Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 V 76/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 2/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Beschädigter, dessen durch mehrere Schädigungsfolgen bedingte MdE im allgemeinen Erwerbsleben 83 vH beträgt, gilt gemäß § 31 Abs 3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) als erwerbsunfähig, wenn die MdE gemäß § 30 Abs 2 BVG noch um 10 vH höher zu bewerten ist. Im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG sind die Anforderungen an eine wesentliche Änderung nicht an einem rechnerischen Grad der MdE (§ 31 Abs 2 BVG) von mehr als 5 vH auszurichten (Fortführung BSG SozR Nr 12 zu § 31 BVG).
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.10.1999 und der Bescheid des Beklagten vom 26.11.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger ab April 1996 Anspruch auf die Versorgungsrente eines Erwerbsunfähigen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Bei dem am ...1924 geborenen Kläger waren mit Ausführungsbescheid vom 03.06.1991 als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH anerkannt: 1. Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit Phantomschmerzen, ungünstige Weichteilstumpfverhältnisse und statische Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule. 2. Narben und Weichteilstecksplitter im Bereich des kleinen Beckens, der linken paravertebralen Rückenmuskulatur und des Oberschenkelstumpfes, Narbe am rechten Kniegelenk. 3. Rezidivierende Hautveränderungen im Stumpfbereich. 4. Veränderungen im Bereich des linken Daumengrundgelenkes Nrn 1, 2 und 4 iS der Entstehung, Nr 3 iS der Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 23.11.1993 gewährte der Beklagte Versorgungsrente nach einer MdE um 90 vH einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG.
Mit Neufeststellungsantrag vom 09.04.1996 machte der Kläger eine Leidensverschlimmerung im Bereich der linken Hand und als weitere Schädigungsfolge eine beginnende Funktionseinschränkung der rechten Hand geltend und begehrte Rente nach einer MdE um 100 vH. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung mit Bescheid vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 ab.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 100 vH begehrt. Der vom SG gehörte Orthopäde Dr ... hat in seinem Gutachten vom 17.08.1998/ 01.09.1999 für die leichte Verschlimmerung der Verhältnisse an beiden Daumen eine zusätzliche Teil-MdE von unter 10 vH angenommen und die Gesamt-MdE ab April 1996 mit 93 vH bewertet. Daraufhin hat der Beklagte die bisherige Schädigungsfolge Nr 4 mit Wirkung ab 09.04.1996 in "Veränderungen im Bereich der Daumengrund- und Daumensattelgelenke beidseits" im Wege eines Teilanerkenntnisses abgeändert. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.10.1999 im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Berufung auf das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.01.1999, Az: L 15 V 105/95 und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.09.1977, Az: 10 RV 69/76 ausgeführt, die von dem Sachverständigen Dr ... festgestellte zusätzliche MdE von weniger als 5 vH stelle nach der auch für § 48 SGB X geltenden ständigen Rechtsprechung des BSG keine wesentliche Änderung dar. Die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG, die den Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen bei einer MdE von (über 90 vH) begründe, beinhalte - bei einer bindend festgestellten Gesamt-MdE von 90 vH als Vergleichsbasis - keine Ausnahme von diesem Grundsatz.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und gerügt, das SG habe mit seiner Entscheidung gegen die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG verstoßen. Diese Vorschrift sei gegenüber § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) vorrangig. Erwerbsunfähigkeit liege kraft der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht erst bei einem MdE-Grad von 100 vH vor, sondern ausnahmsweise bereits bei einer MdE von mindestens 91 vH.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 und den Bescheid des Beklagten vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten und die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Archivakten des SG Nürnberg S 10 Vs 231/92 und S 7 V 105/89 und die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung der Rente eines Erwerbsunfähigen ab 01.04.1996.
Wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, gilt als erwerbsunfähig (§ 31 Abs 3 Satz 2 BVG). Ein Beschädigter erhält die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG) sobald eine MdE von mindestens 91 vH vorliegt; einer MdE-Änderung um 5 vH, um die Rente eines Erwerbsunfähigen zu erreichen, bedarf es nicht. Bei der Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 handelt es sich um eine unwiderleglichliche Rechtsvermutung mit der Folge, dass jeder Beschädigte, dessen MdE um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, für die Bemessung der Grundrente (und ggfs der Ausgleichsrente gemäß § 32 Abs 2 BVG) als erwerbsunfähig gilt (so Wilke/Fehl, Kommentar zum Sozialen Entschädigungsrecht 7.Aufl § 31 RdNr 12). Es ist also nicht erforderlich, dass die MdE entsprechend § 31 Abs 2 BVG mit 95 vH bewertet wird (so Rohr/Strässer, BVG mit Verfahrensrecht, § 31 K 5). Wird die MdE im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 Abs 1 BVG mit 81 vH und nach Anwendung des Abs 2 mit 91 vH bewertet, gilt der Beschädigte als erwerbsunfähig (aaO unter Verweisung auf BSG SozR Nr 12 zu § 31 BVG = Urteil vom 31.01.1973 9 RV 532/71).
Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf eine Rente nach einer MdE um 100 vH verneint. Eine solche Rente sieht das BVG aber nicht vor. Vielmehr wird gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 BVG bei Erwerbsunfähigkeit ein höherer Zahlbetrag als nach einer MdE um 90 vH gewährt. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit wird ausschließlich durch § 31 Abs 3 BVG definiert (BSG 8, 69, 71). Dabei ist das Aufrunden von 91 vH bis zum Erreichen der Erwerbsunfähigkeit als Auswirkung des nach § 30 Abs 1 BVG bemessenen MdE-Anteils nicht der Berufsschädigung iS des § 30 Abs 2 BVG, die mit 10 vH bemessen ist, zuzurechnen. Erst und allein die neue Feststellung der MdE nach § 30 Abs 1 BVG unabhängig von der besonderen beruflichen Schädigung, bewirkt die Anwendung der gesetzlichen Bestimmung, dass der Kläger als erwerbsunfähig g i l t , weil nunmehr die Gesamt-MdE rechnerisch mehr als 90 vH (91 vH) beträgt (so BSG SozR 3100 § 30 Nr 9).
Das SG beruft sich bei der Ablehnung des klägerischen Anspruches auf das Urteil des LSG vom 19.01.1999 Az: L 15 V 105/95. Hierin vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Nach dem og Urteil des LSG soll die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG bei einer bindend festgestellten MdE von 90 vH als Vergleichsbasis keine Ausnahme von dem Grundsatz beinhalten, dass § 48 SGB X eine wesentliche Änderung erfordere. Das LSG beruft sich zur Stützung seiner Rechtsansicht auf das Urteil des BSG vom 22.09.1977 Az: 10 RV 69/76. Aus diesem Urteil lässt sich aber ein solcher Rechtssatz nicht ableiten. Das BSG hat lediglich festgestellt, dass der Grundsatz der einheitlichen MdE-Bewertung es verbietet, die MdE lediglich bei der Gewährung der Pflegezulage um einen geringen, regelmäßig nicht genau bestimmbaren und im Rechtssinne unwesentlichen Prozentsatz zu erhöhen, um auf diesem Wege § 31 Abs 3 und 35 Abs 1 Satz 4 BVG, wonach erwerbsunfähige Hirnbeschädigte eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I erhalten, für den Beschädigten nutzen zu können. Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Das BSG hat in seinem Urteil ausdrücklich die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG berücksichtigt und auf die Besonderheiten der im Urteil vom 31.01.1973 - 9 RV 532/71 (= SozR Nr 12 zu § 31 BVG) gegebenen Sachlage hingewiesen. Dort aber war bei einem bereits anerkannten MdE-Grad um 80 vH eine w e i t e r e Schädigungsfolge hinzugetreten, was zu einer Gesamt-MdE zwischen 82 und 83 vH geführt hat.
So ist es auch hier. Zu den bisher anerkannten Schädigungsfolgen sind weitere Schädigungsfolgen hinzugetreten, die nach den überzeugenden Feststellungen des Dr ... mit einer Gesamt-MdE von 93 vH unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit einzuschätzen sind. Der erkennende Senat ist daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG der Auffassung, dass ein Beschädigter gemäß § 31 Abs 3 Satz 2 BVG als erwerbsunfähig gelten muss, dessen durch mehrere Schädigungsfolgen bedingte MdE im allgemeinen Erwerbsleben 83 vH beträgt, wenn die MdE gemäß § 30 Abs 2 BVG noch um 10 vH höher zu bewerten ist; eine Abrundung des Vomhundertsatzes gemäß § 31 Abs 2 2.HS BVG, wonach eine um fünf vom Hundert geringere MdE von den Vomhundertsätzen des § 31 Abs 1 mit umfasst wird, kann hier nicht stattfinden.
Zwar setzt die für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung der Verhältnisse eine Änderung des Grades der MdE um mehr als 5 vH voraus (Schroeder-Printzen/Wiesner Komm zum SGB X, 3.Aufl, § 48 RdNr 9 mit Verweisung auf BSG in SozR 3100 § 62 BVG Nr 14 für den Bereich der KOV). Im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG sind aber vorliegend die Anforderungen an eine wesentliche Änderung nicht an einem rechnerischen Grad der MdE von mehr als 5 vH auszurichten (so auch BayLSG Urteil vom 21.02.1995 Az: L 15 V 40/90).
Nach alledem steht dem Kläger die Rente eines Erwerbsunfähigen zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Die Auswirkung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG stellt keine Rechtsfrage dar, die klärungsbedürftig ist, vielmehr ist hierzu Rechtsprechung des BSG ergangen, die ausreichende Anhaltspunkte für die Rechtsanwendung gibt (vgl Meyer-Ladewig Komm zum SGG 6.Aufl § 160 RdNr 7).
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger ab April 1996 Anspruch auf die Versorgungsrente eines Erwerbsunfähigen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Bei dem am ...1924 geborenen Kläger waren mit Ausführungsbescheid vom 03.06.1991 als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH anerkannt: 1. Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit Phantomschmerzen, ungünstige Weichteilstumpfverhältnisse und statische Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule. 2. Narben und Weichteilstecksplitter im Bereich des kleinen Beckens, der linken paravertebralen Rückenmuskulatur und des Oberschenkelstumpfes, Narbe am rechten Kniegelenk. 3. Rezidivierende Hautveränderungen im Stumpfbereich. 4. Veränderungen im Bereich des linken Daumengrundgelenkes Nrn 1, 2 und 4 iS der Entstehung, Nr 3 iS der Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 23.11.1993 gewährte der Beklagte Versorgungsrente nach einer MdE um 90 vH einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG.
Mit Neufeststellungsantrag vom 09.04.1996 machte der Kläger eine Leidensverschlimmerung im Bereich der linken Hand und als weitere Schädigungsfolge eine beginnende Funktionseinschränkung der rechten Hand geltend und begehrte Rente nach einer MdE um 100 vH. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung mit Bescheid vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 ab.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 100 vH begehrt. Der vom SG gehörte Orthopäde Dr ... hat in seinem Gutachten vom 17.08.1998/ 01.09.1999 für die leichte Verschlimmerung der Verhältnisse an beiden Daumen eine zusätzliche Teil-MdE von unter 10 vH angenommen und die Gesamt-MdE ab April 1996 mit 93 vH bewertet. Daraufhin hat der Beklagte die bisherige Schädigungsfolge Nr 4 mit Wirkung ab 09.04.1996 in "Veränderungen im Bereich der Daumengrund- und Daumensattelgelenke beidseits" im Wege eines Teilanerkenntnisses abgeändert. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.10.1999 im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Berufung auf das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.01.1999, Az: L 15 V 105/95 und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.09.1977, Az: 10 RV 69/76 ausgeführt, die von dem Sachverständigen Dr ... festgestellte zusätzliche MdE von weniger als 5 vH stelle nach der auch für § 48 SGB X geltenden ständigen Rechtsprechung des BSG keine wesentliche Änderung dar. Die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG, die den Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen bei einer MdE von (über 90 vH) begründe, beinhalte - bei einer bindend festgestellten Gesamt-MdE von 90 vH als Vergleichsbasis - keine Ausnahme von diesem Grundsatz.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und gerügt, das SG habe mit seiner Entscheidung gegen die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG verstoßen. Diese Vorschrift sei gegenüber § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) vorrangig. Erwerbsunfähigkeit liege kraft der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht erst bei einem MdE-Grad von 100 vH vor, sondern ausnahmsweise bereits bei einer MdE von mindestens 91 vH.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 und den Bescheid des Beklagten vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten und die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Archivakten des SG Nürnberg S 10 Vs 231/92 und S 7 V 105/89 und die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung der Rente eines Erwerbsunfähigen ab 01.04.1996.
Wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, gilt als erwerbsunfähig (§ 31 Abs 3 Satz 2 BVG). Ein Beschädigter erhält die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG) sobald eine MdE von mindestens 91 vH vorliegt; einer MdE-Änderung um 5 vH, um die Rente eines Erwerbsunfähigen zu erreichen, bedarf es nicht. Bei der Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 handelt es sich um eine unwiderleglichliche Rechtsvermutung mit der Folge, dass jeder Beschädigte, dessen MdE um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, für die Bemessung der Grundrente (und ggfs der Ausgleichsrente gemäß § 32 Abs 2 BVG) als erwerbsunfähig gilt (so Wilke/Fehl, Kommentar zum Sozialen Entschädigungsrecht 7.Aufl § 31 RdNr 12). Es ist also nicht erforderlich, dass die MdE entsprechend § 31 Abs 2 BVG mit 95 vH bewertet wird (so Rohr/Strässer, BVG mit Verfahrensrecht, § 31 K 5). Wird die MdE im allgemeinen Erwerbsleben nach § 30 Abs 1 BVG mit 81 vH und nach Anwendung des Abs 2 mit 91 vH bewertet, gilt der Beschädigte als erwerbsunfähig (aaO unter Verweisung auf BSG SozR Nr 12 zu § 31 BVG = Urteil vom 31.01.1973 9 RV 532/71).
Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf eine Rente nach einer MdE um 100 vH verneint. Eine solche Rente sieht das BVG aber nicht vor. Vielmehr wird gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 BVG bei Erwerbsunfähigkeit ein höherer Zahlbetrag als nach einer MdE um 90 vH gewährt. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit wird ausschließlich durch § 31 Abs 3 BVG definiert (BSG 8, 69, 71). Dabei ist das Aufrunden von 91 vH bis zum Erreichen der Erwerbsunfähigkeit als Auswirkung des nach § 30 Abs 1 BVG bemessenen MdE-Anteils nicht der Berufsschädigung iS des § 30 Abs 2 BVG, die mit 10 vH bemessen ist, zuzurechnen. Erst und allein die neue Feststellung der MdE nach § 30 Abs 1 BVG unabhängig von der besonderen beruflichen Schädigung, bewirkt die Anwendung der gesetzlichen Bestimmung, dass der Kläger als erwerbsunfähig g i l t , weil nunmehr die Gesamt-MdE rechnerisch mehr als 90 vH (91 vH) beträgt (so BSG SozR 3100 § 30 Nr 9).
Das SG beruft sich bei der Ablehnung des klägerischen Anspruches auf das Urteil des LSG vom 19.01.1999 Az: L 15 V 105/95. Hierin vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Nach dem og Urteil des LSG soll die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG bei einer bindend festgestellten MdE von 90 vH als Vergleichsbasis keine Ausnahme von dem Grundsatz beinhalten, dass § 48 SGB X eine wesentliche Änderung erfordere. Das LSG beruft sich zur Stützung seiner Rechtsansicht auf das Urteil des BSG vom 22.09.1977 Az: 10 RV 69/76. Aus diesem Urteil lässt sich aber ein solcher Rechtssatz nicht ableiten. Das BSG hat lediglich festgestellt, dass der Grundsatz der einheitlichen MdE-Bewertung es verbietet, die MdE lediglich bei der Gewährung der Pflegezulage um einen geringen, regelmäßig nicht genau bestimmbaren und im Rechtssinne unwesentlichen Prozentsatz zu erhöhen, um auf diesem Wege § 31 Abs 3 und 35 Abs 1 Satz 4 BVG, wonach erwerbsunfähige Hirnbeschädigte eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I erhalten, für den Beschädigten nutzen zu können. Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Das BSG hat in seinem Urteil ausdrücklich die Rechtsprechung des 9. Senats des BSG berücksichtigt und auf die Besonderheiten der im Urteil vom 31.01.1973 - 9 RV 532/71 (= SozR Nr 12 zu § 31 BVG) gegebenen Sachlage hingewiesen. Dort aber war bei einem bereits anerkannten MdE-Grad um 80 vH eine w e i t e r e Schädigungsfolge hinzugetreten, was zu einer Gesamt-MdE zwischen 82 und 83 vH geführt hat.
So ist es auch hier. Zu den bisher anerkannten Schädigungsfolgen sind weitere Schädigungsfolgen hinzugetreten, die nach den überzeugenden Feststellungen des Dr ... mit einer Gesamt-MdE von 93 vH unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit einzuschätzen sind. Der erkennende Senat ist daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG der Auffassung, dass ein Beschädigter gemäß § 31 Abs 3 Satz 2 BVG als erwerbsunfähig gelten muss, dessen durch mehrere Schädigungsfolgen bedingte MdE im allgemeinen Erwerbsleben 83 vH beträgt, wenn die MdE gemäß § 30 Abs 2 BVG noch um 10 vH höher zu bewerten ist; eine Abrundung des Vomhundertsatzes gemäß § 31 Abs 2 2.HS BVG, wonach eine um fünf vom Hundert geringere MdE von den Vomhundertsätzen des § 31 Abs 1 mit umfasst wird, kann hier nicht stattfinden.
Zwar setzt die für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung der Verhältnisse eine Änderung des Grades der MdE um mehr als 5 vH voraus (Schroeder-Printzen/Wiesner Komm zum SGB X, 3.Aufl, § 48 RdNr 9 mit Verweisung auf BSG in SozR 3100 § 62 BVG Nr 14 für den Bereich der KOV). Im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG sind aber vorliegend die Anforderungen an eine wesentliche Änderung nicht an einem rechnerischen Grad der MdE von mehr als 5 vH auszurichten (so auch BayLSG Urteil vom 21.02.1995 Az: L 15 V 40/90).
Nach alledem steht dem Kläger die Rente eines Erwerbsunfähigen zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Die Auswirkung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG stellt keine Rechtsfrage dar, die klärungsbedürftig ist, vielmehr ist hierzu Rechtsprechung des BSG ergangen, die ausreichende Anhaltspunkte für die Rechtsanwendung gibt (vgl Meyer-Ladewig Komm zum SGG 6.Aufl § 160 RdNr 7).
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