L 5 B 18/05 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 897/04
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 B 18/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Kostenrechnung des Sozialgerichts Köln vom 30.12.2004 aufgehoben. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat am 03.12.2004 vor dem Sozialgericht Köln Anfechtungsklage gegen die Bescheide vom 05.11.2004 erhoben, mit denen die Beklagte, im Rahmen des Risikostrukturausgleichs den Jahresausgleich für das Kalenderjahr 2003 getrennt nach den Bereichen West (IK 1015.755.19) und den Bereich (Ost IK 1015.888.09) festgesetzt hat. Der Bescheid Bereich West begründet eine Ausgleichsverpflichtung der Klägerin in Höhe von 2.897.175.727,16 Euro und eine - nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlungen - Nachzahlungspflicht von 14.152.611,31 Euro, der Bescheid Bereich Ost eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe von 363.348.820,77 Euro und eine Nachzahlungspflicht von 2.517.250,41 Euro.

Der Geschäftsverteilungsplan (GVP) 2004 des Sozialgerichts Köln sieht für Angelegenheiten der Krankenversicherung eine Verteilung der Geschäfte nach Eingangslisten vor (Abteilung B, Abschnitt I Ziff. 4). Abschnitt I Ziff. 4 trifft folgende Bestimmung: "Gehen mehrere Klagen und/oder Anträge derselben Beteiligten ein - mehrere Anträge sind auch die in einer Antragsschrift kumulativ geltend gemachten - oder betreffen sie ein Versicherungsverhältnis (insbesondere bei Hinterbliebenen) oder ein vergleichbares Rechtsverhältnis, so ist die zuerst zuständig gewordene Kammer auch für die anderen Klagen/Anträge zuständig, wenn eine dieser Klagen oder Anträge bei ihr im Sinne der Aktenordnung noch nicht erledigt ist; dies gilt nicht, wenn Kläger oder Antragsteller eine juristische Person, eine Handelsgesellschaft i.S.d. Handelsgesetzbuches, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ein Konkursverwalter ist". Die Geschäftsstelle des Sozialgerichts hat in Anwendung dieser Regelung zwei Verfahren eingetragen. Das die Anfechtung des Bescheides Bereich West betreffende Verfahren hat die Eingangslistennummer 85582 erhalten und ist gemäß dem GVP der 19. Kammer zugewiesen worden, das den Bescheid Bereich Ost betreffende Verfahren mit der Eingangslistennummer 85583 ist der 5. Kammer zugeteilt worden.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21.01.2005 unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 08.01.2004 (L 5 KR 239/02) die "Trennung" als unzulässig gerügt und die Verbindung beider Verfahren beantragt. Beide Kammervorsitzende haben in Hinweisschreiben an die Klägerin unter Hinweis auf den GVP die Zuweisung des Verfahrens auf zwei Kammern als zutreffend bezeichnet.

Mit Kostenrechnung vom 30.12.2004 hat die Geschäftsstelle von der Klägerin Gerichtsgebühren in Höhe von 27.318,- Euro gefordert. Mit Kostenrechnung vom 11.02.2005 ist die Klägerin auch in dem Verfahren vor der 19. Kammer zur Zahlung von Gerichtsgebühren herangezogen worden. Sie hat am 24.03.2005 Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 30.12.2004 eingelegt und zum einen gerügt, der geforderte Betrag sei um 450,- Euro überhöht. Zum anderen dürfe sie nur einmal zur Zahlung von Gerichtskosten herangezogen werden, denn die von der Geschäftsstelle vorgenommene "Trennung" sei unzulässig gewesen. Sie habe zulässig mit der Klage mehrere Ansprüche verfolgt. Eine Trennung dieses Verfahrens in mehrere Verfahren dürfe nur im Wege einer Ermessensentscheidung durch den Richter erfolgen. Mit Beschluss vom 05.04.2005 hat das Sozialgericht die Kostenrechnung dahingehend abgeändert, dass nur ein Betrag von 26.868,- Euro festgesetzt wird. Im Übrigen hat es die Erinnerung zurückgewiesen, da in beiden Verfahren Gerichtsgebühren anfielen.

Die Klägerin hat am 27.04.2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Sie rügt weiterhin die Unzulässigkeit der "Trennung" und meint, sie dürfe daher nur einmal zur Zahlung von Gerichtsgebühren herangezogen werden.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG (in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung des Art. 1 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 12.05.2004, BGBl. I, 718)) statthaft. Für die Entscheidung ist der Senat zuständig, da sie vom Berichterstatter wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen worden ist (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG). Die Beschwerde ist auch begründet. Die Kostenrechnung vom 30.12.2004 (in der Fassung des Beschlusses vom 05.04.2005) ist rechtswidrig, die Klägerin schuldet die geforderten Gerichtsgebühren nicht.

Da weder die Klägerin noch die Beklagte zu dem in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personenkreis gehören, fallen gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG Gerichtskosten nach Maßgabe des GKG an. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG wird die Verfahrensgebühr (KV 7110) mit Einreichung der Klage fällig, Kostenschuldner ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Nr. 4 GKG, wer das Verfahren im Rechtszug beantragt hat.

Durch die am 03.12.2004 erhobene Klage ist die Verfahrensgebühr nach KV 7110 nur einmal entstanden. Die Klägerin hat mit der Klage in zulässiger objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) beide Ausgleichsbescheide angefochten. Im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG ist damit nur ein Verfahren anhängig gemacht worden. Die von der Geschäftsstelle vorgenommene Aufteilung in zwei getrennte Verfahren ist rechtlich unwirksam.

Zwar sieht der GVP 2004 des Sozialgerichts in Abteilung B Abschnitt I Nr. 4 letzter Halbsatz vor, dass bei Eingang mehrerer Klagen oder Anträge, die dieselben Beteiligten betreffen, die zuerst zuständig gewordene Kammer nicht auch für die anderen Klagen/Anträge zuständig ist, wenn Kläger bzw. Antragsteller eine juristische Person, eine Handelsgesellschaft i.S.d. Handelsgesetzbuches, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder ein Konkursverwalter sind. Die Regelung des GVP behandelt also den Fall, dass mehrere (selbständige) Klagen dieselben Beteiligten betreffen mit dem Fall gleich, dass mit einer Klage mehrere Anträge gestellt und somit mehrere prozessuale Ansprüche verfolgt werden. Obwohl in letzterem Fall im Rechtssinne nur ein Verfahren vorliegt, soll für dieses Verfahren nicht eine Kammer zuständig sein, sondern es werden für diese Anträge unterschiedliche Zuständigkeiten begründet. Soweit danach der GVP bei der genannten Klägergruppe vorsieht, dass mehrere mit der Klage geltend gemachte Ansprüche verschiedenen Kammern zugewiesen werden, also faktisch eine "Trennung" vorgenommen wird, ist er fehlerhaft.

Gemäß § 21e Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) regelt das Präsidium u.a. die Verteilung der Geschäfte im GVP. Die inhaltliche Gestaltung des GVP hat das Präsi-dium in richterlicher Unabhängigkeit eigenverantwortlich nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen (BGH NJW 2000, 1580, 1581; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21e Rdn. 78). Allerdings kann die Geschäftsverteilung nur im Rahmen gesetzlicher Vorgaben erfolgen (gesetzliche Geschäftsverteilung, vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., Rdn. 87). Das Gesetz erlaubt ausdrücklich, mit einer Klage mehrere prozessuale Ansprüche zu verfolgen (§ 56 SGG, ebenso § 260 Zivilprozessordnung (ZPO)). Im Falle einer solchen objektiven Klagehäufung ist nur ein Verfahren anhängig gemacht worden. Es kann nach § 202 SGG i.V.m. § 145 ZPO getrennt werden. Die Trennung liegt im Ermessen des Richters, wobei Maßstab für die Ermessensentscheidung ist, eine Ordnung des Prozessstoffes im Interesse einer besseren Übersichtlichkeit zu ermöglichen (BVerfG NJW 1997, 649, 650). Die Grenzen des Ermessens sind überschritten, wenn kein sachlicher Grund für die Trennung ersichtlich ist und sie der Partei nur Nachteile (höhere Kostenlast, Verlust der Rechtsmittelfähigkeit) bringt (BGH NJW 1995, 3120 f.; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 145 Rdn. 5).

Diese gesetzlichen Vorgaben für die Trennung eines Verfahrens werden unterlaufen, wenn der GVP eine "automatische" Aufteilung der prozessualen Ansprüche auf Einzelverfahren vorsieht. Da die Regelung in Abschnitt I Nr. 4 letzter Halbsatz GVP 2004 hauptsächlich Verfahren nach § 197a Abs. 1 Satz 1 betrifft, in denen Gerichtskosten erhoben werden, ergibt sich durch die Aufspaltung regelmäßig eine Erhöhung der Kostenlast der betroffenen Kläger. Die Werte mehrerer Streitgegenstände werden nämlich in einem Verfahren zusammengerechnet (§ 39 Abs. 1 GKG), während bei einer Trennung für jedes Einzelverfahren ein eigener Streitwert ermittelt wird (vgl. Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 145 Rdn. 6). Wegen der degressiven Staffelung der Gebühren (vgl. § 34 GKG) fallen bei einer Trennung insgesamt höhere Gerichtsgebühren an (Beispiel: Bei einem Streitwert von 10.000,- Euro beträgt eine Gebühr 196,- Euro, bei zwei Streitwerten á 5.000,- Euro betragen die Gebühren jeweils 121,- Euro). Besonders krass tritt der Kostennachteil im vorliegenden Fall zu Tage: Sowohl hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides Bereich West wie des Bescheides Bereich Ost wird der maximale Streitwert von 2,5 Millionen Euro (§ 52 Abs. 4 GKG) erreicht, so dass die Klägerin bei einer gemeinsamen Verfolgung beider Ansprüche in einem Verfahren nur die (maximale) Gerichtsgebühr nach KV 7110 von 26.868,- Euro zu zahlen hat, während bei der vorgenommenen "Trennung" diese Gebühr zweimal anfallen soll. Gleichzeitig erfolgt bei der "Trennung" nach dem GVP keine Prüfung, ob tatsächlich eine Aufspaltung in zwei Verfahren prozesswirtschaftlich ist. Dies zeigt, dass im GVP nicht ein Verfahren, mit dem mehrere Ansprüche verfolgt werden, regelhaft in mehrere Verfahren aufgespalten werden darf.

Unabhängig davon begegnet die fragliche Regelung des GVP auch deshalb Bedenken, weil dadurch die Zahl der Verfahren künstlich erhöht und nach außen ein Geschäftsanfall dargestellt wird, der nicht der tatsächlichen Arbeitsbelastung entsprechen muss (wenn etwa - wie hier - die Bescheide aus den gleichen Gründen angefochten werden; zur Unzulässigkeit einer Trennung nur um "Nummern zu machen" vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 113 Rdn. 5a).

Die in Frage stehende gesetzwidrige Anordnung des GVP 2004 führt nicht nur dazu, dass das vorliegende Verfahren einer unzuständigen Kammer zugewiesen worden ist, so dass ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (§ 16 Satz 2 GVG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) vorliegt, sondern begründet auch die Rechtswidrigkeit der Kostenrechnung. Wenn eine Überschreitung des richterlichen Ermessens im Rahmen des § 145 ZPO dazu führt, dass die Aufspaltung im Einzelnen prozessrechtlich unwirksam ist (BGH NJW 1995, 3120), muss das Gleiche soll auch im Falle einer rechtswidrigen (faktischen) "Trennung" aufgrund des vom Präsidium beschlossenen GVP gelten. Nach der vergebenen Eingangslistennummer hätte das Verfahren - ohne die Aufspaltung - der Kammer 19 zugewiesen werden müssen. Nur insoweit ist i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG eine Verfahrensgebühr fällig geworden. Somit war die von der Geschäftsstelle der 5. Kammer erstellte Kostenrechnung vom 30.12.2004 aufzuheben.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass die anstelle der 19. Kammer jetzt zuständige 26. Kammer in Erwägung zu ziehen haben wird, zur Behebung eines Verfahrensmangels (fehlerhafte Besetzung) beide Verfahren zu verbinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG; Gerichtsgebühren fallen nicht an (Satz 1 a.a.O.).

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das BSG nicht gegeben (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved