L 4 KA 7/04

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KA 71/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KA 7/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch im Verhältnis der Vertrags(zahn)ärztin zur Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes vor der Erfüllung der vertrags(zahn)ärztlichen Verpflichtungen erlaubt und stellt keinen Disziplinarverstoß dar.

Die Anforderung sämtlicher Patientenunterlagen für ein Quartal (hier 653 Karteikarten) kann gegen das Übermaßverbot verstoßen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten und den Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen zu eröffnen.

Die beigeladenen Zahnärztinnen betreiben eine Gemeinschaftspraxis in H ... Mit Schreiben vom 21. Juni 1999 bat der Kläger die Beigeladenen um Zusendung aller Original-Karteikarten der Patienten, die im I. Quartal 1999 bei ihnen behandelt worden waren und für die eine Abrechnung über den Kläger erfolgt ist. Eine schnellst mögliche Rücksendung wurde zugesichert. Eine Begründung für die Bitte um Übersendung der Karteikarten gab der Kläger in dem Schreiben nicht. Nach einer telefonischen Nachfrage der Beigeladenen verwies der Kläger in einem Schreiben vom 28. Juni 1999 zur Begründung auf § 7 Abs. 5 der Satzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KZV) und fügte eine Kopie des Textes der Vorschrift bei, die wie folgt lautet: "Jedes Mitglied ist verpflichtet, der KZV Sachsen-Anhalt alle Auskünfte zu erteilen, die zur Nachprüfung der kassenzahnärztlichen oder sonstigen von der KZV Sachsen-Anhalt zu gewährleistenden zahnärztlichen Tätigkeit erforderlich sind. Auf Verlangen hat es auch die auf die Auskunft sich beziehenden Unterlagen vorzulegen." Daraufhin meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen für diese mit einem Schreiben vom 2. Juli 1999 bei dem Kläger und vertrat die Auffassung, für die Anforderung der gesamten Originalunterlagen fehle die Rechtsgrundlage; außerdem sei die Anforderung unverhältnismäßig.

Nach umfangreicher, ergebnislos gebliebener Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Bevollmächtigten der Beigeladenen stellte der Kläger mit Schreiben vom 9. August 1999 bei dem Beklagten den Antrag, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen einzuleiten. Am 19. August 1999 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Behandlungsunterlagen seien nun eingegangen und das Verfahren solle zunächst ruhen. Mit Schreiben vom 20. September 1999 beantragte der Kläger dann bei dem Beklagten, das Verfahren fortzusetzen, weil die Zusendung der Behandlungsunterlagen das vorangegangene Verhalten der Beschuldigten nicht rechtfertige. Es hätten sich auch Verdachtsmomente dafür ergeben, dass es sich bei den eingereichten Behandlungsunterlagen nicht um die Originale handele. Es sollten deshalb kurzfristig weitere 100 Patientenkarteikarten aus dem Quartal II/1999 von der Gemeinschaftspraxis angefordert werden. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1999 ergänzte der Kläger seinen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens: Den Beigeladenen sei am 5. Oktober 1999 telefonisch angekündigt worden, dass am 7. Oktober 1999 weitere 100 Karteikarten persönlich abgeholt würden. Der Verfahrensbevollmächtigte habe daraufhin schriftlich mitgeteilt, dass die Karteikarten am 7. Oktober 1999 nicht herausgegeben würden, weil die Vorgehensweise nicht rechtzeitig angekündigt worden sei. Damit sei wiederum die Abholung und Übergabe von Patientenkarteikarten pflichtwidrig verhindert worden. Erst am späten Abend des 5. Oktober 1999 hätten sich die Beigeladenen per Fax ihres Verfahrensbevollmächtigten bereit erklärt, die Behandlungsunterlagen in den Praxisräumen zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

Die zur Stellungnahme aufgeforderten Beigeladenen gaben in einem Schreiben vom 2. November 1999 gegenüber dem Beklagten an, sie hätten nach der Anforderung der gesamten 653 Originalkarteikarten gegenüber dem Kläger mehrfach ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Vorlage aller Unterlagen erklärt und mehrere Vorschläge zur Durchführung gemacht, die der Kläger jedoch abgelehnt habe. Schließlich habe man sich geeinigt, die Unterlagen bis zum 18. August 1999 einzureichen, was auch geschehen sei. Ein Ergebnis der Prüfung liege bis heute nicht vor. Am 25. Oktober 1999 seien von drei Mitarbeitern des Klägers weitere 100 Karteikarten des Folgequartals in der Praxis wegen des Verdachts der "Nichtechtheit" der 653 Karteikarten kopiert worden. Es seien aber seinerzeit alle Karteikarten im Original eingereicht worden. Der Kläger teilte dem Beklagten in einem Schreiben vom 24. November 1999 mit, die Überprüfung der zusätzlichen 100 Patientenkarteikarten habe teilweise die Vermutung bestätigt, dass die am 18. August 1999 eingereichten Patientenkarteikarten nicht den vollständigen Originalkarteikarten entsprochen hätten.

In seiner Sitzung vom 9. Februar 2000 wies der Beklagte den Antrag des Klägers auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Beigeladenen als unbegründet zurück und führte dazu aus: Das Disziplinarverfahren lasse sich nicht auf § 7 Abs. 5 der Satzung des Klägers stützen. Diese Vorschrift enthalte keine Grundlage für die Anforderung von Patientenkarteikarten. Die Anforderung könne aber ihren Grund in § 75 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) finden. Letztlich halte aber der Vorwurf einer bewussten Verschleppung der Abforderung einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Den Beigeladenen hätte es freigestanden, einen Anwalt einzuschalten. Dessen Verhandlungsführung als Bevollmächtigter der Beigeladenen könne, so wie die Dinge lägen, nicht beanstandet werden.

Der Kläger hat am 10. März 2000 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und beantragt, den Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen zu eröffnen, hilfsweise, über seinen Antrag auf Eröffnung des Disziplinarverfahrens neu zu entscheiden. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, das Disziplinarverfahren sei nicht obsolet geworden, obwohl er inzwischen die abgeforderten Karteikarten habe einsehen können. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Einleitung seien die Karteikarten noch nicht übergeben gewesen. Die Beigeladenen hätten die Zusendung bewusst verschleppt. Dies werde auch daran erkennbar, dass diese einen Rechtsanwalt in ihren Angelegenheiten eingeschaltet hätten, der sie dann ohne nachvollziehbare Begründung darin bestärkt habe, die Zusendung der Behandlungsunterlagen zu verweigern. Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung die sich über Monate hinziehende Auseinandersetzung und Problematik mit nicht unerheblichen Kosten und Aufwendungen für ihn völlig unberücksichtigt gelassen. Die Abforderung der Patientenkarteikarten greife nicht in Rechte des betroffenen Vertragszahnarztes ein. Es gehöre zu dessen Grundpflichten, die Überprüfung seiner vertragsärztlichen Abrechnung zu gewährleisten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2002 als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die Klage könne zulässigerweise gegen den Beklagten gerichtet werden. Sie sei aber unbegründet. Die angefochtene Entscheidung sei ermessensfehlerfrei ausgesprochen worden, weil die begehrte Übersendung der 653 Karteikarten unverhältnismäßig gewesen sei. Maßgeblich sei aus der Sicht des Gerichts insbesondere, dass sich der Kläger nicht auf einen bestimmten Anteil der im I. Quartal behandelten Patienten beschränkt, sondern Karteikarten von sämtlichen Patienten abgefordert habe.

Gegen das ihm am 20. Februar 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 2002 Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht hat die Berufung mit Urteil vom 13. November 2002 zurückgewiesen, weil der Disziplinarausschuss nicht beteiligungsfähig und die Klage deshalb unzulässig sei. Das Bundessozialgericht hat auf die zugelassene Revision das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückverwiesen; es ist der Meinung, dass es sich um einen zulässigen Insichprozess handle (Urteil vom 28. Januar 2004 – B 6 KA 4/03 R).

Der Kläger erklärt, dass die begehrte Übersendung der 653 Patientenkarteikarten nicht unverhältnismäßig gewesen sei. Um den tatsächlichen Umfang von Falschabrechnungen oder unwirtschaftlicher Leistungserbringung ermitteln zu können, sei es notwendig, möglichst viele Patientenunterlagen einzusehen. Je höher die Anzahl der überprüften Behandlungsunterlagen sei, desto genauer sei auch das ermittelte Prüfergebnis. Die Unverhältnismäßigkeit könne auch nicht damit begründet werden, dass die Organisation der Zahnarztpraxis stark belastet werde. Jeder Praxisinhaber habe die Vorkehrungen zu treffen, die nötig seien, um die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten sicherzustellen. Die am 18. August 1999 bei den Beigeladenen abgeholten Karteikarten seien bereits am 19. August 1999 wieder in der Praxis abgegeben worden. Ziel des Disziplinarverfahrens sei es, den Beigeladenen deutlich zu machen, dass sie Pflichtverstöße begangen hätten.

Er müsse gegenüber den Krankenkassen die Ordnungsgemäßheit der Erbringung und Abrechnung der vertragszahnärztlichen Leistungen gewährleisten. Dazu sei es notwendig, dass er alle sich auf die Leistungserbringung und Abrechnung beziehenden Unterlagen und Dokumentationen einsehen und prüfen könne. Zu den bedeutsamsten Behandlungs- und Abrechnungsunterlagen gehöre die Patientenkartei, deren Einsicht und Prüfung zwingend notwendig sei, um bei Verdacht von Abrechnungsbetrug Differenzen zwischen Leistungserbringung und Leistungsabrechnung aufzudecken. Andernfalls könne er die Plausibilität der Abrechnung nicht überprüfen oder eine einzelfallbezogene Prüfung im Rahmen des § 106 SGB V nicht durchführen. Andere Möglichkeiten bestünden praktisch nicht. Die §§ 294 ff. SGB V enthielten kein Verbot, die Patientenunterlagen einzusehen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2002 und den Beschluss des Beklagten vom 9. Februar 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen zu eröffnen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass es der Kläger an einer zureichenden Erläuterung für die Abforderung der 650 Karteikarten habe fehlen lassen. Ihm seien vielfache Überwachungspflichten übertragen worden. Ein obrigkeitliches Verwaltungsverhalten und – handeln sei aber nicht angebracht. Die Anforderung von 653 Patientenkarteikarten sei unverhältnismäßig. Es sei auch zweifelhaft, dass er zur wirksamen Überprüfung der Richtigkeit der Abrechnungen Patientenkarteikarten einsehen könne. Eine Rechtsgrundlage sei nicht ersichtlich. Die Satzungsbestimmungen könnten den Regelungen des SGB V nicht vorgreifen.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließen sich der Rechtsauffassung des Beklagten an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und form– und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet.

Nach der Entscheidung des BSG, an die das Berufungsgericht gebunden ist (§ 170 Abs. 5 SGG), ist die Klage gegen den Disziplinarausschuss zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Nach § 1 der Disziplinarordnung (DO) der KZV Sachsen-Anhalt vom 16. November 1996, genehmigt am 8. Januar 1997, kann gegen das Mitglied ein Disziplinarverfahren nach § 81 Abs. 5 SGB V durchgeführt werden, wenn das Mitglied schuldhaft gegen die ihm durch Gesetze, Satzung, Verträge, Beschlüsse oder Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung oder der KZV Sachsen-Anhalt auferlegten vertragszahnärztlichen Pflichten verstößt. Nach § 5 Abs. 1 DO kann der Kläger einen Antrag auf Eröffnung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens stellen. Er hat den Antrag mit schriftlicher Begründung unter Angabe bzw. Vorlage der erforderlichen Beweismittel einzureichen. § 8 Abs. 1 DO bestimmt, dass der Beklagte den Antrag des Vorstandes auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens als unbegründet zurückweisen oder wegen Geringfügigkeit ablehnen kann. Gegen Zurückweisung oder Ablehnung kann der Vorstand Klage erheben.

Dem Disziplinarausschuss kommt bei seiner Entscheidung über die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegenüber dem Kläger kein Ermessen zu, soweit es sich um das Vorliegen eines Pflichtenverstoßes handelt. Was einen "Pflichtenverstoß" darstellt, ist abhängig von der satzungsrechtlichen Regelung. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass ein Beurteilungsspielraum bestünde (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1987 – 6 RKa 30/86 – SozR 2200 § 368m Nr. 3; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. März 2000 – L 5 KA 22/99; Bay. LSG, Urteil vom 11. Oktober 2000 – L 12 KA 30/99). Ermessen kommt dem Disziplinarausschuss bei der Festlegung einer Disziplinarstrafe zu (BSG, Beschluss vom 20. März 1996 – 6 BKa 1/96). Bei der Entscheidung über die Eröffnung des Disziplinarverfahrens kann das allenfalls gelten, soweit es sich um ein Bagatelldelikt handelt.

Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Eröffnung des Disziplinarverfahrens gegen die Beigeladenen zu Recht abgelehnt. Ein Disziplinarverfahren kann nur eröffnet werden, wenn ein Verdacht auf ein Disziplinarvergehen im Sinne des § 1 DO besteht. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beigeladenen haben nicht gegen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger verstoßen, weil die Anforderung von 653 Patientenkarteikarten unverhältnismäßig war. Der Prüfung der später nachgeforderten 100 Karteikarten haben sie sich ebenfalls nicht in rechtswidriger Weise widersetzt, sondern lediglich über das Verfahren verhandelt.

Nach § 75 Abs. 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie haben die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. § 81 Abs. 5 SGB V schreibt den Kassenärztlichen Vereinigungen vor, dass in ihren Satzungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmt sind, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Maßnahmen nach Satz 1 sind je nach der Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Das Höchstmaß der Geldbußen kann bis zu 20.000,00 DM (im Jahre 1999) betragen. Ein Vorverfahren (§ 78 SGG) findet nicht statt. Diese Regelungen für Ärzte gelten gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch für Zahnärzte, weil gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist.

§ 294 SGB V verpflichtet die Vertragsärzte, die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendigen Angaben, die aus der Erbringung der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachstehenden Vorschriften den Krankenkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den mit der Datenverarbeitung beauftragten Stellen mitzuteilen. Nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V sind die Vertragsärzte verpflichtet, in den Abrechnungsunterlagen für die vertragsärztlichen Leistungen die von ihnen erbrachten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung, bei ärztlicher Behandlung mit Diagnosen, bei zahnärztlicher Behandlung mit Zahnbezug und Befunden aufzuzeichnen und zu übermitteln. Nach § 295 Abs. 1a SGB V sind die Vertragsärzte verpflichtet, für die Erfüllung der Aufgaben nach § 83 Abs. 2 SGB V auf Verlangen der Kassenärztlichen Vereinigungen die für die Prüfung erforderlichen Befunde vorzulegen. Ob die Beigeladenen danach verpflichtet waren, an den Kläger Patientenunterlagen herauszugeben, kann hier unentschieden bleiben. Die Beigeladenen haben letztlich der Forderung des Klägers entsprochen. Der Disziplinarverstoß kann also lediglich darin liegen, dass sie die Patientenkarteikarten nicht sofort in der vom Kläger gesetzten Frist übersandt bzw. zur Verfügung gestellt und einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben.

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes kann den Beigeladenen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Nach § 3 Abs. 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes darf schon deshalb nicht als unerlaubte Verschleppung der Pflichterfüllung bewertet werden. Außerdem ist die Frage, wann und in welchem Umfang Ärzte und Zahnärzte verpflichtet sind, an die Kassenärztlichen oder kassenzahnärztlichen Vereinigungen Patientenunterlagen herauszugeben, offensichtlich umstritten. So hat der fachkundige Vertreter des Beklagten eine Pflicht der Beigeladenen zur Weiterleitung der angeforderten Patientenunterlagen verneint. Den nicht rechtskundigen Beigeladenen kann schon deshalb kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden, wenn sie nicht ohne rechtlichen Beistand bereit waren, der Aufforderung des Klägers zu entsprechen.

Auch im Übrigen kann ein Verstoß gegen vertragszahnärztliche Pflichten in dem Verhalten der Beigeladenen nicht gesehen werden. Die Anforderung sämtlicher Patientenkarteikarten eines gesamten Quartals war unverhältnismäßig. Zumindest kann den Beigeladenen kein Vorwurf daraus erwachsen, wenn sie eine Überprüfung in dem angeforderten Umfang als nicht zu ihren Pflichten gehörend angesehen und erst Rechtsrat eingeholt haben. Dies muss um so mehr gelten, als der Kläger die Notwendigkeit, sämtliche Patientenkarteikarten eines Quartals zu überprüfen, nicht näher erläutert hat.

Die Anforderung von Behandlungsunterlagen aller Patienten eines bestimmten Zeitraums ist wohl auch nicht üblich. So hatte das BSG über ein Disziplinarverfahren zu entscheiden, in dem sich ein Vertragsarzt geweigert hatte, 17 Röntgenaufnahmen nebst Befunden aus dem III. Quartal 1980 für namentlich aufgeführte Patienten zu übersenden (Urteil vom 19. November 1985 – 6 RKa 14/83 – SozR 2200 § 368 Nr. 9). Auch dem Beschluss vom 20. März 1996 – 6 BKa 1/96 - lag der Streit über die Herausgabe von Unterlagen zu bestimmten ausgewählten Behandlungsfällen zugrunde. In einer Entscheidung des LSG für das Saarland hatte sich ein Arzt geweigert, Befundberichte und Unterlagen über 44 namentlich benannte Patienten vorzulegen, nachdem ein Prüfbericht umfangreiche Beanstandungen ergeben hatte (Urteil vom 1. April 1998 – L 3 KA 19/96). Weitere vergleichbare Fälle sind – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht. In den genannten Fällen wurden lediglich Unterlagen für bestimmte Patienten und in verhältnismäßig geringer Zahl angefordert. Die Anforderung sämtlicher Patientenunterlagen eines Quartals – hier 653 Karteikarten - erscheint demgegenüber ungewöhnlich und auch durch den Verdacht des Abrechnungsbetruges, dessen Umfang nicht bekannt ist, der sich aber nur auf die zunächst geprüften vier Karteikarten gestützt haben kann, nicht gerechtfertigt. Hinzukommt, dass die Herausgabe einer derart großen Zahl von Karteikarten für die Praxis der Beigeladenen aufwendig war und die weitere Arbeit erschweren konnte.

Auch die Verhandlungen wegen der nachträglich angeforderten 100 Karteikarten zwischen der KZV und dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen rechtfertigt nicht den Verdacht eines Disziplinarverstoßes. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Beigeladenen die Prüfung der Karteikarten verhindern wollten; ihnen lag erkennbar lediglich daran, den Praxisbetrieb durch die Überprüfung nicht stören zu lassen.

Die Entscheidung des Beklagten, den Antrag des Klägers auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen die Beigeladenen mangels Disziplinarverstoß abzulehnen, ist rechtmäßig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 Satz 2 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Das Gericht hat die Revision nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt.
Rechtskraft
Aus
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