L 8/14 KR 166/02

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 1534/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/14 KR 166/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das epidurale Wirbelsäulenkatheterinjektionsverfahren nach Racz zur Behandlung von Rückenschmerzen ist keine von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringende Leistung. Es handelt sich um kein etabliertes Behandlungsverfahrens sondern um eine experimentelle Methode, deren Wirksamkeit und Nutzen umstritten ist. Ein Versicherter, der sich nach der Methode Racz behandeln lässt, hat keinen Anspruch gegen die Krankenkasse auf Erstattung der ihm durch ärztliche Privatliquidation entstandenen Aufwendungen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für ein epidurales
Injektionsverfahren nach Racz zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen imZusammenhang mit Bandscheibenschäden.

Die 1945 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie stand mehrfach wegen einer Wirbelsäulenschmerzsymptomatik in ärztlicher Behandlung. Vom 30. November 1999 bis zum 14. Dezember 1999 wurde sie in der orthopädischen Klinik A-Stadt stationär behandelt, wo u. a. eine Wirbelsäulenfehlstatik, ein degenerativ
bedingtes thorakolumbales Schmerzsyndrom, eine Costotransversalgelenksarthrose und eine Osteochondrose L 3/4 diagnostiziert wurde und eine konservativ balneo-physikalische
Therapie erfolgte (Entlassungsbericht vom 14. Januar 2000). Die Klägerin verspürte keine anhaltende Verbesserung ihrer Wirbelsäulenbeschwerden und suchte nach weiteren Behandlungsmöglichkeiten. So stellte sie sich am 26. April 2000 bei dem Chefarzt der Neurochirurgie der X-Klinik, Z., Dr. I., vor, der eine konservative Behandlung mit einer Intercostalinfiltration und antiphlogistischen Medikamenten empfahl (Arztbrief vom 2. Mai 2000). Weiter suchte die Klägerin den Facharzt für Orthopädie und
Chirurgie Prof. Dr. H., M., auf, der zu einer Laserdiscusdekompression und –nucleotomie riet (Arztbrief vom 17. April 2000). Bereits im März 2000 hatte die Klägerin Kontakt zu der Praxis für Orthopädische Schmerztherapie Dr. Z./Dr. N., aufgenommen, die ihr das von
ihnen praktizierte Verfahren der epiduralen Injektion nach Racz empfahlen, mit dem Hinweis, dass diese Methode wissenschaftlich in den USA anerkannt sei, jedoch in Deutschland nur als privatärztliche Leistung von ihnen erbracht werden könne. An privat zu tragenden Gesamtkosten fielen 1.992,00 DM an, die von den gesetzlichen
Krankenkassen nicht übernommem würden.

Die Klägerin beantragte im Rahmen einer persönlichen Vorsprache Anfang Mai 2000 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine solche Behandlung durch die M. Praxis für Orthopädische Schmerztherapie. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit der
Begründung ab, dass es sich bei dem epiduralen Verfahren nach Racz um keine kassenzugelassene Therapie handele. Auf erneute Antragstellung seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verwies die Beklagte die Klägerin darauf, dass eine epidurale Katheterbehandlung in der E.-Klinik, K., im Rahmen der
Krankenhauspflegesätze und damit kostendeckend über die Beklagte erlangt werden könne. Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Erfahrung gebracht hatten, dass eine epidurale Katheterbehandlung in dieser K. Klinik erst in mehreren Monaten
wegen langer Wartezeiten durchgeführt werden könne, ließ sich die Klägerin vom 22. Mai bis 25. Mai 2000 von dem Arzt für Orthopädie-Chirotherapie Dr. Z. nach dem Racz-Verfahren behandeln (Entlassungsbericht des Dr. Z. vom 14. Juli 2000). Hierfür wurde
die Klägerin stationär in die S.-Kliniken, M., aufgenommen, einem zugelassenen Vertragskrankenhaus. Dieses stellte der Beklagten den Basis-Pflegesatz und den Abteilungspflegesatz für allgemeine Chirurgie für jeweils drei vollstationäre Behandlungstage in Rechnung. Die Beklagte beglich diesen Rechnungsbetrag. Die behandelnde Hausärztin der Klägerin Dr. D. hatte die Krankenhausbehandlung unter
dem 18. Mai 2000 verordnet und als nächst erreichbares geeignetes Krankenhaus die S.-Kliniken, M. angeführt. Dr. Z., der keine Zulassung als Vertragsarzt hat, stellte der Klägerin einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.992,16 DM für die Behandlung nach Racz, insbesondere die Platzierung der Racz-Sonde und die Installation der Substanzen
Carbostesin, Hylase und Lipotalon in Rechnung.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2000 ihrer Prozessbevollmächtigten beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung dieses Rechnungsbetrages, den sie Dr. Z. entrichtet hatte. Zur Begründung führte die Klägerin an, ihre Schmerzen seien so stark gewesen,
dass sie der alsbaldigen epiduralen Katheterbehandlung bedurft hätte und auf eine Aufnahme in der K. Klinik nicht habe warten können.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2000 lehnte die Beklagte die Erstattung der von Dr. Z. in Rechnung gestellten Behandlungskosten ab, da es sich bei der epiduralen Wirbelsäulenkatheterbehandlung nach Racz um eine in Deutschland nicht anerkannte und nicht zugelassene Behandlungsmethode handele. Mit dem der S.-Klinik gezahlten Pflegesatz seien alle zugelassenen Behandlungsmethoden, die im Rahmen der stationären Behandlung durchgeführt wurden, abgegolten.

Den hiergegen von der Klägerin am 24. Juli 2000 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2000 zurück. Privat vereinbarte ärztliche Zusatzleistungen während der stationären Behandlung in einem zugelassenen
Vertragskrankenhaus gehörten nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, weshalb eine Kostenerstattung nicht möglich sei.

Hiergegen richtet sich die am 22. August 2000 zum Sozialgericht Gießen erhobene Klage, zu deren Stützung die Klägerin folgende medizinische Unterlagen vorgelegt hat:
Arztbrief des Privatdozenten Dr. G. vom Mai 1994, Entlassungsbericht der Orthopädischen Klinik A-Stadt vom 14. Januar 2000, Bericht des Heilpraktikers D., Ambulatorium für Wirbelsäulentherapie und Naturheilverfahren, H. vom 2. Februar 1999, Verordnungen des Heilpraktikers F., A-Stadt vom 21. Juli 2000, Arztbrief des Radiologen
Dr. W. vom 11. April 2000. Das Sozialgericht hat die Verwaltungsakte beigezogen und die Krankenunterlagen der Praxis für Orthopädie und Sportmedizin Dr. L. sowie der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. beigezogen, die u. a. die Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 18. Mai 2000 sowie den Entlassungsbericht der Klinik J., Bad Q. vom 15. November 2000 über eine stationäre Reha-Behandlung zu Lasten der
gesetzlichen Rentenversicherung enthalten. In dem Entlassungsbericht vom 15. November 2000 werden hinsichtlich der Wirbelsäule die Diagnosen gestellt:
Chronisch degeneratives HWS-Syndrom bei noch nicht überdurchschnittlich ausgeprägten degenerativen Veränderungen; chronisch degeneratives BWS- und LWSSyndrom bei deutlichen Veränderungen im BWS-Bereich und noch altersentsprechender
LWS. In einem ebenfalls zu den Krankenunterlagen der Frau Dr. T. gehörenden sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 21. August 2000 wird mitgeteilt, durch die Behandlung in M. sei nur eine vorübergehende Linderung erzielt worden. Jetzt sei die Klägerin beim Heilpraktiker in Behandlung, welcher spezielle Schlangengiftbehandlungen durchführe. Sie leide des Weiteren an einem ausgeprägten Erschöpfungssyndrom durch familiäre Konfliktsituationen.

Mit Urteil vom 9. Januar 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Kostenerstattung scheide aus, da die Beklagte keine Leistung zu Unrecht im Sinne des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) abgelehnt habe. Sie habe der S.-Klinik in M. die maßgeblichen Pflegesätze für den
stationären Aufenthalt der Klägerin vom 22. Mai bis 25. Mai 2000 vergütet. Mit diesen Pflegesätzen seien auch die ärztlichen Leistungen mitabgegolten. Daneben habe die Klägerin mit Dr. Z. einen privaten Behandlungsvertrag über die epidurale Wirbelsäulenkatheterbehandlung abgeschlossen. Die Kosten dieser Behandlungen seien nicht im Pflegesatz enthalten und von der Beklagten auch nicht zu erstatten. Bei der epiduralen Katheterbehandlung handele es sich nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode. Diese Methode sei nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) unter Anlage B
Ziff. 26 als Methode aufgeführt, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden dürfe. Der Klägerin stehe auch kein Kostenerstattungsanspruch aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zu den Außenseitermethoden zu. Diese könnten nur dann zu Lasten der Krankenkasse durchgeführt werden, wenn bei schweren Krankheiten unklarer Genese nach dem jeweiligen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntniszustand ein
Therapieerfolg mit nicht ganz geringen Erfolgsaussichten mindestens möglich erscheine oder im Einzelfall zum Erfolg geführt habe. Voraussetzung sei stets, dass die Krankheit schon medizinisch austherapiert oder eine anerkannte Behandlungsmethode im Einzelfall
ungeeignet bzw. unzumutbar sei. Dabei müsse der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachgewiesen sein und der Erfolg müsse sich aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken entnehmen lassen. Die Behandlungsweise müsse sich in der medizinischen
Praxis durchgesetzt haben, wobei die Verbreitung einer Methode als Beleg für ihre Zweckmäßigkeit gewertet werden könne. Darüber hinaus schließe § 135 Abs. 1 SGB V die Leistungspflicht der Krankenkasse für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden so lange aus, bis diese vom zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als zweckmäßig anerkannt seien. Ein
Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs. 3 SGB V komme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Bundesausschuss über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund nicht oder nicht rechtzeitig entschieden und
sich die Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt habe. Hier bestehe ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin schon deshalb nicht, weil
ihre Wirbelsäulenbeschwerden medizinisch noch nicht austherapiert gewesen seien. Dies ergäbe sich aus dem Bericht der X-Klinik über die dortige Untersuchung der Klägerin am 26. April 2000. Es sei eine konservative Behandlung mit einer Intercostalinfiltration und
antiphlogistischen Medikamenten vorgeschlagen worden und für den Fall des Fortbestehens der Beschwerden die Erwägung einer operativen Dekompression. Diesen Weg sei die Klägerin nicht gegangen. Sie habe sich bereits am 22. März 2000 in der Praxis Dr. Z./Dr. N. vorgestellt und sei an einer Behandlung entsprechend dem Vorschlag der X-Klinik nicht mehr interessiert gewesen.

Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin noch am Tage der Verkündung Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, das Sozialgericht habe es unterlassen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen, dass bei ihr eine chronische Wirbelsäulenerkrankung bestehe, die hierdurch bedingten
Beschwerden sich nicht mehr heilen ließen und eine Operation zu riskant sei. Bei dieser Sachlage habe es für sie nur den Weg gegeben, sich der epiduralen Injektionsbehandlung nach Racz zu unterziehen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes C-Stadt vom 9. Januar 2002
aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 20. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. August 2000 zu verurteilen, die Kosten der epiduralen
Katheterbehandlung in Höhe von 1.018,58 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und durch das eingeholte medizinische Gutachten des Dr. C. bestätigt.

Der Senat hat den im Deutschen Ärzteblatt, Jahrgang 100, Heft 15, 11. April 2003, S. 238 veröffentlichten HTA-Bericht (Health Technology Assessments – Bericht) der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Stellenwert der minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz zur Akte genommen. Er hat
sodann bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 91 Abs. 5 SGB V, Unterausschuss "Ärztliche Behandlung" eine schriftliche Auskunft zur minimalinvasiven, epiduralen Wirbelsäulenkatheterbehandlung nach Racz eingeholt. In dieser Auskunft vom 3. September 2004 heißt es, die angefragte Methode unter Anwendung eines "Wirbelsäulenkatheters nach Prof. Racz" sei bisher im vormals zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und seinem zuständigen Arbeitsausschuss nicht überprüft worden. Ein den Vorgaben des § 135 Abs. 1 SGB V
entsprechender Antrag zur Prüfung dieser Methode als einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sei von den antragsberechtigten Organisationen vor Mai 2000 nicht gestellt worden. Der Geschäftsführung liege jedoch der HTA-Bericht der
Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahre 2003 vor, dessen Inhalt referiert wird. Mit Datum vom 12. März 2004 sei dem Gemeinsamen Bundesausschuss ein den Vorgaben des § 135 Abs. 1 SGB V entsprechender Antrag zur Überprüfung der "minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz" zugeleitet worden, über den noch nicht entschieden sei.

Der Senat hat sodann den Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie-Sportmedizin, spezielle Schmerztherapie, Akupunktur, Dr. M. C. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dr. C. führt in seinem schriftlichen Gutachten vom 27. Dezember 2004 aus, im Mai 2000 hätten bei der Klägerin
folgende Erkrankungen vorgelegen:

1. Schmerzsyndrom der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Rundrücken,
degenerativen Veränderungen und multiplen Bandscheibenvorwölbungen.

2. Schmerzsyndrom der Schulterregion rechts bei degenerativen
Veränderungen des Sternoclaviculargelenkes, Zustand nach früherer
suba-cromialer Dekompression und Impingement-Symptomatik.

3. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Nikotinabusus
(chronische Bronchitis).

4. Bluthochdruck.

5. Übergewicht.

6. Psychovegetative Erschöpfung.

Ein Notfall im Sinne eines unaufschiebbaren Behandlungsbedarfes habe im Mai 2000 sicherlich nicht bestanden. Bei einer Bandscheibenerkrankung, wie sie bei der Klägerin bestanden habe, könne als Notfall die akute Kompression von Nervenstrukturen
angesehen werden, welche zu Lähmungen an den unteren Gliedmaßen, insbesondere zu Blasen- und Mastdarmlähmungen führe. Eine derartige Situation müsse durch einen sofortigen, in der Regel chirurgisch-operativen Eingriff behandelt werden. Eine solche Operationsindikation habe im Falle der Klägerin nicht bestanden. Sie hätte im Jahr 2000
unter multiplen Schmerzhaftigkeiten gelitten, insbesondere auch im Bereich der rechten Schulter. Ferner habe daneben offensichtlich eine besondere psychische Belastungssituation bestanden. Die zahlreichen vorliegenden medizinischen Berichte aus der ersten Jahreshälfte 2000 ließen nach den dort mitgeteilten Befunden das Auftreten unerträglich erscheinender Schmerzen nicht nachvollziehen. Geeigneter als die von der Klägerin gewählte Katheterbehandlung nach Racz wäre eine epidurale Katheterbehandlung mit reiner Schmerzblockade gewesen, welche auch ohne Weiteres im Hessischen Raum zu Lasten der Krankenkasse in Krankenhäusern durchgeführt hätte werden können. Sinnvoll wäre die Kombination einer geeigneten medikamentösen
Schmerztherapie mit evt. Injektionsmaßnahmen und ergänzenden physikalischen Maßnahmen und begleitet durch eine kompetente psychotherapeutische Behandlung gewesen. Die konventionelle epidurale Katheterbehandlung zur reinen Schmerzblockade
unterscheide sich von dem streitgegenständlichem epiduralen Kathetererfahren nach Racz darin, dass bei der Technik nach Racz neben dem Wirkstoff zur lokalen Schmerzbetäubung weitere, in ihrer Wirkung allerdings umstrittene Medikamente in den Bereich des Spinalkanals eingespritzt würden, insbesondere hochprozentige
Kochsalzlösung und Enzyme, die Bandscheibengewebe zur Schrumpfung veranlassen sollten. Im Falle von Bandscheibenvorwölbungen, wie sie bei der Klägerin bestanden
hätten, erscheine das Therapiekonzept nach Racz insgesamt höchst fragwürdig, weil die Medikamente, welche Bandscheibengewebe auflösen und zur Schrumpfung veranlassen sollten, aus anatomischen Gründen das Korrelat der Bandscheibenvorwölbung nicht erreichten. In der Internetinformation der Befürworter des epiduralen Injektionsverfahrens nach Racz werde eine Bandscheibenvorwölbung auch nicht als Indikation für dieses Verfahren angeführt. Im Falle der Klägerin hätte die durchgeführte Katheterbehandlung nach Racz zudem keinen anhaltenden relevanten positiven Effekt gehabt, was sich aus
den späteren medizinischen Unterlagen ergäbe. Selbst die Anwender des Verfahrens nach Racz hätten gegenüber der Klägerin dieses Verfahren lediglich als Heilversuch dargestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht durch Urteil vom 9. Januar 2002 abgewiesen. Der Bescheid vom 20. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2000 ist rechtlich nicht
zu beanstanden. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten für die von Dr. Z. im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin in den S.-Kliniken M. im Zeitraum vom 22. Mai bis 25. Mai 2000 erbrachten privatärztlichen Leistungen zur Durchführung der epiduralen Katheterbehandlung nach Racz zu erstatten.

Als Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Die von Dr. Z. im Mai 2000 im Rahmen des stationären Aufenthaltes der Klägerin in den S.-Kliniken M. durchgeführte epidurale Katheterbehandlung nach Racz mit den Einzelschritten Einlegen einer Racz Epiduralsonde, mehrmalige Instillation von Carbostesin, Hylase und Lipotalon, stellt keine unaufschiebbare Leistung im Sinne des
§ 13 Abs. 3 Satz 1, Erste Alternative SGB V dar. Es handelte sich um keine notfallmäßige Behandlung. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der sorgfältig begründeten und unter umfassender Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen zur Klägerin getroffenen Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. fest. Danach begab sich die Klägerin wegen Rückenschmerzen in die Behandlung von Dr. Z ... Diese Schmerzzustände bestanden bei ihr bereits seit längerer Zeit, gingen aber nicht mit echten Nervenausfällen einher, insbesondere bestanden keine Anzeichen für eine Blasen- und/oder Mastdarmlähmung. Ausweislich der bildgebenden Diagnostik lagen nur Vorwölbungen von Bandscheibengewebe vor, hingegen nicht echte Bandscheibenvorfälle. Die Schmerzempfindung war offensichtlich durch psychische Mechanismen erheblich verstärkt. Bei dieser Krankheitssituation wäre eine gezielte medikamentöse Schmerztherapie, ggf. unterstützt durch eine Schmerzblockade im Wege einer epiduralen Katheterbehandlung mit Injektion von Substanzen zur Schmerzbetäubung angezeigt gewesen, wobei angesichts der psychischen Komponente im Schmerzempfinden eine psychotherapeutische Begleitung zur Unterstützung der Schmerztherapie sinnvoll gewesen wäre. Diese Maßnahmen hätten, wie Dr. C. nachvollziehbar darlegt, problemlos im hessischen Raum durchgeführt werden können, wobei zahlreiche Kliniken auch in der Lage sind, eine epidurale Katheterbehandlung zur Schmerzblockade vorzunehmen. Die Klägerin hätte sich somit, entgegen ihrem Vorbringen, weder zur Vermeidung einer operativen Behandlung, die bei ihrem Krankheitsbild gar nicht nahe lag, wie sich insbesondere auch aus dem Arztbrief der Neurochirurgie der X-Kliniken vom 2. Mai 2000 ergibt, noch aus sonstigen medizinischen Gründen unaufschiebbar einer epiduralen Katheterbehandlung nach Racz unterziehen müssen. Es hatten vielmehr hinreichende ortsnahe und zeitnahe Behandlungsalternativen zu der Behandlungsweise, die Dr. Z. bei der Klägerin anwandte, bestanden.

Die Beklagte hat die Übernahme der für die Behandlung durch Dr. Z. entstandenen Kosten auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Die von Dr. Z. erbrachte und von ihm von vornherein als privatärztliche Leistung außerhalb des Leistungsrahmens der gesetzlichen Krankenkasse deklarierte epidurale Katheterbehandlung nach Prof. Racz ist nicht
Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung.

Nach § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungen müssen im Sinne des § 12 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Die Übernahme der Kosten für eine epidurale Katheterbehandlung nach Prof. Racz kommt vorliegend nicht in Betracht, weil Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsmethode nicht dem für die gesetzliche Krankenversicherung in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das epidurale Wirbelsäulenkatheterinjektionsverfahren nach Racz ist ein
neues Therapieverfahren, welches nicht zum allgemein akzeptierten Standard medizinischer Versorgung der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Dies haben die Betreiber der Orthopädischen Schmerztherapie M., Dr. Z. und Dr. N. gegenüber der Klägerin letztlich selbst zum Ausdruck gebracht, indem sie in ihren
Merkblättern und Anträgen auf Kostenerstattung darauf hinweisen, dass diese Methode zwar wissenschaftlich in den USA anerkannt sei, aber die Kosten in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen nicht getragen werden. In dem HTA-Bericht der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Stellenwert der
minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz wird dargelegt, dass dieses Verfahren in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit wenig Resonanz gefunden habe und es dementsprechend in keiner internationalen oder nationalen Leitlinie zur Behandlung
von Rückenschmerzen erwähnt werde. In diesem HTA-Bericht wird das Wirkprinzip dieser Behandlungsweise, so wie es von seinen Befürwortern postuliert wird, dahingehend beschrieben, dass durch ein spezielles Substanzgemisch (nach Racz: Bupivacain, Triamcinolon, Hyaluronidase und 10 % NaCl-Lösung) eine lokale neurolytische und adhäsiolytische Dekompression der Nervenwurzel mit antientzündlichem und antiödematösem Begleiteffekt herbeigeführt werden könne. Das Fazit der HTA-Arbeitsgruppe zu diesem Behandlungsverfahren lautet, dass die Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz derzeit nicht als etabliertes Behandlungsverfahren, sondern als experimentelle Methode eingestuft werden müsse. Weiter heißt es, das von den Anwendern dieser Methode postulierte Wirkprinzip müsse
als stark vereinfachend relativiert werden. Chronische Rückenschmerzen müssten als ein eigenständiges schwierig zu behandelndes Krankheitsbild mit multifaktorieller Pathogenese bei sowohl auf neuronaler als auch auf psychosozialer Ebene entfalteter
Eigendynamik betrachtet werden, das mit dem vereinfachenden Wirkprinzip nach Racz nicht langfristig erfolgreich behandelt werden könne. Die Vorschrift des § 135 SGB V sieht vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (mit Wirkung zum 1. Januar 2004 abgelöst durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss nach § 91 SGB V) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens abgegeben hat. Die hier streitgegenständliche epidurale Wirbelsäulenkatheterbehandlung nach Racz ist eine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V. Sie ist bisher nicht in die Anlage A (anerkannte Untersuchungsoder
Behandlungsmethoden) der BUB-Richtlinien aufgenommen. Ausweislich der vom Senat eingeholten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 3. September 2004 wurde sie bisher im vormals zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und seinem zuständigen Arbeitsausschuss nicht überprüft. Ein den
Vorgaben des § 135 Abs. 1 SGB V entsprechender Antrag zur Prüfung dieser Methode als einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode war von den antragsberechtigten Organisationen vor Mai 2000 nicht gestellt worden. Erst unter dem 12. März 2004 ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss ein den Vorgaben des § 135
Abs. 1 SGB V entsprechender Antrag zur Überprüfung der "minimalinvasiven Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz" unterbreitet worden. Es bleibt somit festzuhalten, dass das streitgegenständliche Behandlungsverfahren nach Racz nicht
Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums ist. § 135 SGB V bewirkt nämlich, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden so lange von der Abrechnung zu
Lasten der Krankenkasse ausgeschlossen sind, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 32/95BSGE 81, 73 = SozR 3-2500 § 92 Nr. 7). Damit wird zugleich der Umfang der den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen festgelegt.

Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist nicht zu beanstanden, dass § 135 SGB V die für die vertragsärztliche Behandlung freigegebene Methoden nicht selbst nennt, sondern insoweit auf die BUB-Richtlinien verweist. Die gesetzliche Ausschlussregelung knüpft damit in zulässiger Weise an untergesetzlichen Rechtsvorschriften an, zu deren Erlass
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ermächtigt. Die Gerichte sind auf die Prüfung beschränkt, ob die Richtlinien in einem
rechtsstaatlichen Verfahren ordnungsgemäß zustande gekommen sind und mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigungen im Einklang stehen (BSG, a. a. O.). Hieran ergeben sich vorliegend keine Zweifel.

Eine notwendige Empfehlung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bzw. durch dessen Rechtsnachfolger, den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 SGB V, liegt bezüglich des epiduralen Injektionsverfahrens nach Prof. Racz nicht vor.
Somit gehört diese Therapie auch nicht zur "Behandlung" im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V, die der Versicherte als Sachleistung oder im Wege der Kostenerstattung beanspruchen kann.

Zu einer anderen Bewertung führt auch nicht der Umstand, dass das epidurale Injektionsverfahren nach Racz im Falle der Klägerin während deren stationären Aufenthaltes in den S.-Kliniken M. durchgeführt wurde. An sich obliegt es im Rahmen der stationären Versorgung allein den Krankenhausärzten, eine Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vorzunehmen und es steht ihnen im
Rahmen der Therapiefreiheit zu, zur Krankenhausbehandlung von Versicherten auch solche Methoden einzusetzen, die bislang in der ambulanten Versorgung nicht anerkannt sind. § 135 SGB V findet somit für die echte stationäre Behandlung keine Anwendung. Allerdings sieht § 137 c SGB V, der durch Art. 1 Nr. 57 GKV-Gesundheitsreformgesetz
vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I, 2626) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 neu eingefügt wurde, vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch im stationären Bereich bewertet werden, jedoch nur auf Antrag eines Spitzenverbandes der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes
der Krankenhausträger. Ein solcher Antrag liegt hinsichtlich der hier strittigen Behandlungsmethode nicht vor. Dementsprechend könnte das epidurale Injektionsverfahren nach Racz in einem zugelassenen Krankenhaus zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angewandt werden, allerdings nur mit der Wirkung, dass durch Entrichtung der maßgeblichen Pflegesätze die besonderen Aufwendungen für diese Behandlungsmaßnahme abgegolten sind. Die Krankenkassen wiederum können dann nicht einwenden, sie müssten keine vollständige Bezahlung der Pflegesätze leisten, weil im Rahmen der stationären Behandlung nicht anerkannte Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden zum Einsatz gekommen sind.

Die stationäre Aufnahme der Klägerin in den S.-Kliniken vom 22. Mai 2000 bis 25. Mai 2000 war allein dazu bestimmt, die von vornherein mit der Klägerin vereinbarte und als privatärztliche Leistung deklarierte epidurale Katheterbehandlung nach Racz durchzuführen. Auf die Infrastruktur eines Krankenhauses wurde zurückgegriffen, um den
mit dieser Behandlung verbundenen, nicht unerheblichen Risiken ggf. mit den apparativen und personellen Mitteln eines Krankenhauses begegnen zu können. Im Falle der Klägerin bezweckte die Krankenhauseinweisung hingegen nicht, die spezifischen
Mittel der Diagnostik und Therapie eines Krankenhauses bereitzustellen. Es ging nicht darum, nach Diagnosestellung unter verschiedenen in Betracht kommenden Therapiemöglichkeiten auszuwählen und für den Fall, dass sich die anerkannten
Standardtherapien nicht als wirksam erweisen sollten, unter Inanspruchnahme besonderen Wissens und besonderer Erfahrung von Krankenhausärzten im Umgang mit komplizierten Krankheitsbildern auch erst in der Entwicklung befindliche Behandlungsformen einzusetzen. Das streitgegenständliche epidurale Wirbelsäulenkatheterverfahren nach Racz wurde zwar in einem Vertragskrankenhaus durchgeführt, aber abrechnungstechnisch in der Form einer privatärztlichen Wahlleistung, die gerade nicht mit den Pflegesätzen abgegolten sein sollte. Eine solche Konstellation
ist im Hinblick auf die Frage der Erstattungsfähigkeit § 135 SGB V und nicht § 137 c SGB V zu unterstellen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SG

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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