L 19 RJ 375/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 1109/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 375/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.04.2003 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1956 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war nach seinen Angaben von 1974 an zunächst als Schreinereiarbeiter, von 1984 an als Bauhilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt, zeitweise im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Einen ersten Rentenantrag des Klägers vom 07.02.1995 lehnte die damals zuständige Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz mit Bescheid vom 06.09.1995 ab, da der Kläger nicht berufs- oder erwerbsunfähig sei. Ein zweiter Rentenantrag vom 26.08.1996 wurde mit Bescheid derselben Anstalt vom 08.01.1997 abgelehnt, da der Kläger für fähig erachtet wurde, noch mittelschwere Arbeiten in Vollschicht zu leisten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 13.01.1998 zurückgewiesen; die dagegen erhobene Klage wurde am 19.01.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Landshut zurückgenommen. Den nächsten Rentenantrag des Klägers vom 03.04.2000 wies die nunmehr zuständige Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2000 zurück. Der Kläger wurde weiterhin für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus in Vollschicht zu verrichten; gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass im maßgeblichen Zeitraum nur zwei Jahre mit entsprechenden Beiträgen belegt seien. Es fehlten somit die "versicherungsrechtlichen Voraussetzungen" für eine Rente.

Am 23.04.2001 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Berufs (BU)- bzw. Erwerbsunfähigkeit (EU). Er hat dabei angegeben, dass er ab 01.01.1999 bis 14.05.2001 Sozialhilfe bezogen hat. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18.05.2001 ab; im maßgeblichen Zeitraum vom 01.12.1994 bis 22.04.2001 seien nur 28 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt, nicht aber die erforderlichen 36 Monate. Der dem Bescheid beigefügte Versicherungsverlauf wies Pflichtbeiträge bis zum 01.03.1997 aus, für die Folgezeit bis 24.07.1998 Krankheitszeiten ohne Beitragszahlung. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, der nicht näher begründet wurde; die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13.11.2001 zurück und verwies weiterhin auf die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentenzahlung.

Dagegen hat der Kläger am 10.12.2001 Klage beim SG Nürnberg erhoben. Er sehe sich nicht mehr in der Lage, irgendeine Erwerbstätigkeit auszuüben, und verwies auf seine anerkannte Schwerbehinderung mit einem GdB von 100 mit den Merkzeichen G und H.

Das SG holte einen Befundbericht der Allgemeinärztin Dr.G. ein, die auch ihre gesamten ärztlichen Unterlagen über den Kläger übersandte (u.a. Bericht der neurologischen Klinik mit Poliklinik der Universität E. vom 10.06.2002, Berichte vom Krankenhaus T. in H. und vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R.). Im Auftrag des SG erstattete der Internist und Sozialmediziner Dr.G. das Gutachten vom 23.01.2003 nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Er nannte als Diagnosen: Zustand nach spinaler Dekompressionsoperation L5/S1 (in 11/2000), Verschleißzeichen in beiden Kniegelenken, dringender Verdacht auf schwere dissoziative Störung, toxisch-nutritiver Leberparenchymschaden, kombinierte Fettstoffwechselstörung, Hyperurikämie, erhebliches Übergewicht, Minderbegabung. Der Sachverständige erachtete den Kläger für fähig, zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch leichte körperliche Arbeiten in Vollschicht, möglichst in wechselnder Körperhaltung oder auch überwiegend im Sitzen durchzuführen. Der Kläger sei auch noch in der Lage, viermal täglich eine Gehstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb eines Zeitrahmens von jeweils 20 Minuten zurückzulegen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.H. erstattete das weitere Gutachten vom 06.03.2003. Er konnte keine wesentlichen neurologischen Befunde erheben bis auf das Fehlen des ASR rechts, er hat jedoch eine konversionsneurotische Symptomatik festgestellt. In der Leistungsbeurteilung schloss er sich der Einschätzung von Dr.G. an.

Mit Urteil vom 30.04.2003 hat das SG die Klage, gerichtet auf Gewährung von Rente wegen EU, abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsunfähig und auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert. In Auswertung der Gutachten von Dr.G. und Dr.H. sei der Kläger in der Lage, zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in Vollschicht leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Insbesondere könne er auch täglich viermal wenigstens 500 Meter innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurücklegen. Ein organischer Grund für die Benutzung eines Rollstuhles bestehe nicht. Was die psychische Störung anlange, könne dem Kläger eine entsprechende Willensanstrengung zugemutet werden, um die erforderlichen Wege zu und von einem Arbeitsplatz zurückzulegen. Die Muskulatur des Klägers sei auch im Hinblick auf die unteren Extremitäten seitengleich kräftig ausgeprägt. Der Kläger könne somit leichte körperliche Arbeiten in Vollschicht leisten, wobei lediglich übermäßige nervliche Belastung vermieden werden sollte. Der Kläger sei schließlich auch nicht berufsunfähig, da er keinen Beruf erlernt und stets nur einfache ungelernte Tätigkeiten ausgeübt habe, wie etwa die eines Bauhilfsarbeiters. Ein qualifizierter Berufsschutz bestehe bei ihm nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 11.07.2003 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers. Grundursache seiner Beeinträchtigungen sei die Bandscheibenerkrankung, die nicht durch Operation beseitigt werden könne. Er sei seit langem und weiterhin arbeitsunfähig und halte die Einholung eines weiteren Gutachtens, insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet für angezeigt und erforderlich. Die LVA Oberfranken und Mittelfranken hat als kontoführender Versicherungsträger auf Anfrage mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung beim Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung im April 2001 nicht erfüllt waren; letztmalig habe dieses Erfordernis im August 2000 vorgelegen. Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des AVF N. zum Verfahren beigenommen und einen Befundbericht der Allgemeinärztin Dr.G. eingeholt. Der Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass eine weitere Begutachtung von Amts wegen nicht beabsichtigt sei. Der Kläger hat einen Arztbrief des Radiologen Dr.K. vom 01.04.2004 und einen Überweisungsschein des Orthopäden Dr.J. vom 21.04.2004 vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 30.04.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab frühestmöglichem Zeitpunkt Rente wegen EU zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Prozessakte des SG Nürnberg und die Schwerbehinderten-Akte des Versorgungsamtes N. vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat im April 2003 zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht berufs- oder erwerbsunfähig i.S. der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung war und auch eine Erwerbsminderung nach der seit 2001 geltenden Neuregelung nicht vorliegt. Die Gutachten von Dr.G. und Dr.H. sind in sich schlüssig und überzeugend, was auch das SG in ausführlicher Begründung hervorgehoben hat. Bezogen auf den Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung waren beim Kläger bereits die versicherungsrechtlichen Erfordernisse gemäß § 43 Abs 2 SGB VI für eine Rentengewährung nicht mehr erfüllt (was das SG im angefochtenen Urteil noch offen gelassen hat). Im maßgeblichen, bereits um die Krankheitszeiten von März 1997 bis Juli 1998 verlängerten Zeitraum vom 01.12.1994 bis 22.04.2001 sind nur 28 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, nicht aber die erforderlichen 36 Monate. Dieses von der Beklagten bereits im Bescheid vom 18.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2001 herausgestellte Ergebnis ist von der kontoführenden LVA Oberfranken und Mittelfranken auf Anfrage ausdrücklich bestätigt worden. Der Kläger hat gegen den ihm mehrfach zugesandten Versicherungsverlauf (zuletzt vom 17.02.2004) auch keine begründeten Einwendungen erhoben. Bei der letzten Rentenantragstellung im April 2001 hat der Kläger demnach bereits nicht mehr die erforderliche Beitragsdichte an Pflichtbeiträgen im erforderlichen Zeitraum gehabt (nur 28 Monate, nicht aber die erforderlichen 36 Monate). Der Kläger erfüllt die versicherungsrechtlichen Erfordernisse für eine Rente auch derzeit nicht, da seit dem letzten Rentenantrag keine Pflichtbeiträge mehr hinzugekommen sind. Aus diesen Gründen ist es auch unerheblich, wie sich die gesundheitliche Entwicklung und das Befinden des Klägers derzeit darstellen. Medizinisch verwertbare Hinweise darauf, dass beim Kläger der Leistungsfall der BU oder EU schon wesentlich früher, insbesondere vor August 2000 eingetreten sein könnte, ergeben sich nicht; dies ist insbesondere aus den begründeten Gutachten von Dr.G. und Dr.H. aus dem Jahre 2003 herzuleiten. Hinsichtlich der Bewertung der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen für die berufliche Leistungsbeurteilung stimmt auch der Senat mit den überzeugenden Ausführungen dieser Sachverständigen überein. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen, da die Berufung insoweit auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet ist. Die vom Kläger zuletzt vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen - Arztbrief von Dr.K. vom 01.04.2004 und Überweisungsschein von Dr.J. vom 21.04.2004 - betreffen Befunde, die im Jahre 2004 erhoben wurden und sind deshalb für die Leistungsbeurteilung, wie sie im Jahre 2003 durch die ärztlichen Sachverständigen (auch für weiter zurückliegende Zeiten) vorgenommen wurde, ohne Bedeutung. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen mit der Folge, dass außergerichtliche Kosten unter den Beteiligten nicht zu erstatten sind. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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