L 3 AL 26/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 6 AL 192/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 26/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 23. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).

Der 1943 geborene Kläger stand vom 6. Mai 1991 bis zum 31. März 2003 in einem Beschäftigungsverhältnis als Sozialberater bei dem I B in H. Das Beschäftigungsverhältnis endete auf Grund arbeitsgeberseitiger fristgerechter Kündigung, ohne dass vertragswidriges Verhalten des Klägers hierfür Anlass gewesen wäre.

Der Kläger ist verheiratet; er hat keine Kinder. Anfang des Jahres 2003 war für ihn in der Lohnsteuerkarte die Steuerklasse IV eingetragen. Vom 21. November 2002 bis 5. März 2003 gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation; dabei bezog er ab 2. Januar 2003 Übergangsgeld (ÜbG) in Höhe von 50,57 EUR täglich (errechnet aus einem kalendertäglichen Regelentgelt von 116,14 EUR).

Am 12. März 2003 meldete der Kläger sich mit Wirkung vom 1. April 2003 arbeitslos und beantragte Alg. In der hierzu vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 26. März 2003 machte der damalige Arbeitgeber des Klägers folgende Angaben zum Arbeitsentgelt, wobei die Gesamtsumme sich auf 34.801,37 EUR belief:

lfd. Entg.

Sonderz. Gesamt Apr 02 3.247,18

3.247,18 Mai 02 3.247,18

3.247,18 Jun 02 3.247,18

3.247,18 Jul 02 3.247,18

255,65 3.502,83 Aug 02 3.247,18

3.247,18 Sep 02 3.247,18

3.247,18 Okt 02 3.247,18

3.247,18 Nov 02 3.247,18

974,15 4.221,33 Dez 02 3.247,18

1.623,59 4.870,77 Jan 03 104,68 -)

104,68 Feb 03 0,00 -)

0,00 Mrz 03 2.618,68

2.618,68

-) Unterbrechung der Entgeltfortzahlung ab 02.01.03 wegen Arbeitsunfähigkeit Sonderzahlungen aufgeschlüsselt

Art Zahlungsmonat Summe Weihnachtsgeld Nov 02 974,15

Dez 02 1.623,59 Urlaubsgeld Jul 02 255,65

Tarifliche Sonderzahlung

0,00

Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 1. April 2003. Der Leistungssatz betrug 256,48 EUR wöchentlich. Die Beklagte legte ein gerundetes Bemessungsentgelt von wöchentlich 805,00 EUR zu Grunde. Die Leistungsgewährung erfolgte nach der Leistungsgruppe A und belief sich auf 60 % des in der Rechtsverordnung für 2003 mit 427,48 EUR angegebenen Leistungsentgelts.

Am 21. Mai 2003 legte der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das errechnete Leistungsentgelt nicht 60 % seines monatlichen Nettoentgelts entspreche. Im Übrigen habe die Beklagte bei der Berechnung des Leistungsentgelts für Kirchensteuer 14,78 EUR abgezogen. Er sei jedoch nicht Mitglied irgendeiner christlichen Konfession und habe somit niemals Kirchensteuer gezahlt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte unter Bezugnahme auf die §§ 129 Nr. 2, 132, 136 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aus, dass für die Berechnung des Alg das Bruttoarbeitsentgelt herangezogen werde, das vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielt worden sei (Bemessungsentgelt). Aus diesem Bruttoentgelt sei ein pauschaliertes Nettoentgelt (Leistungsentgelt) zu ermitteln, indem das Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Entgeltabzüge vermindert werde, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen. Das Alg betrage für Arbeitslose ohne Kinder 60 % dieses Leistungsentgelts. Das Bemessungsentgelt entspreche dem Einkommen, das der Kläger in den letzten 52 Wochen vor Antragstellung erhalten habe. Dabei handele es sich zum einen um das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung bei dem I B und zum anderen für die Zeit vom 2. Januar bis 5. März 2003, in der die BfA ÜbG gewährt habe, um das Regelentgelt. Bei Zugrundelegung des Regelentgelts sei max. ein Entgelt bis zur Höhe der Bemessungsgrenze (2003: 3.450,00 EUR monatlich bzw. 115,00 EUR täglich) zu berücksichtigen. Demnach belaufe sich das wöchentliche Bemessungsentgelt hier auf 805,58 EUR (34.801,37 EUR Arbeitsentgeltanspruch zuzüglich 115,00 EUR × 7 Tage × 9 Wochen = 7.245,00 EUR = Gesamteinkommen von 42.046,37 EUR ÷ 52 Wochen). Die Ermittlung des Leistungsentgelts aus dem Bemessungsentgelt erfolge abhängig von der Leistungsgruppe des Leistungsempfängers, wobei für den Kläger auf Grund der für ihn eingetragenen Lohnsteuerklasse die Leistungsgruppe A maßgeblich sei. Zu allen Bemessungsentgelten seien durch Rechtsverordnung die Leistungsentgelte bestimmt, wobei entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die bei Arbeitnehmern üblicherweise anfallenden Abzüge unter Berücksichtigung der maßgeblichen Lohnsteuerklasse ermittelt und vom Bemessungsentgelt abgezogen würden. Bei diesen Abzügen handele es sich um Beträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die ein Arbeitnehmer ohne Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse zu entrichten habe. Dazu zähle auch die Kirchensteuer, weil die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer diese Abgabe entrichte. Ob der einzelne Arbeitslose Mitglied einer Kirche sei, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 23. März 1994 (1 BvL 8/85) entschieden, dass diese pauschalierende gesetzliche Regelung verfassungskonform und so lange zulässig sei, wie eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirche angehöre, die Kirchensteuer erhebe. Nach allem könne der Widerspruch keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat am 7. Juli 2003 bei dem Sozialgericht (SG) Kiel Klage erhoben. Soweit nach Klageerhebung Folgebescheide - zuletzt vom 2. Januar 2005 - ergangen sind, haben die Beteiligten sich in der Berufungsverhandlung darauf verständigt, diese entsprechend dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits zu behandeln.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht: Er sei weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte ihm zu niedrige Leistungen bewilligt habe. Zunächst habe sie das maßgebliche Nettoeinkommen nicht richtig berechnet. Wie sich aus der zur Akte gereichten Entgeltbescheinigung zur Berechnung von ÜbG vom 10. Januar 2003 (Bl. 15 der Gerichtsakte - GA -) ergebe, habe er ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 2.079,25 EUR bezogen. In der Zeit, in der er ÜbG bezogen habe, habe sein Arbeitgeber einen täglichen ÜbG-Zuschuss in Höhe von 18,74 EUR gewährt, wie dieser mit Schreiben vom 20. März 2003 (Bl. 17 GA) bestätigt habe. Insoweit habe sich sein Nettoeinkommen auch in der Zeit des ÜbG-Bezuges nicht verringert. Weiterhin sei zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Nettoeinkommens trotz seiner Konfessionslosigkeit Kirchensteuer berücksichtigt habe. Bei der Zuordnung zur Leistungsgruppe A habe die Beklagte auch fälschlicherweise die Steuerklasse I anstelle der maßgeblichen Steuerklasse IV zu Grunde gelegt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 7. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab dem 1. April 2003 in Höhe von 60 % seines monatlichen Nettoeinkommens von 2.079,25 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend hat sie zur Frage der Berücksichtigung von Kirchensteuer auf jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen.

Nach Anhörung der Beteiligten zum beabsichtigten Verfahren hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2004 abgewiesen und zur Begründung unter ergänzender Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte gewähre dem Kläger ab 1. April 2003 Alg in zutreffender Höhe. Im Zeitraum April 2002 bis März 2003 habe der Kläger ausweislich der Arbeitsbescheinigung Arbeitsentgelt einschließlich Sonderzahlungen in Höhe von 34.801,37 EUR erhalten. Unter Berücksichtigung des von der BfA für das ÜbG zugrunde gelegte Regelentgelt, das bis zu der für 2003 geltenden Beitragsbemessungsgrenze von 115 EUR kalendertäglich zu berücksichtigen sei, errechne sich ein Gesamteinkommen des Klägers für diesen Zeitraum von 42.046,37 EUR. Geteilt durch 52 ergebe dies ein gerundetes Bemessungsentgelt von 805 EUR. Dieses Bemessungsentgelt werde pauschal um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge vermindert; daraus ergebe sich das Leistungsentgelt. Die Pauschalierung begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nicht zu beanstanden sei auch, dass bei den bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden Abzügen auch Kirchensteuer berücksichtigt werde. Zwar habe das BVerfG dem Gesetzgeber in dem Beschluss vom 23. März 1994 aufgetragen, hinsichtlich des Anteils der kirchenzugehörigen Arbeitnehmer die weitere Entwicklung zu beobachten, um wesentlichen Änderungen rechtzeitig Rechnung tragen zu können. Das BSG habe mit Urteil vom 25. Juni 2002 (B 11 AL 55/01 R) entschieden, dass der Gesetzgeber gehalten sei, den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, sobald ihm Zahlen vorlägen, wonach die Zahl der einer steuererhebenden Kirche angehörenden Arbeitnehmer unter 55 % gesunken sei. Nach einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit von September 2003 seien zum Jahresende 2001 (neuere Zahlen lägen nicht vor) 64,4 % der Bevölkerung Mitglied einer Kirche, wobei der Anteil der Arbeitnehmer, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört hätten, bei 55 % gelegen habe. Somit gehöre auch derzeit eine Mehrheit von Arbeitnehmern (55 % und mehr) einer Kirche an, die Kirchensteuer erhebe, so dass § 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB III auch derzeit verfassungsgemäß sei.

Gegen diese seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 16. Februar 2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 16. März 2004 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen und verweist erneut darauf, dass er in den letzten 52 Wochen vor Entstehung des Alg-Anspruchs monatlich 2.079,25 EUR bezogen habe. Insoweit habe die Beklagte ein zu niedriges Bemessungsentgelt errechnet. Sie habe dieses Bemessungsentgelt auch pauschal gekürzt, was zur Nachprüfung durch das Gericht gestellt werde. Was die Kirchensteuerproblematik betreffe, so habe das BVerfG dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung von 1994 ausdrücklich aufgetragen, den Anteil der kirchenzugehörigen Arbeitnehmer zu beobachten. Dies habe die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt. Das SG habe sich offenbar im Wesentlichen auf das Urteil des BSG vom 25. Juni 2002 gestützt. Die vom SG daraus abgeleiteten Zahlen würden indessen mit Nachdruck bestritten. Es treffe jedenfalls für den hier gegenständlichen Zeitraum längst nicht mehr zu, dass 55 % der Arbeitnehmer einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehörten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 23. Januar 2004 aufzuheben, den Bescheid vom 7. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab dem 1. April 2003 in Höhe von 60 % seines monatlichen Nettoeinkommens von 2.079,25 EUR ohne Berücksichtigung eines Kirchensteuerabzugs bis zum 31.12.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie stützt den angefochtenen Gerichtsbescheid und verweist darauf, dass es nach § 129 Nr. 2 SGB III für die Höhe des Alg nicht auf das tatsächliche Nettoentgelt des Klägers, sondern auf das im Bemessungszeitraum von April 2002 bis März 2003 erzielte Bemessungsentgelt ankomme. Dieses Bemessungsentgelt sei nach § 136 Abs. 1 SGB III pauschal um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge zu mindern. Dies sei verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei durch die Entscheidung des BVerfG nicht auferlegt worden, zusätzlich weitere Ermittlungen zum Anteil der Kirchenmitglieder anzustellen; vielmehr könne er sich auf die Beobachtung und Auswertung des vorhandenen Zahlenmaterials beschränken. Nach den jüngsten, dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (jetzt: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) vorliegenden statistischen Erhebungen sei davon auszugehen, dass nach wie vor mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche angehörten.

Dem Senat haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht und aus zutreffenden Gründen entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf höheres Alg hat. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist deshalb zu bestätigen. Dabei konnte der Senat davon absehen, die nach Erlass der angefochtenen Bescheide ergangenen Folgebescheide, die gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sind, im Einzelnen festzustellen und zu überprüfen, weil die Beteiligten sich insoweit in der Berufungsverhandlung darauf verständigt haben, diese Bescheide entsprechend dem Ausgang des den Bescheid vom 7. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 betreffenden Rechtsstreits zu behandeln.

Die Beklagte hat die Höhe des dem Kläger zustehenden Alg, über dessen Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach zu Recht kein Streit besteht, fehlerfrei errechnet. Die Behauptung des Klägers, das Bemessungsentgelt sei zu niedrig festgesetzt worden, geht fehl (dazu 1.). Auch kann der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagte ihm Leistungen ohne Berücksichtigung eines Kirchensteuerhebesatzes gewährt (dazu 2.).

1. Nach § 129 SGB III beträgt das Alg für die Arbeitslosen, denen der erhöhte Leistungssatz zugute kommt, 67 % und für die übrigen Arbeitslosen im allgemeinen Leistungssatz 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelts), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

Zur Errechnung der Höhe des Alg ist zunächst das Bemessungsentgelt zu bestimmen. Hierfür ist zunächst der Bemessungszeitraum zu bestimmen. Dieser umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet waren. Zu den Entgeltabrechnungszeiträumen zählen zwar in der Regel die Lohnabrechnungszeiträume; es zählen aber auch die Zeiträume, in denen Entgelt nicht auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 134 SGB III), sondern aus anderen Anlässen (vgl. § 26 SGB III) gezahlt worden ist (hierzu Brand in Niesel, SGB III, 2. Aufl. § 130 Rz 3). Hierzu enthält § 135 SGB III Sondervorschriften über besonderes Entgelt bei sonstigen Versicherungspflichtverhältnissen, unter anderem für Zeiten, in denen Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Sozialleistungen (z.B. ÜbG) bestand (§ 135 Nr. 4 SGB III). Nach der Bestimmung des Bemessungszeitraums wird das auf die maßgeblichen Wochen entfallende Entgelt addiert und anschließend durch die Zahl der Wochen geteilt; sodann wird das Ergebnis gerundet (§ 132 Abs. 3 SGB III in der 2003 geltenden Fassung).

Nach diesen Maßstäben ist die Beklagte zu Recht von den letzten 52 Wochen vor Entstehung des Alg-Anspruchs am 1. April 2003 als Bemessungszeitraum ausgegangen. Auch die Berechnung der Entgelte erweist sich als rechtsfehlerfrei: Zu Recht ist die Beklagte nämlich von den in der Arbeitsbescheinigung angegebenen (Brutto-) Arbeitsentgelten aus der Beschäftigung des Klägers bei dem I B in Höhe von insgesamt 34.801,37 EUR ausgegangen und hat hierzu für die Zeit des ÜbG-Bezuges (9 Wochen) entsprechend der im Widerspruchsbescheid vorgenommenen Berechnung den Betrag von 7.245 EUR addiert. Dabei entspricht die vorgenommene Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (Jahresbetrag 2003: 3.450 EUR monatlich) den für die Berechnung des ÜbG geltenden Bestimmungen des § 21 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der 2003 geltenden Fassung (vgl. dazu Niesel in Kasseler Kommentar, § 21 SGB VI, Rz 1 ff.). Die Entgeltsumme von 42.046,37 EUR geteilt durch die Wochenzahl 52 ergibt ein gerundetes Bemessungsentgelt von 805 EUR. Für diesen Wert ergibt die SGB III-Leistungsentgeltver- ordnung 2003 (BGBl. 2002 I S. 4673) in der Leistungsgruppe A ein Leistungsentgelt von 427,48 EUR und einen allgemeinen Leistungssatz von 256,48 EUR wöchentlich. Die Leistungsgruppe A ist hier maßgeblich, weil für den Kläger zu Beginn dies Jahres 2003 die Steuerklasse IV eingetragen war und die Leistungsgruppe A nach § 137 Abs. 2 Nr. 1 SGB III mit den Steuerklassen I und IV korrespondiert (dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid von der für den Kläger maßgeblichen Steuerklasse I ausgegangen ist, ist insoweit unerheblich). Der allgemeine Leistungssatz findet hier Anwendung, weil für den erhöhten Leistungssatz berücksichtigungsfähige Kinder (§ 137 Nr. 1 SGB III) nicht vorhanden sind.

Nach allem ist die Berechnung der Beklagten nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger wiederholt darauf hingewiesen hat, dass er bei dem I B ein Nettoentgelt in Höhe von monatlich 2.079,25 EUR erzielt hat, verkennt er, dass die genannten Vorschriften für die Alg-Berechnung nicht auf dieses Nettoentgelt abstellen, sondern aus das aus dem Bemessungsentgelt abzuleitende pauschalierte Nettoentgelt (Leistungsentgelt).

2. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte ihm Leistungen ohne Berücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes als Berechnungsfaktor gewährt. Denn die Vorschrift des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) schreibt dies - wie auch bereits die bis 31. Dezember 1997 geltende (Vorgänger-)Bestimmung des § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz - vor. Dass diese Vorschrift durch Gesetz vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben worden ist, ist für den in Bezug auf den Kirchensteuerabzug streitigen Leistungszeitraum vom 1. April 2003 bis 31. Dezember 2004 ohne Folgen. Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, "die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen", für die Kirchensteuer die Steuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz zugrunde zu legen. Den von dem Kläger gegen die Vorschrift des § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken folgt der erkennende Senat nicht. Vielmehr schließt er sich - wie bereits in früheren Entscheidungen (zuletzt: Urteil vom 12. November 2004, L 3 AL 15/04; Beschluss vom 5. Juli 2004, L 3 AL 99/03; Urteil vom 4. Juli 2003, L 3 AL 106/02) - ausdrücklich der Rechtsprechung des BSG (zuletzt: Urteil vom 25. Juni 2002, a.a.O.; Beschluss vom 23. März 2004, B 11 AL 213/03 B, in Juris veröffentlicht) an, wonach die genannten Vorschriften nicht verfassungswidrig sind (ebenso die sonstige obergerichtliche Rechtsprechung, z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Juli 2003, L 13 AL 4869/02, in Juris veröffentlicht; LSG Berlin, Urteil vom 25. Juni 2004, L 4 AL 45/03, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der erkennende Senat macht sich diese höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zu eigen und nimmt ergänzend zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in seinen Entscheidungen vom 12. November 2004, 5. Juli 2004 und 4. Juli 2003 (jeweils a.a.O.) ausdrücklich Bezug. Ein Abdruck des Beschlusses vom 5. Juli 2004 ist dem Kläger im vorliegenden Verfahren bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 20. August 2004 übersandt worden. Bestätigt wird diese Rechtsprechung dadurch, dass der Bundesgesetzgeber im Rahmen der jüngsten Reformgesetzgebung wegen der immer rückläufigeren Mitgliedszahlen der Kirchen nunmehr einen Wegfall des Kirchensteuerabzuges ab dem 1. Januar 2005 vorgesehen hat. Dies ergibt sich aus Art. 1 Nrn. 71 und 72 i.V.m. Art. 124 Abs. 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (a.a.O). Das Leistungsentgelt wird nunmehr nach § 133 SGB III n.F. berechnet werden. Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift mindert sich das Bemessungsentgelt nur noch um eine Sozialversicherungspauschale von 21 Prozent des Bemessungsentgelts (Nr. 1), um die Lohnsteuer nach näheren Maßgaben (Nr. 2) und um den Solidaritätszuschlag ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen (Nr. 3). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs vom 5. September 2003 (BT-Drucks. 15/1515, S. 86) wird die Kirchensteuer nicht mehr als Entgeltabzug bei der Leistungsberechnung berücksichtigt, da auf absehbare Zeit nicht mehr - wie vom BVerfG in seinem Beschluss vom 23. März 1994 (a.a.O.) gefordert - zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu wörtlich wie folgt (a.a.O.):

"Die Kirchensteuer wird ab dem Jahr 2005 nicht mehr als Entgeltabzug bei der Leistungsberechnung berücksichtigt, da auf absehbare Zeit nicht mehr - wie vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23. März 1994 (1 BvL 8/85) gefordert - zweifelsfrei davon ausgegangen werden kann, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Vergangenheit regelmäßig geprüft, ob eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer Kirche angehört. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dabei gezeigt, dass der Anteil der Arbeitnehmer, die einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehören, an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer kontinuierlich sinkt.

Angaben zur Anzahl der Arbeitnehmer, die Mitglied einer Kirche sind, lassen sich aus der Lohn- und Einkommenssteuerstatistik entnehmen. Die Lohn- und Einkommenssteuerstatistik wird in einem dreijährigen Turnus erstellt. Die letzte Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes basiert auf Daten des Jahres 1998, sie wurden Ende Mai 2003 erstellt. Danach waren im Jahr 1998 von den insgesamt 29,4 Mio. in der Statistik erfassten lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern 16,7 Mio. kirchensteuerpflichtig. Dies entspricht einem Anteil von 56,8 Prozent. Zur Aktualisierung dieser Daten erfragt das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit außerdem von der Evangelischen Kirche und dem Verband der Diözesen Deutschlands die Kirchenmitgliedszahlen. Zum Jahresende 1998 waren 66,1 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer evangelischen oder katholischen Kirche. Der Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern lag danach 1998 um 9,4 Prozentpunkte unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung.

Zum Jahresende 2001 waren 64,4 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Kirche. Unter der Annahme, dass auch im Jahr 2001 der Anteil der Kirchenmitglieder unter den Arbeitnehmern um 9,4 Prozentpunkte unter dem Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung lag, ergibt sich, dass im Jahr 2001 noch 55 Prozent der Arbeitnehmer einer die Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört haben. Aktuell kann deshalb noch davon ausgegangen werden, dass eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer Kirche angehört. Angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre dürfte diese Voraussetzung jedoch mittelfristig nicht mehr erfüllt sein. Mit der Reform des Bemessungsrechts des Arbeitslosengeldes, die zum 1. Januar 2005 in Kraft treten wird, soll deshalb die Kirchensteuer als Lohnabzug bei der Leistungsberechnung entfallen."

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für den erkennenden Senat in Bestätigung und Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung keine Hinweise darauf, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse bereits für den hier relevanten Alg-Bewilligungszeitraum in dem Sinne geändert haben, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehört. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass der Bundesgesetzgeber die ihm vom BVerfG (a.a.O.) auferlegte Beobachtungs- und Handlungspflicht nicht verletzt und mit der zum 1. Januar 2005 vorgenommenen Gesetzesänderung des Leistungsbemessungsrechts rechtzeitig reagiert hat (ebenso: LSG Berlin, a.a.O.). Dass der Wegfall des (fiktiven) Kirchensteuerabzuges nicht schon früher zum Tragen kommt, ist nicht zu beanstanden. Zum einen hat der Gesetzgeber innerhalb weniger Monate auf die erst im Mai 2003 bekannt gewordenen Ergebnisse der Datenauswertung des Statistischen Bundesamtes zur Lohn- und Einkommensstatistik 1998 reagiert. Zum anderen benötigt die praktische Umsetzung dieser Gesetzesänderung einen gewissen zeitlichen Vorlauf. Schließlich liegt auf der Hand, dass die dadurch für die Beklagten bzw. die Versichertengemeinschaft anfallenden Mehrausgaben, die allein für das Jahr 2005 auf rund 290 Mio. EUR geschätzt werden (vgl. Bundesarbeitsblatt Januar 2004, S. 6), durch Minderausgaben an anderer Stelle aufgefangen werden sollen, die im Rahmen der umfassenden Neuregelung des Bemessungsrechts mit Wirkung ab 1. Januar 2005 erwartet werden (LSG Berlin, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved