L 2 U 250/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 534/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 250/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des KLägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.02.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1950 geborene Kläger stürzte am 09.01.1997 aus ca. zwei Meter Höhe mit einer Leiter (6).

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Prof.Dr.B. , diagnostizierte am gleichen Tag eine Tibiaplateauimpressionsfraktur links. Am 20.01.1997 stellte der Orthopäde K. am linken Knie Schwellung, leichten Erguß, Bewegungsschmerz, Schubladenphänomen fest. Vom 11.03. bis 13.03.1997 wurde der Kläger im Klinikum R. stationär behandelt. Eine Arthroskopie des linken Knies zeigte einen alten zweitgradigen retropatellaren Knorpelschaden sowie weitere Veränderungen, die sämtlich als unfallunabhängig und nicht mit einem Trauma vereinbar beurteilt wurden. Der Chirurg Dr.B. berichtete über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 20.08. bis 29.08.1997 im Krankenhaus O ... Es erfolgte eine arthroskopische Knorpelglättung. Vom 22.04. bis 20.05.1998 befand sich der Kläger in der Rheumaklinik Bad F ... Dort wurden die Diagnosen gestellt: Gonarthrose beiderseits, Zustand nach fünf operativen Eingriffen rechts, links zweimal, zuletzt Oktober 1997, Schwellneigung und Instabilitätsgefühl links. 1988 sei ein Rehabilitationsverfahren in der Rheumaklinik Bad W. erfolgt, u.a. wegen beginnender Gonarthrose rechts. Die Orthopäden Dr.N./Dr.F. behandelten den Kläger ab 31.08.1998. Im Februar 1999 war die Ergußbildung zwar rückläufig, arthroskopisch zeigte sich ein scharfkantiger großer Knorpelausbruch, der Unfallfolge sei; es bestanden noch erhebliche belastungsabhängige Schmerzen. Vom 21.09. bis 28.09.1998 wurde der Kläger in der Klinik H. stationär behandelt, und es wurden die Diagnosen gestellt: rezidivierende Reizergüsse linkes Kniegelenk bei fortgeschrittener Gonarthrose, Chondromalazie Grad III laterale Condyle, Chondromalazie Grad II - III Retropatellarfläche und Trochlea der medialen Condyle. Es wurde eine transarthroskopische Synovektomie des linken Kniegelenks vorgenommen. Der Orthopäde K. erklärte im Bericht vom 14.05.1999, der Kläger habe bereits vor dem Unfall am 07.01.1997 mit akuten Kniebeschwerden in seiner Behandlung gestanden. Er habe damals die Diagnose Kniegelenksreizung mit Ergußbildung links gestellt.

Am 14.07.1999 wurde in den Kliniken H. eine Knietotalendoprothesenimplantation links wegen posttraumatischer Gonarthrose vorgenommen. Es habe eine zufriedenstellende Funktionalität erzielt werden können.

Im Gutachten vom 05.01.2000 kam der Orthopäde Dr.K. zusammenfassend zu dem Ergebnis, durch den Arbeitsunfall sei es zu einer Kontusion des linken Kniegelenks und zu einer Prellung der linken Schulter gekommen. Unfallfolgen seien nicht mehr erkennbar. Die Kniegelenksersatzoperation sei nicht wesentlich teilursächlich durch den Arbeitsunfall bewirkt worden. Das Krankheitsbild am linken Kniegelenk habe eindeutig vor dem Arbeitsunfall begonnen und sei von den vorbehandelnden Ärzten dokumentiert. Allenfalls eine vorübergehende, jedoch nicht richtungweisende Verschlimmerung könne anerkannt werden. Ab 17.03.1997 betrage die MdE bis auf weiteres weniger als 10 v.H.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.02.2000 die Gewährung einer Rente ab.

Den Widerspruch vom 09.02.2000, mit dem der Kläger einwandte, durch den Sturz sei es mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem scharfkantigen großen Knorpelausbruch gekommen, die früheren Beschwerden seien höchstens in einem geringen Umfang mitursächlich für das sich ab 09.01.1997 entwickelnde Knieleiden, wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes Dr.P. mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2000 zurück. Dr.K. habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in zeitlich engem Zusammenhang mit dem Unfall weder eine bedeutsame Schwellung oder Ergußbildung des linken Kniegelenks noch Anzeichen einer stärkeren äußeren Gewalteinwirkung in Form einer Prellmarke oder Schürfung erkennbar gewesen seien. Das Krankheitsbild eines arthrotisch bedingten Reizkniegelenks habe bereits vor dem Unfallereignis bestanden. Der Bericht des Dr. N. vom 19.02.1999 sei nicht geeignet, das Gutachten des Dr.K. zu entkräften. Dr.N. gehe offensichtlich von falschen Tatsachen aus.

Hiergegen hat sich die Klage zum Sozialgericht München gerichtet. Die behandelnden Ärzte hätten die Knieerkrankung auf den Arbeitsunfall zurückgeführt.

Nach Beiziehung von Befundberichten und ärztlichen Unterlagen des Allgemeinarztes Dr.B. , der Orthopäden Dr.N./ Dr.F. und des Orthopäden K. hat das SG den Chirurgen Dr.L. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 11.01.2001 hat Dr.L. zusammenfassend ausgeführt, durch den Unfall sei es allenfalls zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Grunderkrankung gekommen. Nur zwei Tage vor dem Unfall habe der Kläger wegen linksseitiger Kniegelenksbeschwerden den Arzt aufgesucht. Möglicherweise sei genau zum Unfallzeitpunkt das bis dahin kompensierte Gleichgewicht der degenerativen Gelenkflächenveränderungen im Begriff gewesen, zu dekompensieren. Im Krankheitsverlauf vom Unfallzeitpunkt bis zur Implantation der Knieendoprothese lasse sich kein ungewöhnlich rasches Fortschreiten der degenerativ-arthrotischen Veränderungen ablesen. Eine Beschleunigung dieser Veränderungen durch das Unfallereignis könne deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit wahrscheinlich gemacht werden. Der Auffassung von Dr.N. , es habe ein scharfkantiger großer Knorpelausbruch als Unfallfolge vorgelegen, könne nicht gefolgt werden. Gerade die scharfkantige Morphologie des Knorpelausbruchs spreche gegen einen Zusammenhang mit einem über 1 1/2 Jahre zurückliegenden Ereignis. Die Veränderung sei zum Zeitpunkt der dritten Arthroskopie frisch, höchstens einige Wochen alt gewesen. Auch die Beschreibung von Knorpelerweichungen in unmittelbarer Nachbarschaft des Knorpelausbruchs spreche für dessen degenerative Verursachung.

Der auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen bestellte Orthopäde Dr.K. hat im Gutachten vom 21.11.01 erläutert, der Knorpel könne durch ein stumpfes Trauma indirekt geschädigt werden, so dass sich im Verlauf von Wochen bis Monaten Knorpelstücke ablösten. Die Arthroskopie und die Röntgenbilder könnten diese Veränderungen nicht nachweisen. Der Krankheitsverlauf spiegele in typischer Weise diese Problematik wieder. Zwar hätten bereits vor dem Unfall degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk bestanden, die Verschleißerscheinungen seien aber nicht massiv ausgeprägt gewesen. Auch sei der Kläger wegen Schmerzen im linken Kniegelenk nie arbeitsunfähig geschrieben worden. Daher sei es extrem unwahrscheinlich, dass dieser desaströse Verlauf einem Spontanverlauf entspreche, ohne dass der Unfall eine entscheidende Bedeutung gespielt hätte. Man müsse stattdessen dem Trauma eine richtungweisende Bedeutung zumessen. Die MdE sei mit 30 v.H. zu bewerten.

Hierzu hat Dr.L. in der Stellungnahme vom 07.12.01 entgegnet, zum Zeitpunkt der Endoprothesenimplantation hätten in allen drei Kniegelenkskompartimenten schwere degenerative Gelenkflächenschäden bestanden, die allein aus biomechanischen Gründen unmöglich durch ein Anpralltrauma der Kniescheibe verursacht worden sein könnten. Eine Krafteinwirkung, die am Hautmantel eines Kniegelenks lediglich eine Prellmarke hinterlasse, könne nicht im Gelenkinneren schwere Knorpelschäden verursachen. Hierfür seien ganz erhebliche Krafteinwirkungen erforderlich.

Dr.K. hat in der Stellungnahme vom 25.02.02 erklärt, die Gewalteinwirkung eines Sturzes aus zwei Meter Höhe stelle ein angemessenes Trauma dar. Die Knorpelschädigung, die daraus gefolgt sei, sei bewiesen. Daher könne man nicht umhin, den Knorpelausbruch unter der Kniescheibe als unfallbedingt anzuerkennen. Auch wenn der äußere Hautmantel intakt gewesen sei, so könne doch ein stumpfes Trauma, das die Haut nicht weiter verletze, schwerwiegende Kniebinnenverletzungen verursachen. Da das Trauma auf ein schon vorgeschädigtes Gelenk getroffen sei, stehe es außer Frage, dass diese vorbestehende Arthrose eine schmerzhafte Verschlimmerung erfahren habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.02.04 abgewiesen. Dr.K. habe überzeugend dargelegt, dass der Arbeitsunfall zwar eine conditio sine qua non für den Knorpelschaden sei; es bestehe aber keine Kausalität im Sinne der wesentlichen Bedingung. Der Arbeitsunfall habe den Knorpelschaden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht. Dies habe Dr.L. ausführlich und überzeugend begründet.

Zur Begründung der Berufung führte der Kläger aus, der Unfall habe sich am 09.01.1997 ereignet; bereits am 17.09.1999 sei die Implantation einer Knieendoprothese erforderlich gewesen. Ein langsames, allmähliches Fortschreiten, wie es Dr.L. bezeichnet habe, sei gerade nicht gegeben gewesen. Eine andere Ursache für den Knorpelschaden als der Arbeitsunfall sei nicht festzustellen.

Der Kläger stellt die Anträge,

aus dem Schriftsatz vom 16.07.2004. Hilfsweise beantragt er die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG von Dr.G. (siehe Schriftsatz vom 15.12.2004).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Ein Arbeitsunfall setzt gem. § 8 Abs.1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gem. § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenen Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muß mit der die Versicherteneigenschaft begründenen Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR, 1993, 81, 114).

Beim Kläger ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die eine MdE von wenigstens 20 v.H. der Vollrente bedingen würde, gekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.L. , der nach ambulanter Untersuchung des Klägers und Auswertung der ärztlichen Unterlagen in den Akten überzeugend dargelegt hat, dass der Unfall lediglich zu einer Prellverletzung des linken Kniegelenks geführt hat, nicht jedoch weitere Gesundheitsschäden zur Folge hatte. Im Hinblick darauf, dass unmittelbar nach dem Unfall bis auf einen Fünf-Mark-Stück-großen druckschmerzhaften Bezirk an der Außenseite der Oberschenkelrollen äußere Verletzungszeichen am linken Kniegelenk nicht festzustellen waren, ist nicht von einer heftigen achsialen Stauchung des Gelenks oder einem heftigen Kniescheibenanprall auszugehen, so Dr.L ... Nur bei solcher Krafteinwirkung wären aber die zwei Monate später arthroskopisch festgestellten Knorpelschäden an der medialen Oberschenkelrolle und der Kniescheibenrückseite als Folgen des Unfalls zu bewerten. Im Übrigen wäre die gleichzeitige Einwirkung einer achsialen Stauchung, die einen Knorpelschaden an der Oberschenkelrolle hervorrufen könnte und eines Kniescheibenanpralls, der einen Knorpelschaden an der Kniescheibenrückseite verursachen könnte, biomechanisch völlig unmöglich, betont Dr.L ... Fünf Monate nach dem Ersteingriff erfolgte im August 1997 die Zweitarthroskopie, bei der Dr.B. etwas weiter fortgeschrittene Verschleißveränderungen beschrieb, wie sie durch das natürliche Fortschreiten der bereits anläßlich der Erstoperation festgestellten degenerativen Gelenkflächenveränderungen erklärt werden können. Bei der dritten Arthroskopie, 1 1/2 Jahre nach dem Unfall, stellte Dr.N. einen scharfkantigen großen Knorpelausbruch fest. Dr.N. Beurteilung, es handele sich hier um einen Knorpelausbruch als Folge des Arbeitsunfalls, kann nicht überzeugen, denn, wie Dr.L. erläutert, spricht gerade die scharfkantige Morphologie des Knorpelausbruchs gegen einen Zusammenhang mit einem über 1 1/2 Jahre zurückliegenden Unfallereignis. Die chondromalazischen Veränderungen und der Knorpelausbruch waren zum Zeitpunkt dieser Arthroskopie höchstens einige Wochen alt. Gerade die Tatsache, dass Knorpelerweichungen in unmittelbarer Nachbarschaft des Knorpelausbruchs festgestellt wurden, spricht für dessen degenerative Verursachung, so Dr.L ...

Der Auffassung von Dr.K. , dass das stumpfe Anpralltrauma die retropatellaren Knorpelschäden verursacht habe, kann dagegen nicht gefolgt werden. Ein Knorpelschaden bestand nicht nur an der Kniescheibenrückseite, sondern auch in beiden Hauptkompartimenten des Kniegelenks. Es handelte sich um einen Zustand, wie er niemals durch ein singuläres Unfallereignis entstehen kann. Wie Dr.L. überzeugend erläutert hat, können gleichzeitige prellungsbedingte Schädigungen an der Kniescheibenrückseite und in den Hauptkammern des Gelenkes schon aus biomechanischen Gründen nicht eintreten, denn hierfür wären Krafteinwirkungen aus völlig unterschiedlichen Richtungen erforderlich. Im Übrigen überzeugt auch Dr.L. Argumentation, dass eine Krafteinwirkung, die am Hautmantel eines Kniegelenks lediglich eine Prellmarke hinterläßt, nicht im Gelenkinneren schwere Knorpelschäden verursachen kann, denn hierfür sind ganz erhebliche Krafteinwirkungen erforderlich.

Weitere Ermittlungen waren nicht veranlasst. Bereits im sozialgerichtlichen Verfahren wurde gem. § 109 SGG ein Orthopäde gehört. Besondere Umstände, die eine wiederholte Beweiserhebung gem. § 109 SGG rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, RdNr.10a).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved