L 3 KA 5005/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 5006/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KA 5005/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufungen der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.01.2004 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung vorbehalten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfungen des Beklagten bezüglich der Quar- tale 3/1993 bis 4/1995 (10 Quartale).

Der beklagte Beschwerdeausschuss unterzog die Honorarabrechnungen des als MKG-Chirurg sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Klägers für die Quartale 3/1993 bis einschließlich 4/1995 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung und schloss diese mit einer Vergütungsberichtigung von insgesamt 886.287,66 EUR mit jeweiligen Bescheiden vom 09.12.2002 ab.

Vorausgegangen waren bereits zu allen vorgenannten Quartalen Beschwerdeentscheidungen die keinen Bestand hatten, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) in einem von den Beteiligten als Musterprozess zum Quartal 1/1994 geführten Urteil vom 27.06.2001 (B 6 KA 43/00 R) den Bescheid des Beklagten aufhob und diesen zur Neuverbescheidung des Widerspruchs des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtete. Das BSG beanstandete insbesondere, dass bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung Besonderheiten hätten geprüft werden müssen, die darin liegen könnten, dass die vom Kläger in seiner Tagesklinik erbrachten Leistungen von anderen MKG-Chirurgen als Belegarzttätigkeiten vertragsärztlich abgerechnet werden.

Die daraufhin neuverbeschiedenen Widersprüche führten lediglich zu teilweise verminderten Vergütungberichtigungen; im Wesentlichen wurden die Honorarminderungen in Bescheiden jeweils vom 09.12.2002 jedoch aufrechterhalten.

Gegen die Beschwerdeentscheidungen vom 09.12.2002 hat der Kläger jeweils Klagen beim Sozialgericht München (SG) erhoben. Die unter verschiedenen Aktenzeichen (S 38 KA 5006/03 fortlaufend bis S 38 KA 5015/03) geführten Klagen hat das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 21.01.2004 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des BSG im Urteil vom 27.06.2001 neu zu entscheiden. Es hat seine Entscheidung auf formelle Fehler der Beschwerdeentscheidung des Beklagten gestützt. Dieser habe Vorschriften der Prüfvereinbarung nicht beachtet und dem Kläger nicht in erforderlichem Maße rechtliches Gehör gewährt.

Dagegen haben die Beigeladenen zu 1), 2), 6) und 7) Berufungen eingelegt. Sie haben darauf hingewiesen, dass der Beklagte infolge der Neuregelung durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) seit dem 01.01.2004 nicht existent gewesen sei und der Fortsetzung des Verfahrens ein Prozesshindernis entgegengestanden habe. Das Urteil hätte aus formellen Gründen nicht ergehen dürfen. Sie verwiesen auf die Entscheidung des BSG vom 28.04.2004 (B 6 KA 8/03 R).- Die Beigeladenen zu 1), 2), 6) und 7) beantragen, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.01.2004 auf- zuheben und die Klagen abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht München zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufungen der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.01.2004 zurückzuweisen.

Es sei ihm nicht zumutbar, nachdem über vier Gerichtsinstanzen gestritten worden sei und die Beschwerdebescheide noch immer als rechtwidrig anzusehen seien, noch länger auf den rechtmäßigen Abschluss des Prüfverfahrens zu warten. Dieses Verfahren ziehe sich nunmehr über mehr als zehn Jahre hin; er sehe sich einem ewigen Prüfverfahren ausgesetzt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der - notwendig Beigeladenen zu 1), 2), 6) und 7) - sind zulässig (Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 75 Anm. 17b und 19) und im Sinne der Zurückverweisung gemäß § 159 Abs.1 Nr.2 SGG an das Sozialgericht begründet.

Nach § 159 Abs.1 Nr.2 SGG kann das Bayer. Landessozialgericht auf die Berufung eines Beteiligten die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Das sozialgerichtliche Urteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, denn im Urteilszeitpunkt war das Verfahren unterbrochen.

Grund hierfür ist die Neuregelung der Zusammensetzung der Prüfgremien bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen in der vertragsärztlichen Versorgung durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl.I 2190) mit Wirkung vom 01.01.2004. Der Prüfungs- und Beschwerdeausschuss muss von einem unparteiischen Vorsitzenden geleitet werden, dessen Stimme bei Abstimmungen im Falle der Stimmengleichheit den Ausschlag gibt (§ 106 Abs.4 Sätze 2 und 4 des Fünften Sozialgesetzbuchs - SGB V - n.F.). Im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Prüfbescheiden aus der Zeit bis Ende 2003 hat der Vorsitzende, der auf der Grundlage der ab 01.01.2004 geltenden Vorschriften bestimmt worden ist, den Ausschuss gerichtlich zu vertreten. Solange dieser noch nicht bestellt ist, ist das Gremium prozessual nicht handlungsfähig (so BSG vom 28.04.2004, B 6 KA 8/03 R).

Im Urteilszeitpunkt (21.01.2004) war naturgemäß ein Vorsitzender entsprechend der Neuregelung im GMG noch nicht bestimmt. Nach Kenntnis des Senats war der Beschwerdeausschuss im gesamten Jahr 2004 nicht dem GMG entsprechend besetzt. Der Beschwerdeausschuss war daher prozessual handlungsunfähig und dementsprechend war das gerichtliche Verfahren beim Sozialgericht München unterbrochen gemäß § 241 Abs.1 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 202 SGG.

Bei Unterbrechung eines Verfahrens besteht ein rechtlicher Stillstand und Handlungen des Gerichts während des Stillstands sind unzulässig. Die Unterbrechung ist von Amts wegen zu beachten (Thomas-Putzo, ZPO, 24. Auflage, vor § 239 Anm.4, 7) und Handlungen des Gerichts während der Unterbrechung, die nach außen wirken, sind zu wiederholen.

Damit liegt ein Verfahrensmangel vor und der Senat hält es in Ausübung des im Rahmen des § 159 Abs.1 Nr.2 SGG gegebenen Ermessens für geboten, die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen. Dem Beschwerdeausschuss in der nach dem GMG erforderlichen Besetzung muss Gelegenheit gegeben werden, seinen Standpunkt in der ersten Instanz zu vertreten. Eine Verkürzung des Rechtsschutzes der Beteiligten (Überprüfungsmöglichkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsinstanz) kann im Hinblick auf das wirtschaftliche Ausmaß des Rechtsstreites nicht hingenommen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (Meyer-Ladewig, SGG, § 159 Anm.5d).

Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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