L gezahlt habe. Nach § 218 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) seien für den Eingliederungszuschuss die vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelte berücksichtigungsfähig. Hieraus ergebe sich zwangsläufig, dass diese Leistung nur dann zustehe, wenn auch Arbeitsentgelt geleistet werde. Da dies in dem hier streitigen Zeitraum nicht der Fall gewesen sei, habe der Klägerin ein Eingliederungszuschuss auch nicht mehr zugestanden. Ihre Auffassung, ein Eingliederungszuschuss sei auch für Zeiträume zu gewähren, in denen zwar kein Arbeitsentgelt zu zahlen sei, aber der Arbeitsplatz dem kranken Arbeitnehmer freigehalten werde und seine Arbeit durch andere Mitarbeiter erledigt werden müsse, gehe fehl. Es handele sich bei dem Eingliederungszuschuss um einen zweckgebundenen Zuschuss zu den Lohnkosten des einzugliedernden Mitarbeiters. Dies dürfe für jeden Laien allein aus der Bezeichnung der Leistung erkennbar sein. Mit dem Eingliederungszuschuss solle allein die Minderleistung ausgeglichen werden, die der langzeitarbeitslos gewesene Arbeitnehmer im Verhältnis zu bereits eingearbeiteten Arbeitnehmern erbringe. Die Verpflichtung, einem erkrankten Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten, könne sich in jedem Arbeitsverhältnis realisieren und sei nicht typisch für Eingliederungsfälle von Langzeitarbeitslosen. Die Klägerin habe auch unschwer erkennen können, dass ihr der im streitigen Zeitraum geleistete Eingliederungszuschuss nicht zugestanden habe. Einen Lohnkostenzuschuss könne man selbstverständlich nur dann beanspruchen, wenn man auch tatsächlich Lohn zahle. Die Verpflichtung zur Erstattung der im streitigen Zeitraum geleisteten Überzahlungen ergebe sich aus § 50 SGB X, wobei die Berechnung der Höhe der Erstattungsforderung nicht zu beanstanden und von der Klägerin auch nicht gerügt worden sei.

Gegen den ihr am 14.06.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit einem am 14.07.2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie habe ihren Melde- und Mitteilungspflichten genügt. Nachdem sie Anfang Oktober erfahren habe, dass der Zeuge L im Anschluss an eine Herzoperation noch eine Rehabilitationsmaßnahme antreten werde, habe sie mit Schreiben vom 08.10.2002 bei der Beklagten nachgefragt, wie sich dies auf die Förderung auswirke. Wegen der ab 06.10.2002 beginnenden Krankengeldzahlung habe sie der hierfür zuständigen C BKK eine Entgeltbescheinigung und Arbeitsplatzbeschreibung zugesandt, welche sie mit gleicher Post der Beklagten übermittelt habe. Wie eine Mitarbeiterin der Beklagten (Frau L1) bestätigen könne, seien von 2002 bis Februar 2003 erhebliche Bearbeitungsrückstände bei der Beklagten aufgelaufen, die möglicherweise zu einer Nichtbearbeitung der entsprechenden Schreiben der Klägerin geführt hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.06.2004 abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, als verständige Arbeitgeberin habe die Klägerin allen Informationen aus den Antragsunterlagen und dem Bewilligungsbescheid entnehmen können, dass ein Eingliederungszuschuss zum Arbeitsentgelt dann nicht mehr gezahlt werden könne, wenn eine Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber tatsächlich nicht mehr erfolge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte und der Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sein.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Wie von der Klägerin durch den Schriftsatz im Berufungsverfahren vom 14.07.2004 bestätigt, hat das SG in dem erstinstanzlichen Vorbringen zu Recht den Antrag gesehen, den Bescheid vom 19.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2004 aufzuheben, soweit damit die Bewilligung des Eingliederungszuschusses für die Zeit vom 06.10.2002 bis 31.07.2003 aufgehoben und ein Betrag in Höhe von 22.125 Euro zurückgefordert worden ist. Dieses Begehren der Klägerin ist jedoch unbegründet, da das SG die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2004 abgewiesen hat. Insofern nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nach eigener Sach- und Rechtsprüfung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht mit Rücksicht darauf von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da der einen Eingliederungszuschuss für den Arbeitnehmer G L bewilligende Bescheid vom 01.11.2002 von Anfang an rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X gewesen ist. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Mit dem Wegfall der Lohnzahlung an Herrn L ab 06.10.2002 ist die Anspruchsvoraussetzung des regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts im Sinne des § 218 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch-Arbeitsförderung (SGB III) entfallen. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides vom 01.11.2002 liegen vor. Nach § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ist ein von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R - SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 45). Hier hatte der Geschäftsführer der Klägerin bereits im Zusammenhang mit der Beantragung des Eingliederungszuschusses am 13.08.2002 die Verpflichtung unterschrieben, der Beklagten jede Unterbrechung der Zahlung des Arbeitsentgelts mitzuteilen. Gleichzeitig enthielt der Bewilligungsbescheid vom 01.11.2002 die nicht interpretationsbedürftige Aussage, dass der Eingliederungszuschuss von der Höhe des tatsächlich gezahlten Lohnes abhängt und bei Verringerung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts anzupassen ist. Es war ohne weiteres zu erkennen, dass sich die Verringerung des berücksichtungsfähigen Arbeitsentgelts bzw. die Unterbrechung der Zahlung des Arbeitsentgelts auf die Bewilligung auswirken musste. Auf eine Verletzung von Mitteilungspflichten kommt es daher nicht an. Von dem Geschäftsführer der Klägerin als einer im Rechtsverkehr bewanderten Person konnte erwartet werden, dass er die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 01.11.2002 ohne weiteres erkannte.

Der Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis steht auch nicht entgegen, dass sich die Klägerin mit Schreiben vom 08.10.2002 an die Beklagte gewandt und nachgefragt hat, welchen Einfluss eine Reduzierung der Arbeitszeit zum Zwecke der begleitenden Rehabilitierung nach einer Herz-Operation auf die Wiedereingliederung von Herrn L habe. Zum einen macht der Inhalt dieses Schreibens deutlich, dass der Klägerin sehr wohl bewusst gewesen ist, dass die Erkrankung des Herrn L Auswirkungen auf den Eingliederungszuschuss haben konnte. Zum anderen fehlte in dem Schreiben der entscheidende Hinweis, dass G L bereits seit einigen Wochen tatsächlich nicht mehr gearbeitet und seit 07.10.2002 Krankengeld bezogen hatte. In dem Schreiben wurde eher angedeutet, dass dem Arbeitnehmer L bei reduzierter tatsächlicher Arbeitsleistung weiterhin ein volles Gehalt gewollt werden sollte, wobei ein Teil seiner Aufgaben auf andere Mitarbeiter übertragen werden sollte. Die Klägerin konnte schon aus diesem Grund aus einer fehlenden Reaktion der Beklagten auf dieses Schreiben nicht ableiten, dass ihr ein Betrag in Höhe von 2.250 Euro monatlich ohne jegliche Lohnzahlungen an den Arbeitnehmer L bewilligt werden sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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