L 1 R 4168/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 185/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 4168/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob beim Kläger für Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet vom 20.08.1962 bis 04.08.1989 die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach dem AAÜG festzustellen (§ 8 Abs. 1 AAÜG) und ihm eine entsprechende Mitteilung zu erteilen ist (§ 8 Abs. 2 AAÜG).

Der 1939 geborene und im August 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelte Kläger macht seine Tätigkeiten als Diplomingenieur in verschiedenen volkseigenen Betrieben (VEB) als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem geltend, damit auch sein über der Versicherungsgrenze der regulären Sozialpflichtversicherung im Beitrittsgebiet liegender Verdienst von über 7.200,00 DM bei der Rentenberechnung Berücksichtigung findet.

Der Kläger erwarb am 07.07.1962 an der Ingenieurschule für Bauwesen Z. in der Fachrichtung Industriebau einen berufsqualifizierenden Abschluss, der in der BRD als Diplomingenieur (FH) anerkannt wurde. Im Zeitraum vom 20.08.1962 bis 30.03. 1968 war er zunächst im "Vereinigten Wohnungskombinat Leipzig" als Jungingenieur, Bau- und Oberbauleiter beschäftigt und anschließend ab April 1968 als Abteilungsleiter, ab Januar 1981 als Stellvertreter des Direktors und ab 01.04.1984 als amtierender Direktor sowie vom Januar 1987 bis 04.08.1989 als Abteilungsleiter im "VEB Innenprojekt H." tätig.

Die Beklagte als Zusatzversorgungsträger lehnte den am 01.02. 2001 bei ihr gestellten Antrag auf Feststellung einer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nebst entsprechenden Pflichtbeitragszeiten mit Bescheid vom 18.06.2002 für die Zeit ab 20.08.1962 bis zum 04.08.1989 ab. Die Entscheidung wurde unter Bezugnahme auf Urteile des BSG vom 09.04.2002 und vom 10.04.2002 damit begründet, dass der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungsystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs - und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) nicht eröffnet sei. Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG im Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz (AVItech) liege nicht vor. Weder sei eine formelle Versorgungszusage erfolgt, noch habe er Kläger zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme (30.06. 1990) eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre.

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er wegen der zögerlichen Bearbeitung seines am 01.02.2001 gestellten Antrags durch die Beklagte einer im April 2002 erfolgten Verschärfung durch die Rechtsprechung des BSG unterfalle und damit ungleich gegenüber noch nach altem Recht erfolgten Feststellungen behandelt werde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.01. 2003 zurück. Der Kläger habe im Juni 1990 keine Beschäftigung mehr im Beitrittsgebiet ausgeübt. Damit sei er auch nicht in einem VEB (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 beschäftigt gewesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und seinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung in das Zusatzsystem AVItech erneut damit begründet, dass er jeweils seiner Ausbildung entsprechend als Diplom-Ingenieur in verschiedenen VEB Tätigkeiten verrichtet habe. Daher gehöre er zu dem Personenkreis, für den dieses Zusatzversorgungssystem ursprünglich vorgesehen gewesen sei. Die Berufung auf die Stichtagsregelung (30.06.1990) durch die Beklagte sei eine Fehlinterpretation, die nicht der jüngsten Rechtsprechung des BSG entspreche. Unter anderem habe das BSG in seiner Entscheidung vom 09.04.2002 (Az.: B 4 RA 31/01 R) zu erkennen gegeben, das derjenige, der objektiv die Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Versorgungssystem erfülle, im Vergleich zur Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gleichgestellt werden müsse. Vom Erfordernis einer Beschäftigung oder eines Wohnsitzes zum Stichtag in der DDR sei darin nicht die Rede.

Durch Urteil vom 15.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, dass der Kläger gegenüber dem Versorgungsträger keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung habe. Das AAÜG gelte in seinem Falle nicht. Er habe am 01.08.1991 weder aufgrund eines Verwaltungsaktes, der nach Artikel 19 Abs.1 des Einigungsvertrages (EV) weiter bestehe, noch aufgrund eines Gesetzes, zum Beispiel nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 EV, bzw. einer Rehabilitierungsentscheidung eine Versorgungsanwartschaft aus der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gehabt. Der Kläger gehöre aber auch nicht zu den durch die erweiternde Rechtsfortbildung des BSG einbezogenen Personenkreis. Danach sei § 1 Abs. 1 AAÜG dahingehend verfassungskonform ausdehnend auszulegen, dass eine Versorgungsanwartschaft "aufgrund der Zugehörigkeit" bei am 30.06.1990 nicht Einbezogenen nicht nur in den Fällen der Gleichstellung durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bestehe, sondern auch dann, wenn jemand aufgrund der am 30.06. 1990 gegebenen Sachlage aus der Perspektive des am 01.08.1991 in Kraft getretenen AAÜG einen "Anspruch auf Versorgungszusage" gehabt hätte (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2). Dies sei nur der Fall, wenn die Nichteinbezogenen rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit diese aufgrund des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 am 03.10.1990 zu Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30.06.1990 (vgl. EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8, § 22 Rentenangleichungsgesetz vom 28.06.1990, BGBl I S. 495) hätten einbezogen werden müssen.

Der Bundesgesetzgeber habe im übrigen an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen dürfen. Artikel 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebiete nicht, von jenen historischen Fakten abzusehen und zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler weitere Personengruppen zu begünstigen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zusätzlich noch vorgebracht, dass er zum 30.06.1990 wegen noch nicht vorhandener Reisefreiheit nicht habe in die DDR zurückkehren können. Der Senat hat die Arbeitsbücher und den Sozialversicherungsausweis des Klägers beigezogen. Danach leistete dieser nur einen Monat Wehrdienst und war damit nicht in das Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Nationalen Volksarmee aus dem Jahre 1957 einbezogen. Weiter wurde der Rentenbescheid vom 13.07.2004 bekannt. Danach war für den Kläger vom 01.04.1965 bis 28.02.1971 ein zusätzlicher Arbeitsverdienst versichert. Ab 01.07.1978 bis zum 04.08.1989 war er mit seinem vollen Verdienst bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der FZR versichert. Dementsprechend bezieht der Kläger aufgrund seines Rentenantrags vom 19.04.2004 ab Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente in Höhe von 1.762,83 Euro bei einer Anwartschaft von 62,9623 Entgeltpunkten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 15.07.2004 sowie des Bescheides vom 18. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003, zu verurteilen, die Beschäftigungszeiten vom 20. August 1962 bis 4. August 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem gemäß Anlage 1 zum AAÜG sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten sowie der Versichertenakte der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nicht auf eine Sozialleistung gerichtete Berufung ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993, BGBl. I, 50). Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist auch für Zeiträume gegeben, in denen, seinen materiellen Rentenanspruch betreffend, durch die Versicherung seines Entgeltes nach der freiwilligen Zusatzrentenversicherung kein Unterschied im Anwartschaftsrecht besteht, weil die Überführung von Rentenanwartschaften einer eigenen Systematik und Finanzierung (vgl. § 15 AAÜG) unterliegt. Ebenso ist auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (vgl. § 17 AAÜG). Die Berufung ist fristgemäß eingelegt (§§ 151 Abs. 1, 153 Abs. 1, 87 Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 SGG) sowie auch ansonsten zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der AVItech für den Zeitraum vom 20.08.1962 bis 04.08.1989, in dem er als Bau-Ingenieur in mehreren VEB im Beitrittsgebiet beschäftigt war. Dabei geht der Senat aufgrund der von der Beklagten über den Antrag des Klägers im Verwaltungsverfahren hinausgehenden Erweiterungen des Feststellungszeitraums (der Kläger hatte zunächst nur eine Feststellung der Zeit ab dem November 1968 beantragt) von einer zulässigen Klageändeerweiterung im Verfahren beim SG aus (§ 99 Abs. 3 SGG).

Der Kläger hat damit auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Entgelte (§§ 5 bis 8 AAÜG). Er erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 AAÜG und fällt nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG. Denn der Kläger hatte zum 01.08.1991, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, weder einen Versorgungsanspruch noch eine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG bzw. eine nach S. 2 a.a.O. fingierte Versorgungsanwartschaft (Weiterführung von BSG vom 29.07.1997 - 4 RA 60/96 mit Urteil vom 20.12.2001, Az: B 4 RA 6/01 R). Auch erfüllte er nicht die Voraussetzungen einer Gleichstellung mit einer fingierten Anwartschaft nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile des BSG vom 9. und 10.04. 2002).

Damit ist auch § 8 AAÜG - wie alle Normen dieses Gesetzes - nicht anwendbar, ebenso wenig sind §§ 5 ff AAÜG im Einzelnen zu prüfen.

Wegen der einzelnen Möglichkeiten einer Zugehörigkeit zum AAÜG und deren Verneinung wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen und bis auf das Folgende von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§§ 153 Abs. 2, 136 Abs. 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege).

Hervorzuheben ist aber nochmals der Ausgangspunkt der erweiternden Rechtsprechung des BSG zum fiktiven bundesrechtlichen bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Zusage (zuletzt Urteil des BSG vom 10.02.2005, Az.: B 4 RA 48/04 R). Nach Ansicht des BSG ist nicht einzusehen, dass am 30.06.1990 einem Versorgungssystem nicht Zugehörige, die früher einmal einbezogen waren, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG anders behandelt werden (fiktive Einbeziehung) als am 30.06.1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Versorgungssystem an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber aus in den Verhältnissen der DDR liegenden Gründen formell nicht einbezogen waren. Insoweit ist die gleiche Rechtsfolge anzunehmen wie bei ehemals Einbezogen, die diesen Status durch rechtsstaatswidriges Verhalten der DDR verloren haben. Denn schon nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2,3 i.V.m. Art. 17 Einigungsvertrag (EV) sind rechtswidrige Verwaltungsakte der DDR unbeachtlich. Ebenso kann die Einbeziehung auf Grund einer förmlichen Rehabilitierungsentscheidung geschehen (Art. 17 EV).

Unbestritten war der Kläger im Einzelfall (Versorgungszusage, Einzelentscheidung bzw. - Vertrag) nicht in die AVItech integriert. Damit hat er durch das Verlassen der DDR auch - entgegen der missverständlichen Formulierungen im Urteil des SG auf Seite 6 - keine Anwartschaft nach den Regeln der Versorgungssysteme verloren. Nur in diesen Fällen fingiert § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nach seinem klaren Wortlaut, der Verlust sei nicht eingetreten, die Unmaßgeblichkeit der Versorgungsregelungen über das Ausscheiden aus dem Versorgungssystem (und damit einen Unterfall des Satzes 1 a.a.O.). Dadurch wird ein nicht mehr Einbezogener auf Grund einer vor dem 30.06.1990 gemäß den damaligen Regelungen - also nicht durch rechtswidrigen Akt der DDR - erloschenen Einbeziehung so gestellt, als sei er einbezogen geblieben.

Der Kläger gehört aber auch nicht zu der durch verfassungsgemäße Auslegung von der Rechtsprechung entwickelten Gruppe von Betroffenen, die nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage auf Grund der zu Bundesrecht gewordenen zwingenden Bestimmungen der Versorgungssysteme einen Anspruch auf Einbeziehung hätte haben müssen (s.o.). Versorgungsanwartschaften sind danach aus der Perspektive des am 01.08.1991 in Kraft getretenen AAÜG (Art. 3 RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl I S. 1606) "erworben worden", wenn die Nichteinbezogenen rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit diese aufgrund des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 am 03.10.1990 zu Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30.06.1990 (vgl. EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8, § 22 Rentenangleichungsgesetz vom 28.06. 1990, GBl. I S. 495) hätten einbezogen werden müssen. Ob dies vorliegt, bestimmt sich einerseits nach den Regelungen der Versorgungssysteme selbst, soweit sie Bundesrecht geworden sind (obligatorisch i.S. einer "gebundenen Verwaltung" in den Kreis der versorgungsberechtigten Einzubeziehende), andererseits nach dem Vorliegen dieses Status im Zeitpunkt der Geltung von Bundesrecht bzw. der Schließung der Systeme.

Dem Kläger stand auch danach am 30.06.1990 keine einzubeziehende Anwartschaft zu. Es unterliegt zwar keinerlei Zweifel, dass er zu dem beruflich erfassten Personenkreis gehört, der obligatorisch der AVItech, in Verbindung mit der nach § 5 a.a.O. erlassenen Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 (GBl DDR S. 487) und § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 12.04.1962 (GBl DDR II S 278) zugehört. Ebenso wenig ist bestritten, dass der Kläger bis zu seiner Übersiedelung nach Westdeutschland im Jahre 1989 in einem Betrieb beschäftigt war, der die Einbeziehung in das Versorgungssystem vorgesehen hat (VEB) und dass er tatsächlich den von der Versorgungsordnung erfassten Beruf ausgeübt hat.

Diese beim Kläger bis zum August 1989 bestehende Option auf die Erstarkung zu einer Anwartschaft i.S. des AAÜG ist wegen der Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses im Beitrittsgebiet entfallen, hat auch am 30.06.1990 nicht wieder vorgelegen und kann keinesfalls durch ein Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik ersetzt werden. Dieses Ergebnis ist eine Folge des vom Gesetzgeber letztlich im Einigungsvertrag so getroffenen und von den Vertragspartnern so ausgehandelten Überführungsprogramms. Weder haben diese Regelungen die Zielsetzung, Personen wegen "Republikflucht" zu bestrafen, noch handelt es sich um einen willkürlich herausgegriffenen Stichtag, um finanzielle Lasten von der Rentenversicherung abzuwenden.

Das Begehren zahlreicher, dem Kläger vergleichbarer Anspruch- steller, in diesem Zusammenhang bundesrechtliche Gleichbehandlungsgrundsätze anzuwenden, die zu einem Abweichen von dem durch ein Willkürregime geprägten "Normalverhalten" der DDR im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme führen würden, geht schon deshalb ins Leere, weil der EV nur die Übernahme damals bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten hat (§ 22 Abs. 1 RAnglG als Bundesrecht und EV Anlage II, Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9a). Diese Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß, weil der Bundesgesetzgeber selbst an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen durfte. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich die vorgetragenen Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EV angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f). Er hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür - wie aufgezeigt - ausgeschaltet. Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12. 1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten, aus der DDR stammenden Versorgungsrechts und insbesondere dessen willkürlicher Handhabung war er schon deswegen nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen genügenden Gesetz, dem SGB VI, unterstellt hat.

Im Übrigen hatte derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVItech erhalten hatte, keine nach DDR-Recht damals gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten, die er hätte i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verlieren können. Es gab also niemals den Zeitpunkt, in dem die DDR sich nach ihren Gegebenheiten normalerweise hätte gehalten gesehen, z.B. dem Kläger etwas im Versorgungsfall zu leisten. Regeln, die wie § 2 Abs. 1 der 2. DB vorsahen, dass die vorgesehene Altersversorgung dem Begünstigten nur gewährt wird, wenn er sich auch im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befindet, hätten für den Kläger keine Bedeutung gehabt, weil er nach dem Normalzustand in der DDR mangels im Versicherungsschein dokumentierter Zugehörigkeit zur AVItech sich ohnehin nicht auf Versorgungsleistungen hätte verlassen können. D.h. auch bei Weiterbestehen der DDR hätte der Kläger keine zusätzliche, über seine ohnehin gegebene Absicherung durch die freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) hinausgehende Altersversorgung erlangt.

Soweit der Kläger unter Anführung des Urteils vom 24.03.1998 (B 4 RA 27/97 R) die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon abhängig sieht, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei, verkennt er die dort zugrundeliegende Fallgestaltung. Die genannte Entscheidung - sowie weitere Urteile vom 30.06.1998 (B 4 RA 94/97 R und B 4 RA 11/97 R) - betreffen ausschließlich Fragestellungen nach § 5 AAÜG, bei denen zunächst grundsätzlich die personelle Einbeziehung in das AAÜG durch formale Versorgungszusagen gegeben war. Strittig waren lediglich Zeiträume vor diese Zusage. So hat der Versicherte, in dessen Rechtsstreit das Urteil vom 24.03.1998 mit dem Az.: B 4 RA 27/97 R ergangen ist, damit argumentiert, dass er schon viel früher zu denjenigen Personengruppen gehöre, die aufgrund ihrer Ausbildung und Tätigkeit einen Anspruch auf Zusatzversorgung hätten, auch wenn dessen förmliche Dokumentation erst später erfolgt sei. Ihm wurde nämlich im November 1974 auf Antrag des Direktors des Forschungszentrums von der Regierung der DDR eine Zusage über eine zusätzliche Altersversorgung erteilt (Urkunde vom 05.11.1974). Darin hies es, die Urkunde sei "gültig ab 01.10.1974". In einem weiteren Fall (Urteil vom 30.06.1998, Az.: B 4 RA 11/98 R) war der Kläger, von Beruf Diplomchemiker, von Oktober 1982 bis Juni 1990 als Direktor für Forschung und Betriebsentwicklung im VEB A P beschäftigt. Mit Urkunde der Staatlichen Versicherung der DDR vom 29.03.1990 wurde ihm mitgeteilt, dass ihm die Staatliche Versicherung der DDR eine zusätzliche Altersversorgung der AVItech gewähren werde; die Versorgung trete am 01.12.1989 in Kraft. Im weiteren Urteil vom 30.06.1998 (Az.: B 4 RA 94/97 R) bestand nach einem vom Rat des Kreises F. ausgehändigten "Nachtrag zur Urkunde über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen" vom 26.09.1988 mit Wirkung vom 01.10.1988 Anspruch auf Leistungen nach der Anordnung vom 02.05.1988 über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen statt einem begehrten früheren Zeitpunkt. Bei diesen Fällen zeigt sich auch, dass es für die AVItech eines förmlichen Einbeziehungsaktes bedurfte.

Auch die weitere Rechtsprechung des BSG hat an diesen Grundsätzen nicht gerüttelt. In der bislang jüngsten Entscheidung (Urteil vom 10.02.2005, Az.: B 4 RA 48/04 R) werden die bekannten Grundsätze wiedergegeben, dass eine Gleichstellung weiterer Personen, die - wie der Kläger - vor dem 30.06.1990 aus einem an sich von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis (dort wegen Berentung) ausgeschieden waren und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Zusatzversorgungssysteme (hier: AVItech) am 30.06.1990 die Voraussetzungen für eine fiktive Versorgungsanwartschaft Nichteinbezogener nicht erfüllten, von Verfassungs wegen nicht geboten ist. Auch die vorangegangene Entscheidung vom 26.10.2004 (Az.: B 4 RA 23/04 R) zeigt die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung auf. Darin wird ausgeführt, dass eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht erlaubt sei und das Einbeziehungsverbot sonst unterlaufen würde. Der Bundesgesetzgeber darf danach an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkür anknüpfen (vgl. BSG vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 und BSG vom 10.04.2002 - B 4 RA 18/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 8).

Die Grenzen eines durch die Rechtsprechung "erweiterten Geltungsbereichs" sind damit für Personen, die weder Inhaber einer gültigen oder erloschenen Versorgungszusage noch Adressat einer Rehabilitierungsentscheidung sind, sondern eine Tätigkeit ausgeübt haben, die ihrer Art nach mit einer Tätigkeit vergleichbar war, die an sich zu DDR-Zeiten zu einer Einbeziehung in ein Versorgungssystem hätte führen sollen, abschließend und klarstellend gezogen. Mit der verfassungskonformen Auslegung des § 1 AAÜG hat das BSG abschließend die Position all jener wesentlich verbessert, die von der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30.06.1990 durch den DDR-Gesetzgeber des Renten AnglG vom 28.06.1990 "überrascht" worden waren und den formell-rechtlich notwendigen Antrag auf Einbeziehung nicht rechtzeitig hatten stellen können. Nur dieser Personenkreis wird gleichbehandelt mit demjenigen, für den ein solcher Antrag noch rechtzeitig gestellt wurde. Eine weitergehende Auslegung ist von Verfassungs wegen nicht geboten.

Dies wurde auch schon in der Entscheidung des BSG vom 08.06. 2004, Az.: B 4 RA 56/03 R, zum Ausdruck gebracht für einen der Beschäftigung relativ nahe stehenden Personenkreis, der Gruppe der Arbeitslosen. Damit kann eine ausdehnende Auslegung für einen Personenkreis wie den des Klägers, der sich völlig von seinem Beschäftigungsverhältnis in der DDR gelöst hat, keinesfalls erfolgen. In seinem Urteil vom 08.06.2004 - dem sich der Senat in vollem Umfang anschließt - stellt das BSG deutlich klar, dass eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die am 30.06.1990 arbeitslos und damit vor diesem Zeitpunkt aus einem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits ausgeschieden waren, nicht in Betracht kommt.

Auch die vom Kläger angeführte Entscheidung vom 09.04.2002 (Az.: B 4 RA 31/01 R) führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch darin wird betont, dass ein Kläger, der zum 01.08.1991, also beim Inkrafttreten des AAÜG, keinen Anspruch und keine Anwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben hatte, nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG (§ 1 Abs. 1 Satz 1) unterfällt. Dieser Entscheidung (Evangelische Brüder-Unität) lag ein Sachverhalt zu Grunde, in welchem ein von der Berufsqualifikation ausgehend geeigneter Beschäftigter zwar früher einmal in einem VEB tätig gewesen war, nicht aber zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme, dem 30.06.1990. Denn die Evangelische Brüder-Unität sei kein VEB Industrie oder Bau und sei einem solchen in § 1 Abs. 2 ZAVtIVDBest 2 auch nicht gleichgestellt. Zur Rechtmäßigkeit der in dieser Sache dennoch vorgenommen Feststellung durch den Versorgungsträger für die Zeit vom 17.09.1962 bis zum 31.12.1972 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech hat das BSG eindeutig dahin gehend Stellung genommen, dass damit keine eigenständige Feststellung über die Anwendbarkeit des AAÜG getroffen worden sei, sondern nur einige Vorschriften dieses Gesetzes auf den Antragsteller angewandt worden seien. Damit sei nicht bereits durch einen - "möglicherweise rechtswidrigen, aber nicht nichtigen" - Verwaltungsakt entschieden worden, dass das AAÜG in diesem Falle gelte.

Die hier vertretene Rechtsansicht entspricht im übrigen der ständigen Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts (vgl. Urteile vom 07.04.2004 Az.: L 13 RA 279/03 und 07.04.2004 L 13 RA 187/03 bzw. vom 28.04.2004, Az.: L 1 RA 268/03). Die gegen die Urteile vom 07.04.2004 erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden hatte das BSG nicht zum Anlass genommen, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Diesen Entscheidungen lagen der Sache des Klägers vergleichbare Fallgestaltungen zu Grunde, in welchen Beschäftigte bereits vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme das spätere Beitrittsgebiet verlassen hatten.

Wie sich aber dem zuvor Ausgeführten bereits entnehmen lässt, ist das ausschlaggebende Kriterium das Fehlen einer Beschäftigung zum genannten Zeitpunkt, unabhängig vom jeweiligen Grund (s.o. die Fälle der Arbeitslosigkeit bzw. der vorbestehenden Berentung).

Nach alledem hat der Kläger keine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 AAÜG - auch nicht in erweiternder, verfassungsgemäßer Auslegung - "erworben", so dass ihm ein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem gemäß § 5 AAÜG nicht zusteht.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Die beim Kläger vorliegende Fallgestaltung ist durch in den Entscheidungsgründen angesprochene Rechtsprechung des BSG vom 09.04. 2002 umfassend und aus Sicht des LSG zutreffend geklärt und durch jüngere Entscheidungen nicht infrage gestellt worden.
Rechtskraft
Aus
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