L 7 SO 2/05 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 SO 18/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 2/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4.März 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihm in Verhandlungen über den Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach dem SGB XII zu treten.

Der Antragsteller betreibt als freier Träger eine mit einer diplomierten Sozialarbeiterin bzw. einer diplomierten Sozialpädagogin besetzte Beratungsstelle in A-Stadt, deren Leistungsangebot u.a. die persönliche Beratung und Unterstützung von Sozialhilfeberechtigten bei der Sicherung des Lebensunterhaltes und in besonderen Lebenslagen gehört. Diese Stelle wird nach Angabe des Antragstellers auch immer wieder von Bewohnern des Rheingau-Taunus-Kreises in Anspruch genommen.

Die Zuwendungsfinanzierung des Antragstellers durch die Landeshauptstadt A-Stadt endete mit Ablauf des Jahres 2004.

Bereits mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 hatte der Antragsteller den Antragsgegner zum Abschluss einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 93 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) aufgefordert.

Mit Bescheid vom 7. April 2004 lehnte der Antragsgegner den Abschluss der Vereinbarung mit der Begründung ab, unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit allein die im Rheingau-Taunus-Kreis vorgehaltenen Hilfeangebote wie Beratungen bei den Städten und Gemeinden, bei den freien und caritativen sowie den Sozialämtern Bad Schwalbach, Rüdesheim und Idstein als geeignete und zweckmäßige Hilfemöglichkeiten für die Bürger des Rheingau-Taunus-Kreises einzustufen. Die Stellen gingen auf die regionalen Besonderheiten der Hilfegewährung ein. Demgegenüber komme es bei einer Beratung des Antragstellers immer wieder vor, dass Anträge abgelehnt würden oder nur ein geringerer Bedarf angenommen werde. Eine Beratung aus dem Bereich des Rheingau-Taunus-Kreises heraus sei daher zweckmäßiger und erspare erheblichen Verwaltungsaufwand.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004 zurück. Er begründete diesen im Wesentlichen damit, dass unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit eine Beratung der Bürger des Kreises geeigneter sei als eine Beratung durch eine in A-Stadt angesiedelte Stelle. Die letztere könne auf die regionalen Besonderheiten sowie die Dienstanweisung und Richtlinien des kreisangehörigen Sozialhilfeträgers weniger gut eingehen, da sie auf eine direkte Zusammenarbeit und einen Austausch mit dem Sozialamt der Landeshauptstadt A-Stadt ausgerichtet sei. Hilfesuchende träten nach einer Beratung durch die Antragstellerin mit Anliegen an den Rheingau-Taunus-Kreis heran, die im Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt A-Stadt zwar zu einem Sozialhilfeanspruch führten, eine Ablehnung oder einen geringeren Leistungsanspruch aber im Kreis bedingen würden, da die Richtlinien und Dienstanweisungen auf L. der anderen Gegebenheiten vielfach im Kreis restriktiver gehalten seien. Dies führe zu einem hohen Verwaltungsaufwand durch Ablehnungen oder Kürzungen, der bei einer Beratung direkt im Kreis erspart worden wäre. Die ebenfalls gebotene Leistungsgerechtigkeit könne bei einer zielgerichteten Beratung aus einer Hand genauer eingehalten werden, da hierdurch einheitliche Entscheidungen ohne Modifikationen möglich seien. Eine einheitliche, zweckmäßige und leistungsgerechte Beratung, die zudem den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in besserer Weise entspräche, könne vom Antragsgegner angeboten werden, ohne die Hilfe des Antragstellers in Anspruch nehmen zu müssen.

Der Antragsteller hat am 12. Juni 2004 Klage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden (Az.: (4) erhoben.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 15. September 2004 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass der Abschluss etwaiger Vereinbarungen letztlich im Ermessen des Kreises stünde. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null seien nicht erkennbar. Es werde angeregt, ein neues Angebot des Antragstellers mit dem Antragsgegner zu verhandeln.

Der Antragsteller hat die Klage am 29. September 2004 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2004 hat der Antragsteller dem Antragsgegner ein neues Angebot zu einem Vertragsabschluss für das Jahr 2005 gemacht und ihn zu zügigen Aufnahmeverhandlungen aufgefordert.

Mit Schreiben vom 1. November 2004 teilte der Antragsgegner dem Antragssteller mit, eine Rechtsgrundlage zur Abfassung einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung sei im SGB II nicht vorgesehen. Das SGB XII beinhalte zwar im §§ 75 und 76 eine entsprechende Regelung, jedoch sehe der Antragsgegner keinen Beratungs- und Handlungsbedarf.

Mit Schreiben vom 23. November 2004 erwiderte der Antragsteller, dass er den Antragsgegner für verpflichtet halte, mit ihm in Verhandlung zu treten und zwar sowohl hinsichtlich SGB II als auch im Hinblick auf SGB XII.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2005, hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Der Anordnungsanspruch ergebe sich daraus, dass alle freien Träger, welche die gesetzlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung erfüllten, zumindest den geltend gemachten Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen hätten. Der Antragsgegner lehne dies ab, weil er unzutreffenderweise keinen Beratungs- und/oder Handlungsbedarf sähe. Dies sei darin begründet, dass der Antragsteller seine Beziehung zu den freien Trägern immer noch nicht auf die seit 1996 geltenden Regelungen der §§ 93 ff. BSHG = 75 ff. SGB XII, umgestellt habe. Das Verhalten des Antragsgegners verletze darüber hinaus den Antragsteller offensichtlich in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.

Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die angestrebten Vereinbarungen prospektiv vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode über ein zukünftigen Zeitraum abzuschließen seien (§ 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Dem Antragsteller sei nicht zuzumuten, länger abzuwarten bis der Antragsgegner eine gesetzliche Verpflichtung erfülle und in Verhandlungen für einen Vereinbarungsabschluss über das Jahr 2005 einträte.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2005 erwiderte der Antragsgegner, dass der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Der Antragsteller begehre mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung Verhandlungen zum Abschluss einer Vereinbarung. Ein Ergebnis dieser Verhandlung könne nicht unterstellt werden, schon gar nicht der Zeitpunkt des Abschlusses der Verhandlungen. Abgesehen davon sei auch aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht einzusehen, weshalb der Zeitpunkt des Abschlusses der angestrebten Vereinbarung an Beginn und Ende einer jeweiligen Wirtschaftsperiode gebunden sein solle.

Im Übrigen habe der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch. Wenn der Antragsteller keinen Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung habe, wie das Verwaltungsgericht Wiesbaden festgestellt habe, habe er erst recht keinen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen zum Abschluss einer solchen Vereinbarung. Die Anregung des Verwaltungsgerichts sei lediglich der Versuch gewesen, die Beteiligten im Gespräch zu halten.

Im Übrigen sei der Antragsteller auch nicht antragsbefugt. Würde dem Antrag entsprochen und der Antragsgegner zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet, sei die Hauptsache vorweg genommen.

Mit Beschluss vom 4. März 2005 (Az.: S 18 SO 7/05) hat das Sozialgericht Wiesbaden den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen nach dem SGB XII als öffentlich-rechtliche Verträge (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X) zu qualifizieren seien. Der Zulässigkeit des Antrages stehe der rechtskräftige Abschluss des Klageverfahrens (Az.: (4)) des Verwaltungsgerichtes A-Stadt nicht entgegen. Dieses Verfahren habe Ansprüche nach § 93 ff. BSHG betroffen. Der Zulässigkeit des Antrags stehe auch nicht § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entgegen, wonach die Schiedsstelle auf Antrag einer Partei entscheide, wenn eine Vereinbarung nach § 76 Abs. 2 SGB XII innerhalb von 6 Wochen nicht zustande komme. Im vorliegenden Fall sei nämlich der gesamte Regelungsumfang des § 76 Abs. 2 SGB XII streitig; in diesem Fall sei die Zuständigkeit der Schiedsstelle umstritten; da § 74 Abs. 2 SGB XII lediglich Vergütungsvereinbarungen betreffe, vorliegend jedoch der gesamte Bereich der Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen im Streit sei, sei Rechtsschutz vor dem Sozialgerichten zu gewähren.

Im vorliegenden Verfahren mache der Antragsteller Ansprüche nach dem SGB XII geltend. Die Weigerung des Antragsgegners mit dem Antragsteller in Verhandlungen über den Abschluss von Vereinbarungen zu treten, müsse im Zusammenhang mit dem bereits beim Verwaltungsgericht Wiesbaden abgeschlossenen Verfahren beurteilt werden. Der Antragsgegner habe bereits in dem beim Verwaltungsgericht Wiesbaden abgeschlossenen Klageverfahren den Abschluss der von dem Antragsteller gewünschten Vereinbarungen abgelehnt. Auf das neuerliche, auf den Abschluss von Vereinbarungen nach dem SGB XII gerichtete Schreiben des Antragstellers vom 8. Oktober 2004 habe der Antragsgegner bereits ausgeführt, er sehe keinen Beratungs- und Handlungsbedarf. Der Antragsgegner habe damit seine bereits zuvor vertretene Auffassung, dass ein Vertragsabschluss mit dem Antragsteller nicht in Frage komme, bekräftigt. Stehe die Entscheidung des Antragsgegners den Abschluss einer Vereinbarung endgültig abzulehnen fest, bedürfe es keiner Verhandlungen mehr zum Abschluss von Vereinbarungen. Verhandlungen seien nämlich ihrem Wesen nach ergebnisoffen. Bei dieser Sachlage sei nicht erkennbar, welches schutzwürdige Interesse der Antragsteller für den auf Aufnahme von Verhandlungen gerichteten Eilantrag haben solle.

Der Eilantrag sei aber auch materiell unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG könne eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Dies setze voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werde (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit ein Anordnungsanspruch auf die begehrte Leistung glaubhaft gemacht sei, könne eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nur dann ergehen, wenn es zur Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller notwendig sei, dass seinem Begehren sofort entsprochen werde. Durch diese besondere Regelung des Prozessrechts solle verhindert werden, dass das für die Klärung von Streitfragen zwischen Bürgern und Behörden vorgesehene Klageverfahren, in dem der Sachverhalt erschöpfend und ohne Zeitdruck aufgeklärt werden könne, seinem eigentlichen Zweck entkleidet und die Streitfragen in Abweichung von der gesetzlichen Regelung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz vorverlagert würden. Die gerichtliche Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren solle nämlich regelmäßig nicht durch eine Eilentscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorweg genommen werden.

Nur wenn es um die Vermeidung schlechthin unzumutbarer Folgen für den betreffenden Antragsteller ginge, könne eine Sachentscheidung – etwa durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung - in Erwägung gezogen werden.

Der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Vortrag des Antragstellers sei nicht ersichtlich, dass dieser in eine besondere Notlage geraten könne, falls die von ihm begehrte einstweilige Anordnung nicht sofort erlassen würde. Eine derartige besondere Notlage könne im Falle einer Existenzgefährdung oder beim Drohen anderer schwerwiegender, nachträglich nicht reparabler Nachteile gegeben sein. Derartige Umstände seien vorliegend nicht erkennbar. Der Anordnungsgrund würde lediglich damit begründet, dass die angestrebten Vereinbarungen prospektiv vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen seien. Die von dem Antragsgegner in Bezug genommene Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII betreffe lediglich die Prospektivität der Vergütung. Das bedeute, dass die Kosten nicht retrospektiv ermittelt und erstattet werden dürften. Allein die Tatsache, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner keine Kosten abrechnen könne, bevor es zu einem Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen gekommen sei, begründe keine besondere Eilbedürftigkeit. Soweit der Antragsteller darüber hinaus vorgetragen habe, dass die Zuwendungsfinanzierung durch die Landeshauptstadt A-Stadt Ende 2004 ausgelaufen sei, habe er einen akuten Finanzbedarf nicht angegeben. Auch sei nicht ersichtlich, in welchem Umfang der Antragsteller bei einem Abschluss der Vereinbarungen an Ansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen könne.

Der Antragsteller habe darüber hinaus keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Würde der Abschluss eines Lizenzierungsvertrages angestrebt, wovon vorliegend auszugehen sei, stelle sich die Frage, ob die vom Antragsteller in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 75 SGB XII überhaupt anwendbar seien. Nach der Systematik des § 11 Abs. 5 SGB XII sei eine Kostenübernahme nur für eine weitergehende Beratung durch Fachberatungsstellen vorgesehen, weshalb für andere Beratungen, da es an einer Kostenübernahmeregelung fehle, der Abschluss von Vereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII von vornherein ausscheide. Ansonsten hänge die Frage, ob die Beratungsstelle Kosten in Rechnung stellen könne, davon ab, ob mit der Einrichtung Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen worden seien, und ob dem Ratsuchenden, der sich für eine Beratung durch den Antragsteller entschieden habe, die Kostenübernahme vom Antragsgegner bewilligt worden sei. Ungeachtet der Eignungsfrage stehe der Abschluss von derartigen Vereinbarungen im Ermessen des Antragsgegners. Vorliegend sei aber nicht ersichtlich, dass eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, in welchem Falle allein eine einstweilige Anordnung erlassen werden könne. Gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung spreche vorliegend auch das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Eine existentielle Notlage, die aus verfassungsrechtlichen Gründen, etwa wegen des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise ein Zurücktreten dieses Grundsatzes erfordern könnte, sei nicht dargetan. Auf den Beschluss im Einzelnen wird Bezug genommen.

Am 17. März 2005 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, welcher das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 6. April 2005). Unter Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung in einer Parallelsache, betreffend eine entsprechende Problematik beim SGB II, trägt der Antragsteller vor, das Sozialgericht gehe fehl in der Annahme, der Antragsgegner brauche auf Vertragsverhandlungen von vornherein nicht einzugehen, weil die von dem Antragsgegner vorgenommene Beratung ausreichend, geeigneter und zweckmäßiger sei. Deshalb könne mit dieser Begründung das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht abgelehnt werden. Der Antragsgegner müsse sich auf ergebnisoffene Verhandlungen einlassen und deshalb eine pflichtgemäße Entscheidung über einen Vertragsabschluss treffen.

Soweit das Sozialgericht einen Anordnungsgrund verneine, weil keine besondere Notlage ersichtlich sei und allein die Tatsache, dass der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner keine Kosten abrechnen könne, keine Eilbedürftigkeit begründe, würden die Anforderungen deutlich überspannt. So habe das Verwaltungsgericht in Münster in einem Beschluss vom 22. Juni 2004 ausgeführt: "Würde dem Antragsteller, demgegenüber der Antragsgegner bisher die Aufnahme von Verhandlungen über einen Vereinbarungsabschluss abgelehnt habe, angesonnen, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, so hieße dies, dass er bis zum Abschluss des selben keine Leistungen gegenüber Hilfeempfängern erbringen könnte, deren Kosten vom Antragsgegner übernommen würden". Dies sei eine wesentliche Einschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Antragsgegner könne verpflichtet werden, über den Abschluss einer vorläufigen Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Damit würde auch die Hauptsache nicht vorweg genommen. Der akute Finanzierungsbedarf des Antragstellers sei gegeben, da die Arbeitsverträge mit der Diplom-Sozialpädagogin und der Diplom-Sozialarbeiterin am Jahresende gekündigt worden wären. Die Eignung des Antragstellers sei durch den Antragsgegner lediglich durch lose, unsubstantiierte Zweifel in Frage gestellt worden. Insbesondere seien die Kriterien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Falle des Antragstellers erfüllt. Zum einen seien die beiden Mitarbeiterinnen beruflich und persönlich qualifiziert und anhand der Haushaltspläne könne äußerste Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit dokumentiert werden. Das SG habe sich im Übrigen einer Mindermeinung von Münde angeschlossen, dass § 11 Abs. 5 Satz 2 SGB XII als Sondervorschrift die §§ 75 ff. SGB XII verdränge. Vorzug verdiene jedoch die herrschende Meinung (insbesondere Sauer, NDV 1997, 139 ff.) oder Grube/Wahrendorf, SGB XII § 11 Rz. 16), dass Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen für Fachberatungsstellen nach dem SGB XII möglich seien.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. März 2005 im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit dem Antragsteller in Verhandlung über den Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach dem SGB XII zu treten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Antragsgegner auf den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. März 2005.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die bei-gezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Zutreffend hat das SG insofern ausgeführt, dass dies das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraussetzt und diese Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, ob ein Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz für den Antragsteller anzuerkennen ist. Die vom Antragsteller begehrten Verhandlungen betreffen nämlich Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII, der gemäß Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift auch für Dienste Anwendung findet, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist; von letzterem ist hier auszugehen. § 76 SGB XII beschreibt sodann den Inhalt der Vereinbarungen. In Abs. 1 Satz 3 der Norm wird verlangt, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. § 76 Abs. 2 SGB XII spezifiziert die Vergütungen; kommt eine Vereinbarung des § 76 Abs. 2 innerhalb von 6 Wochen nicht zustande, nachdem eine Partei schriftliche Verhandlungen aufgefordert hat, entscheidet die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte (§ 77 Abs. 1 Satz 2). Gegen die Entscheidung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (Satz 3). Die Klage richtet sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsstelle (Satz 4). Einer Nachprüfung der Entscheidung in einem Vorverfahren bedarf es nicht (Satz 5).

Im Unterschied zur Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss kann nach Auffassung des erkennenden Senats die Zuständigkeit der Einigungsstelle dabei nicht mit der Erwägung verneint werden, dass vorliegend nicht nur über die Vergütungsvereinbarung gestritten wird, sondern um das ganze Verhandlungspaket. Denn der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung setzt denknotwendig ebenso wie nach dem normativen Regelungsgerüst eine Einigung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen im Sinne der Leistungsvereinbarung des § 75 Abs. 3 Ziff. 1 SGB XII und auch die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen im Sinne einer Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Ziff. 3 SGB XII voraus; hinsichtlich letzterem Gesichtspunkt wird das durch die Sätze 2 und 3 in § 75 Abs. 3 noch zusätzlich unterstrichen. Ohnehin zielt das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ausweislich des Schreibens vom 8. Oktober 2004 im Kern auf eine Vergütungsvereinbarung ab. Damit steht fest, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die gemäß § 80 SGB XII zusammengesetzte Schiedsstelle für Streitigkeiten der vorliegenden Art die Erstzuständigkeit besitzt und sozialgerichtlicher Rechtsschutz erst nach Durchführung des Schiedsstellenverfahrens in Anspruch genommen werden kann. Nicht anders als bei der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle gemäß § 76 Betriebsverfassungsgesetz besitzt die Schiedsstelle auch die sog. "Vorfragenkompetenz", d. h., sie hat über ihre Zuständigkeit zunächst selbst zu befinden (vgl. hierzu z. B. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl., München 2002, § 232 Rdz. 18 mit vielen weiteren Nachweisen; siehe zuletzt auch BAG, Beschluss vom 22. Januar 2002 – Az.: 3 ABR 28/01). Insoweit würde sich der Senat, falls er dem Begehren des Ast entspräche, über diese Erstzuständigkeit und Vorfragenkompetenz der Schiedsstelle hinwegsetzen. Für die Ansicht des Senats spricht dabei zusätzlich der Umstand, dass er auch die sog. Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle in ihrer Sachentscheidung zu berücksichtigen hätte (vgl. z. B. Bundesverwaltungsgericht, 5. Senat, Urteil vom 1. Dezember 1998 – Az.: 5 C 17/97; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – Az.: B 3 P 19/00 R – jeweils m.w.N.), zu welcher auch die auf inhaltliche Kriterien gestützte Entscheidung der Schiedsstelle über ihre Zu- oder Unzuständigkeit gehören würde.

Wenn der Antragsteller dem – entgegen dem Inhalt seines Schreibens vom 8. Oktober 2004 – nun mit dem Argument entgegentritt, er wolle gar nicht den Abschluss einer Vereinbarung, sondern nur die Aufnahme von Verhandlungen, so begibt er sich durch diesen, zuletzt im Schreiben vom 30. Mai 2005 bekräftigten Vortrag, andererseits des Anordnungsgrundes, denn insoweit hat bereits das SG im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass sich infolge der Ergebnisoffenheit von Verhandlungen ein konkreter erheblicher Nachteil, der bei der Nichtaufnahme drohen würde, nicht begründen lässt. Entweder begehrt der Antragsteller also den Abschluss von Vereinbarungen mit dem von ihm selbst mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 konkretisierten Inhalt, dabei insbesondere der Vergütung, dann ist er jedoch auf den Weg der Schiedsstellenklärung zu verweisen. Oder er begehrt, wie mit Schreiben vom 30. Mai 2005 vorgetragen, nur die Aufnahme von Verhandlungen, begibt sich damit jedoch des Anordnungsgrundes; ob die Nichtaufnahme von Verhandlungen nämlich einen erheblichen Nachteil beinhaltet, lässt sich ohne Kenntnis des Ergebnisses, ja nicht einmal des Inhalts von Verhandlungen nicht sagen. Die Nichtaufnahme von Verhandlungen kann also allenfalls einen mutmaßlichen Nachteil begründen, dem die für den einstweiligen Rechtsschutz notwendige Nachteilsschwere von vornherein fehlt. In beiden Fällen kommt also der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.

Im Übrigen hat der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 27. April 2005 in der das SGB II betreffenden Parallelsache zum Az.: L 7 AS 10/05 im Einklang mit der Auffassung des SG im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Aufnahme und der Abschluss von Vertragsverhandlungen eine Ermessensentscheidung des staatlichen Leistungsträgers beinhaltet, dem ein Anspruch des Leistungserbringers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung korrespondiert, weshalb ein Anordnungsanspruch überhaupt nur dann bejaht werden könne, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorläge; dafür habe aber der Antragsteller selbst nichts vorgetragen. Diese Erwägung gilt für das vorliegende Verfahren gleichermaßen. Tatsächlich hat der Antragsgegner sich auf ein vorhandenes Strukturdefizit berufen und damit sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, was zumindest im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden ist. Dazu hat der Antragsteller selbst eingeräumt, keine Zweigstelle im Rheingau-Taunus-Kreis zu besitzen und diesen Mangel aber möglicherweise mit dem Angebot von Sprechstunden im Rheingau-Taunus-Kreis im Rahmen der Vertragsverhandlungen ausgleichen zu wollen. Diese bereits für das Parallelverfahren entscheidungserheblichen Gründe gelten für das vorliegende Verfahren ebenfalls.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197 a SGG und § 154 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung.

Die Festsetzung des Streitwertes stützt sich auf § 197 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2, Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG. Der Hauptsachestreitwert beträgt 5.000 Euro, wobei der Streitwert aufgrund der Vorläufigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren um die Hälfte zu reduzieren war.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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