L 4 KR 43/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 163/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 43/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für häusliche Krankenpflege in Höhe von 1569,59 Euro.

Der Kläger ist Mitinhaber eines Pflegedienstes für ambulante Krankenpflege. Die Abrechnung der Leistungen gegenüber der Pflegekasse der Beklagten erfolgte über die Firma A.-GmbH (M.). Mangels einer speziellen Leistungsposition für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen waren die Beteiligten sich einig, dass aus dem Rahmenvertrag für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege die Gebührenvereinbarung für die Leistung "Verband anlegen oder wechseln, Anus praeter-Versorgung, Dekubitus-Versorgung, je Leistung 6,60 DM" zu Grunde zu legen waren. Im Zeitraum vom August 1997 bis November 1997 setzte der Kläger, nach seinen Angaben im Einklang mit der früheren Praxis, für Versicherte der Beklagten die ärztlich verordnete Leistung An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen pro Bein einmal an.

Die Beklagte war demgegenüber der Auffassung, dass im Anschluss an die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern die Gebühr von (damals) 6,60 DM auch für das Anziehen von Gummistrümpfen an beiden Beinen nur einmal angesetzt werden könne. Dies sei auch von anderen Pflegediensten so beurteilt und abgerechnet worden. Sie kürzte daraufhin in den streitigen Behandlungsfällen die Abrechnung des Klägers um 3.069,85 DM (1.169,59 Euro).

Der Kläger hat hiergegen am 28.01.1998 Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 3.069,85 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Zwischen allen Beteiligten sei unstreitig, dass zum Verbandwechsel auch das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen gehöre. In einer anderen Streitigkeit sei es darum gegangen, ob bei Dekubitus-Fällen jeder Verbandwechsel einzeln zu vergüten sei. Aufgrund eines Hinweises des Sozialgerichts Landshut habe die Beklagte seither bei Dekubitus-Versorgung ebenso wie beim Verbandwechsel jede Einzelleistung bezahlt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 01.04.1998 entgegnet, der Kläger sei als Mitglied im Berufsverband für freie Pflegekräfte, mit dem die Gebührenvereinbarung und der Rahmenvertrag geschlossen worden seien, der normativen Wirkung der Rahmenvereinbarung unterworfen. Deshalb könne die Auslegung der Gebührenvereinbarung nur nach dem Wortlaut erfolgen. Der Wortlaut besage gerade nichts über das Anlegen von Kompressionsstrümpfen der Klassen II und III. Aus pragmatischen Erwägungen habe die Beklagte genauso wie die weiteren Vertragspartner der Vergütungsvereinbarung das Anziehen von Kompressionsstrümpfen der Klassen II und III als Vertragsleistung und in entsprechender Anwendung die Abrechnung der Gebührenpositionen 1a Ziff. 2 für diese Gesamtleistung akzeptiert. Es handle sich bei dem Anziehen eines Kompressionsstrumpfes nicht um eine Leistung, die dem Anlegen eines Einzelverbandes vergleichbar wäre. Die praktizierte und akzeptierte Abrechnung der Position Anziehen von Kompressionsstrümpfen sei deshalb nur einmal mit 6,60 DM zu vergüten, weil es sich um eine einheitliche Leistung handele.

Das Sozialgericht Landshut hat in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.1998 als Zeugin die Referentin für Altenhilfe bei der Arbeiterwohlfahrt, Landesverband Bayern, I. S. , und den selbstständigen Krankenpfleger E. gehört. Die Zeugin S. hat ausgesagt, dass andere Kassen das Anlegen von zwei Kompressionsstrümpfen zweimal bezahlen, die AOK Bayern generell nur einmal. Dem Vernehmen nach habe die AOK Bayern jedoch auch beim Anlegen von Kompressionsverbänden die Vergütung pro Bein bezahlt. Der Zeuge E. hat bekundet, dass im Falle der zweimaligen Abrechnung des Anbringens zweier Kompressionsstrümpfe die Abrechnung von der AOK Bayern und der Landwirtschaftlichen Krankenkasse je einmal gekürzt wurde. Der Zeitaufwand für das Anlegen von Kompressionsstrümpfen betrage unter normalen Verhältnissen 5 bis 10 Minuten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch angegeben, im Normalfall müssten beide Beine mit Kompressionsstrümpfen versorgt werden, die Versorgung nur eines Beines sei der Ausnahmefall. Das Sozialgericht Landshut hat die Streitsache vertagt und mit Beschluss vom 02.03.1999 sich für örtlich unzuständig erklärt sowie den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht München (SG) verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 07.02.2002 hat der Kläger erklärt, dass in einer Schlichtungsvereinbarung des früheren Vizepräsidenten des Bayerischen Landessozialgerichts eine Regelung der Vergütung des Anziehens von Kompressionsstrümpfen in der Gestalt aufgenommen worden sei, dass für beide Beine nur eine Gebühr anzusetzen sei, dadurch aber der Entscheidung in diesem Rechtsstreit nicht vorgegriffen werden sollte.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die streitgegenständlichen Rechnungen des Klägers zu Recht gekürzt, da das Anziehen von Kompressionsstrümpfen auch an zwei Beinen als einheitliche Leistung zu betrachten sei und lediglich mit einer Gebühr nach § 1 Abs.1a Ziff. 2 der Vergütungsvereinbarung zum Rahmenvertrag berechnet werden könne. Der Gebührentatbestand "Verband anlegen, Anus praeter-Versorgung, Dekubitus-Versorgung, je Leistung 6,60 DM" sei keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für die Vergütung des Anlegens von Kompressionsstrümpfen. Eine analoge Anwendung von Vertragsregelungen sei insoweit ausgeschlossen, da Analogien nur im Bereich gesetzlicher Regelungslücken Anwendung finden können. Die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hätten jedoch keinen normativen Charakter, sie seien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zivilrechtlicher Natur. Regelungslücken in Verträgen seien vielmehr durch das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen. Voraussetzung sei eine planwidrige Unvollständigkeit, die hier gegeben sei. Nach dem hypothetischen Parteiwillen, wie er in der Schlichtungsvereinbarung zum Ausdruck gekommen sei, dürfe für das Anziehen von Kompressionsstrümpfen an beiden Beinen nur eine Gebühr angesetzt werden. Soweit der Kläger vorträgt, dass das Anziehen von Kompressionsstrümpfen zeitaufwendiger sei als das Anlegen eines Kompressionsverbandes, rechtfertige dies keine abweichende Beurteilung. Auch für das Anziehen einer Kompressionsstrumpfhose werde trotz des im Vergleich zum Anziehen zweier Kompressionsstrümpfe nochmals erhöhten Aufwands nur eine Gebühr abgerechnet. Soweit die Beteiligten in der Vergangenheit das Anlegen von Kompressionsverbänden je Verband einmal abgerechnet haben, könne diese Übung nicht entsprechend auf das Anlegen von Kompressionsstrümpfen angewendet werden. Auch das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen betrachte die Abgabe von zwei Kompressionsstrümpfen als einheitliche Leistung.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 27.02.2000, mit der die Beteiligten ihre bisherigen Rechtsansichten weiterhin vortragen. Auf Anfrage des Senats haben der Klägerbevollmächtigte und die Beklagte erklärt, dass die A.-GmbH lediglich eine Abrechnungsstelle sei. Anspruchsinhaber sei der Kläger, der die Leistungen erbracht habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.569,59 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde die Akte des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der Rechtsweg für die allgemeine Leistungsklage zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gem. § 51 Abs.1, 2 SGG gegeben, wobei hier offen bleiben kann, welchen Rechtscharakter die Gebührenvereinbarung im Rahmenvertrag für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege hat.

Die Berufung ist unbegründet. Wie das SG zu Recht entschieden hat, kann der Kläger in den hier streitigen (sechs) Behandlungsfällen für die Leistung Anziehen von Kompressionsstrümpfen die vereinbarte Gebühr von 6,60 DM für beide Beine nur einmal mit Recht verlangen.

Der Kläger ist unstreitig als Leistungserbringer Inhaber der Vergütungsforderung. Bei der A.-GmbH handelt es sich nach Angaben der Beteiligten lediglich um eine Inkasso-Stelle für die Honorarforderungen des Klägers gegenüber der Beklagten. Anspruchsgegnerin, also passivlegitimiert, im vorliegenden Fall ist die AOK Bayern als Krankenkasse. Die Aktiv- und Passivlegitimation ergeben sich aus dem Rahmenvertrag gem. § 132 Sozialgesetzbuch V (SGB V) für die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V, der gem. § 11 Abs.1 für die ab 01.04. 1995 erbrachten Leistungen gegolten hat. Der Vertrag wurde geschlossen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Vereinigungen der Leistungserbringer, zu denen der Kläger gehört. Hinsichtlich der allgemeinen Bedingungen der häuslichen Krankenpflege regelt § 3 Abs.1, dass die Krankenkasse die von ihr aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung bewilligten Leistungen der häuslichen Krankenpflege übernimmt. Nach § 3 Abs.2 des Vertrages wird die Vergütung in einer landeseinheitlichen Vereinbarung geregelt, die Gegenstand des Vertrages ist (Anlage 2). § 5 des Vertrages regelt u.a., dass die Abrechnung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege in der Regel monatlich durch die Krankenkasse oder der von ihr benannten Abrechnungsstelle durchgeführt wird (Abs.1). § 5 Abs.6 des Vertrages enthält ein Prüfungs- und Beanstandungsrecht der Krankenkasse.

Auch wenn im vorliegenden Fall die Beanstandungen der streitigen Honorarabrechnung durch die Pflegekasse bei der Beklagten durchgeführt wurden, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte Anspruchsgegner der Honorarforderungen ist. § 132 SGB V in der zur Zeit der Leistungserbringung gültigen Fassung regelte die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe. Absatz 1 dieser Vorschrift wurde durch Art.4 Pflegeversicherungsgesetz vom 26.05.1994 (BGBl I S.1014, 1047) mit Wirkung vom 01.04.1995 (Art.68 Abs.2 BGBl I 1994 I S.1014, 1070) geändert. Die häusliche Pflegehilfe wurde unter Einschluss der häuslichen Pflege vom 01.04.1994 an Bestandteil des eigenständigen Versicherungszweiges der Pflegeversicherung (SGB XI) und gehörte damit nicht mehr zum Aufgabengebiet der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie wurde durch das Pflegeversicherungsgesetz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung herausgelöst und zusammen mit der stationären Pflege zu einem eigenständigen Zweig der Sozialversicherung unter dem Dach der Krankenkassen gemacht. Die häusliche Pflege war damit nicht mehr Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.

Streitig war jedoch weiterhin die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen bzw. Pflegekassen für einzelne Pflegeleistungen. Mit Wirkung vom 01.04.1995 regelte die durch das Gesetz vom 26.05.1994 (BGBl I 1014) neu eingefügte Vorschrift des § 37 Abs.2 Satz 4 SGB V, dass Leistungen nach den Sätzen 2 und 3 (gemeint sind Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Satzungsleistung) nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches nicht zulässig sind. Im Grundsatz bleiben die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V von der Pflegeversicherung unberührt (§ 13 Abs.2 SGB XI). Dementsprechend ruhen die Leistungen der Pflegeversicherung, die gem. § 4 Abs.1 SGB XI in Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung bestehen, soweit im Rahmen des § 37 SGB V diese Leistungen beansprucht werden können (§ 34 Abs.2 Satz 1 SGB XI). Allerdings schließt § 37 Abs.2 Satz 4 SGB V für den Bereich der Behandlungssicherung die Gewährung von Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung aus, wenn Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI eingetreten ist. Im Verhältnis zwischen § 37 Abs.2 SGB V und dem SGB XI verbleibt dann die Leistungspflicht für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung bei der Pflegeversicherung, die Krankenkasse darf nur Behandlungspflege gewähren.

Damit konnte bei Vorliegen von Pflegebedürftigkeit je nach Zuordnung einer Leistung zur Grund- oder Behandlungspflege die Leistungszuständigkeit der Pflegekasse bzw. der Krankenkasse gegeben sein. Es war zum damaligen Zeitpunkt der streitigen Leistungserbringung nicht geklärt, ob das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen unter die Pflegeleistung An- und Auskleiden fällt und damit der Grundpflege zuzuordnen oder eine Maßnahme der Behandlungssicherungspflege im Sinne des § 37 Abs.2 SGB V war. Diese Frage wurde durch den Gesetzgeber mit der Änderung des § 37 Abs.2 Satz 1 SGB V durch das Gesetz vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung vom 01.01.2004 dahin beantwortet, dass der Anspruch auf Behandlungssicherungspflege das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse II auch in den Fällen umfasst, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14, 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Anlass war ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2001 (SozR 3-2500 § 37 Nr.3), das für den vorausgegangenen Zeitraum und auch für das Jahr 1997 entschieden hat, dass Maßnahmen der Behandlungspflege, die mit einer Verrichtung der Grundpflege in einem notwendigen zeitlichen Zusammenhang stehen, in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung fallen. Sie sind nicht als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege von den Krankenkassen zu erbringen. Das BSG hat mit diesem Urteil das Anziehen von Kompressionsstrümpfen mit der Verrichtung An- und Auskleiden in einem zeitlich notwendigen Zusammenhang gesehen und damit dieser Katalogverrichtung zugeordnet.

Im Zeitpunkt der Klageerhebung jedoch bestand Rechtsunsicherheit über die Leistungszuständigkeit und der Kläger hat entsprechend dem Rahmenvertrag nach § 132 SGB V trotz der Honorarkürzung durch die Pflegekasse die Krankenkasse in Anspruch genommen.

Die Honorarforderung des Klägers besteht aber aus anderen Gründen nicht. Bestandteil des Rahmenvertrages gem. § 132 SGB V ist nach § 3 Abs.2 die Gebührenvereinbarung, die nach "§ 1 Gebührensätze (1) A) Behandlungspflege Nr.2" die Leistungsposition "Verband anlegen oder wechseln, Anus praeter-Versorgung, Dekubitusversorgung je Leistung" enthält und hierfür eine Gebühr von 6,60 DM ausweist. Das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ist in diesen Gebührensätzen und der Behandlungspflege nicht geregelt. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ist wohl davon auszugehen, dass in der Verwaltungspraxis die erbrachte Leistung An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen mit 6,60 DM je Leistungserbringung vergütet wurde. Dem SG ist zuzustimmen, dass diese Leistung nicht unter die Leistungsbeschreibung (Verband anlegen oder wechseln, Anus praeter-Versorgung oder Dekubitusversorgung) subsumiert werden kann. Auch ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Leistungserbringerrechts bei der Anwendung der Leistungslegenden in den Gebührenordnungen vom Wortlaut auszugehen, und eine analoge Anwendung ist nicht statthaft (vgl. z.B. BSG vom 13.12.2000, B 6 KA 30/00 B; BSG vom 13.05.1998 SozR 3-5555 § 10 Nr.1). Diese Grundsätze sind auch auf die hier vorliegende Gebührenvereinbarung zu übertragen. Es handelt sich bei dieser Gebührenvereinbarung nach allgemeiner Meinung als Bestandteil eines Beschaffungsvertrages im Sinne des § 132 SGB V a.F., jedenfalls soweit sie mit privaten Dienstleistungserbringern abgeschlossen wird, um einen privatrechtlichen Vertrag (GmS-OGB vom 10.04.1986 USK 86124; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 132, Rz 5).

Ob diese Beurteilung aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 132a SGB V (Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) ab 01.07.1997 noch gegolten hat, ist allerdings fraglich. Mit dieser gesetzlichen Neuregelung für die Leistungserbringung der häuslichen Krankenpflege wurden in Abs.2 der Vorschrift die Krankenkassen ermächtigt, über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie über die Preise und deren Abrechnung Verträge mit den Leistungserbringern zu schließen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Auf der Grundlage der Rahmenverträge über die häusliche Krankenpflege schließen die Krankenkassen Einzelverträge mit den einzelnen Pflegeeinrichtungen bzw. diese Einrichtungen können dem Rahmenvertrag beitreten. Bei diesen Verträgen handelt es sich gem. § 69 SGB V um öffentlich-rechtliche Verträge, wobei jedoch insbesondere auf die vertraglichen Bestimmungen zur Leistungsabrechnungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend anzuwenden sind (Kasseler Kommentar-Hess, § 132a, Rdnr.7). Damit kann im vorliegenden Fall die Zuordnung der Vergütungsvereinbarung zum Privatrecht bzw. öffentlichen Recht dahingestellt bleiben.

In beiden Fällen ist für die Vergütung der in der Vereinbarung nicht geregelten, hier streitigen Leistung § 612 Abs.2 BGB anzuwenden. Ist danach die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Somit ist also für das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe entsprechend der Verwaltungspraxis in Bayern - ohne dass deswegen bereits Gewohnheitsrecht gilt - über § 612 Abs.2 BGB als konkludent vereinbarte Vergütung zum damaligen Zeitpunkt 6,60 DM anzusetzen.

Ob diese Vergütung je Bein einmal oder für beide Beine nur einmal angesetzt werden kann, bestimmt sich nicht nach der Leistungslegende für die Leistungsposition (Verband anlegen oder wechseln), die, wie bereits ausgeführt wurde, nicht analogiefähig ist, sondern nach § 3 Abs.1 Satz 1 des Rahmenvertrages, wonach die Krankenkasse die von ihr aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung bewilligten Leistungen der häuslichen Krankenpflege übernimmt. Es geht hier um den Begriff der Leistung im Sinne der häuslichen Krankenpflege. Insoweit ist von Bedeutung, dass die konkrete Maßnahme der Behandlungspflege gem. § 37 Abs.2 SGB V der Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung dienen soll bzw. als Teil der Krankenpflege im Sinne des § 27 SGB V die Funktion hat, einen regelwidrigen körperlichen Zustand zu heilen, seine Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Die Versorgung mit Kompressionsstrümpfen dient der Behandlung von Venenleiden. Kompressionsstrümpfe sind sowohl bei bereits vorliegenden Venenleiden indiziert, als auch prophylaktisch beim Vorliegen von Risikofaktoren. Ein weiterer Einsatzbereich sind lymphatische Erkrankungen. Bei erkrankten Venen schließen die Venenklappen, die normalerweise wie kleine Ventile einen Rückstrom des zum Herzen fließenden Blutes verhindern, nicht mehr richtig. Die Folge ist, dass das Blut in den Beinen "versackt". Die dadurch fortschreitenden Erweiterungen der Venen führen wiederum zu noch schlechterem Klappenschluss. Medizinische Kompressionsstrümpfe üben von außen Druck auf die erweiterten Venen aus, der ihren Durchmesser auf ein Fünftel bis ein Drittel einengen soll. Durch den verengten Venenquerschnitt können die Venenklappen wieder besser schließen, darüber hinaus erhöht sich die Fließgeschwindigkeit des Blutes und die Muskelpumpe wird unterstützt, wodurch Stauungen vermieden und die Venen vor weiterer Überdehnung geschützt werden. Der bessere Rückfluss des Blutes zum Herzen senkt die Thrombose- und folglich auch die Emboliegefahr. Die Stoffwechselvorgänge im Bein werden günstig beeinflusst und so offenen Beinen vorgebeugt. Der kontinuierliche Druck von außen wirkt zudem einem Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe und damit der Ödembildung entgegen (http://www.m-ww.de/enzyklopaedie/diagnosen, Stichwort: Kompressionsstrümpfe). Daraus ergibt sich, dass das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen eine einheitliche Leistung ist, die zur Behandlung des im Regelfall beide Beine betreffenden Venenleidens dient. Der Kläger selbst hat eingeräumt, dass das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe in der Regel an beiden Beinen erforderlich ist. Daraus folgt, dass es sich um eine einheitliche Leistung handelt, die für beide Beine nur einmal angesetzt werden kann.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach altem Recht (§ 193 SGG). § 197a SGG ist auf das vorliegende Verfahren nicht anzuwenden. Stattdessen gilt § 183 SGG in der bisherigen Fassung, wenn das von § 197a SGG erfasste Verfahren vor dem 02.01.2002 rechtshängig geworden ist. Das Verfahren ist dann in allen Rechtsmittelzügen kostenfrei (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 197a, Rn 1).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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