L 8 RJ 115/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 11 RJ 81/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 115/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.06.2004 wie folgt neu gefasst: Die Klage gegen die Beigeladene wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung von 3.636,02 Euro von der Beigeladenen.

Der 1925 geborene Kläger bezieht seit dem 01.09.1985 eine Altersrente von der Beklagten.

Mit Bescheid vom 16.08.1999 gewährte die Beigeladene aufgrund einer Erkrankung des Kläger an Asbestkehlkopfkrebs eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. Die Beigeladene setzte als Unfalltag den 05.11.1998 fest. Als letzter Tag der gefährdenden Tätigkeit wurde der 27.08.1964 festgestellt. Leistungsbeginn war der 06.11.1998. Die Zahlung der Verletztenrente belief sich auf 3.897,20 DM monatlich.

Mit Bescheid vom 24.09.1999 stellte die Beigeladene eine MdE von 50 v.H. ab dem 01.04.1999 fest. Dies ergab eine Verletztenrente von 1.948,60 DM.

Mit Bescheid vom 29.09.1999 stellte die Beklagte für den Zeitraum ab dem 01.12.1998 die Altersrente neu fest, verbunden mit einer teilweisen Aufhebung der bisher maßgeblichen Rentenbewilligung und einer teilweisen Rückforderung nach § 50 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Für die Zeit ab dem 01.12.1998 bis 31.03.1999 wurde jeweils auf den Monat bezogen ermittelt, inwieweit die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Zusammentreffens mit der Verletztenrente aus der Unfallversicherung zu leisten war. Für den 01.12.1998 bis 31.03.1999 errechnete die Beklagte einen monatlich an den Kläger zu leistenden Nettobetrag in Höhe von 719,82 DM.

Ab dem 01.04.1999 ergab sich unter Zugrundelegung der verringerten Verletztenrente keine Minderung der dem Kläger gewährten Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mehr. Demzufolge blieb es bei dem an den Kläger zu leistenden Nettobetrag in Höhe von 2.497,68 DM. Ab dem 01.07.1999 ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.566,85 DM. Aufgrund des Hinzutretens der Verletztenrente ermittelte die Beklagte für den Zeitraum vom 06.11.1998 bis 31.10.1999 eine Überzahlung der Rente in Höhe von 7.111,44 DM.

Gegenüber der Beigeladenen machte die Beklagte auf die für den Kläger ermittelte Nachzahlung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 32.577,99 DM einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.111,44 DM (3.636,02 EUR) geltend. Dieser wurde von der Beigeladenen gegenüber der Beklagten erfüllt. Der Restbetrag in Höhe von 25.466,55 DM wurde an den Kläger ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 13.09.2001 stellte die Beigeladene bei dem Kläger ab dem 01.10.2001 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v. H. fest. Der an den Kläger ab diesem Zeitpunkt gezahlte Rentenbetrag aus der gesetzlichen Unfallversicherung betrug daraufhin nur noch 1.214,22 DM.

Mit Bescheid vom 18.09.2001 ermittelte die Beklagte einen an den Kläger ab dem 01.10.2001 auszuzahlenden Betrag der gesetzlichen Altersrente in Höhe von 2.612,04 DM. Dabei berücksichtigte sie, dass eine Kürzung der Altersrente wegen des Zusammentreffens mit der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr vorzunehmen war.

Mit Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vom 10.12.2002 wandte der Kläger sich gegen die Rentenbescheide vom 29.09.1999 und 18.09.2001. Zur Begründung führte er aus, die Anrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) sei insofern unwirksam bzw. nicht anwendbar, als dass als Versicherungsfall der letzte Tag der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit gelte. Der Versicherungsfall sei weit nach seiner Pensionierung eingetreten, und durch die Neufassung der Regelung des § 93 SGB VI sei ein Eingriff in die Position der Betroffenen erfolgt. Es habe sich nicht nur um eine redaktionelle Klarstellung der betreffenden Vorschrift gehandelt, sondern um eine benachteiligende Neuregelung. Die Vorschrift des § 93 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei unanwendbar. Unmöglich könne der Versicherungsfall am letzten Tag der gefährdenden Tätigkeit eingetreten sein.

Mit Bescheid vom 03.02.2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 29.09.1999 und 18.09.2001 ab. Zur Begründung führte sie aus, die genannten Bescheide seien nicht unrichtig. Zwar sei nach § 93 Abs. 5 Nr. SGB VI eine Unfallrente auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht anzurechnen, wenn die Unfallrente für einen Versicherungsfall geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn ereignet habe. Jedoch gelte als Zeitpunkt des Versicherungsfalles bei Berufskrankheiten seit der klarstellenden Ergänzung der vorgenannten Vorschrift durch das Wirtschaftsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 nunmehr der letzte Tag, an dem der Versicherte eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe, die ihrer Art nach geeignet sei, die Berufskrankheit zu verursachen (§ 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Die Regelung des WFG sei zum 01.01.1992 rückwirkend in Kraft getreten. Das Bundessozialgericht habe die Wirkung der Regelung für die Zeit ab dem 01.08.1996 für rechtmäßig erklärt, weil das WFG am 09.07.1996 endgültig beschlossen worden sei. Lediglich die Frage, ob ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Korrektur rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakte schon vor Verkündung des WFG eingeleitet werden durfte, sei noch Gegenstand anhängiger Verfahren beim BSG. Im Falle des Klägers gelte der 27.08.1964 als Zeitpunkt des Versicherungsfalles. Da dieser Versicherungsfall weit vor dem Beginn der Altersrente liege und die Verletztenrente erst nach der Verkündung des WFG bewilligt worden sei, bleibe festzustellen, dass mit den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht die Unfallrente ab dem 06.11.1998 auf die Altersrente angerechnet worden sei. Für die Zeit ab dem 01.04.1999 sei die Altersrente wieder in voller Höhe geleistet worden, weil die Anrechnungsgrenze nicht mehr überschritten worden sei.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger weiterhin vor, dass es sich bei der Regelung des § 93 Abs. 5 SGB VI nicht um eine Klarstellung, sondern um eine die Versicherten benachteiligende Neuregelung handele. Die Fiktion des § 93 Abs. 5 Satz 2 SGB VI sei zudem widerlegt, da seine Erkrankung tatsächlich erst am 05.11.1998 aufgetreten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 15.07.2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe Anspruch auf 3.636,02 EUR (7.111,44 DM), da diese Summe nicht der Beklagten gebühre, sondern ihm. Im Übrigen sei zu befürchten, dass bei künftigen Erhöhungen der Verletztenrente die Beklagte wiederum auf die Nachzahlungen zugreife. Die gesetzliche Regelung des § 93 Abs. 5 SGB VI sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Krankheitsbeginn und damit der Versicherungsfall liege beim ihm eindeutig nach dem Beginn der gesetzlichen Altersrente. Die Entschädigungsfunktion der Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung umfasse pauschalierend sowohl den Ersatz des entgangenen Lohnes (Ersatzfunktion) als auch den Ersatz immaterieller Schäden (Schmerzensgeld) und den Mehraufwand. Bei gleichzeitiger Kürzung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werde die Entschädigungsfunktion der Verletztenrente in diesem Sinne nicht mehr erfüllt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.02.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 zu verurteilen, die Bescheide vom 29.09.1999 und 18.09.2001 abzuändern und 3.636,02 Euro an ihn zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide bezogen.

Nach entsprechender Zustimmung der Beteiligten hat das Sozialgericht Duisburg mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 03.06.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, die Beklagte habe zu Recht mit den Bescheiden vom 29.09.1999 und 18.09.2001 eine Kürzung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen des Zusammentreffens mit der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung festgestellt und eine Überzahlung in Höhe von 7.111,44 DM ermittelt. Für den Leistungszeitraum vom 06.11.1998 bis 31.03.1999 sei der insoweit ermittelte Rentenauszahlungsbetrag ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung unrichtig anerkannt worden. Es sei für die Rentenberechnung des Klägers die durch das WFG vom 25.09.1996 geänderte Fassung des § 93 SGB VI anwendbar. Nach dieser Fassung des § 93 Abs. 5 SGB VI erfolge eine Anrechnung der Unfallrente nur dann nicht, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet habe. Im Unterschied zur Regelung nach § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der Fassung vor Erlass des WFG gelte als Zeitpunkt des Versicherungsfalles nunmehr bei Berufskrankheiten der letzte Tag, an dem der Versicherte eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe, die ihrer Art nach geeignet war, die Berufskrankheit zu verursachen. Die Kammer habe keine Bedenken hinsichtlich der Anwendung des § 93 Abs. 5 SGB VI neuer Fassung für den Zeitraum ab Gesetzesbeschluss.

Gegen das am 14.09.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.10.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, er wende sich gegen jegliche Kürzung seiner Altersrente, da der Versicherungsfall für seine Berufskrankheit (BK Nr. 4104) erst am 05.11.1998 eingetreten sei. Das Sozialgericht Duisburg verkenne, dass es jahrzehntelang in einem Fall wie dem seinen Übung und auch zwingendes Recht (§ 1278 Reichsversicherungsordnung) gewesen sei, die Leistungen der Unfallversicherung neben denen der Rentenversicherung auszuzahlen, wenn der Versicherungsfall nach der Pensionierung eingetreten sei.

Dies gelte für Fälle der Berufskrankheiten ebenso wie für Arbeitsunfälle, weil Berufskrankheiten nach § 551 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) gleich zu behandeln seien. Eigenmächtig hätten die Landesversicherungsanstalten bereits vor der gesetzlichen Änderung des § 93 Abs. 5 SGB VI Kürzungen wegen Zusammentreffens mit Unfallversicherungsleistungen vorgenommen, mit der Begründung, der letzte Tag der gefährdenden Tätigkeit habe vor der Pensionierung in der Rentenversicherung gelegen. Hierzu sei auf § 572 RVO zu verweisen, eine absolute Günstigkeitsvorschrift, nach der eine Vergleichsberechnung des Jahresarbeitsverdienstes berufsgenossenschaftlich zwingend vorgesehen sei, und zwar bezogen auf den letzten Tag der gefährdenden Tätigkeit. Dass bei ihm am 27.08.1964, dem letzten Tag der gefährdenden Tätigkeit, der Versicherungsfall nicht entstanden sein könne, sei aber gerichts- und aktenkundig.

Das Gesetz sei keineswegs nur deklaratorisch in § 93 Abs. 5 SGB VI geändert worden, als die Regelung hinzugetreten sei, dass als Versicherungsfall der letzte Tag der gefährdenden Tätigkeit gelte. Vielmehr habe es sich um eine vollkommene Umstellung des bis dahin geltenden Gesetzes gehandelt. Infolge der Gesetzlosigkeit der früher einsetzenden Kürzungspraxis seitens der Landesversicherungsanstalten kranke die Gesetzesänderung an derartigen Mängeln, dass die Folge nur sein könne, den Kürzungen den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzubringen. Denn es könne im Rechtsstaat nicht sein, dass Rentenversicherungsträger ohne gesetzliche Handhabe vor einer Gesetzesänderung Kürzungen vornähmen und sodann der Gesetzgeber auf den Plan gerufen werde, der annehme, nur deklaratorisch das Gesetz zu ändern, während dieses konstitutiv das Gegenteil aussage. Es müsse also der Einwand der Arglist erhoben werden. So könne mit gesetzlichen Regelungen, hier etwa dem § 1278 RVO bzw. § 93 Abs. 5 SGB VI früherer Fassung, nicht umgegangen werden. Abgesehen davon enthalte die Verletztenrente einer Berufsgenossenschaft auch ein Schmerzensgeld, das bei einer Asbestkehlkopfkrebserkrankung konkurrierend zum Erwerbsschaden 100 % erreichen dürfte. Es fehle im übrigen an einer Kongruenz der Leistungen, weil die berufsgenossenschaftlichen Leistungen echte Entschädigungsleistungen seien in Ablösung der Unternehmerhaftpflicht, während die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund von Beiträgen erworben worden seien. Zudem habe er zumindest einen Anspruch auf einen Staubfreibetrag wie er bei einem Bergmann angesetzt werde, denn ein asbestgefährdeter Arbeitnehmer müsse bedeutend gefährlicher arbeiten als ein Bergmann.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene erklärt, sie mache sich die Ausführungen der Beklagten und die Berechnung der Anrechnung der Verletztenrente durch die Beklagte als eigene Entscheidung zu eigen.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Bescheid vom 03.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2003 aufgehoben und den Bescheid vom 29.09.1999 zurückgenommen.

Der Kläger begehrt nunmehr noch, die Beigeladene zur Auszahlung des an die Beklagte gezahlten Erstattungsbescheides zu verurteilen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Duisburg vom 03.06.2004 zu ändern und die Beigeladene unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11.05.2005 zu verurteilen, 3.636,02 Euro an den Kläger zu zahlen.

Die Beigeladene und die Beklagte beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten der Beigeladenen verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Die Berufung des Klägers war zulässig. Er war durch die Bescheide der Beklagten und durch das Urteil der ersten Instanz formell beschwert. Nach dem die Beklagte die Bescheide aufgehoben bzw. zurückgenommen hat, handelt es sich bei dem nunmehr zu entscheidenden Begehr des Klägers um eine in der zweiten Instanz erhobene Leistungsklage. Die Erklärung der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung hat einen rein deklaratorischen Charakter. Die Leistungsklage richtet sich zulässigerweise im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegen die Beigeladene, nachdem eine Beschwer gegenüber der Beklagten nicht mehr vorliegt. Eine solche Klageänderung auf Verurteilung der Beigeladenen zur Zahlung ist auch in der Berufungsinstanz zulässig. Denn die Beteiligten haben zu der Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ihre Einwilligung gegeben. In diesem Fall ist es nicht Zulässigkeitsvoraussetzung, dass über den nunmehr geltend gemachten Anspruch die erste Instanz entschieden hat (vgl. Meyer-Ladewig, § 99 Rdnr. 12). Diese Vorgehensweise entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum zuständigen Versicherungsträger für die Anrechnung von Verletztenrente (BSG, Urteil vom 22.05.2002 - B 8 KN 11/00 R - in SozR 3-2600 Nr. 12). Mit der Beiladung und Klageänderung ist verhindert worden, dass dem Kläger ein neuer Prozess zugemutet wird, weil er die Passivlegitimation verkannt hat (BSG, SozR 1500 Nr. 2).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat über eine mögliche Nachzahlung bzw. die Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nämlich allein der Unfallversicherungsträger zu entscheiden. Der Rentenversicherungsträger ist nicht befugt, die Höhe einer Überzahlung und damit auch eines Erstattungsanspruchs gegenüber dem Unfallversicherungsträger durch Verwaltungsakt gegenüber dem Versicherten festzustellen. Insoweit besteht auch kein Anspruch und damit auch kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 SGG des Klägers gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber der Schuldnerin der Verletztenrente, der Beigeladenen. Diese allein muss prüfen, zu welchem Teil der Anspruch auf Verletztenrente bereits über § 107 SGB X von der Beklagten erfüllt worden ist, d.h. in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen eine Berufsgenossenschaft besteht. Denn § 107 Abs. 1 SGB X dient nicht nur dem finanziellen Ausgleich zwischen den Sozialleistungsträgern, sondern verlagert auch die verwaltungsverfahrensrechtliche Kompetenz zur Feststellung des Sozialrechtsverhältnis auf den Träger der Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1997 - 8 R KN 28/95 - in SozR 3-2600 § 93 SGB VI sowie BSG, Urteil vom 22.05.2002 - B 8 KN 11/00 R - in SozR 3-2600 Nr. 12).

Die demnach als reine Leistungsklage zulässige Klage des Klägers ist jedoch unbegründet, denn der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Er gilt gemäß § 107 SGB X als erfüllt.

Nach § 107 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat gegen die Beigeladene einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X in Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs (vgl. hierzu BSG 8 KN 11/00 R).

Gemäß § 104 SGB X ist nämlich der Leistungsträger erstattungspflichtig für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorlagen, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträger Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Im Sinne dieser Vorschrift war die Beklagte ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger. Sie wäre bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung der Beigeladenen selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen. Denn aufgrund der Anrechnung der Unfallrente des Klägers auf seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wäre die Beklagte insoweit nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen. Eine solche Anrechnung der Unfallrente erfolgt gemäß § 93 Abs. 5 SGB VI in der durch das Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25.09.1996 (BGBl. I, S. 1461) vom 25.09.1996 (WFG) geänderten Fassung des § 93 SGB VI auch zu Recht. Nach dieser Fassung erfolgt eine Anrechnung der Unfallrente nur dann nicht, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn (der Altersrente) oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat. Im Vergleich zur Regelung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der Fassung vor Erlass des WFG gilt nunmehr als Zeitpunkt des Versicherungsfalles bei Berufskrankheiten der letzte Tag, an dem der Versicherte eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet war, die Berufskrankheit zu verursachen. Diesen Tag hat die Beigeladene zutreffend mit dem 27.08.1964 festgesetzt. Auch die Berechnung des Erstattungsanspruchs ist richtig und wurde nicht vom Kläger moniert.

Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Anwendung des § 93 Abs. 5 SGB VI n.F. für den Zeitraum ab dem Folgemonat nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss des WFG am 09.07.1996, also ab dem 01.08.1996. Übereinstimmend haben der 4., 5. und 8. Senat des BSG diese Vorgehensweise für rechtmäßig gehalten (vgl. Urteile des 8.Senats vom 27.08.1998 - B 8 KN 20/97 R - und vom 28.05.1997 - B 8 RKn 27/95 -; Urteile des 5. Senats vom 21.04.1999 - B 5 RA 1/97 R- und vom 03.07.2002 - B5 RJ 30/01 R - und Urteile des 4. Senates vom 31.03.1998 - B 4 RA 49/96 R - und Bundesverfassungsgericht vom 24.10.2000 - 1 BvR 1769/00 -). Die Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf eine Rente aus der Rentenversicherung nach § 93 SGB VI ist auch verfassungsgemäß. Der Senat verweist zum einen auf die Ausführungen im Urteil des 4. Senates vom 31.03.1998, Az.: B 4 RA 49/96 R. Der 4. Senat des BSG hat ausgeführt, dass die Anrechnungsvorschrift des § 93 SGB VI keine systemfremde Neuregelung ohne Vorläufer darstelle, sondern bereits seit Einführung der Sozialversicherung geltenden Rechtsgrundsätzen entspreche. So hat denn auch das Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 19. Juli 1984 1 BvR 1614/83, SozR 2200, § 1278 Nr. 11 die Verfassungsmäßigkeit der Vorläuferregelung ausdrücklich festgestellt. Zum anderen bezieht sich der Senat auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 20.02.2002 -1 BvL 11/98-. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht einen Vorlagebeschluss des 8. Senates vom 28. Mai 1997, Az.: 8 RKn 27/95 als unzulässig zurückgewiesen.

Bei einer Anrechnung der Verletztenrente auf die Renten aus der Rentenversicherung werden auch noch beide Sicherungsziele der jeweiligen Rente erfüllt und das jeweils höhere Sicherungsniveau garantiert. Es ist zwar zutreffend, dass die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung auch den Ersatz immaterieller Schäden beinhaltet. Zusätzlich soll sie aber auch den durch den Versicherungsfall entgangenen Lohn entschädigen (Lohnersatzfunktion). Da Lohnersatz auch Sinn der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung ist, ist für den Fall des Zusammentreffens einer Unfallrente mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die Lohnersatzfunktion eine Doppelversorgung des Versicherten möglich. Gerade dies soll ausgeschlossen bzw. eingeschränkt werden. Damit soll auch vermieden werden, dass die Versicherten mit Leistungen von Sozialversicherungsträgern besser gestellt werden, als sie im Zeitraum ihrer Berufstätigkeit standen. Mit Blick auf die weitgehende Identität der Sicherungsziele der in der Unfallversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung geregelten Versicherungsfälle sowie mit Rücksicht auf den Solidargedanken der Versichertengemeinschaft ist die Anrechnungsbestimmung eine zulässige Schranke des Eigentum gemäß Art. 14 Grundgesetz. Aus den genannten Gründen bedarf es einer Begrenzung des jeweiligen Leistungsbetrages aus beiden Renten. Dabei hat der Gesetzgeber aber berücksichtigt, dass ein Grundbetrag von der Anrechnung nicht erfasst wird. Mit dem von der Anrechnung freigestellten Grenzbetrag des 93 Abs. 2 SGB VI wird der immateriellen Genugtuungsfunktion der Verletztenrente in angemessener Weise Rechnung getragen. Der nicht kongruente immaterielle Anteil der Verletztenrente bleibt damit auch beim Kläger unangetastet.

Gerade die vom Kläger monierte Neufassung des § 93 Abs. 5 SGB VI durch Art. 1 Nr. 17 WFG, wonach als Zeitpunkt des Versicherungsfalls bei Berufskrankheiten nunmehr der letzte Tag gilt, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen, stellt entsprechend der Gesetzesbegründung eine Möglichkeit dar, eine Überkompensation durch Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung zu vermeiden. Ausnahmen gibt es nach der Gesetzesbegründung nur für die Fälle, in denen Bezieher einer Rente aus der Rentenversicherung nebenher eine Beschäftigung ausüben und einen Arbeitsunfall erleiden, der nach Beginn der Rente aus der Rentenversicherung eingetreten ist. Für den Fall eines Bezuges einer Berufskrankheit kann dies nur Sinn machen, wenn als Zeitpunkt des Versicherungsfalls nicht der Ausbruch der Krankheit, sondern der letzte Tag der schädigenden Tätigkeit anzunehmen ist. Weil bei dem Kläger erst 1998 das schädigende Ereignis eintrat, er also bis zu diesem Zeitpunkt keinen materiellen Schaden aufgrund beruflicher Verursachung erlitten hat, träte bei ihm ohne Anrechnung der Unfallrente im Verhältnis zur gesetzlichen Rentenversicherung eine Überkompensation ein. Er erhielte einen Lohnersatz, obwohl er tatsächlich keine Lohneinbuße erlitten hat.

Der Vortrag des Klägers zur Problematik der rückwirkenden Anwendung der Ergänzung des § 93 Abs. 5 SGB VI durch das WFG ist unerheblich. Denn die gesetzliche Regelung des § 93 Abs. 5 SGB VI war zum Zeitpunkt des die Unfallrente bewilligenden Bescheides bereits in Kraft. Im vorliegenden Fall stellt sich daher nicht die Frage, ob ein begünstigender Verwaltungsakt schon vor Verkündung des WFG umgesetzt werden durfte.

Soweit der Kläger die frühere Praxis der Rentenversicherungsträger rügt, ohne entsprechende Gesetzesregelung, quasi vorgreiflich, anzurechnen, kann sich der Senat dem nur anschließen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Gesetzgeber für die Zukunft die Anrechnung anders, so z.B. in Gestalt des § 93 Abs. 5 SGB VI i.d.F. des WFG vom 25.09.1996, regeln konnte als bisher.

Der Kläger ist auch nicht beschwert dadurch, dass für die Berufskrankheiten nach den Nummern 4101, 4102 und 4111 der Berufskrankheitenverordnung höhere Freibeträge als für die bei ihm eingetretene Erkrankung nach der Nummer 4104 bestimmt sind. Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum bei der Gewährung von Sozialleistungen. Er ist nicht gehalten, die Berechnung des Ruhens der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleich zu behandeln. Vielmehr Iiegen sachliche Gründe vor, die es rechtfertigen, jeweils unterschiedliche Erkrankungen auch sozialrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Im Fall der Berufskrankheiten Nummern 4101, 4102 und 4111 (Quarzstaublungenerkrankung - Silikose/Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose - Silikose-Tuberkulose/ Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren) handelt es sich nämlich um Berufserkrankungen von Bergleuten, die typischerweise in ihrem Berufsleben weit größeren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind als die Vergleichsgruppe der auf dem übrigen Arbeitsmarkt tätigen Versicherten, zu der auch der Kläger gehört. Dass für die Bergleute wegen ihres beruflichen Einsatzes unter Tage ein verstärkter Versichertenschutz gerechtfertigt ist, erkennt das Gesetz daher nicht nur in § 93 Abs. 2 Nr. 2 b SGB VI, sondern in einer Vielzahl von besonderen Bestimmungen ausdrücklich an, so insbesondere in den §§ 45, 61, 79 ff, 242 und 265 f SGB VI. Der Zusammenhang dieser Normen macht deutlich, dass es sich beim Fehlen eines Hinweises auf die Berufskrankheit Nr. 4104 im Wortlaut des § 93 Abs. 2 Nr. 2 b SGB VI nicht um eine planwidrige Lücke, sondern im Gegenteil um ein inneres System des Gesetzes handelt, so dass auch eine analoge Anwendung der Norm zugunsten des Klägers nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht in Betracht kommt. Erst recht gilt dies nach dem speziellen sozialrechtlichen Analogieverbot des § 31 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat nicht verkannt, dass der Kläger im Verfahren die Aufhebung der in der ersten Instanz angefochtenen Bescheide erreicht hat. Jedoch ist der Kläger seinem Klageziel auf Zahlung von 3636,02 Euro nicht näher gekommen. Mit der Aufhebung der Bescheide hat er keinerlei finanziellen Vorteil erzielt.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
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