L 10 AL 374/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 175/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 374/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 110/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.09.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rückforderung eines Eingliederungszuschusses (EZ) in Höhe von 17.729,64 DM (9.065,02 EURO).

Der Kläger ist Inhaber eines Malerbetriebes. Er beantragte am 26.03.1999 bei der Beklagten die Gewährung eines EZ bei erschwerter Vermittlung für die Einstellung des 1948 geborenen Arbeitnehmers K. (K.) zum 01.04.1999 als Maler. Mit der Antragstellung verpflichtete sich der Kläger, den EZ zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten nach Ende der Förderungszeit beendet wird. Dies gelte u.a. nicht, wenn er berechtigt sei, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers erfolge, ohne dass er den Grund hierfür zu vertreten habe.

Mit Bescheid vom 06.05.1999 bewilligte die Beklagte einen EZ für den Arbeitnehmer K. für die Zeit vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 in Höhe von 1.477,47 DM monatlich. In den Nebenbestimmungen des Bescheides war die Rückzahlungsverpflichtung erneut dargelegt worden.

In der Folgezeit zahlte die Beklagte den EZ monatlich aus. Vor Auszahlung des letzten Teilbetrages stellte sie fest, dass K. in der Zeit vom 16.07.1999 bis 26.09.1999 kein Arbeitsentgelt sondern Krankengeld bezogen hatte. Auf Antrag des Klägers auf Verlängerung des Förderungszeitraums erging der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2000. Dieser wies in der Betreffzeile folgende Formulierung auf: "Änderung zum Bewilligungsbescheid vom 06.05.1999". Weiter wird ausgeführt, dass der EZ für die Dauer vom 01.04.1999 bis 11.06.2000 unter Berücksichtigung der Unterbrechung der Zahlung des Arbeitsentgelts in der Zeit vom 16.07.1999 bis 26.09.1999 gewährt werde.

Der Kläger kündigte dem K. mit Schreiben vom 23.03.2001 zum 01.04.2001. Nach Anhörung forderte die Beklagte vom Kläger die Erstattung des geleisteten EZ in Höhe von 17.729,64 DM (Bescheid vom 12.11.2001). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2002 zurück. Das Beschäftigungsverhältnis sei innerhalb der Nachbeschäftigungszeit beendet worden. Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht nach § 223 Abs 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung seien nicht erkennbar.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Eine Rückzahlungsverpflichtung bestehe nicht, da ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorgelegen habe. Dieser Grund sei in den häufigen Krankheitsfehlzeiten des K. zu sehen. Insbesondere habe Arbeitsunfähigkeit vom 13.06.2000 bis zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses und vermutlich weit darüber hinaus bestanden. Betrieblich sei die dauerhafte Leistungsunfähigkeit des K. nicht mehr zu verkraften gewesen. Dies habe er dem K. erklärt, der dies auch so gesehen habe und mit einer außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden gewesen sei. Aus seinem Einverständnis und dem Unterlassen arbeitsrechtlicher Schritte sei zu folgern, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Bestreben des K. erfolgt sei.

Mit Urteil vom 18.09.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Rückzahlungsverpflichtung folge aus § 223 SGB III in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sei nicht in den Krankheitszeiten zu sehen. Auf krankheitsbedingte Fehlzeiten könne nur eine fristgerechte Kündigung gestützt werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht auf Bestreben des K. erfolgt, da weder eine einvernehmliche Beendigung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages vorliege, noch K. um die Kündigung nachgesucht habe.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Es sei auf § 223 SGB III in der ab 01.08.1999 geltenden Fassung abzustellen, der weniger strenge Anforderungen an das Entfallen einer Rückzahlungspflicht stelle. Diese entfalle vorliegend, weil das Arbeitsverhältnis aus in der Person des K. liegenden Gründen, den krankheitbedingten Fehlzeiten, hätte gekündigt werden können. Das neue Recht sei anzuwenden, da durch Bescheid vom 11.07.2000 die Ausdehnung des Förderungszeitraums auf den 11.06.2000 zuerkannt worden sei. § 422 Abs 2 SGB III bestimme, dass bei einer zeitlich befristeten Bewilligung - hier die Bewilligung für die Zeit vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 - das neue Recht bei einer Verlängerung auch anzuwenden sei, wenn sich der Bewilligungszeitraum nahtlos an den vorhergehenden Zeitraum anschließe. Der Bescheid vom 11.07.2000 sei auch insgesamt als maßgeblich für die Rückzahlungsverpflichtung anzusehen, da erst durch diesen Bescheid der Nachbeschäftigungszeitraum über den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hinaus verlängert worden sei. Im Übrigen möge sich der Senat mit der Frage auseinandersetzen, ob der Forderungseinzug für den Kläger eine unbillige Härte bedeute. Dies sei hilfreich, da die für einen Forderungserlass nach § 76 Abs 2 Nr 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zuständige Stelle die Einschätzung des Senats zu teilen habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 18.09.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass es sich bei dem Bescheid vom 11.07.2000 nicht um eine Verlängerung der Leistung i.S. des § 422 Abs 2 SGB III gehandelt habe. Eine solche Verlängerung setze eine neue Entscheidung über den Anspruch auf EZ dem Grunde nach voraus. Vorliegend gehe es jedoch nur um die Weiterbewilligung um den Zeitraum, für den der Kläger eigentlich zur Erstattung des EZ verpflichtet gewesen sei. Dieser Zeitraum sei an dem im Ausgangsbescheid benannten Zeitraum angehängt worden. Eine Anordnung, dass dem Kläger über die bisher bewilligten 12 Monate auch für den verlängerten Zeitraum der EZ ausbezahlt werde, sei nicht erfolgt.

Der Kläger erwiderte, dass unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten lediglich von einer Verrechnung und nicht von einer Bewilligung des EZ für den Zeitraum 01.04.2000 bis 11.06.2000 auszugehen sei. Es sei aber nicht nachvollziehbar, inwiefern ein Auszahlungszeitraum von 12 Monaten mit einem Förderungszeitraum von über 15 Monaten korrespondiere.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2002 abgewiesen.

Als maßgebliche Rechtsgrundlage ist vom SG zutreffend § 223 Abs 2 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung (Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung -AFRG- vom 24.03.1997) herangezogen worden. Denn nach der Übergangsbestimmung des § 422 Abs 1 SGB III, die sich auch auf die Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen für EZ und deren Rückzahlung erstreckt (BSG SozR 3-4300 § 422 Nr 2), sind bei Änderungen des SGB III, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des In-Kraft-Tretens maßgebenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist (Nr 1), die Leistung zuerkannt worden ist (Nr 2) oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist (Nr 3). Der EZ ist hier für einen zum 01.04.1999 beginnenden Förderungszeitraum und mit Bescheid vom 06.05.1999 bewilligt worden. Daraus folgt nach § 422 Abs 1 Nrn 2, 3 SGB III, dass für den gesamten Förderungsvorgang das zu diesem Zeitpunkt geltende Recht maßgeblich bleibt.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 422 Abs 2 SGB III. Diese lautet: Ist eine Leistung nur für einen begrenzten Zeitraum zuerkannt worden, richtet sich eine Verlängerung nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung geltenden Vorschriften. Zwar ist mit Bescheid vom 06.05.1999 der EZ für 12 Monate unter Benennung eines Zeitraumes vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 bewilligt worden, jedoch ist in der mit Bescheid vom 11.07.2000 erfolgten Erweiterung des Förderungszeitraums nicht eine "Verlängerung" i.S. des § 422 Abs 2 SGB III zu sehen. Denn vorausgesetzt wird eine Verlängerung von Leistungen, also vorliegend eine Entscheidung über das erneute Zustehen des EZ für einen weiteren Zeitraum. Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich die Gewährung von EZ im Ermessen der Beklagten steht (§ 3 Abs 5 SGB III), wobei sich das Ermessen auf das Ob, auf die Höhe und die Dauer der Zahlung in den Grenzen der §§ 217 ff SGB III bezieht. Eine derartige Entscheidung hat die Beklagte nicht getroffen. Sie hat lediglich den Bescheid vom 06.05.1999 hinsichtlich der Benennung des Förderungszeitraums, nicht aber hinsichtlich der Förderungsdauer - iSd Erbringung von Leistungen über die festgelegten 12 Monate hinaus - abgeändert. Eine Entscheidung über eine erneute Gewährung des EZ war der Beklagten auch nicht möglich, da der Arbeitnehmer K. nicht mehr zum förderungsfähigen Personenkreis gehörte, denn er war weder vor noch nach dem 31.03.2000 arbeitslos, so dass das Förderungsziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erreicht werden konnte.

Dies ergibt sich auch aus der Betreffzeile des Bescheides vom 11.07.2000, nach der eine Änderung des Ausgangsbescheides und nicht eine Neubewilligung beabsichtigt war. Der Zusatz, nach dem der EZ für die Dauer vom 01.04.1999 bis 11.06.2000 "unter Berücksichtigung der Unterbrechung der Zahlung des Arbeitsentgelts in der Zeit vom 16.07.1999 bis 26.09.1999 gewährt werde", zeigt, dass nicht von einer Entscheidung dem Grunde nach über einen neuen Bewilligungsabschnitt auszugehen ist.

Deutlich wird, dass die Erweiterung des Förderungszeitraums allein erfolgte, um eine Rückforderung des EZ nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum zu vermeiden, in dem K. nicht Arbeitsentgelt, sondern Krankengeld bezogen hat. Im Ergebnis hat die Beklagte die Auszahlung des EZ für die Zeit vom 01.04.1999 bis 11.06.2000 bewilligt, aber zutreffend nur 12 Monate ausgezahlt (vgl. § 218 Abs 4 Satz 2 SGB III in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung).

Die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach § 223 Abs 2 Satz 1 SGB III in der bis 31.07.1999 geltenden Fassung sind erfüllt. Der EZ ist zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens von 12 Monaten nach dem Ende des Förderungszeitraums, beendet wird. Dies war hier der Fall. Das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers K. endete zum 01.04.2001, also innerhalb von 12 Monaten nach dem Ende des durch Bescheid vom 11.07.2000 erweiterten Förderungszeitraums.

Eine Rückzahlungspflicht besteht nach § 223 Abs 2 Satz 2 SGB III in der bis 31.07.1999 geltenden Fassung nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (Nr 1). Dies war hier nicht der Fall, weil die Krankheitszeiten des K. nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten. Nach § 626 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nur gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers ist in der Regel nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (BAG AP Nr 3 zu § 626 BGB). Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Ultima-Ratio-Grundsatzes und setzt besondere Umstände des Einzelfalles voraus, aufgrund derer dem Arbeitgeber im Einzelfalle ausnahmsweise die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar erscheint. Solche Umstände sind in der Rechtsprechung und in der Kommentierung erwogen worden für die Fälle des tarifvertraglichen Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit (BAG NJW 1996, 2446, dann aber mit einer sozialen Auslauffrist im Wege der vor Eintritt der Unkündbarkeit zuletzt zu wahrenden Frist zur ordentlichen Kündigung) sowie in sonstigen extremen Ausnahmefällen von abschreckenden ekelerregenden oder ansteckenden Erkrankungen. Dies zugrunde gelegt sind keine Umstände erkennbar, aus denen sich das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ergibt.

Der Befreiungstatbestand des § 223 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III ist ebenfalls nicht erfüllt, da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf Bestreben des K. hin erfolgt. K. hat sich lediglich passiv verhalten, so dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihm nicht zugerechnet werden kann.

Eine Entscheidung über das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S. von § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV ist nicht veranlasst, auch wenn der Senat angesichts der zum Zeitpunkt der Kündigung für den Kläger unübersichtlichen Rechtslage und dem offensichtlichen Abwarten des Klägers mit der Kündigung bis zum Ablauf von 24 Monaten nach Beginn der Maßnahme das Vorliegen einer unbilligen Härte für naheliegend hält. Der in dieser Vorschrift angesprochene Forderungserlass ist allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, denn die Beklagte hat über einen Erlass keine Entscheidung getroffen.

Nach alledem war die Entscheidung des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG ist nicht anzuwenden, da der Arbeitgeber bei Streitigkeiten über Eingliederungszuschüsse als Leistungsempfänger zu demjenigen durch § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört, für den Gerichtskostenfreiheit besteht (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 2).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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