L 18 SB 86/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SB 890/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 86/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das Prinzip der Veranlassung als Gesichtspunkt der Ermessensabwägung ist bei der Kostentragung nur dann zu Lasten eines Beteiligten heranzuziehen, wenn es sich um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat.
Der Klägerin sind die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge in vollem Umfang zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren war streitig, ob für die Behinderungen der Klägerin ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 festzustellen ist und ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Merkzeichen B, G, aG, H und RF vorliegen.

Bei der 1953 geborenen und am 03.10.2004 verstorbenen Klägerin war für ihre Behinderungen ein GdB von 60 festgestellt (Bescheid vom 05.10.1992). Der Beklagte setzte den GdB nach Anhörung mit Bescheid vom 22.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.11.1997 auf 30 herab.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg beantragte die Klägerin, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.11.1997 zu verurteilen, über Oktober 1997 hinaus die Behinderungen mit einem GdB von mindestens 60 zu bewerten. Das Sozialgericht ließ die Klägerin von dem Internisten Dr.S. (Gutachten vom 08.10.1998) und dem Nervenarzt Dr.N. (Gutachten vom 16.04.1999) untersuchen. Das Sozialgericht verpflichtete den Beklagten mit Urteil vom 09.07.1999 unter Abänderung des Bescheides vom 22.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.11.1997, die bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 40 ab Oktober 1998 zu bewerten. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Gegen dieses Urteil legte die Klägerin am 27.08.1999 Berufung ein und begehrte weiterhin die Feststellung eines Gesamt-GdB von mindestens 60. Der Senat holte ein Gutachten des Prof. Dr.E. vom 08.11.2000 ein. Dieser nahm einen Gesamt-GdB von 40 an. Der gemäß § 109 SGG gehörte PD und Chirurg Dr.I. (Gutachten vom 10.04.2002 / 20.12.2002) und der von Amts wegen gehörte Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr.M. (Gutachten vom 19.05.2003) schätzten den Gesamt-GdB auf 50. Die Klägerin hielt im Hinblick auf die von Dr.M. bezifferten Einzel-GdB-Werte einen Gesamt-GdB von 70 für gegeben. Der Beklagte erklärte sich mit Vergleichsangebot vom 23.07.2003 bereit, ab 01.03.2003 einen GdB von 60 festzustellen. Bezüglich der Kosten bot der Beklagte an, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen des Berufungsverfahrens zu einem Fünftel auf der Grundlage der Mittelgebühr zu erstatten.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 06.08.2003 einen Arztbericht der Chirurg. Universitätsklinik W. vom 02.07.2003 vor, wonach bei ihr ein zentral sitzender Lebertumor diagnostiziert worden sei. Sie beantragte nunmehr die Gewährung der Merkzeichen B, G, aG, H und RF. Der Beklagte lehnte eine Erweiterung des Vergleichsangebots vom 23.07.2003 ab und regte an, die Klägerin solle das Vergleichsangebot annehmen und nach Klärung der Diagnose der Lebererkrankung einen Neufeststellungsantrag stellen, da sich eine mögliche Erhöhung des GdB bis 100 erst ab Juni 2003 und damit über dreieinhalb Jahre nach Einlegung der Berufung ergeben könnte. Eine Erweiterung des Vergleichsangebots bezüglich der Kosten komme - auch im Falle der Weiterführung des Rechtsstreits und Feststellung eines höheren GdB ab Juni 2003 - nicht in Betracht, da mit einem Klage- bzw. Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide überprüft werde, die Verfahren aber nicht einer Verlaufskontrolle des Gesundheitszustands von Klägern dienten (Schreiben vom 10.09.2003). In einer beigefügten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.09.2003 führte der Internist Dr.S. aus, dass - sollte sich der Verdacht eines malignen Tumors im Bereich der Leber bestätigen - ab Juni 2003 (ab Diagnosestellung) ein Gesamt-GdB von 100 realistisch wäre. Der Bevollmächtigte der Klägerin erklärte mit Schreiben vom 25.09.2003 hierzu, dass bereits eine klare Diagnose eines zentral sitzenden Lebertumors nachgewiesen und somit eine weitere Klärung der Diagnose der Lebererkrankung nicht erforderlich sei. Der Beklagte möge das Vergleichsangebot dahingehend abändern, dass ab Juni 2003 der GdB mit 100 festgestellt werde. Mit Schreiben vom 04.11.2003 erweiterte der Beklagte sein Vergleichsangebot vom 23.07.2003 und erklärte sich bereit, unter Berücksichtigung der zusätzlichen Gesundheitsstörung "Rezidiverkrankung der linken Brust (in Heilungsbewährung)" ab 01.06.2003 einen GdB von 100 festzustellen. Merkzeichen gewährte er nicht. Eine Erweiterung des Vergleichsangebots bezüglich der Kosten gab der Beklagte nicht ab.

Mit Schreiben vom 13.11.2003 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin das Angebot des Beklagten vom 23.07.2003 als Teilvergleich an. Die Nichtgewährung von Merkzeichen akzeptierte er nicht.

Mit Schreiben vom 21.11.2003 lehnte der Beklagte eine Erweiterung des Vergleichsangebots vom 04.11.2003 ab. Merkzeichen ließen sich aus den vorgelegten Befundberichten nicht ableiten.

Der vom Senat mit weiterem Gutachten vom 28.01.2004 nunmehr von Amts wegen gehörte PD Dr.I. bejahte die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B, H sowie RF. Mit Schreiben vom 17.02.2004 erweiterte der Beklagte seine Vergleichsangebote vom 23.07.2003 und 04.11.2003 um die Merkzeichen B und G ab 01.06.2003. Das Merkzeichen RF wollte der Beklagten nicht zuerkennen. Eine Erweiterung des Vergleichsangebots bezüglich der Kosten lehnte der Beklagte ab und berief sich auf einen Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 12.04.1999 Az L 20 B 142/98 RJ, wonach Gerichtsverfahren nicht einer Verlaufskontrolle des Gesundheitszustands von Klägern dienten. Mit Schreiben vom 26.03.2004 erklärte sich der Beklagte bereit, ab 01.06.2003 auch die gesundheitlcihen Voraussetzungen für die Merkzeichen aG und RF festzustellen. Das Merkzeichen H anerkannte er nicht. Eine Erweiterung des Vergleichsangebots bezüglich der Kosten komme aus den schon genannten Gründen nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 01.04.2004 nahm der Bevollmächtigte der Klägerin das erweiterte Vergleichsangebot des Beklagten gemäß dem Schriftsatz vom 26.03.2004 im Wege eines Teilvergleichs an. Damit seien im Wege des Teilvergleichs nunmehr die Zuerkennung der Merkzeichen B, G, RF sowie aG geregelt. Bezüglich des Merkzeichens H solle das Verfahren weitergeführt werden. Bezüglich der Kosten werde ggf. eine gerichtliche Entscheidung zu treffen sein.

Mit Schreiben vom 08.04.2004 bat das Bayer. Landesamt für Versorgung und Familienförderung das Amt für Versorgung und Familienförderung Würzburg, die Vergleichsangebote vom 23.07.2003, 04.11.2003, 17.02.2004 und 26.03.2004 im Wege eines Teil-Anerkenntnisses auszuführen und den Bescheid gemäß §§ 153, 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens zu machen. Das Versorgungsamt Würzburg erließ einen entsprechenden Bescheid am 15.04.2004.

Der vom Senat zum Merkzeichen H gehörte Arzt für Sozial- und Betriebsmedizin Dr.E. bejahte in seinem Gutachten vom 05.07.2004 die gesundheitlichen Vorausetzungen für das Merkzeichen H. Daraufhin erweiterte der Beklagte seine Vergleichsangebote vom 23.07.2003, 04.11.2003, 17.02.2004 und 26.03.2004 mit Schreiben vom 12.08.2004 nochmals und erklärte sich bereit, ab 19.06.2004 auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H festzustellen. Hinsichtlich der Kostenregelung hielt er an seinem bisherigen Angebot fest.

Mit Schreiben vom 07.09.2004 hat der Bevollmächtigte der Klägerin die Vergleichsangebote vom 23.07.2003, 04.11.2003, 17.02.2004, 26.03.2004 in der nunmehr endgültigen Form des Angebots vom 12.08.2004 angenommen und mit diesem Vergleich die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kostenregelung hat er vom Anbeginn an für nicht akzeptabel gehalten. Die Klägerin habe mit ihrem ursprünglichen Antrag lediglich eine Erhöhung des bisherigen GdB gefordert und der Beklagte sei diesem Begehren nachgekommen, indem er einen GdB von 60 angeboten habe. Als Kostenregelung ergebe sich hiernach zwingend, dass 100 % der Kosten zu übernehmen seien. Auch in der Folgezeit habe der Beklagte nicht etwa auf die wesentliche Verschlimmerung durch sofortiges Anerkenntnis reagiert, sondern in einer Art Scheibchentaktik durchaus mit erheblicher Verzögerung reagiert.

Der Beklagte hat eine Änderung der Kostenquote nicht für möglich gehalten, da der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 07.09.2004 die Vergleichsangebote des Beklagten angenommen und mit diesem Vergleich den Rechtsstreit für erledigt erklärt habe und auch hierin die Kostenregelung mitenthalten gewesen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 26.11.2004 darauf hingewiesen, dass er mit seinem Schriftsatz vom 07.09.2004 lediglich die Hauptsache für erledigt erklärt habe. Eine vergleichsweise Festlegung einer Kostenquote sei keinesfalls gegeben, da er beantragt habe, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Der Beklagte hat an seiner Auffassung mit Schriftsatz vom 07.12.2004 festgehalten, der Bevollmächtigte der Klägerin habe den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 29.12.2004 nochmals darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom 07.09.2004 gerade klar stelle, dass er den Vergleich nur in der Hauptsache angenommen habe bzw. das Verfahren nur in der Hauptsache für erledigt erkärt habe. Auch habe er erklärt, dass die Kostenregelung von Anbeginn an nicht akzeptabel gewesen sei.

II.

Die Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 155 Abs 2 Nr 5 SGG durch den Vorsitzenden. Wenn die Hauptsache für erledigt erklärt wird, ist der Berichterstatter wieder zuständig (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7.Auflage, § 155 Rdnr 7a). Nach der internen Geschäftsverteilung des 18.Senats endet die Bestellung der Berichterstatter mit der Abschlussverfügung des Vorsitzenden in der Hauptsache (vgl. § 155 Abs 4 SGG).

Der Kostenantrag der Klägerin ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge in voller Höhe zu erstatten.

Der Rechtsstreit ist durch die Erledigterklärung der Klägerin in der Hauptsache beendet. Bezüglich des Kostenpunktes ist der Rechtsstreit noch offen. Die Auffassung des Beklagten, die Klägerin habe das Vergleichsangebot vom 12.08.2004 angenommen und mit diesem Vergleich den Rechtsstreit für erledigt erklärt, ist rechtsirrig und beruht auf einem fehlerhaften Zitat der Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin. Dieser hat mit Schriftsatz vom 07.09.2004 zwar das Angebot vom 17.08.2004 angenommen, aber lediglich die Hauptsache für erledigt erklärt. Mit der Kostenregelung im Vergleichsangebot des Beklagten hat er sich ausdrücklich nicht einverstanden erklärt. Die vom Beklagten zitierte Äußerung des Bevollmächtigten der Klägerin " ... und mit diesem Vergleich den Rechtsstreit für erledigt erklärt" hat der Bevollmächtigte der Klägerin in dieser Form nie abgegeben. Er hat ausweislich seines Schriftsatzes vom 07.09.2004 lediglich "die Hauptsache für erledigt" erklärt.

Nach § 193 Abs 1 Halbs 2 SGG ist auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit auf andere Weise als durch Urteil beendet wird. Das Gericht trifft seine Entscheidung nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Ausgangs des Verfahrens sowie der Gründe für seine Einleitung und Erledigung. Der vermutliche Verfahrensausgang ist anhand des bisherigen Sach- und Streitstandes summarisch festzustellen (BSG SozR Nr 4 zu § 193; Meyer-Ladewig aaO § 193 Rdnr 13).

Betrifft eine ablehnende Verwaltungsentscheidung einen in der Zukunft liegenden Zeitraum, auf den sich das Klagebegehren erstreckt, so hat das Gericht bei derartigen Verpflichtungs- oder Feststellungsklagen grundsätzlich die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Ladewig aaO § 54 Rdnr 34). So kommt es bei einer Anfechtungsklage gegen die Herabsetzung des GdB wegen gebesserter Gesundheit allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an und bleiben spätere Änderungen grundsätzlich unberücksichtigt (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 13, Leitsatz 1). Spätere Änderungen können im Rahmen einer zulässigen Klageänderung aber auch ohne erneute Entscheidung der Verwaltung über den GdB berücksichtigt werden, wenn nach ihrem prozessualen Verhalten eine Streitbeilegung ohne gerichtliche Entscheidung nicht zu erwarten ist (aaO Leitsatz Nr 1 und BSG Urteil vom 27.08.1998 Az B 9 SB 13/97 R, juris Nr: KSRE006261509).

Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Der Beklagte hat sich auf die Feststellung eines höheren GdB ab 01.06.2003 wegen Leidensverschlimmerung und Gewährung der begehrten Merkzeichen im laufenden Berufungsverfahren eingelassen und somit durch sein prozessuales Vehalten auf seinen Vorrang zur Gesetzesausführung verzichtet. Die Nachholung des Verwaltungsverfahrens und Aussetzung des Gerichtsverfahrens hätte hier nur dazu geführt, die Beilegung des Streits zu verzögern. Auch entsprach die weitere Sachaufklärung durch den Senat der Prozessökonomie. Dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung war im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung der Klägerin der Vorrang vor der Einhaltung der Förmlichkeiten einzuräumen. Zwar hat das BSG in den o.g. Rechtsstreiten die Entscheidungsreife im Zeitpunkt der Klageerweiterung vorausgesetzt, die vorliegend nicht gegeben war. Die Entscheidungsreife lag aber deshalb über einen längeren Zeitraum hinweg nicht vor, weil der Beklagte durch sein prozessuales Verhalten eine intensive gerichtliche Aufklärungstiefe ausgelöst hatte. Die durch Klageerweiterung nunmehr vorliegenden Verpflichtungssachen (vgl. Goedelt, ZfS 4/94 S 105) - höherer GdB wegen Leidensverschlimmerung, Zuerkennung von Merkzeichen - führten zwangsläufig zu einer Verlaufskontrolle des Gesundheitszustandes der Klägerin im Gerichtsverfahren. Der Auffassung des 20. Senats des BayLSG im Beschluss vom 12.04.1999 Az L 20 B 142/98 RJ, Gerichtsverfahren dienten nicht einer Verlaufskontrolle des Gesundheitszustandes von Klägern, kann daher für Verpflichtungssachen nicht gefolgt werden. Die bei solchen Streitsachen dem Gericht auferlegte Pflicht zur Amtsermittlung hat auch Konsequenzen für die Kostentragung: Kann ein Kläger zur Zeit der Klageerhebung noch nicht beurteilen, von welchem Zeitpunkt an sein Anspruch, evtl. nach Beweisaufnahme, feststellbar sein oder wann eine wesentliche Änderung im Sachverhalt zu seinen Gunsten eintreten werde, insbesondere in den Grundlagen für die medizinische Beurteilung, darf ihm nicht nachträglich in Kenntnis des Verfahrensergebnisses entgegengehalten werden, er hätte die Klage (Klageerweiterung) zunächst unterlassen und einen Neufeststellungsantrag bei der Verwaltung stellen sollen. Vor allem kann man dann nicht unterstellen, ein Beklagter hätte sodann eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse von sich aus und ohne nachfolgendes Gerichtsverfahren in derselben Weise anerkannt, wie er es nach einer gerichtlichen Beweisaufnahme getan hat (st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 11.07.2000 Az L 18 B 139/00 juris Nr: BYRE030212931). Derartige außerhalb des Gerichtsverfahrens liegende und von zahlreichen anderen Umständen abhängende Faktoren dürfen nicht in die Kostenentscheidung einfließen (so Hessisches LSG, Breith. 2003, 470-476). Das in der Rechtsprechung der Sozialgerichte bemühte Prinzip der Veranlassung als Gesichtspunkt der Ermessensabwägung bei der Kostentragung ist nur dann zu Lasten eines Beteiligten heranzuziehen, wenn es sich um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat (vgl. Hessisches LSG aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Beklagte dem Kläger die Kosten beider Rechtszüge in vollem Umfang zu erstatten. Die Klägerin hat sich mit ihrem Klage- bzw. Berufungsbegehren letztlich in vollem Umfang durchgesetzt. Ob ein Beteiligter einen Anspruch sofort anerkennt, spielt für die Frage der Kostenerstattung keine entscheidende Rolle. Ansonsten stünde es im Belieben eines unterlegenen Beteiligten, sich nach umfangreicher Sachaufklärung durch das Gericht - trotz eines vollen Klageerfolges - von der Kostenlast teilweise oder ganz zu befreien. Entscheidend für die Kostenverteilung ist vielmehr, ob der Prozess von vornherein vermeidbar oder überflüssig war. Ob es sich um einen derartigen Prozess handelt, bedarf der genauen Analyse im Einzelfall. So kann ein Prozess nicht als von vornherein vermeidbar oder überflüssig bezeichnet werden, der deshalb geführt wird, weil der Bescheid bei objektiver Betrachtung wenig überzeugend erschien, z.B. wegen dürftiger Ermittlungen oder einer wenig überzeugenden Argumentation. Dies spielt insbesondere in Schwerbehindertenverfahren eine Rolle, da der Beklagte die Behinderten regelmäßig nicht - wie auch hier - persönlich begutachten lässt, sondern sich mit ärztlichen Feststellungen nach Formblatt und Aktenlage begnügt.

Von einem von vornherein vermeidbaren und überflüssigen Prozess kann vorliegend bei Würdigung der Gesamtumstände nicht die Rede sein. Der Beklagte hat den GdB von 60 auf 30 wegen Heilungsbewährung herabbemessen und das Sozialgericht hat wegen einer Verschlimmerung eines anderen Leidens als desjenigen, das zur Heilungsbewährung geführt hatte, einen GdB von 40 zuerkannt. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte ein Vegleichsangebot über einen GdB von 60 abgegeben. Aufgrund der Verschlimmerung des Krebsleidens der Klägerin hat der Beklagte dann nach umfangreichen Ermittlungen des Gerichts einen GdB von 100 und nach und nach die begehrten Merkzeichen anerkannt. Damit war dem Klage- und Berufungsbegehren der Klägerin in vollem Umfang Rechnung getragen worden. Ob dem Klagebegehren in einem Verwaltungsverfahren in gleicher Weise und zur gleichen Zeit Rechnung getragen worden wäre, kann seitens des Senats nicht beurteilt werden. Eine solche Annahme wäre rein spekulativ und kann nicht als Grundlage für eine Kostenentscheidung dienen.

Nach alledem hat der Beklagte die Kosten beider Rechtszüge in vollem Umfange zu tragen.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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