L 19 R 204/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 354/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 204/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.01.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer höheren Altersrente.

Der 1933 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hat seit Juni 1998 seinen Wohnsitz in der Türkei. Er hat in der Türkei nicht versicherungspflichtig gearbeitet. Die damals zuständige LVA Württemberg bewilligte ihm mit Bescheid vom 27.03.1998 Regelaltersrente ab 01.05.1998, die die Beklagte mit Bescheid vom 25.08.1998 nach dem Umzug in die Türkei in eine Auslandsrente mit Wirkung ab 01.07.1998 umwandelte. Nachdem ab 01.09.1998 die Krankenversicherung der Rentner bzw die Pflegeversicherung von der AOK in Bonn durchgeführt wurde, erteilte die Beklagte den Bescheid vom 12.04.1999 (damaliger monatlicher Zahlbetrag 1.146,17 DM).

Am 16.05.2000 wandte sich der Kläger unmittelbar an das Sozialgericht Bayreuth (SG) und trug vor, er habe seit 1973 in Deutschland gearbeitet, das Arbeitsverhältnis nie unterbrochen, sei nie arbeitslos gewesen und habe sogar samstags Überstunden gemacht. Er glaube, dass man bei der Berechnung seiner Rente einen Fehler gemacht habe und ihm zu wenig zahle. Außerdem sei er krank und müsse häufig teure Medikamente kaufen.

Das SG hat die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22.01.2004 abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Klage sei abzuweisen, weil es einmal an einem Widerspruchsverfahren fehle. Zum anderen sei die unzulässige Klage auch unbegründet. Denn der Rentenbescheid vom 12.04.1999 sei für die Beteiligten bindend geworden. Dem vom SG gegebenen Hinweis, nach § 44 SGB X eine Überprüfung des Bescheides durch die Beklagte zu beantragen, sei der Kläger nicht gefolgt.

Gegen dieses am 11.03.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.04.2004 Berufung eingelegt: Die Rente, die er aus Deutschland beziehe, sei zu niedrig. Damit könne er leider seinen Unterhalt nicht bestreiten. Er bittet darum, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu lassen, damit seine Rente erhöht wird. Er sei inzwischen 71 Jahre alt, krank und der Meinung, dass er eine höhere Rente als die derzeitige erhalten sollte.

Der Kläger, für den in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Bayreuth vom 22.01.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie trägt vor, aus der Berufungsbegründung des Klägers ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Die Klage sei bereits deshalb unzulässig, weil ihr kein Widerspruchsverfahren vorausgegangen sei. Nicht ersichtlich sei im Übrigen, dass die Rentenberechnung fehlerhaft sei.

Wegen der Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die Prozessakten des SG und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22.01.2004 zu Recht entschieden, dass die Klage unzulässig ist.

Ein Prozess soll das materielle Recht verwirklichen. Einer Klage kann aber nicht immer schon dann stattgegeben werden, wenn einem Kläger das materielle Recht tatsächlich zusteht. Es müssen vielmehr die Verfahrensvoraussetzungen für das Geltendmachen des Rechts im Prozess gegeben sein, dh es müssen die in den Verfahrensgesetzen geregelten Prozessvoraussetzungen vorliegen. Das Vorliegen dieser Prozessvoraussetzungen muss in jeder Lage des Verfahrens vorab von Amts wegen geprüft werden. Fehlt eine dieser Prozessvoraussetzungen, so darf ein Sachurteil nicht ergehen. Die Klage ist dann als unzulässig abzuweisen.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Beklagte zur Zahlung einer höheren Rente zu verurteilen, weil er mit der ihm von der Beklagten gezahlten Rente seinen Lebensunterhalt in der Türkei nicht bestreiten könne. Einen derartigen Anspruch, für den er allerdings keine Rechtsgrundlage benennt, kann der Kläger nur im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG geltend machen. Die Beklagte setzt als Träger der Rentenversicherung gegenüber ihren Versicherten die zu zahlende Rente dem Grunde (§§ 33 ff SGB VI) und der Höhe nach (§§ 63 ff SGB VI) in einem Rentenbescheid, der ein Verwaltungsakt ist (§ 31 SGB X), fest. Hält der Versicherte die so festgesetzte oder abgelehnte Rente dem Grunde oder der Höhe nach für rechtswidrig, kann er durch Klage die Aufhebung des Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehren (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), wenn zuvor in einem Vorverfahren nach fristgerechter Erhebung eines Widerspruches (§§ 83 ff SGG) die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, hier des Rentenbescheides, nachgeprüft wurde (§ 78 SGG).

Das SG hat zutreffend klargestellt, dass der zuletzt von der Beklagten erlassene Bescheid vom 12.04.1999 vom Kläger nicht mehr angefochten werden kann, nachdem dieser den gegen diesen Bescheid vorgesehenen Rechtsbehelf nicht innerhalb der Frist eingelegt hat (§ 77 SGG). Der Kläger hätte gegen diesen Bescheid innerhalb der Frist von 3 Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides am Wohnsitz des Klägers in der Türkei Widerspruch erheben müssen (§ 84 Abs 1 Satz 2 SGG). Da in dem Bescheid vom 12.04.1999 jedoch die Belehrung über den Rechtsbehelf unterblieben ist, galt für die Erhebung des Widerspruchs die Jahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG. Auch wenn man in der am 16. Mai 2000 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangenen Klage gleichzeitig die Erhebung eines Widerspruchs sieht, so war die Jahresfrist gegen den Bescheid vom 12.04.1999 bereits abgelaufen. Zwar ist der Zugang des Bescheides vom 12.04.1999 beim Kläger nicht aktenkundig, jedoch der Versand des Bescheides am 19. April 1999. Vom Kläger wurde ein Zugang des Bescheides nach dem 16. Mai 1999 weder behauptet noch geltend gemacht. Der Bescheid der Beklagten vom 12.04.1999, mit dem die Durchführung der Rentnerkrankenversicherung durch die AOK Rheinland, Regionaldirektion Bonn, geregelt wurde und die monatliche Rente ab 01.06.1999 mit 1.228,48 DM abzüglich eines Krankenversicherungsbeitragsanteils von 82,31 DM und der monatliche Zahlbetrag mit 1.146,17 DM festgesetzt wurde, ist somit unanfechtbar geworden und nach § 77 SGG für alle Beteiligten bindend.

Diese Bindungswirkung ist auch vom Gericht zu beachten, sie kann nur durch eine Entscheidung der Beklagten nach den §§ 44 ff SGB X durchbrochen werden. Das Gericht hat dann nur die Möglichkeit, auf Klage hin zu prüfen, ob die Beklagte zu Recht einen bestandskräftigen Bescheid zurückgenommen (§§ 44, 45 SGB X) oder widerrufen (§§ 46, 47) oder aufgehoben (§ 48 SGB X) bzw einen hierauf gerichteten Antrag zu Unrecht abgelehnt hat. Ohne vorhergehendes Handeln der Verwaltung, die insoweit ausschließlich befugt ist, die Bindungswirkung von Bescheiden zu durchbrechen, hat das Gericht keine Möglichkeit, bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen zu überprüfen. Einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides durch die Beklagte hat der Kläger trotz des Hinweises durch das Sozialgericht ausdrücklich nicht gestellt. Nach Ablauf der Rechtsmittelfristen sind deshalb Klagen - wenn nicht Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen - unzulässig.

Nach alledem ist es dem Senat verwehrt, in der Sache selbst, ob also dem Kläger eine höhere Rente zusteht, eine Entscheidung zu treffen. Die Berufung ist vielmehr zurückzuweisen, weil die Klage unzulässig war.

Rein informatorisch weist der Senat darauf hin, dass die Spannweite der Renten groß ist. Nur knapp 12 % der Rentner in Westdeutschland erhalten Renten von 1.500,00 EUR und mehr. Für eine solche Spitzenrente müssen aber während des Berufslebens überdurchschnittlich hohe Verdienste zusammen mit vielen Beitragsjahren angesammelt worden sein. Wesentlich geringer fallen die Renten dagegen aus, wenn nur wenige Jahre in die Rentenkasse eingezahlt worden ist und der Verdienst obendrein noch niedrig war. Aus dem aktenkundigen Versicherungsverlauf ergibt sich, dass der Kläger vom 19.07.1973 bis 30.04.1998, also knapp 25 Jahre von seinem 40. bis 65. Lebensjahr versicherungspflichtig gearbeitet hat. Der Kläger hat zwar für 298 Monate Beitragszeit (24,83 Versicherungsjahre) 25,7813 Entgeltpunkte erzielt, das entspricht einem knapp überdurchschnittlichen Verdienst, jedoch nur knapp mehr als die Hälfte der Zeit versicherungspflichtig gearbeitet wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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