L 5 R 175/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 536/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 175/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 127/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 20.02.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Überprüfungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1941 in der Türkei geborene Kläger besitzt die türkische Staatsangehörigkeit und hat seinen Wohnsitz in Deutschland. In der Heimat legte er Versicherungszeiten von 1966 bis 1972 zurück; daraus bezieht er seit 01.03.1993 eine Invaliditätsrente.

In Deutschland legte er von 1972 an mit Unterbrechungen Versicherungszeiten zurück. 1983 erlitt er wegen einer koronaren Herzkrankheit einen Vorderwandinfarkt, der zu einem Heilverfahren in der LVA-Klinik Bad W. führte. Von dort wurde er als arbeitsfähig entlassen, nachdem eine ausreichende Herzbelastbarkeit gegeben war (Entlassungsbericht vom 25.04.1984). Im August 1986 trat eine akute Verschlechterung ein, verbunden mit zunehmenden stenokardischen Beschwerden, weswegen der Kläger nach einer Herzkatheter-Untersuchung im Stiftsklinikum A. Oktober 1986 infolge dort festgestellter Koronarsklerose seit August 1986 dauerhaft nur noch unter zwei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig ist (Gutachten des Dr. S. S. vom 18.03.1987).

Einen Antrag vom 12.02.1987 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit (EU/BU) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 1987/Widerspruchsbescheid vom 23.02. 1988 ab, weil der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Vor Eintritt der Erwerbs- unfähigkeit zum 15.08.1986 habe er im durch Ausfallzeiten bis 01.03.1981 erweiterten fünfjährigen Zeitfenster lediglich 23 Pflichtbeitragsmonate anstelle der erforderlichen 36 aufzuweisen. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (S 12 Ar 163/88) hat der Kläger erstmals geltend gemacht, durch Berücksichtigungszeiten infolge Kindererziehung erfülle er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Er sei der leibliche Vater des T. G ... Dieser war gemäß Geburtsurkunde des Standesamtes K. dort 1980 als Sohn der M. K. und des - von dieser am 29.11. 1979 in der Türkei geschiedenen - B. G. geboren worden. Nach dem Personenstandsregister des Dorfes H. , Landkreis K. , Provinz A. vom 08.08.1983 sei er nicht nur Vater von vier mit seiner Frau H. K. gezeugten Kindern, sondern auch Vater des 1980 geborenen T. G ...

In der mündlichen Verhandlung vom 02.03.1989 hat die Kindesmutter angegeben, die Ehefrau des Klägers sei die Schwester ihres Mannes, der jedoch nicht der Vater des Kindes T. sei; dies sei vielmehr der Kläger. Sie habe in K. , K.straße gewohnt, das Kind habe seit Geburt in ihrem Haushalt gelebt. Der Kläger habe mit seinen vier ehelichen Kindern und seiner Ehefrau in K. , G.straße, gelebt. Er habe das Kind dadurch betreut, dass er morgens seine Frau zur Arbeit gefahren und die Kinder betreut habe. Er habe die Kinder in den Kindergarten gebracht und von dort wieder abgeholt. Soweit der Kläger T. mit nach Hause genommen hatte, habe er ihn nach Rückkunft seiner Mutter von der Arbeit zu ihr nach Hause gebracht. Das Kind sei vom dritten Lebensjahr bis zur Einschulung ganztags im Kindergarten gewesen.

Am 03.03.1989 hat der Kläger beantragt, ihm die Kindererziehungszeit von zwölf Monaten ab Geburt des Kindes T. sowie die zehnjährige Berücksichtigungszeit zuzuschreiben, weil er dessen Vater sei und dieses Kind in den ersten zwölf Monaten betreut habe. Das Kind sei sein uneheliches, jedoch nicht sein Stief- oder Pflegekind. Die Kindesmutter hat am gleichen Tag erklärt, dem Kläger seien die ersten zwölf Monate nach der Geburt wegen Kindererziehung sowie die zehnjährige Berücksichtigungszeit zuzuschreiben.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger beantragt, ihm das Kind T. beizuschreiben und diesem seinen Namen zu erteilen. Das Verfahren endete durch Antragsrücknahme vor dem Amtsgericht K. vom 01.10.1990. Eine gleichzeitig betriebene Klage wegen Ehelichkeitsanfechtung endete mit rechtskräftigem klageabweisenden Urteil des Amtsgerichts K. vom 17.05.1993 (Geschäftsnummer 3 C 766/91). In der Urteilsbegründung führte das Amtsgericht K. aus, dass nach einem Sachverständigengutachten des Prof.Dr.Dr.S. der Kläger nicht Erzeuger des Kindes T. sei. Daraufhin nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 14.12.1994 die Klage vor dem Sozialgericht Augsburg zurück.

In der Folge des Verfahrens wegen Anfechtung der Ehelichkeit wurde die Mutter des Kindes T. mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts K. vom 23.03.1994 wegen Meineids zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, weil sie wahrheitswidrig angegeben habe, der Kläger hätte mit ihr das Kind T. gezeugt. Die entsprechende vor dem Amtsgericht K. unter Eid abgegebene Aussage sei objektiv und subjektiv unzutreffend gewesen, wie sich aus dem Gutachten des Prof.Dr.Dr. S. zweifelsfrei ergeben habe.

Auf Beschluss des Amtsgerichts K. vom 03.07.1997 wurde dem Geburtseintrag des T. G. ein Randvermerk beigesetzt, wonach das Kind nach türkischem Recht als eheliches Kind des Vaters - des hiesigen Klägers - gelte und den Familienname K. führe.

Am 02.11.2000 beantragte der Kläger eine Überprüfung, ob nach Zuordnung der Kinderberücksichtigungszeiten für das Kind T. die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen EU/BU erfüllt seien. Zur Begründung legte er eine Geburtsurkunde des Standesamtes K. vom 12.09.2000 bei, wonach das Kind T. der Sohn von ihm sowie von M. A. , geschiedene G. sei. Mit Schreiben vom 23.01.2001 wies die Beklagte darauf hin, dass eine gemeinsame Erziehung durch ein Elternpaar im Falle des Kindes T. nicht vorliege. Mit Schreiben vom 07.03.2001 bat der Kläger um nochmalige Überprüfung der Angelegenheit. Mit Bescheid vom 03.04.2001/Widerspruchsbescheid vom 04.07.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 06.07.1987 im Rahmen einer Zugunstenentscheidung sowie auf Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung des T. K. , geboren 1980, ab. Der Kläger habe nicht mit der Kindesmutter in häuslicher Gemeinschaft gelebt; eine gemeinsame Erziehung liege nicht vor, zumal der Kläger vom 09.04.1980 bis 31.07.1981 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg hat der Kläger behauptet, er habe T. zusammen mit der Kindsmutter erzogen. Er habe zwar mit dieser nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, habe jedoch seinen Sohn täglich besucht, sich um ihn gekümmert und damit Einfluss auf dessen Erziehung genommen. Entsprechend der Erklärung vom 03.03.1989 seien ihm die Erziehungszeit und die Berücksichtigungszeit gutzuschreiben. Demgegenüber hat die Beklagte eingewandt, gemäß Beschluss des Amtsgerichts K. - Familiengericht - vom 07.10.1980 sei die elterliche Sorge für das Kind T. auf die Mutter übertragen worden. Aus den Aussagen der Kindsmutter im ersten sozialgerichtlichen Verfahren ergebe sich, dass der Kläger das Kind T. nicht erzogen habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Februar 2004 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Ausgangsbescheid vom 06.07. 1987 sei zutreffend, weil der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen EU/BU nicht erfülle. In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zum 15.08.1986 seien nicht mindestens 36 Pflichtbeitragsmonate vorhanden. Kindererziehungszeiten seien dem Kläger nicht zugute zu bringen, weil er nicht leiblicher Vater des Kindes T. sei. Es liege auch kein Stiefkindverhältnis vor, weil er die Kindesmutter nicht geheiratet habe. Ein Pflegeverhältnis setze voraus, dass ein familienähnliches Verhältnis von solcher Intensität bestanden habe, wie es zwischen Kindern und Eltern üblich und auf Dauer angelegt sei. Die vom Kläger selbst angegebene Betreuung nur tagsüber und entweder bei sich oder bei der Kindsmutter reiche für ein Pflegschaftsverhältnis nicht aus.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und Gewährung einer EU/BU-Rente ab frühestmöglichen Zeitpunkt, zumindest ab 12.02. 1987, sowie Zuerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Erziehung des Kindes T. begehrt. Aufgrund der Geburtsurkunde des Standesamtes K. vom 12.09.2000 müsse er als leiblicher Vater des Kindes T. angesehen werden. Er sei für seinen Sohn T. stets da gewesen und habe diesen mit der Kindsmutter erzogen. Zudem sei er bereits seit 20.10.1983 (Herzvorderwandinfarkt mit Reanimation) erwerbsunfähig. Im Übrigen bestünden weitere Streckungstatbestände in Form von Arbeitslosigkeit sowie Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 20.02.2004 sowie der Bescheide vom 06.07.1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.1988 und des Bescheides vom 03.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2004 die Beklagte zu verurteilen, ihm die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zumindest ab 12.02. 1987, zu gewähren sowie in seinem Versicherungsverlauf die Zeit vom 01.06.1980 bis 31.05.1981 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 28.05.1980 bis 02.05.1990 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken, hilfsweise die Kindsmutter zum Umfang der Betreuung durch ihn zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 20.02.2004 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Amtsgerichts K. (3 C 766/91), die Akten des Strafverfahrens Ls 22 Js 1299/93 sowie die Akten des Sozialgerichts Augsburg S 12 Ar 533/94. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 03.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07. 2001, mit welchem sie es abgelehnt hat, den Bescheid vom 06.07. 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.1988 im Rahmen einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - aufzuheben sowie dem Kläger die Zeit vom 01.06.1980 bis 31.05.1981 als Kindererziehungszeit des 1980 geborenen T. und in der Folge die Zeit vom 28.05.1980 bis 02.05.1990 als Berücksichtigungszeit wegen Erziehung des Kindes T. gutzubringen. Diese Entscheidung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Augsburg zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2004 abgewiesen. Denn der Kläger erfüllt nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der von ihm begehrten Rente wegen EU/BU. Diese können auch nicht durch Beischreibung von Kindererziehungszeiten sowie Berücksichtigungszeiten für das 1980 geborene Kind T. erfüllt werden; die rechtichen Voraussetzungen dafür sind nicht gegeben.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist dieser Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 SGB X.

Anspruch auf Rente wegen EU/BU hat, wer die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt, also erwerbs-/berufsunfähig ist im Sinne von §§ 43, 44, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - bzw., soweit die Zeit vor 31.12.1991 betroffen ist, gemäß §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung - RVO -. Zusätzlich müssen neben der allgemeinen Wartezeit auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dieser Rentenart erfüllt sein. Das heißt, in einem Zeitfenster von fünf Jahren, welches ab Eintritt der EU/BU fünf Jahre in die Vergangenheit zurückreicht, müssen mindestens 36 Kalendermonate einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen. Das fünfjährige Zeitfenster erweitert sich um Ausfallzeiten gemäß § 1259 Abs.1 Satz 1 Nr.1 bis 4 RVO (jetzt Anrechnungszeiten gemäß § 58 SGB VI), Zeiten der Erziehung eines Kindes (§ 56 SGB VI) sowie um Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit gemäß § 1259 Abs.1 RVO (§ 58 SGB VI), falls diese keine Ausfallzeiten wären, weil eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht unterbrochen wurde.

Zur Ermittlung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ist deshalb zunächst festzustellen, ab welchem Zeitpunkt EU/BU eingetreten ist, und von dort aus das fünf Jahre zurückreichende Zeitfenster zu ermitteln sowie dessen mögliche Erweiterung durch besondere versicherungsrechtliche Zeiten festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 31/99 R. Nach dem gesamten Akteninhalt und insbesondere nach der medizinischen Dokumentation ist der Kläger seit August 1986 infolge einer akuten schweren Koronarsklerose, schlechter Ventrikelfunktion und Kammerflimmern nur noch in der Lage, Arbeitsleistungen unter zwei Stunden zu erbringen. Dies hat auch der Internist/Sozialmediziner Dr.S. S. in seinem Gutachten vom 18.03.1987 unter Auswertung der medizinischen Befunde zutreffend festgestellt; von diesem Datum gehen auch die Beteiligten aus. Seither ist der Kläger erwerbsunfähig.

Für die Annahme eines früheren Zeitpunkts des Eintritts von EU/ BU fehlt es an Anhaltspunkten. Im Gegenteil spricht der Entlassungsbericht der LVA Klinik Bad W. vom 25.04.1984 dagegen, dass beim Kläger schon eher eine maßgebliche Herabsetzung der beruflichen Leistungsfähigkeit eingetreten wäre. Der Kläger hatte zwar 1983 einen ersten Vorderwandinfarkt erlitten. Dieser war jedoch in der Folgezeit behandelt worden und schließlich ein Zustand hergestellt worden, der eine ausreichende Herzbelastbarkeit ergeben hatte. Dementsprechend wurde der Kläger aus dem Heilverfahren Bad W. als arbeitsfähig entlassen. Ausgehend davon, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben ohne Berufsausbildung, Anlernzeit oder Umschulung beschäftigt und zuletzt als Bauarbeiter tätig war, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Berufsschutz genießen und deshalb mangels Verweisbarkeit auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bereits im Jahre 1983/1984 berufsunfähig geworden sein könnte.

Entgegen dem Vorbringen in der Berufung ist auch nicht ersichtlich, dass für den Kläger nach der Entlassung aus dem Heilverfahren in Bad W. Arbeitsunfähigkeitszeiten anzunehmen wären. Zeiten der Arbeitslosigkeit können nicht als Verlängerungstatbestand dienen, obwohl der Kläger im Mai 1984 sowie vom 11.06.1985 bis 04.09.1986 und wieder ab 25.05.1987 arbeitslos gemeldet war. Denn nach § 1246 Abs.2a RVO sind sechs Monate vor Beginn dieser Zeiten keine Beiträge oder andere Zeiten im Sinne von § 1246 Abs.2a Ziffer 1 bis 5 RVO vorhanden. Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen, wie dargelegt, nach dem Entlassungsbericht Bad W. nicht vor, zudem bestand für die entsprechende Zeit keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ebenso wenig wie ein Bezug von Leistungen gemäß § 1259 Abs.1 Ziffer 1 RVO. Hierauf war der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits mit Schreiben des SG Augsburg vom 16.08.1988 hingewiesen worden, ohne dass in der Folgezeit ein Vortrag erfolgt wäre, der eine andere Beurteilung ermöglicht hätte. Vielmehr entspricht dem die Auskunft des Arbeitsamtes K. vom 03.11.1988. Die Beklagte hat damit zutreffend ein durch Ausfallzeiten infolge der Arbeitsunfähigkeit nach dem ersten Vorderwandinfarkt erweitertes Zeitfenster bis zum 01.03. 1981 festgelegt. In dem entsprechenden Zeitraum sind jedoch nur 23 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten vorhanden.

Weitere Aufschubzeiten oder Ausnahmevorschriften, die dieses Zeitfenster nochmals erweitern könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere können dem Kläger nicht Zeiten der Erziehung des Kindes T. gutgebracht werden. Aus dem Verfahren auf Anfechtung der Ehelichkeit des T. und dem dort eingeholten Sachverständigengutachten des Prof.Dr.Dr.S. ergibt sich unzweifelhaft, dass der Kläger nicht der leibliche Vater des T. im Sinne von § 56 Abs.1 Nr.2 SGB I ist. Der Senat berücksichtigt dabei insbesondere auch, dass die Kindesmutter rechtskräftig wegen Meineides verurteilt worden ist, nachdem sie subjektiv und objektiv wahrheitswidrig die Vaterschaft des Klägers behauptet hatte.

Diese Beurteilung widerspricht zwar der in der Türkei erstellten Vaterschaftsurkunde sowie der Geburtsurkunde vom 20.03. 2003. Diese Dokumente sind als Urkunden im Sinne von § 21 Abs.1 Nr.3 SGB X sowie § 118 Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 ZPO anzusehen. Nicht zu den Merkmalen einer Urkunde gehört allerdings deren Beweiskraft, so dass für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, die besonderen Beweisregeln der §§ 118 SGG, 415 bis 419 bzw. 437 bis 440 ZPO gelten. Dabei besteht grundsätzlich die Verpflichtung, auch von Behörden ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernst- lich in Frage gestellt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 02.12.1997 - SozR 3-7670 § 66 Nr.1; BSG, Urteil vom 28.04.2004 - B 5 RJ 33/03 R). Im Rahmen der Würdigung der vorliegenden Beweise und Urkunden ist der Senat überzeugt, dass der im Ehelichkeitsanfechtungs- und im Strafverfahren festgestellten fehlenden Vaterschaft Vorrang vor den anders lautenden Urkunden zukommt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die türkische Familienurkunde aufgrund eines Amnestiegesetzes erstellt worden ist und zwar zeitlich deutlich nach Ausstellung der ursprünglichen Geburtsurkunde durch das Standesamt K. am 20.06.1980. Es kommt hinzu, dass die Geburtsurkunde vom 20.06.2000 auf einen Beschluss des Amtsgerichts K. vom 03.07.1997 zurückgeht, wonach aufgrund türkischen Rechtes lediglich ein Randvermerk beizusetzen ist. Der ursprüngliche Registerauszug Nr. 405 ist unverändert geblieben, so dass die Vaterschaft des B. G. aus den Geburtsakten nicht getilgt worden ist. Damit steht fest, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes T. ist.

Die Berücksichtigung einer Kinderziehungszeit gemäß § 1227a RVO i.V.m. § 53 Abs.2 Nr.1 SGB I ist nicht möglich. Das Kind T. ist - wie das SG zutreffend festgestellt hat - nicht Stiefkind des Klägers, weil dieser mit der Kindesmutter keine Ehe eingegangen ist.

Auch ein Verhältnis des Klägers zum Kind T. als Pflegekind gemäß § 56 Abs.2 Nr.2 SGB I kommt nicht in Betracht. Nach der dortigen Legaldefination setzen Pflegekindschaftsverhältnisse voraus, dass die Kinder mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit ihren Eltern verbunden sind. Nach dem gesamten Akteninhalt sowie aus der eindeutigen Aussage der Kindsmutter vor dem Sozialgericht Augsburg vom 02.03.1989 (S 12 Ar 163/88) ergibt sich, dass T. im Haushalt der Mutter in K. , K.straße, gelebt hat. Der Kläger hingegen hatte im fraglichen Zeitraum seinen Wohnsitz mit seiner Ehefrau und mit seinen vier ehelichen Kindern in K. , G.straße. Nach der weiteren Aussage der Kindsmutter hat der Kläger das Kind T. zuweilen mit in sein Haus genommen, jedoch hat er es in die K.straße zurückgebracht, sobald die Kindsmutter von der Arbeit zurückgekehrt war. Es fehlt damit an einer auf Dauer angelegten häuslichen Gemeinschaft, das heißt, einer Inobhutnahme des Kindes T. in das Haus des Klägers, was zwangsläufig eine Integration in die eigene Familie bedeutet hätte. Zudem spricht auch gegen eine häusliche Inobhutnahme, dass der Kläger nach seinem Versicherungsverlauf in den Jahren 1980 und 1981 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. In der Folgezeit hat der Kläger das Kind T. ab Eintritt in den Kindergarten allenfalls dahingehend betreut, dass er es aus dem Haushalt der Kindsmutter abgeholt, zum Kindergarten und von dort wieder zurück zum Haushalt der Mutter gebracht hat. Die häusliche Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen vier ehelichen Kindern hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Die Voraussetzungen eines Pflegekindschaftsverhältnisses sind damit nicht erfüllt; eine nochmalige Einvernahme der Kindesmutter wie vom Kläger zuletzt beantragt, ist bei dieser Sach- und Beweislage nicht erforderlich. Nicht unerwähnt hat dabei zu bleiben, dass der Antrag auf Feststellung von Zeiten der Kindererziehung sowie die gemeinsame Erklärung über die Anrechnung von Erziehungszeiten erst rund neun Jahre nach Geburt des Kindes T. gestellt worden ist und zwar am Tag nach der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Augsburg am 02.03.1989.

Der Kläger erfüllt damit in keinem Falle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente oder für die Zuteilung von Kindererziehungs- sowie Berücksichtigungszeiten. Die Berufung musste daher in vollem Umfange ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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