L 1 KA 4/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 357/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 4/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Rechts-verteidigung auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vertragsärztlichen Vergütung in den Abrechnungsquartalen III/97, II und IV/98.

Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den streitigen Abrechnungsquartalen hat ihm die Beklagte unter Anwendung des zum 01.07.1997 in Kraft getretenen Abschnitts A.I. Teil B des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM) die folgenden Vergütungsbescheide erteilt:

Quartal Bescheiddatum Vergütung (DM) III/97 27.01.1998 45.754,34 II/98 27.10.1998 48.199,73 IV/98 27.04.1999 53.209,23

Hinsichtlich des qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets "Psychosomatik/Übende Verfah-ren" hat sie die folgenden Quotierungen vorgenommen:

Quartal Praxisbudget Zusatzbudget

ÜPZ Quot. ÜPZ Quot. III/97 147.034,8 75,12 23.046 35,44 II/98 125.595,9 78,36 13.474 49,44 IV/98 87.633,4 84,31 33.646 29,38

(Anm: ÜPZ = Überschreitungspunktzahl; Quot. = Quotierung [v. H.]). Im Bereich des Zusatzbudgets Allergologie (ÜPZ: 1.190) nahm sie ebenfalls eine Quotie-rung (86,73 v. H.) vor.

Die Widersprüche, mit denen der Kläger unter Hinweis auf Vergütungseinbußen die Unangemessenheit der vertragsärztlichen Vergütung gerügt hat, blieben ohne Erfolg. Die Beklagte hat auf die Verbindlichkeit des EBM hingewiesen. Die auf der Grundlage von Fach-arztfonds vorgenommene Vergütungsverteilung verletze den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbescheide vom 15.07.1998, 24.02.1999 und vom 14.07.1999 Bezug genommen.

Die jeweils rechtzeitig erhobenen Klagen hat das Sozialgericht zur gemeinsamen Entschei-dung verbunden und auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 18.10.2000 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Einführung der Praxisbudgets sei rechtmäßig. Die auf dem HVM (i. d. F. vom 31.05.1997 ab III/97; i. d. F. vom 08.11.1997 ab I/98 und i. d. F. vom 09.05.1998 ab III/98) nach Facharztfonds vorgenommene Vergütungsverteilung, getrennt nach budgetierten und unbudgetierten Arztgruppen, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Klägers begründe den Anspruch auf ein höheres vertragsärztliches Honorar nicht. Auch eine Inzidenzkontrolle der vom Kläger angegriffe-nen Regelungen zur Festlegung der Gesamtvergütungshöhe scheide aus. Dem einzelnen Vertragsarzt stehe kein subjektives Recht eine Festlegung der Höhe oder der Veränderung der Gesamtvergütung zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das am 31.01.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.02.2001 eingelegte Be-rufung.

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte habe die Gesamtvergütungszahlungen fehlerhaft ermittelt. Sie habe mit den Krankenkassen in den Jahren 1996 Vergütungsvereinbarungen getroffen, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hätten. Daher hätten die von den geseztlichen Krankenkassen errichteten Gesamtvergütungen deutlich unter den Beträ-gen gelegen, die sich bei einer korrekten Ermittlung der Gesamtvergütungshöhe ergeben hätten. Insoweit beruft sich der Kläger auf den zum 01.01.1991 in Kraft getretenen Rah-mengesamtvertrag, der für den Bereich der früheren Primärkassen unter anderem die folgende und für den Bereich der Ersatzkassen eine deckungsgleiche Bestimmung enthielt:

§ 10 Anpassung der Vergütung

Die Partner dieses Vertrages prüfen unmittelbar nach Auswertung der Abrech-nungsergebnisse des jeweiligen Abrechnungsquartals deren Auswirkungen uaf die Vergütungssituation der zugelassenen und ermächtigten Ärzte und ärztlich geleite-ten Einrichtungen sowie auf die ‚Ausgabenbelastung der am Gesamtvertrag betei-ligten Krankenkassen. Auf der Grundlage dieser Überprüfung werden erforderli-chenfalls auch innerhalb der Geltungsdauer dieses Vertrages Änderungen der ver-gütungsrechtlichen Vorschriften vereinbart, wobei für den Fall, dass die Höhe der Gesamtvergütung einen Anteil von 20 v. H. der um die Verwaltungskosten redu-zierten Einnahmen der am Gesamtvertrag beteiligten Krankenkassen nicht erreicht oder überschreitet, über eine Anpassung der Vergütungssätze zu verhandeln ist. Der Punktwert von 6,1 Pfennigen bleibt unberührt.

Der Kläger trägt dazu vor, dass der Anteil der Ausgaben für die ambulante ärztliche Ver-sorgung in den ostdeutschen Bundesländern im Jahr 1992 lediglich 14 v. H. ausgemacht habe. So weit ihm bekannt sei, sei die Beklagte hinsichtlich einer Nachverhandlung untätig geblieben. Weil der tatsächliche Anteil der Ausgaben (14 v. H.) für die ambulante ärztliche Versorgung die Zielgröße von 20 v. H. deutlich unterschritten habe, bestehe ein Anspruch auf Nachverhandlung der Gesamtvergütungshöhe des Jahres 1992, das, weil es die Bass für die Gesamtvergütungsvereinbarungen der Folgejahre gewesen sei, auch die Höhe der Ge-samtvergütung des Jahres 1998 betreffe. Die Gesamtvertragspartner hätten in den Jahren 1996 bis 1998 die gesetzlichen Vorgaben (§ 85 Abs. 3 SGB V) nicht beachtet, sondern bei der Vereinbarung der Veränderungsraten sich vielmehr an der zum 31.12.1995 ausgelaufe-nen Regelung (§ 85 Abs. 3 b SGB V) orientiert. Daher seien die Gesamtvergütungszahlun-gen in den Jahren 1996 bis 1998 um rund 30 Mio. DM gesunken. Zutreffend sei aber eine Orientierung an den in § 85 ABS. 3 SGB V genannten Kriterien (Veränderung der Praxis-kosten, der für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit, Art und Um-fang der ärztlichen Leistungen, soweit diese auf einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsausweitung beruhen, Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Insoweit macht der Kläger eine Erhöhung der Praxiskosten und eine Veränderung der für die vertragsärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit geltend. Schließlich rügt er, das Sozialgericht habe in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht die Meinung vertreten, dass der einzelne Vertragsarzt im rahmen einer Inzidenzkontrolle sich nicht darauf berufen dürft, dass die Gesamtvergütungshöhe zu niedrig festgesetzt gewesen sei. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 09.04.2002 nebst Anlagen Bezug genommen (Bl. 26 ff. d. A.).

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 18.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Honorarbescheid für das dritte Quartal 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1998, den Honorarbescheid für das zweite Quartal 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.1999, den Ho-norarbescheid für das vierte Quartal 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1999 aufzuheben und die Vergütungsansprüche des Klägers in den Quartalen III/1997, II/1998 und IV/1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und ist der Ansicht, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine bestimmte Höhe der vertragsärztlichen Vergütung herleiten könne. Vorsorglich trägt sie vor, dass sich die vom Kläger vorgelegte Praxiskos-tenstatistik nicht spezifisch auf Sachsen ausrichte. Überdies gehe es darin um die Jahre 1996 und 1997; es sei zu bezweifeln, dass die Statistik für den streitgegenständlichen Zeitraum repräsentativ sei. Dies gelte auch für die Aussagekraft der Arbeitszeitstatistik. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz vom 05.07.2003 (Bl. 58 f. d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechts-zügen und der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Die ange-fochtene Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die streitgegenständli-chen Bescheide, mit denen die Beklagte die Vergütungsansprüche des Klägers in den Vergütungsquartalen II/97, II/98 und III/98 festgestellt hat, erweisen sich als rechtmäßig. Der Kläger hat in diesen streitgegenständlichen Quartalen keine Ansprüche auf eine höhere vertragsärztliche Vergütung.

Der Kläger macht geltend, er habe Anspruch auf Nachverhandlung der Gesamtvergütungs-höhe des Jahres 1992, das, weil es die Basis für die Gesamtvergütungsvereinbarungen der Folgejahre gewesen sei, auch die Höhe der Gesamtvergütung des Jahres 1998 betreffe, weil die Gesamtvertragspartner in den Jahren 1996 bis 1998 die gesetzlichen Vorgaben (§ 85 Abs. 3 SGB V) nicht beachtet hätten. Dieser Vortrag rechtfertigt den behaupteten An-spruch nicht.

Das Vorbringen des Klägers ist aus Rechtsgründen unerheblich. Es besteht weder ein sub-jektiver Anspruch des Vertragsarztes gegenüber der KV auf "Nachverhandlung" noch dar-auf – worauf das Berufungsvorbringen zielt –, die Sach- oder Rechtswidrigkeit von Ge-samtvertragsverhandlungen im rahmen eines die Vergütungsverteilung betreffenden Rechtsstreits i. S. einer Inzidenzkontrolle zu prüfen.

Honorarverteilungsregelungen einer KV sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art 12 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, zu messen (vgl. nur BSGE 73, 131, 135 f = SozR 3-2500 § 85 Nr. 4; BSGE 81, 213, 217 f. = SozR 3-2500 § 85 Nr. 23; seitdem st. Rspr.). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zugrunde zu legen sind. Die Vergütung aller vertragsärztlichen Leistungen mit einem ein-heitlichen Punktwert entspricht dem Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars, an den nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG, die sich der erkennende Senat auch im vorliegenden Fall zu eigen macht, die KVen im Rahmen der Honorarvertei-lung gebunden sind. Danach sind die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu ver-güten. der normsetzenden Körperschaft verbleibt jedoch ein Spielraum für sachlich ge-rechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstel-lungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (grundlegend erneut BSGE 73, 131, 135 f. = SozR 3-2500 § 85 Nr. 4).

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt mithin ausschließlich das aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Honorarver-teilungsgerechtigkeit (vgl. dazu BSGE 73, 131, 139 f. = SozR 3-2500 § 85 Nr. 4 S. 29; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 24 S. 168; seitdem st. Rspr.) in Betracht. Indessen kann ein solcher Anspruch nicht auf das objektiv-rechtliche Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen (§ 72 Abs. 2 SGB V) gestützt werden, das im allgemeinen keine sub-jektiven Rechte des Vertragsarztes begründet (siehe dazu BSGE 75, 187 = SozR 3-2500 § 72 Nr. 5; BSGE 77, 279, 288 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 10 S. 62 f.; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 12 S. 82; st. Rspr.).

Soweit der Kläger – wie dargelegt – behauptet, die Beklagte sei ihren kollektivvertragli-chen Befugnissen unzutreffend nachgekommen, kann er sich hierauf nicht mit Erfolg beru-fen. Diesem Vorgehen steht das vom Gesetz vorgegebene gesamtvertragliche Vergütungs-system entgegen. Die Krankenkassen vergüten danach nicht gesondert jede einzelne ärztli-che Leistung, sondern entrichten mit befreiender Wirkung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung eine zwischen ihren Landesverbänden und der KV vertraglich vereinbarte Vergütung. Die Partner des Gesamtvertrages, KV einerseits und Landesverbände bzw. Verbände der Krankenkassen andererseits, vereinbaren die Höhe der Gesamtvergütung sowie deren Veränderung unter Berücksichtigung von Praxiskosten, Arbeitszeit sowie Art und Umfang der vertragsärztlichen Leistungen im Gesamtvertrag (§ 85 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V). Dabei haben sie den Grundsatz der Beitragsstabilität in Bezug auf das Ausga-bevolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten (§ 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Kommt eine Vereinbarung über die Höhe bzw. die Verän-derung der Gesamtvergütung im Wege freier Verhandlungen nicht zustande, können Kas-senverbände und/oder KV das Schiedsamt anrufen (§ 89 Abs. 1 SGB V). Die KV kann auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nur die vereinbarte oder die durch Schiedsspruch festgesetzte Gesamtvergütung an die Vertragsärzte verteilen. Nachforderungen der KV an die Krankenkassen im Hinblick etwa auf einen Anstieg der erbrachten Leistungen oder der zugelassenen Ärzte sind grundsätzlich ausgeschossen und müssen in einem beitragsfinan-zierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen sein, weil die Kassen ihrerseits von den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen können. Die Höhe der Gesamtvergütung ist deshalb kein unabwendbares "Schicksal" (vgl. Isensee, VSSR 1995, 321, 345), sondern vielmehr das auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften erzielte Ergebnis der Verhandlungen des Partner der vertragsärztlichen Versorgung (so ausdrück-lich BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 30; st. Rspr.).

Im Übrigen kommt, soweit sich der Kläger auf § 84 Abs. 3 SGB V bezieht, dieser Vor-schrift keine gegenüber dem Vertragsarzt drittschützende Bedeutung zu. Bereits ausweis-lich seines Wortlauts wendet sich § 84 Abs. 3 SGB v allein an die Gesamtvertragspartner. Gerade dies macht deutlich, dass der einzelne Vertragsarzt in Bezug auf das kollektive Vergütungsgeschehen ausweislich der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung keinen rechtlich relevanten Einfluss ausübt.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird – auch in Bezug auf die Frage der zutreffenden Anwendung von § 2 Abs. 5 HVM – abgesehen und auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Aus den genannten Gründen hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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