L 13 KN 17/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 49/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 KN 17/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente.

Die 1931 geborene Klägerin ist die Witwe des am 12. November 2001 verstorbenen J. B. (Versicherter). Aus der am 10. Juni 1960 geschlossenen Ehe sind zwei Kinder (J. , geb. 1960 und G. , geb. 1963) hervorgegangen. Die Ehe wurde auf Antrag der Klägerin mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 2. Februar 1966 - rechtskräftig seit 13. Mai 1966 - ohne Schuldausspruch geschieden. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, die Ehe werde gemäß § 45 Ehegesetz (EheG) geschieden, weil die geistige Gemeinschaft zwischen den Parteien infolge einer Geisteskrankheit des Versicherten aufgehoben und ihre Wiederherstellung nicht zu erwarten sei. Beide Eheleute haben nicht wieder geheiratet.

Am 14. Januar 2002 beantragte die Klägerin bei der Landesversicherungsanstalt Schwaben (LVA) die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente. Sie gab u.a. an, sie habe vom Versicherten während des letzten Jahres vor seinem Tode keinen Unterhalt erhalten, der Versicherte sei nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen und sie habe auf Unterhalt verzichtet (Anlage zum Rentenantrag vom 17. Januar 2002). Die LVA leitete den Antrag an die zuständige Beklagte weiter.

Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 30. August 2002). Nach § 243 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehe kein Anspruch auf große Witwenrente, weil die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt erhalten und auch kein Anspruch auf Unterhalt bestanden habe. Die Ehe mit dem Versicherten sei ohne Schuldausspruch geschieden worden. Gemäß § 61 Abs. 2 EheG obliege in diesen Fällen eine Unterhaltspflicht (nur) dem Ehegatten, der die Scheidung der Ehe verlange, hier also der Klägerin.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, der Versicherte sei nicht zu Unterhaltsleistungen in der Lage gewesen, weil er 36 Jahre lang in Nervenkliniken gewesen sei. Sie habe die gemeinsamen Kinder ohne finanzielle Hilfe des Staates oder anderer Stellen aufgezogen, sei Tags und Abends arbeiten gegangen um die Familie zu ernähren und habe nicht auch noch für ihren Mann aufkommen können. Außerdem übersandte sie ein Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 1988 - Az 5/5b RJ 100/86 - (= BSGE 64, 167) betreffend die Unbeachtlichkeit eines nur deklaratorischen Unterhaltsverzichts (so genannte leere Hülse).

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2003). Sie legte nochmals dar, dass bei einer Scheidung ohne Schuldausspruch gemäß § 61 Abs. 2 EheG nur der die Scheidung beantragende Ehegatte unterhaltspflichtig sei. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten habe daher zu keinem Zeitpunkt bestanden. Demgegenüber betreffe die Entscheidung des Bundessozialgerichts einen bestehenden, aber nicht zu realisierenden Unterhaltsanspruch.

Dagegen hat die Klägerin am 4. März 2003 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben. Sie hat erneut auf das vorgelegte Urteil des BSG hingewiesen und nochmals vorgetragen, der Versicherte habe ihr wegen seiner Erkrankung keinen Unterhalt leisten können.

Das SG hat die Klage abgewiesen ( Urteil vom 31. Oktober 2003). Die Anspruchsvoraussetzung des § 243 Abs. 3 Nr. 3 SGB VI für eine große Witwenrente sei nicht erfüllt. Die Klägerin habe im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt von diesem erhalten und auch keinen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten gehabt.

Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche der Eheleute bestimmten sich nach dem EheG, da die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden sei. Die gegenseitige Unterhaltspflicht sei in den §§ 58 ff. EheG geregelt. Dabei bestimmten die §§ 58 bis 60 EheG die Unterhaltspflicht bei einer Scheidung mit Schuldausspruch, § 61 EheG die Unterhaltspflicht bei einer Scheidung ohne Schuldausspruch. § 61 Abs. 1 EheG bestimme hierzu, dass die Vorschriften der §§ 58 (Unterhaltspflicht des allein oder überwiegend für schuldig erklärten Ehemannes) und 59 (Unterhaltspflicht der allein oder überwiegend für schuldig erklärten Ehefrau) EheG entsprechende Anwendung fänden, wenn die Ehe allein aus einem der in den §§ 44 bis 46 und 48 EheG bezeichneten Gründe geschieden worden sei und das Urteil einen Schuldausspruch enthalte. Für den Fall, dass das Urteil - wie bei der Klägerin - keinen Schuldausspruch enthalte, lege § 61 Abs. 2 EheG fest, dass der Ehegatte, der die Scheidung verlangt habe, dem anderen Unterhalt zu gewähren habe, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspreche. Somit habe nach der Scheidung zu keinem Zeitpunkt ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten bestanden.

§ 243 Abs. 3 SGB VI, wonach ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente auch bestehe, wenn der geschiedene Ehegatte (nur) wegen eines Arbeitsentgelts (aus eigener Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit) oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten keinen Unterhaltsanspruch nach § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI habe, sei ebenfalls nicht erfüllt, weil bereits keine gesetzliche Grundlage für einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten bestanden habe. Daran ändere auch das vorgelegte Urteil des BSG nichts. Danach könne ein wirksamer und umfassender Unterhaltsverzicht, der grundsätzliche einen (Unterhalts)Anspruch nach § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI vernichte, unschädlich sein, wenn auch ohne den Verzicht ein Unterhaltsanspruch aus den in § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI genannten Gründen (fehlende Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten oder fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten) nicht bestanden hätte. Ein Unterhaltsanspruch scheitere im Fall der Klägerin aber nicht an den (nach- ehelichen) Einkommensverhältnissen der Ehegatten, sondern am Fehlen einer Anspruchsgrundlage. Unerheblich sei, dass die Klägerin auch auf Grund Verschuldens des Versicherten hätte geschieden werden können. Das BSG habe in einem gleich gelagerten Fall einer Ehescheidung nach § 48 EheG, auf den § 61 EheG ebenfalls Anwendung finde, ausgeführt, dass sich der frühere Ehegatte an den Ausspruch eines von ihm nach § 48 EheG erwirkten Scheidungsurteils auch dann festhalten lassen müsse, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, eine für ihn unterhaltsrechtlich günstigere Scheidung wegen Verschuldens des Versicherten zu begehren. Darin sei kein Unterhaltsverzicht zu sehen (BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr. 8). Die von der Klägerin geltend gemachten Härten könnten nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da ein Härteausgleich gesetzlich nicht vorgesehen sei.

Gegen das am 11. November 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. November 2003 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt und erneut geltend gemacht, sie habe ihre Kinder ohne Unterstützung des Staates groß gezogen. Es sei jetzt an der Zeit, etwas gutzumachen und nicht auf einem Paragrafen herum zu reiten. Nun werde sie bestraft, weil sie gearbeitet und vom Sozialamt nichts erhalten habe.

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auf Grund des Antrags vom 14. Januar 2002 Geschiedenenwitwenrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zu Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 30. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2003, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin auf Grund ihres Antrags vom 14. Januar 2002 eine Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des verstorbenen J. B. zu zahlen. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2003 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach § 243 SGB VI.

Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nur in Betracht kommt, wenn die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten von diesem tatsächlich Unterhalt erhalten hat oder gegen den Versicherten einen Unterhaltsanspruch hatte. Dass sie tatsächlich keinen Unterhalt erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Sie hatte, wie sich aus § 61 Abs. 2 EheG ergibt, aber auch keinen Unterhaltsanspruch, da die Ehe ohne Schuldausspruch auf Antrag der Klägerin selbst geschieden worden ist. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Unterhaltsverzicht, auf die die Klägerin Bezug genommen hat, findet hier keine Anwendung, da ihr Rentenanspruch nicht an einem Unterhaltsverzicht scheitert.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie werde dafür bestraft, dass sie gearbeitet und nicht das Sozialamt in Anspruch genommen habe, trifft dies nicht zu, denn ihrem Rentenanspruch steht nicht ihre Erwerbstätigkeit oder eine fehlende Unterhaltsbedürftigkeit entgegen, sondern allein die Tatsache, dass sie nach dem hier maßgebenden EheG gegen den Versicherten - unabhängig von ihrer Bedürftigkeit - keinen nachehelichen Unterhaltsanspruch hatte. Die Klägerin könnte somit auch dann keine Geschiedenenwitwenrente beanspruchen, wenn sie keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern Sozialhilfe bezogen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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