L 4 B 135/05 ER SO

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 50 SO 165/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 B 135/05 ER SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Antragstellerin, die die Antragsgegnerin verpflichtet wissen will, ihr aus Sozialhilfemitteln Eingliederungshilfe in Form von Hilfe für Familien mit behinderten Kindern (HFbK) und/oder durch pädagogische Betreuung im eigenen Wohnraum (PBW) zu gewähren, einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b SGG zu Recht versagt.

Es ist schon fraglich, ob hier zwischen den Beteiligten überhaupt ein der (allein in Betracht kommenden) Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zugängliches streitiges Rechtsverhältnis besteht. Die Antragsgegnerin hat den Antrag der Antragstellerin vom 2. Februar 2005, ihr auch über diesen Monat hinaus HFbK im Umfang von 10 Stunden wöchentlich zu bewilligen, mit Bescheid vom 30. März 2005 abgelehnt. Die Antragstellerin gibt zwar an, dagegen Widerspruch eingelegt zu haben; ein Widerspruchsschreiben findet sich in den beigezogenen Sozialhilfeakten freilich nicht und ist auch nicht nachgereicht worden. Das kann jedoch auf sich beruhen. Denn das Sozialgericht hat jedenfalls zutreffend ausgeführt, dass der erforderliche Anordnungsanspruch nicht gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht worden ist.

Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. In § 54 Abs. 1 SGB XII werden die Leistungen der Eingliederungshilfe unter Verweis auf Bestimmungen des SGB IX näher umschrieben. Gemäß § 58 Abs. 1 SGB XII stellt der Träger der Sozialhilfe so frühzeitig wie möglich einen Gesamtplan zur Durchführung der einzelnen Leistungen auf.

Danach gehört die im XXXXXXXX 1991 geborene Antragstellerin, für die nach Schwerbehindertenrecht wegen Autismus und Sprachentwicklungsverzögerung ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt worden ist (Bescheid vom 21. August 1998), zwar zu dem Personenkreis, dem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, soweit der letzte Halbsatz dieser Bestimmung nicht entgegensteht, ein Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Sozialhilfeträger zukommt. Damit ist jedoch nicht ausgesprochen, dass die Eingliederungshilfe durch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft hier gerade in der von der Antragstellerin gewünschten Form als HFbK (§ 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 7 SGB IX) oder als PBW (§ 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 SGB IX) zu bewilligen wäre. Über die Art und Weise und die Ausgestaltung der Eingliederungshilfe hat der Träger der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden, in welchem Zusammenhang dem (hier anscheinend fehlenden) Gesamtplan nach § 58 SGB XII besondere Bedeutung zukommt. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die auf die spezielle Frage beschränkte Entscheidung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin Eingliederungshilfe jedenfalls nicht als HFbK oder PBW zu gewähren, in einer den Erlass einer (die Hauptsache vorwegnehmenden) einstweiligen Anordnung rechtfertigenden Weise ermessensfehlerhaft sein könnte. Die Antragsgegnerin hat sich bei ihrer Entscheidung an den einschlägigen seit Jahresbeginn 2005 geltenden Globalrichtlinien orientiert, die entgegen ihrer Darstellung im Bescheid vom 30. März 2005 zwar keine Rechtsnormen sind, die aber als ermessensleitende Verwaltungsvorschriften eine gleichmäßige und gerechte (vgl. Art. 3 Grundgesetz) Ermessenspraxis gewährleisten sollen. Danach scheidet die Bewilligung von HFbK für die Antragstellerin ab März 2005 nunmehr jedenfalls aus, weil sie das 14. Lebensjahr vollendet hat (Nr. 2.1 der Globalrichtlinie HFbK). PBW kommt nicht in Betracht, weil nach wohl zutreffender Einschätzung der Antragsgegnerin angesichts der Behinderung der Antragstellerin keine Aussicht besteht, dass sie die Fähigkeiten für eine selbständige Lebensführung in eigenem Wohnraum wird erwerben können (vgl. Nr. 2.1 der Globalrichtlinie PBW). Mit letzterer Voraussetzung dürfte die Antragsgegnerin als Herausgeberin der Richtlinien die gesetzliche Bedingung konkretisiert haben, dass Eingliederungshilfe durch PBW nur beansprucht werden kann, wenn Aussicht besteht, dass sie ihren Zweck erfüllt (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII). Der Senat sieht durchaus, dass die Globalrichtlinien zur Frage des Anspruchs auf Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII für den von ihnen nicht ausdrücklich erfassten Personenkreis, zu dem jetzt auch die Antragstellerin gehört, möglicherweise eine Lücke lassen. Rechtlich problematisch wäre es daher, wenn die Antragsgegnerin allein unter Hinweis darauf, eine bestimmte Person unterfalle nicht bestehenden Verwaltungsvorschriften, jedwede Eingliederungshilfe gemäß § 53 ff. SGB XII schon dem Grunde nach versagte. Die beschriebene Lücke kann jedoch – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Übrigen – nicht dadurch geschlossen werden, dass auch von den Richtlinien nicht erfasste Personen die dort vorgesehenen speziellen Leistungen erhalten. Schon gar nicht kann das Beschwerdegericht entsprechend im einstweiligen Anordnungsverfahren entscheiden, zumal auch eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar ist. Vielmehr wird, bei Beachtung von § 58 SGB XII, zunächst im Verwaltungsverfahren zu prüfen sein, in welcher Weise die Antragstellerin aufgrund der gesetzlichen Regelungen im 6. Kapitel SGB XII, die für die Beurteilung ihrer an den Einzelfall anzupassenden (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) rechtlichen Ansprüche allein maßgeblich sind, gefördert werden muss und kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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