L 14 R 622/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 538/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 622/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 25. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zulassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1943 geborene Kläger hat keine abgeschlossene Berufsausbildung durchlaufen. Er war zwischen 1962 und 1964 zunächst in seiner Heimat versicherungspflichtig beschäftigt, in den Jahren 1966/1967 auch in Österreich. Von dort bezieht er seit 01.04.2000 eine vorzeitige Alterspension. In Deutschland war der Kläger von April 1969 bis Dezember 1993 als Montagearbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend befand er sich bis 1998 in Strafhaft und wurde nach seiner Entlassung in seine Heimat abgeschoben.

Seinen am 13.03.2000 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 03.12.2001 ab mit der Begründung, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen im Zeitpunkt der Antragstellung eingetretenen Versicherungsfall seien nicht gegeben. In dem maßgebenden Zeitraum vom 01.03.1996 bis 29.02.2000 seien keine Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Die Erwerbsminderung sei auch nicht infolge besonderer Umstände (Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Wehrdienstbeschädigung) eingetreten, durch die die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt werde, sodass eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich sei (§§ 53, 245 SGB VI). Auch sei nicht alternativ dazu in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung jeder Kalendermonat mit Beiträgen oder anwartschafterhaltenden Zeiten belegt.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, bereits seit 1993 erwerbsunfähig zu sein. Er verwies auf eine Behandlung wegen psychischer Störungen in der Psychiatrischen Klinik in G. am 18.10.1991 sowie auf Untersuchungen im Zentrum für Rechtsmedizin der Universitätsklinik F. im Januar 1994 und in der Justizvollzugsanstalt F. im Februar 1994. Die Beklagte wies den Widerspruch zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2002 zurück. Sie vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen fehlender Beschwer unzulässig.

Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) erließ die Beklagte den Bescheid vom 16.07.2002, mit dem sie nunmehr vom Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit am 22.09.1999 (Beginn einer stationären Behandlung in der Neuropsychiatrie in B.) wegen schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome sowie wegen Alkoholabhängigkeit) ausging, den Rentenantrag vom 13.03.2000 wegen Fehlens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aber erneut ablehnte. Es seien nicht in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt: im maßgebenden Zeitraum vom 22.09.1994 bis 21.09.1999 seien keine Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Die Erwerbsminderung sei auch nicht infolge besonderer Umstände (Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Wehrdienstbeschädigung) eingetreten, durch die die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt werden, sodass eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich sei (§§ 53, 245 SGB VI). Auch sei nicht alternativ dazu in der Zeit vom 01.01. 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung jeder Kalendermonat mit Beiträgen oder anwartschafterhaltenden Zeiten belegt. Der Bescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.

Das SG holte die ärztlichen Unterlagen des Klägers beim Zentrum für Psychiatrie am Klinikum J.-Universität in G. ein (Behandlung am 18. und 19.10.1991 sowie am 01.12.1992), ferner die Krankenunterlagen der Justizvollzugsanstalt (JVA) S ... Im ebenfalls angeschriebenen Zentrum für Rechtsmedizin des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe-Universität F. waren keine Vorgänge des Klägers auffindbar. Es wurde auf die damaligen Gerichtsakten verwiesen.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.05.2004 ab. Es führte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den Vorschriften des SG VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, aber auch nicht nach den ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften. Der Anspruch scheitere an den besonderen (persönlichen) versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Die in §§ 43, 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI a. F. geregelte versicherungsfallnahe Belegungsdichte liege beim Kläger nicht vor. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger, der 1991 bzw. 1992 lediglich kurzfristig in nervenärztlicher Behandlung gestanden und seine Erwerbstätigkeit danach bis 1993 weiter ausgeübt habe, auch dannach arbeitsfähig gewesen sei. Während seiner Inhaftierung sei eine besondere nervenärztliche Behandlung nicht erfolgt. Auch aus der Tatsache, dass er erstmals am 13.03.2000 einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt habe, sei zu schließen, dass er selbst bis 1999 noch von ausreichender Leistungsfähigkeit ausgegangen sei. Eine maßgebende Verschlimmerung in den gesundheitlichen Verhältnissen sei erst im September 1999 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht mehr erfüllt gewesen, sodass der Bescheid der Beklagten nicht zu beanstanden sei.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Er vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für eine Rente seien gegeben, die Wartezeit sei zusammen mit seinen ausländischen Versicherungszeiten erfüllt.

Der Senat hat mit Schreiben vom 13.01.2005 darauf hingewiesen, dass er den angefochtenen Gerichtsbescheid nach Prüfung der Aktenunterlagen für zutreffend halte. Es sei davon auszugehen, dass die Erwerbsunfähigkeit erst in Folge einer Verschlimmerung der gesamten Verhältnisse im Jahre 1999, und nicht bereits vorher eingetreten sei. Der Kläger hat sich dazu nicht mehr geäußert.

Er beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 25.05.2004 sowie des Bescheides vom 03.12.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2002 und des Bescheides vom 16.07.2002 zu verpflichten, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf seinen Antrag vom 13.03.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie auf die ebenfalls beigezogenen, bei der JVA S. geführten Gesundheitsakten aus der Haftzeit des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung und ebenso nicht für die Zeit ab 01.01.2001 hilfsweise auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI n. F.). Nach Auffassung des Ärztlichen Dienstes der Beklagten, dem auch das Erstgericht gefolgt ist, ist der Kläger zwar seit 22.09.1999 (Beginn einer fast dreimonatigen stationären psychiatrischen Behandlung in seiner Heimat nach Abschiebung im Jahre 1998) erwerbsunfähig. Sie beruht auf den vorliegenden ärztlichen Unterlagen aus der Heimat des Klägers in der Zeit zwischen September 1999 und 2001 und auf fehlenden Befunden aus der Zeit vorher, die eine relevante Erwerbsminderung belegen könnten. Auch für den Senat ist nachvollziehbar, dass eine Erwerbsminderung frühestens im Jahre 1999 eingetreten sein kann, und nicht schon wesentlich früher zu einem Zeitpunkt, in dem die geforderte Beitragsdichte noch erfüllt war. Der Eintritt des Leistungsfalles im Jahre 1993 lässt sich schon deshalb nicht belegen, weil der Kläger noch bis Dezember 1993 erwerbstätig war und diese Tätigkeit nur durch die Inhaftierung unterbrochen bzw. beendet wurde. Während der Haftzeit wurde der Kläger nach einem einmalig am 14.07.1994 festgehaltenen reaktiven depressiven Verstimmungszustand vom Anstaltsarzt anlässlich einer Untersuchung am 14.02.1995 für voll arbeitsfähig gehalten. Die danach erst wieder ab September 1999 vorliegenden ärztlichen Unterlagen aus Bosnien lassen erkennen, dass der Kläger nach seiner Abschiebung in seine Heimat im Jahre 1998 dort verstärkt Alkohol konsumierte und offensichtlich in der Folgezeit verstärkt Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet auftraten.

Bei einem frühestens im Jahre 1999 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit erfüllt der Kläger - wie das Erstgericht und die Beklagte zutreffend ausgeführt haben - die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht, die nach deutschem Recht seit Inkrafttreten des Haushaltbegleitgesetzes 1984 bei einer Rente wegen Erwerbsminderung neben den medizinischen Voraussetzungen erforderlich sind (vgl. §§ 1246 Abs. 1 und 2a, 1247 Abs. 1 und 2a Reichsversicherungsordnung a. F.) und auch in das neue, am 01.01.1992 inkraft getretene SGB VI übernommen wurden (§§ 43 Abs. 3, 44 Abs. 4 a. F., § 43 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2, Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 4 SGB VI n. F.). Er hat nach Ende seiner Tätigkeit als Monteur im Dezember 1993 keine versicherungsrechtlich relevanten Zeiten mehr erworben und somit auch nicht in den letzten fünf Jahren vor einem denkbaren Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im Jahre 1999 mindestens drei Jahre an Pflichtbeitragszeiten für eine versicherungsrechtliche Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt. Im maßgebenden Zeitraum vom 22.09.1994 bis 21.09.1999, der auch nicht durch sogenannte Schiebezeiten verlängert werden kann, sind keinerlei Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Auch sind nicht sämtliche Kalendermonate vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Beiträgen oder mit rentenrechtlich relevanten Zeiten belegt: unbelegt sind die Monate von August bis November 1993 und ab Januar 1994. Für die fehlenden Zeiten bis Dezember 1999 könnnen heute freiwillige Beiträge nicht mehr entrichtet werden, da die Beitragsfristen abgelaufen sind (§ 198 SGB VI).

Bei diesem Sachverhalt konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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