L 10 B 2/03 KA ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 176/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 B 2/03 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.11.2002 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12.08.2002. Der Antragsteller ist als Arzt für Allgemeinmedizin in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 12.08.2002 hob die Antragsgegnerin nach Durchführung einer Plausibilitätsprüfung die Honorarbescheide für die Quartale I/96 bis einschließlich III/99 teilweise in Höhe von insgesamt 26.931,07 Euro (52.672,59 DM) auf und forderte das insoweit ausgezahlte Honorar zurück. Der Bescheid werde durch entsprechende Belastung des Honorarkontos im Abrechnungsquartal III/02 umgesetzt. Gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den derzeit noch nicht entschieden ist.

Mit Schreiben vom 08.11.2002 (Eingang beim SG am 11.11.2002) hat der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Auch für Plausibilitätsprüfungen gelte die Vier-Jahres-Frist sachlich-rechnerischer Berichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Die Rückforderungsansprüche der Antragsgegnerin seien infolge Fristablaufs verjährt. Überdies seien die Bescheide rechtswidrig, denn eine Implausibilität sei nicht nachgewiesen. Es stelle eine soziale Härte dar, wenn die Antragsgegnerin die Rückforderung mit der nächsten Honorarauszahlung verrechne. Angesichts der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sei dies ohnehin nicht zu rechtfertigen.

Der Antragsteller hat beantragt:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 09.09.2002 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.08.2002 (Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für die Quartale II/96 bis III/99) wird angeordnet.

2. Es wird angeordnet, dass die Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens dem Honorarkonto des Antragstellers 26.931,07 Euro gutschreibt, damit die schon vorgenommene Verrechnung aufgrund des Rückforderungsbescheides rückgängig gemacht wird.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang. Die Hinzuziehung eines auf das Sozial- und Arztrecht spezialisierten Anwaltes war wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage notwendig.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Es müsse die Grundentscheidung des Gesetzgebers berücksichtigt werden, nach der in Honorarstreitigkeiten der Vollziehbarkeit der Verwaltungsentscheidung generell ein öffentliches Interesse beigemessen werde. Entgegenstehende Gründe seien nicht ersichtlich. Die Einrede der Verjährung greife nicht, denn das Bundessozialgericht habe bislang ausdrücklich offen gelassen, ob die für Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren angenommene Ausschlußfrist auch für Bescheide wegen sachlich-rechnerischer Berichtigung gelte. Im Übrigen könne eine etwaige Verjährungsfrist allenfalls ab Kenntnis, nämlich Durchführung des Plausibilitätsgesprächs (hier: 01.12.1999), beginnen. Drohende Nachteile habe der Antragsteller im übrigen weder dargelegt noch seien solche ersichtlich.

Mit Beschluss vom 28.11.2002 hat das Sozialgericht (SG) dem Antrag teilweise stattgegeben und angeordnet, dass der Widerspruch insoweit aufschiebende Wirkung hat, als die Antragsgegnerin nur berechtigt ist, den zurückzufordernde Betrag von 26.931,07 Euro in vier gleichmäßigen Raten zu je 6.732,77 Euro, beginnend mit dem Quartal III/02 und endend mit dem Quartal II/03 von den laufenden Honorarzahlungen mit den jeweiligen Restzahlungen für das betreffende Quartal einzubehalten; etwaige Einbehalte seien auszukehren. Auch im Rahmen des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe, diese Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei davon abhängig, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft mache. Drohe dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne, so sei - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Anspruches - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders wichtige Gründe entgegenstehen. Andererseits seien die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht gehalten, Rechtsfragen vertiefend behandeln und könnten ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen. Daher bedürfe es keiner abschließenden Entscheidung zu der Frage, ob die Rückforderungsansprüche der Antragsgegnerin verjährt seien. Zwar erscheine es auch für Plausibilitätsprüfungen vertretbar, eine zeitliche Begrenzung der rechnerischen und gebührenordnungsmäßigen Richtigstellung anzunehmen und insoweit von einer vierjährigen Ausschlußfrist auszugehen. Andererseits gebe es weder gesetzliche Verjährungs- noch Ausschlußfristen zur Plausibilitätsprüfung. Höchstrichterlich sei diese Rechtsfrage bislang nicht geklärt. Die Vertragspartner der zum 01.10.2000 in Kraft getretenen "Vereinbarung zur Durchführung von Plausibilitätskontrollen" hätten jedenfalls in Ziffer II 2. eine zeitliche Begrenzung dahin vorgenommen, dass ein Verfahren der Plausibilitätsprüfung nicht mehr eingeleitet werden könne, wenn der Sachverhalt länger als 20 Abrechnungsquartale zurückliege. Eine solche zeitliche Begrenzung erscheine unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht per se unzulässig. Diese Frist habe die Antragsgegnerin jedenfalls hinsichtlich des Quartals II/96 beachtet. Das Verfahren müsse vor dem 01.12.1999 eingeleitet worden sein, da an diesem Tage ein Plausibilitätsgespräch stattgefunden habe. Ob und inwieweit der angefochtene Bescheid materiell-rechtlich zu beanstanden sei, bleibe der Prüfung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers sei hinreichend Genüge getan, wenn die Antragsgegnerin die streitbefangene Rückforderung nicht in einer Summe mit der nächsten Quartalsabrechnung III/02 realisiere, sondern in vier gleichmäßigen Raten zu je 6.732,77 Euro. Damit sei zugleich berücksichtigt, dass das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug der Rückforderung in einer Summe nicht als überragend angesehen werden könne. Es sei nicht ersichtlich, dass die Rückabwicklung der Abrechnungsquartale I/96 bis II/97 die Funktionsfähigkeit der Antragsgegnerin nennenswert gefährde, nachdem diese den Rückforderungsbescheid erst sechs Jahre nach dem ältesten Abrechnungsquartal I/96 erteilt habe.

Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit der Beschwerde an. Sie trägt vor: Der Beschluss befasse sich nur mit dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers hinsichtlich des Rückforderungsbetrags. Die Beurteilung der Sach- und Rechtslage habe das SG für das Hauptsacheverfahren zurückgestellt. Selbst eine summarische Prüfung habe des SG nicht durchgeführt. Drohende Nachteile, die im Rahmen der Interessenabwägung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen könnten, habe der Antragsteller nicht dargelegt. Es könne nicht Sinn des einstweiligen Rechtsschutzes sein, eine Ratenvereinbarung zu schließen zumal der Antragsteller sich vor Erlaß der angefochtenen Bescheide nicht auf eine solche habe einlassen wollen. Das öffentliche Interesse an der Rückforderung in einer Summe überwiege.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Düsseldorf vom 28.11.2002 abändern und den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 09.09.2002 gegen den Bescheid vom 12.08.2002 zurückzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das SG habe eine Prüfung der Sach- und Rechtslage nur für den Fall der mit der einstweiligen Anordnung ausgesprochenen Ratenzahlung nicht für erforderlich gehalten. Da die Antragsgegnerin die Aufhebung dieses Beschlusses begehre, komme es auf die Sach- und Rechtslage entscheidend an. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache würden erheblich überwiegen. Die Ansprüche seien verfristet. Implausible Leistungen seien nicht nachgewiesen. Der Anordnungsgrund sei unter Berücksichtigung des Rückforderungsbetrags und der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu bejahen. Ein Interesse am Sofortvollzug sei nicht gegeben. Schon der zeitlich Ablauf belege, dass die Funktionsfähigkeit der Antragstellerin nicht beeinträchtigt werde.

II.

Die statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das SG dem Antrag im tenorierten Umfang stattgegeben.

1.

Der Widerspruch entfaltet nicht schon deswegen aufschiebende Wirkung, weil er sich gegen einen Rückforderungsbescheid infolge einer Plausibilitätsprüfung wendet. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass Honorarrückforderungen nach dem eindeutigen Wortlaut von § 85 Abs. 4 letzter Satz SGB V nicht erfasst werden (Schlarmann/Buchner, NJW 2002, 644, 645) und demgemäß auch Klagen gegen Rückforderungen aus Plausibilitätsprüfungen aufschiebende Wirkung entfalten (so Kuhlen, NJW 2002, 3155). Ausgehend hiervon wäre der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Rückforderungsbescheid unzulässig. Denn für eine gerichtliche Entscheidung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist dann kein Raum, wenn die aufschiebende Wirkung bereits kraft Gesetzes eintritt. Indessen hat der Senat bereits entschieden, dass auch Rückforderungsbescheide infolge einer Plausibilitätsprüfung der Ausnahmeregelung des § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V zuzurechnen sind, mithin der hiergegen gerichtete Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Beschluss vom 15.01.2003 - L 10 B 22/02 KA ER -).

2.

Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG in der Fassung des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2001, 2144) kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Im Rahmen des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG entscheidet das Gericht nach Ermessen aufgrund einer Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen (Senatsbeschluß vom 15.01.2003 - L 10 B 22/02 KA ER -; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86 b Rdn. 12; Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch für das Vertragsarztrecht, 1. Auflage, 2002, § 21 Rdn. 114; Düring in Berliner Kommentare, SGG, 1. Auflage, 2003, § 86 b Rdn. 6). Dabei sind zunächst die Erfolgsaussichten zu prüfen. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann den Sofortvollzug anordnen wird, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben (vgl. hierzu im Einzelnen Krodel, NZS 2001, 449, 452 ff.). Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, kann dies für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen (vgl. auch § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG). An der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte besteht kein öffentliches Interesse; vielmehr überwiegt dann das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung. Anderseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse am Ausschluß der aufschiebenden Wirkung dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (vgl. auch Begründung zum 6. SGG-ÄndG BT-Drucks. 14/5943 zu Nr. 34). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist (Düring a.a.O.; vgl. auch insoweit auch Senatsbeschluss vom 18.09.2002 - L 10 B 9/92 KA ER - zu § 86 b Abs. 2 SGG). Abzuwägen sind dabei die Folgen, die eintreten würden, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet wird und der Rechtsbehelf letztlich doch keinen Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstehen, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird und der Rechtsbehelf letztlich Erfolg hätte. Zu berücksichtigen ist ferner, ob und inwieweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung irreparable Folgen hat. Schließlich sind die vom Gesetz verfolgten Ziele einzubeziehen und mit den Interessen des Betroffenen abzuwägen (Senatsbeschluß vom 15.01.2003 - L 10 B 22/02 KA ER -; vgl. Meyer-Ladewig aaO § 86 a Rdn. 20).

Hiernach ergibt sich: Die Erfolgsaussichten einer etwaigen Hauptsacheklage sind indifferent. Ob und inwieweit die Rückforderungsansprüche infolge einer Plausibilitätsprüfung verjährt sind, bedarf einer eingehenden rechtlichen Prüfung. Der Senat neigt zur Auffassung, dass auch Plausibilitätsprüfungen einer Ausschlußfrist unterliegen. Soweit es um sachlich-rechnerische Richtigstellungen geht, teilt der Senat die Auffassung des Bayr. LSG, wonach sachlich-rechnerische Berichtigungen einer vierjährigen Ausschlußfrist unterliegen (Urteil vom 27.10.1999 - L 12 KA 78/98 -). Nunmehr hat auch das BSG entschieden, dass sachlich-rechnerische Berichtigungen nur innerhalb einer Frist von vier Jahren seit Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheides zulässig sind (BSG vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R -). Plausibilitätskontrollen (§ 83 Abs. 2 SGB V) dienen dem Zweck, fehlerhafte Abrechnungen und unwirtschaftliche Leistungserbringung aufzudecken (BSG NJW 2001, 2822; Axer in Schnapp/Wigge § 7 Rdn. 34). Im Gegensatz zu sachlich-rechnerischen Berichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen stellen Plausibilitätsverfahren allerdings kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung dar (BSG NJW 2001, 2822). Hieraus könnte hergeleitet werden, dass Plausibilitätskontrollen nur eine Sonderform sachlich-rechnerischer Berichtigungen darstellen oder aber diesen zumindest nahestehen (hierzu BSG NJW 2001, 2822). Der Senat lässt dies im Rahmen der summarischen Prüfung offen. Jedenfalls spricht einiges dafür, auch Plausibilitätskontrollen - wie im sonstigen Sozialrecht - einer vierjährigen Frist zu unterwerfen. Ausgehend von der Ausschlußfrist für sachlich-rechnerische Berichtigungen von vier Jahren seit Erlaß der Quartalsabrechnungsbescheide wären die Rückforderungen (Bescheid vom 12.08.2002) für die Quartale I/1996 bis III/1999 jedenfalls überwiegend verfristet. Soweit die Vertragspartner der zum 01.10.2000 in Kraft getretenen "Vereinbarung zur Durchführung von Plausibilitätskontrollen" unter Ziffer II. 2 vereinbart haben, dass ein Plausibilitätsverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann, wenn der Sachverhalt länger als 20 Abrechnungsquartale zurückliegt, liegt dem eine fünfjährige Frist zugrunde. Ob die Antragsgegnerin diese Frist eingehalten hat, ist offen. Wird für den Fristbeginn auf das Plausibilitätsgespräch abgestellt, dürfte die Frist auch für das Quartal I/96 eingehalten sein, wenn am 01.12.1999 - wie vom SG angenommen - ein solches Gespräch stattgefunden hat. Ggf. wird aber auch insoweit zu klären sein, welcher Umstand den Lauf der Frist auslöst. Die rechtliche Prüfung der Frage, ob und ggf. welche Frist für Plausibilitätskontrollen gilt und wann die Frist beginnt, bedarf einer eingehenden Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck sozialrechtlicher Fristen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu den Fristen für sachlich-rechnerische Berichtigungen. Dies bleibt einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Im Ergebnis sind die Erfolgsaussichten einer etwaigen Hauptsache schon aus diesen Gründen nicht offensichtlich. Sonach sind die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Dabei ist von der gesetzgeberische Grundentscheidung auszugehen, bei Honorarstreitigkeiten die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auszuschließen und damit der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ein gesteigertes öffentliches Interesse beizumessen (Senatsbeschluß vom 15.01.2003 - L 10 B 22/02 KA ER - und vom 11.02.2003 - L 10 B 11/02 KA - ). Der grundrechtlich geschützte Bereich des Antragstellers ist durch den Einbehalt nicht schwerwiegend betroffen. Weder hat er dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass infolge des Einbehalts Insolvenz droht. Auch im Übrigen fehlt jegliches Vorbringen dazu, dass die Praxistätigkeit durch den Einbehalt schwer und nachhaltig beeinträchtigt würde.

In Abwägung aller aufgezeigten Gesichtspunkte teilt der Senat die Auffassung des SG, dass dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers hinreichend Rechung getragen ist, wenn die Antragsgegnerin die streitigen Summe nur in vier gleichmäßigen Raten realisieren darf. Andererseits ist es der Antragsgegnerin wegen der offenen Rechtslage verwehrt, das dem Antragsteller zustehende Honorar um den vollen Rückforderungsbetrag zu reduzieren. Angesichts dessen, dass die Plausibilitätskontrollen für die Quartale I/96 bis III/99 erst mit Bescheid vom 12.08.2002 abgeschlossen wurden, mithin eine - wie auch immer geartete Eilbedürftigkeit - ersichtlich nicht gegeben ist, wäre auch eine für den Antragsteller günstigere vorläufige Regelung in Betracht gekommen. Dem Senat ist dies verwehrt, denn Beschwerde hat lediglich die Antragsgegnerin eingelegt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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