L 2 U 50/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 179/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 50/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1980 geborene Klägerin stürzte am 16.07.1999 beim Basketballspiel während des Sportunterrichts und verletzte sich am linken Knie.

Am 19.07.1999 suchte sie den Durchgangsarzt, den Chirurgen Dr.D., auf, der eine Distorsion des Kniegelenks mit Verdacht auf Außenmeniskuslaesion diagnostizierte. Ein Magnetresonanztomogramm vom 20.07.1999 zeigte eine frische vordere Kreuzbandruptur mit erheblichem Erguss, ein Knochenmarködem, eine initiale degenerative Innenmeniskopathie im Hinterhornabschnitt sowie eine kleine Poplitealzyste medial. Am 14.06.2000 erfolgte eine komplikationslose Ersatzplastik des Kreuzbandes durch Dr.D ...

Der Orthopäde Dr.M. kam im Gutachten vom 18.01.2001 zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Befund am Kniegelenk sei insgesamt als unbefriedigend zu bezeichnen. Es bestehe noch eine ganz diskrete Beuge- mehr als Streckhemmung mit Instabilität im Sinne vorderer Kreuzbandschwäche, leichtem Erguss und diskreter, aber eindeutig nachweisbarer Überwärmung. Die MdE schätzte er vom 17.07.1999 bis 12.06.2000 auf 20 v.H., vom 13.06. bis 20.06.2000 auf 100 v.H. und ab 21.06.2000 bis auf weiteres auf 20 v.H. Dem stimmte der beratende Arzt, der Chirurg Dr.B. , am 19.02.2001 zu.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 23.04.2001 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Rente als vorläufige Entschädigung bis auf weiteres nach einer MdE von 20 v.H.

Der Orthopäde Dr.H. führte im Gutachten vom 09.01.2002 aus, es bestehe eine geringfügige Verschmächtigung der Oberschenkel- und Unterschenkelmuskulatur. Ein klinischer Instabilitätsbefund des Kreuzbandes sei nicht gegeben. Hinweise auf Überwärmung, Erguss oder Gewebeschwellung ergäben sich nicht. Die MdE schätze er auf 10 v.H. ein.

Nach Anhörung der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.2002 die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die vorläufige Entschädigung. Unfallfolgen seien eine geringfügige Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels und reizlose Operationsnarbe am linken Kniegelenk. Hierdurch werde die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grad gemindert.

Den Widerspruch der Klägerin vom 01.03.2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2002 zurück.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei im Mai 2001 nochmals am Knie operiert worden. Trotzdem habe sie immer noch Schmerzen. Ober- und Unterschenkel seien in der Muskelentwicklung vermindert. Sie leide unter Anlaufschwierigkeiten und Steifheit des Knies.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 05.09.2003 ausgeführt, nach Binnentraumatisiertung des Kniegelenks werde die Höhe der MdE von Funktionsstörungen, Situation des Bandapparates, Arthrose, je nach Funktionsbehinderung, und einem eventuell bestehenden Reizknie festgelegt. Bei der Klägerin sei kein Funktionsverlust gegeben. Die Lockerung des Kniebandapparates sei mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten, da sie muskulär vollständig kompensiert werden könne. Die Arthrose sei sehr gering und mit keinem Funktionsdefizit verbunden. Zu berücksichtigen sei dagegen der leichte Reizerguss. Würde man die MdE lediglich mit 10 v.H. ansetzen, wäre ausschließlich die muskulär kompensierbare Bänderschwäche berücksichtigt. Dies sei aber im Hinblick auf das Reizknie nicht zulässig. Insofern sei eine MdE von 20 v.H. gegeben. Immerhin habe schon Dr.H. eine leichte Umfangsvermehrung des Kniegelenks festgestellt, die mit einem völlig reizlosen Kniegelenk nicht korreliere. Auch habe Dr.H. die Kreuzbandschwäche nicht bewertet, obwohl auch Dr.M. eine vordere Schublade beschrieben habe.

Hierzu hat der beratende Arzt der Beklagten, Dr.B. , am 17.09.2003 eingewandt, eine nur leichte Lockerung des vorderen Kreuzbandes bei muskulär vollständiger Kompensierbarkeit und festem Seitenapparat rechtfertige kaum noch eine MdE um 10 v.H. Nicht nachvollziehbar sei die Annahme einer MdE um 10 v.H. für den momentanen leichten Reizerguss, der nicht als dauernder Zustand gewertet werden könne. Auch unter Berücksichtigung dieses Reizergusses sei eine MdE um 20 v.H. nicht gegeben.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 10.12.2003 verurteilt, der Klägerin über den 28.02.2002 hinaus Verletztenrente zu gewähren und sich dabei auf das Gutachten von Dr.F. gestützt.

Zur Begründung der Berufung übersandte die Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.L. vom 28.01.2004, in der er ausführt, die Funktion des Kniegelenks sei bei der Untersuchung durch Dr.F. völlig regelhaft und seitengleich gewesen. Irgendeine Auswirkung des leichten Kniegelenksergusses auf die Funktion des Beins ergäbe sich aus dem Gutachten nicht. Es sei unzulässig, einzelne Symptome einer Verletzung, wie z.B. ein Reizknie und eine muskulär kompensierbare Bänderschwäche, mit einzelnen MdE-Sätzen zu belegen. Die Gesamtfunktion zeige einen völlig regelhaften Gebrauch des Kniegelenks.

Hierzu erklärte Dr.F. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 03.08. und 17.09.2004, die muskulär kompensierbare Lockcrung des Kniebandapparates sei mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Bei einem Reizknie komme es nicht darauf an, ob es sich im Sinne einer Funktionsbehinderung auswirke. Man könne die Bedeutung eines Reizergusses im Kniegelenk jedenfalls nicht völlig negieren. Unterschiede in der Fußsohlenbeschwielung und der Beinmuskulatur zeigten sich dann nicht oder wenig, wenn der Verletzte die Extremitäten generell wenig belaste. Immerhin sei die Gehleistung von der Klägerin nur noch mit einer halben Stunde angegeben worden. Die Kombination aus muskulär kompensierter Bänderschwäche und leichtem Reizknie begründe die MdE von 20 v.H. Ein Reizknie sei funktionell bedeutsam, da damit automatisch eine Belastungsschwäche und eine vermehrte Schmerzhaftigkeit verbunden sei.

Die Beklagte wandte dagegen ein, Dr.F. habe ausgeführt, dass kein Funktionsverlust im verletzten Kniegelenk vorliege. Wenn Rentenbegutachtung auch nur noch ansatzweise Funktionsbegutachtung sei, müsse die Berufung Erfolg haben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.12.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2002 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Dr.F. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 03.08.2004 und 17.09.2004 zur Überzeugung des Senats die MdE-Höhe nochmals schlüssig begründet hat. Der Einwand der Beklagten, mangels Funktionsbehinderung sei das Reizknie nicht zu berücksichtigen, kann nicht überzeugen. Immerhin ist auch eine - sich funktionell ebenso wenig auswirkende - muskulär kompensierte Lockerung des Kniebandapparates in Übereinstimmung mit der Standardliteratur (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 7. Auflage 2003, S.724) von Dr.H. im Gutachten vom 09.01.2002 mit einer MdE um 10 v.H. bewertet worden. Ebenso wird eine rezidivierende Synovialitis (d.h. also eine Krankheitserscheinung, die nicht andauernd vorliegen muss) unabhängig von ihrer Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit des Kniegelenks nach Schönberger-Mehrtens-Valentin (a.a.O. S.724) mit einer MdE um 20 - 40 v.H. eingeschätzt. Dr.F. hat den bei der Klägerin gegebenen Zustand, nämlich das Vorliegen eines nur leichten Reizknies, zutreffend mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. Zu Recht weist er darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.H. eine leichte Umfangsvermehrung des Kniegelenks festzustellen war, die mit einem völlig reizlosen Kniegelenk nicht korrelieren würde. Eine Umfangsvermehrung des Kniegelenks erklärt sich nur durch einen Erguss oder eine Gewebsschwellung. Immerhin hat auch Dr.M. im Gutachten vom 18.01.2001 eine deutlichere Umfangsvermehrung des Kniegelenks beschrieben.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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