S 11 AS 32/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 32/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern darlehensweise Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Maßgabe des Bescheides vom 02.12.2004 auch für die Zeit ab dem 01.05.2005 zu gewähren. Die Verpflichtung gilt bis zum Eintritt der Bindungswirkung des noch zu erlassenden Bescheides über die Weiterbewilligung von Leistungen ab dem 01.04.2005. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im gerichtlichen Eilverfahren um die Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Der Antragsgegner zahlte der aus den Antragstellern bestehenden Bedarfsgemeinschaft seit dem 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach Ablauf des ursprünglichen Bewilligungszeitraum am 01.04.2005 stellte er die Zahlung mit der Begründung ein, der Antragsteller zu 1.) verfüge über verwertbares Vermögen in Gestalt eines Hausgrundstücks. Durch seine Weigerung, sich vertraglich zur Rückzahlung darlehensweise erbrachter Leistungen zu verpflichten und dem Antragsgegner eine Hypothek für seine Darlehensforderung zu bestellen, habe der Antragsteller zu 1.) seine Mitwirkungspflicht verletzt, so dass auch eine darlehensweise Leistung ausscheide.

Die Antragsteller haben am 00.00.0000 einstweiligen Rechtsschutz beantragt.

Sie halten es für unzumutbar, weitere Leistungen von der Bestellung der Hypothek abhängig zu machen. Gegen eine nur darlehensweise Leistung wenden sie ein, dass die Rückzahlungsverpflichtung ihnen nach einem etwaigen Ausscheiden aus dem Leistungsbezug insbesondere bei der Erfüllung anderer Verpflichtungen im Wege sein werde.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 31.03.2005 hinaus zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er bleibt bei seiner bisherigen Auffassung und hat mitgeteilt, die Weiterbewilligung für die Zeit nach dem 31.03.2005 solle mit Bescheid vom 13.05.2005 abgelehnt werden.

Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet, da die Antragsteller Anspruch auf darlehensweise Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab dem 01.05.2005 haben. Im Übrigen ist er unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Zudem darf eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht endgültig (d.h. irreversibel) vorweg genommen werden (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 86 b, Rn. 31 und 40 m.w.N.).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund liegen nach der im gerichtlichen Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung insoweit vor, als die Leistungen darlehensweise zu erbringen sind.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus den §§ 19, 20, 22 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Die Antragsteller sind bedürftig, obwohl der Antragsteller zu 1.) Eigentümer eines Hausgrundstücks ist, denn hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 4 SGB II auch, wem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist; in diesem Fall sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen. Es bedarf keiner weiteren Darlegungen, dass es dem Antragsteller zu 1.) nicht möglich ist, das von ihm und den anderen Antragstellern bewohnte Hausgrundstück so zeitnah zu veräußern, dass auf diese Weise der unmittelbare Bedarf gedeckt wäre. Bereits ganz allgemein lässt sich ein - zumal selbst bewohntes - Grundstück wirtschaftlich sinnvoll nicht "von heute auf morgen" veräußern (SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 25.04.2005, S 11 AS 15/05 ER; Brühl, in: LKP-SGB II, § 9, Rn. 41 m.w.N.).

Der Antragsgegner darf die Leistungsgewährung auch nicht von der Einräumung einer (dinglichen oder anderweitigen) Sicherheit abhängig machen. Nach § 31 des 1.Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - (SGB I) dürfen Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs nur begründet oder festgestellt werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Eine Ermächtigung, die das Vorgehen des Antragsgegners deckt, enthält das Sozialgesetzbuch nicht: Eine § 89 Satz 2 des aufgehobenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entsprechende Vorschrift, wonach die darlehensweise Hilfegewährung von der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs abhängig gemacht werden kann, gibt es im SGB II nicht (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 9, Rn. 49). Eine analoge Anwendung von § 91 Satz 2 SGB XII scheitert jedenfalls am Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke, denn die Aufnahme einer solchen Vorschrift in das neue Recht der Sozialhilfe zeigt, dass dem Gesetzgeber die Problematik bewußt war (vgl. auch SG Gelsenkirchen, a.a.O.). Das Vorgehen des Antragsgegners stellt auch keinen Fall einer zulässigen Ermessensausübung dar, denn § 9 Abs. 4 SGB II enthält - anders als die Vorgängervorschrift in § 89 Satz 1 BSHG - keinen Ermessenspielraum. Auch der Verweis des Antragsgegners auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht überzeugt nicht. Mitwirkungspflichten und -obliegenheiten, deren Verletzung sanktioniert ist, enthalten die §§ 60 bis 64 SGB I und die §§ 56 bis 62 SGB II, die beide jedoch offensichtlich nicht einschlägig sind. Auf einen etwaigen Verstoß gegen die Obliegenheit in § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II kann der Antragsgegner sein Vorgehen nicht stützen, denn diese programmatischen Vorschriften sind jedenfalls zu unbestimmt, um derartige Einschnitte zu rechtfertigen.

Einen Anspruch auf weitergehende (d.h. nicht nur darlehensweise) Leistungen haben die Antragsteller hingegen bereits dem klaren Wortlaut von § 9 Abs. 4 SGB II nach nicht. Ihr Interesse, zu einem späteren Zeitpunkt nicht auch noch mit Rückzahlungsverpflichtungen belastet zu sein, muss hinter dem öffentlichen Interesse an einer sinnvollen Verwendung der steuerfinanzierten Mittel für die Grundsicherung zurückstehen.

Ein Anordnungsgrund ist hinreichend glaubhaft gemacht. Das Gericht sieht keinen Anlass, an den Angaben der Antragsteller, sie verfügten nicht mehr über die erforderlichen Mittel zu Sicherung ihres notwendigen Lebensunterhalts, zu zweifeln. Eine zügige Verwertung des Hausgrundstücks ist - wie dargelegt - ausgeschlossen. Kein Anordnungsgrund besteht nur hinsichtlich der Leistungen für den bereits verstrichenen Monat April 2005.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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