L 1 KR 90/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 1835/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 90/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 2003 wird zurückgewiesen. 2. Die auf Bescheidung des Widerspruchs gegen den der Versicherten P. erteilten Bescheid vom 2. Juli 2002 gerichtete Untätigkeitsklage wird als unzulässig abgewiesen. 3. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 4. Der Streitwert wird auf 132,20 EUR festgesetzt. 5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist, ob die Beklagte der Klägerin einen Widerspruchsbescheid zu erteilen hat.

Der bei der Beklagten versicherten P1 P. (früher P1 L.) (Versicherte) wurde vertragsärztlicherseits am 18. Juni 2002 ein Microstim-Gerät MC 10614 (Muskelstimulator) für sechs Wochen (zur Miete) verordnet. Dieses Gerät, das von der Klägerin, einem Unternehmen der Medizintechnik, hergestellt und vertrieben wird, wurde der Versicherten sofort zur Verfügung gestellt. Am 1. Juli 2002 ging bei der Beklagten der Kostenvoranschlag der Klägerin vom 26. Juni 2002 über dieses Gerät zu einem Mietpreis von 131,20 EUR für die Zeit vom 18. Juni bis 1. August 2002 ein, auf welchem die Beklagte am 2. Juli 2002 vermerkte, dass eine anderweitige Versorgung erfolgt sei. Den Kostenvoranschlag sandte die Beklagte mit diesem Vermerk an die Klägerin zurück. Der Versicherten teilte sie unter dem 2. Juli 2002 mit, dass sie "das verordnete Tens-Gerät" für sechs Wochen bewilligt habe und die Auslieferung frei Haus durch die Firma S. D. in Kl. K. erfolgen werde. So geschah es auch. Einem Vermerk der Beklagten vom 7. August 2002 ist zu entnehmen, dass die Versicherte bei ihr anrief, weil sie dieses Tensgerät -

neben dem ihr von der Klägerin überlassenen Microstim-Gerät - erhalten hatte und deswegen "durcheinander" war.

Am 16. August 2002 erhob die Klägerin (ohne Unterschrift) Widerspruch gegen eine "ablehnende Entscheidung" der Beklagten und legte eine undatierte Abtretungsvereinbarung vor, nach deren Inhalt die Versicherte sämtliche ihr gegenüber der Beklagten zustehenden Ansprüche aus und i. V. m. der Versorgung mit dem Gerät MC 10614 in der Zeit vom 18. Juni bis 1. August 2002 an die Klägerin abtrat. Hiernach umfasste die Abtretung insbesondere etwaige Kostenerstattungs- oder Freistellungsansprüche gem. § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und erfolgte an Erfüllungs statt gem. § 364 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klägerin nahm diese Abtretung an Erfüllungs statt an. Zugleich beantragte sie bei der Beklagten Kostenerstattung/Freistellung gem. § 13 Abs. 3 SGB V. Sie wies darauf hin, dass sie die Abtretung gem. § 53 Abs. 2 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch für zulässig halte. Die Beklagte habe gem. § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über ihren Widerspruch binnen drei Monaten zu entscheiden, andernfalls werde Untätigkeitsklage erhoben werden.

Mit Schreiben vom 28. August 2002 ließ die Beklagte der Klägerin wissen, dass sie ein Angebot eines Vertragspartners über einen Muskelstimulator (Tens-Gerät) für sechs Wochen zur Miete in Höhe von 60,99 EUR erhalten habe. Sowohl dieses Hilfsmittel als auch das von der Klägerin an die Versicherte abgegebene Gerät gehörten zur gleichen Produktgruppe. Als gesetzliche Krankenversicherung habe sie ihre Versicherten ausreichend und zweckmäßig mit Hilfsmitteln zu versorgen. Das Maß des Notwendigen dürfe dabei nicht überschritten werden. Unwirtschaftliche Leistungen könnten Versicherte nicht beanspruchen und dürften von den Krankenkassen nicht bewilligt werden. Falls die Versicherte eine Versorgung wünsche, die das Maß des Notwendigen übersteige, habe sie dafür die Mehrkosten zu tragen. Da die Klägerin die Vertretungsbefugnis für die Versicherte behaupte, möge sie bis zum 16. September 2002 mitteilen, ob die Versicherte die Mehrkosten (64,24 EUR) für den Muskelstimulator übernehmen wolle. Am 4. September 2002 gab die Versicherte das Tens-Gerät an die Beklagte zurück.

Unter dem 5. September 2002 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin auf ihre Schreiben vom 2. Juli und 28. August 2002 Bezug. Eine Kostenübernahme, die das

Maß des Notwendigen übersteige, sei nicht möglich. Hinzu komme, dass Hilfsmittel grundsätzlich genehmigungspflichtig seien. Dem Widerspruch könne nicht abgeholfen werden. Die Klägerin möge mitteilen, ob sie ihn aufrechterhalte oder zurücknehme.

Mit Schreiben vom 16. September 2002 wandte sich die Klägerin am 17. September 2002 an die Beklagte und beanstandete, dass diese ihre Rechnung vom 30. Juni 2002 nicht beglichen (sondern "mit Datum vom 02.07.2002 eine Kostenübernahme abgelehnt") habe. Außerdem erhob sie erneut "gegen den ablehnenden Bescheid vom 2. Juli 2002" Widerspruch. Ferner beantragte sie wiederum Kostenerstattung/Freistellung gem. § 13 Abs. 3 SGB V.

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 17. Oktober 2002 mit, dass sie einen rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid nicht erteilen werde. Sie verweigere nicht die Kostenübernahme für den Muskelstimulator, sondern gehe den von der Klägerin eingeschlagenen Weg der Versorgung der Versicherten nicht mit. Der begehrte Anspruch bestehe aus materiell-rechtlichen Gründen nicht bzw. könne nur von der Versicherten geltend gemacht werden.

Die Klägerin hat am 24. Oktober 2002 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 16. August 2002 gegen den Bescheid vom 2. Juli 2002 zu bescheiden. Sie sei nach §§ 398ff BGB in die Rechtsposition der Versicherten eingetreten und könne deren Rechte selbstständig geltend machen, also auch Widerspruch erheben. Weil die Beklagte zu erkennen gegeben habe, dass sie über den Widerspruch nicht entscheiden werde, sei die Untätigkeitsklage ohne Einhaltung der Frist der Frist des § 88 Abs. 2 SGG zulässig. Schließlich habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 5. September 2002 selbst zu erkennen gegeben, dass sie von einem zulässigen Vorverfahren ausgehe.

Auf die sozialgerichtliche Verfügung, den in der Klagschrift vom 23. Oktober 2002 genannten, aber ihr nicht beigefügten Bescheid vom 2. Juli 2002 zu übersenden, hat die Klägerin die Kopie des Kostenvoranschlages vom 26. Juni 2002 mit dem von der Beklagten angebrachten Vermerk "Versorgung anderweitig" vom 2. Juli 2002 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2003 abgewiesen und den Streitwert auf 65,60 EUR festgesetzt. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, weil es sich bei dem am 2. Juli 2002 gefertigten

Vermerk "Versorgung anderweitig" nicht um einen Verwaltungsakt handele. Dieser werde bei der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG aber vorausgesetzt.

Gegen den ihr am 20. Juni 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. Juli 2003 Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 16. August 2002 gegen den Bescheid der Beklagten an die Versicherte über die Versorgung mit einem Muskelstimulator Microstim zu bescheiden. Sie führt aus, dass sie mit Schreiben vom 15. August 2002 gegen das an sie gerichtete Schreiben der Beklagten vom 2. Juli 2002 Widerspruch erhoben habe, der durch Schriftsatz vom 16. September 2002 präzisiert worden sei. Sowohl der an die Versicherte ergangene Verwaltungsakt, der ihr nicht vorliege, als auch die Mitteilung der Kostenablehnung vom 2. Juli 2002 bezögen sich auf denselben Sachverhalt, nämlich die Ablehnung der Versorgung der Versicherten mit ihrem - der Klägerin - Elektrosimulationsgerät. Da ihr bei Erhebung des Widerspruchs das genaue Datum der gegenüber der Versicherten ergangenen Entscheidung nicht bekannt gewesen sei, habe sie als Datum des mit dem Widerspruch angegriffenen Bescheids die an sie erteilte Ablehnung vom 2. Juli 2002 herangezogen. Weil das Sozialgericht sie nicht darauf hingewiesen habe, dass sich ihr Widerspruch bzw. ihre Untätigkeitsklage auf den gegenüber der Versicherten ergangenen Bescheid beziehen müsse, um erfolgreich zu sein, werde die Antragsänderung im Rahmen der Berufung vorgenommen. Diese Änderung unterliege nicht den Anforderungen einer Klageänderung iSd § 99 Abs. 3 SGG und sei zulässig. Der Klagegrund, d. h. der historische Sachverhalt, aus dem sich ihr Anspruch herleite und der von der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahren zu würdigen sei, bleibe nämlich derselbe. Die Untätigkeitsklage sei begründet, weil die Beklagte den Widerspruch gegen den der Versicherten erteilten Bescheid bis heute nicht beschieden habe. Materiell würden mit dem Widerspruch Rechte aus abgetretenem Versorgungsrecht der Versicherten verfolgt. Mit Schreiben vom 2. Juli 2002 habe die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Versorgung ihr gegenüber abgelehnt. Mit dem Schreiben vom 2. Juli 2002 an die Versicherte, dass sie nicht mit einem Gerät der Klägerin, sondern mit einem Gerät der Firma S. D. versorgt werden solle, habe die Beklagte den Rechtskreis der Versicherten eingeschränkt, weil

deren Wahlrecht auf den umversorgenden Leistungserbringer reduziert worden sei. Ob dieses rechtlich zulässig sei, könne dahinstehen, weil es darauf für die Verwaltungsaktsqualität des Schreibens vom 2. Juli 2002 nicht ankomme. Jedenfalls regle dieses Schreiben hoheitlich einen Einzelfall iSd § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid der Sozialgericht Hamburg vom 2. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin vom 16. August 2002 gegen den Bescheid der Beklagten an die Versicherte P. vom 2. Juli 2002 zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Änderung der Klage verhelfe der Klägerin nicht weiter. Ihr Vortrag, es handle sich um ein und denselben historischen Sachverhalt, sei unzutreffend und diene allein dazu, "wieder das Verfahren hinein zu kommen". Der Gesetzgeber habe die Zulässigkeit einer Klage nach § 88 Abs. 2 SGG an das Vorliegen eines Verwaltungsakts geknüpft. Liege ein solcher nicht vor, sei die Untätigkeitsklage unzulässig. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, das Sozialgericht hätte ihr einen richterlichen Hinweis geben müssen, dass es sich bei dem Kostenübernahmeablehnungsvermerk vom 2. Juli 2002 auf dem Kostenvoranschlag nicht um einen Verwaltungsakt handele. Das Amtsermittlungsprinzip des SGG gehe nicht so weit, dass ein offenkundiger Sachverhalt einer im Übrigen anwaltlich vertretenen Partei erläutert werden müsse.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Auch wenn der Wert des abgetretenen - angeblichen - Rechts hier 500 EUR nicht übersteigt, betrifft die Klage auf Bescheidung des Widerspruchs keinen auf eine Geld- oder Sachleistung oder hierauf gerichteten Verwaltungsakt von nicht mehr als 500 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie betrifft vielmehr eine Dienstleistung (Erteilung eines Widerspruchsbescheides), auf welche die Ausschließungsgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht Bezug nehmen. Die Berufung bedurfte somit nicht der Zulassung durch das Sozialgericht. Dass für die Untätigkeitsklage nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) ein Streitwert von nicht mehr als 500,- EUR festgesetzt worden bzw. festzusetzen ist, ändert daran nichts. Denn dabei handelt es sich nicht um den Wert des Beschwerdegegenstandes iSd § 144 Abs. 1 SGG.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Untätigkeitsklage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin einen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin nunmehr die Bescheidung des an die Versicherte gerichteten Bescheides vom 2. Juli 2002 begehrt.

Nach § 88 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Untätigkeitsklage zulässig, wenn seit der Einlegung des Widerspruchs drei Monate vergangen sind, ohne dass die Beklagte über den Widerspruch entschieden hat. Die Untätigkeitsklage ist begründet, wenn kein zureichender Grund dafür vorliegt, dass die Beklagte vor Ablauf der Frist von drei Monaten den Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen hat – die Unterlassung also rechtswidrig und die Klägerin dadurch beschwert ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 54 Rdnr 23). Da die Beklagte der Klägerin unter dem 17. Oktober 2002 definitiv mitgeteilt hat, dass sie ihren Widerspruch nicht bescheiden werde, brauchte die Klägerin die Frist von drei Monaten (§ 88 Abs. 2 SGG) nicht abzuwarten, so dass jedenfalls insoweit hinsichtlich der am 24. Oktober 2002 erhobenen Untätigkeitsklage keine Zulässigkeitsbedenken bestehen.

Die vor dem Sozialgericht erhobene Untätigkeitsklage war aber unzulässig, weil sich der Widerspruch der Klägerin nicht gegen einen Verwaltungsakt richtete, über dessen Rechtmäßigkeit die Beklagte in einem Vorverfahren befinden musste. Dass § 88 Abs. 2 SGG einen Verwaltungsakt voraussetzt, über den ein Vorverfahren anhängig sein muss, ergibt sich aus folgendem: Im Fall des § 88 Abs. 2 SGG ist ein Versicherungsträger - wie die Beklagte - , wenn die Untätigkeitsklage zulässig und begründet ist, zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen (nicht aber, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben oder den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 88 Rdnr 9b; anders hinsichtlich § 75 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ) Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 12. 9. 2000 – 22 A 5440/99, FEVS 52, 158). Zweck des § 88 Abs. 2 SGG ist, sicher zu stellen, dass dem Bürger aus dem säumigen Verhalten der Verwaltung keine Nachteile erwachsen (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 88 Rdnr 13). Er soll insbesondere keinen Nachteil dadurch erleiden, dass die Behörde vor Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen hat (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG) und er durch die Säumnis der Behörde von der Klagerhebung abgehalten wird.

Zwar hat die Verwaltung grundsätzlich auch einen unzulässigen Widerspruch zu bescheiden, z.B. Widersprüche, die verfristet sind oder für die kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. Ulmer in Hennig, SGG, § 88 Rz 22). Dies dürfte auch für Widersprüche gelten, die sich gegen einen Verwaltungsakt richten, mit denen die Behörde die beantragte Leistung mangels eigener Zuständigkeit abgelehnt hat (vgl. Bundessozialgericht ( BSG ) 11. 11. 2003 – B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr. 1; Anmerkung Wagner, jurisPR-SozR 14/2004). Im Widerspruchsbescheid ist dann auszuführen, dass der Widerspruch mangels Vorliegen der Zulässigkeits- oder Zuständigkeitsvoraussetzungen keinen Erfolg haben konnte.

Anderes gilt jedoch, wenn überhaupt kein Verwaltungsakt vorliegt, gegen den durch die Einreichung eines Widerspruchs nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ein Vorverfahren, das mit der Erhebung des Widerspruchs beginnt (§ 83 SGG), eingeleitet worden ist. Wendet sich ein Bürger "widersprechend" gegen ein Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt, ist die angegangene Behörde weder verpflichtet noch ist es ihr - aus allein rechtsdogmatischer Sicht - möglich, ihm einen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Der Rechtsbehelf des Widerspruchs, der den Bestimmungen des Dritten

Unterabschnitts (§§ 77 ff SGG) und Vierten Unterabschnitts (§§ 87ff SGG) des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG zu Grunde liegt, ist begrifflich nämlich daran geknüpft, dass er sich gegen einen Verwaltungsakt iSd § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) richtet (vgl. Ulmer in Hennig, SGG, § 88 Rz 23). Das ergibt sich auch aus § 95 SGG, wonach - wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat - Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Erteilung eines Widerspruchsbescheids haben folglich grundsätzlich der Erlass eines Verwaltungsakts und ein gegen diesen sich richtender Widerspruch vorauszugehen.

Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt nicht erlassen worden oder dies zweifelhaft ist, dem "Widersprechenden" aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Verwaltungsökonomie einen förmlichen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Dieser Widerspruchsbescheid kann dann alleiniger Klagegegenstand werden (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 95 Rdnr. 3a). Eine Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines solchen Widerspruchsbescheids besteht aber nicht. Mit der Mitteilung der Behörde an den "Widersprechenden", dass sie mangels vorliegenden Verwaltungsakts seinen "Widerspruch" nicht bescheiden werde, hat sie in solchen Fällen ihre Amtsobliegenheiten vollständig erfüllt. Es bleibt dem "Widersprechenden" zwar unbenommen, dann Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG zu erheben, er trägt aber das Risiko, dass diese als unzulässig abgewiesen wird, wenn sich das Gericht davon überzeugt, dass ein Verwaltungsakt nicht vorliegt. Die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG ist nämlich nicht dafür da, ein Verwaltungshandeln der Behörde, das nicht auf die Bescheidung eines Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt gerichtet ist, zu befördern.

Das Sozialgericht hat vorliegend zu Recht erkannt, dass der Widerspruch vom 16. August 2002 sich nicht gegen einen Verwaltungsakt der Beklagten gerichtet hat. Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In dem auf dem - die Versorgung der Versicherten betreffenden - Kostenvoranschlag der Klägerin von der Beklagten getätigten Genehmigungsvermerk vom 2. Juli 2002 liegt kein Verwaltungsakt, sondern eine Entscheidung im Gleichordnungsverhältnis, in welchem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht, sondern

allenfalls eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG in Betracht kommt (vgl. BSG 13.12. 2001 – B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Die Mitteilung einer Krankenkasse gegenüber einem Leistungserbringer iSd §§ 126ff SGB V, dass seinem Kostenvoranschlag - oder auch seiner Rechnung - nicht oder nicht voll entsprochen werde, stellt insbesondere keine hoheitliche Regelung dar. Nach alledem hat das Sozialgericht die Untätigkeitsklage zu Recht abgewiesen.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Untätigkeitsklage gegen den von der Beklagten der Versicherten erteilten Bescheid vom 2. Juli 2002 richtet, ist diese Klage unzulässig. Hierin liegt eine Klageänderung nach § 99 SGG, der über § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren gilt (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 99 Rdnr. 12). Dieser Klageänderung hat die Beklagte nicht zugestimmt; sie ist auch nicht sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG).

Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war die Frage, ob die Beklagte den von der Klägerin eingelegten Widerspruch gegen die ihr gegenüber erfolgte Mitteilung (Genehmigungsvermerk) vom 2. Juli 2002 zu bescheiden hat. Nur darüber hat das Sozialgericht entschieden. Indem sich die Klägerin nicht mehr gegen diese Entscheidung richtet (ihre Berufung aber auch nicht ausdrücklich zurücknimmt) und stattdessen quasi erstinstanzlich die Bescheidungspflicht bezüglich eines Widerspruchs gegen eine andere Entscheidung der Beklagten geltend macht, verfolgt sie das ursprüngliche Klageziel auch nicht wenigstens teilweise weiter, sondern stellt den Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage. Dies ist nicht zulässig. Davon abgesehen hat die Beklagte ihren Widerspruch gegen den der Versicherten erteilten Bescheid vom 2. Juli 2002 erstmals mit Eingang der Berufungsschrift und nicht bereits - ebenfalls - unter dem 15. August 2002 erhoben. Sähe man in der Berufungsschrift eine gleichzeitig erhobene, zweitinstanzlich angefallene Untätigkeitsklage, so wäre diese unzulässig, weil sie zum einen vor Ablauf der Frist des § 88 Abs. 2 SGG und zum anderen auch vor einer etwaigen Mitteilung der Beklagten, dass sie auch diesen Widerspruch nicht bescheiden werde, erhoben wäre. Diese Unzulässigkeit könnte auch für den Fall angenommener Säumnis der Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht mehr geheilt werden. Im Übrigen ist die Klageänderung auch deshalb nicht sachdienlich, weil der der Versicherten erteilte Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2002 in dem Zeitpunkt, als die Klägerin Widerspruch gegen diese Entscheidung erhob (mit der Berufungsschrift am 15. Juli 2003), wegen Ablaufs der Jahresfrist nach Bekanntgabe der

Entscheidung an die Versicherte (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, 66 Abs. 3 Satz 1 SGG) bindend war. Ob der Bescheid vom 2. Juli 2002 die Versicherte beschwert und insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Widerspruch bestanden hat, kann schon deshalb dahinstehen.

Nach alledem hat die Berufung - aber auch die geänderte Klage - keinen Erfolg und ist zurückzuweisen bzw. als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs. 1 Satz 1 iVm §§ 13, 25 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Um der zweitinstanzlich erhobenen Klage streitwertmäßig Rechnung zu tragen, ist der Streitwert auf den Gesamtbetrag des Kostenvoranschlages vom 26. Juni 2002 festgesetzt worden.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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