L 11 KA 5/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 89/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 5/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Wegegeld statt Fahrtkostenerstattung in den Quartalen III und IV/1999.

Der Kläger ist Arzt für Anästhesie und in S zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In den streitbefangenen Quartalen war er im Wesentlichen schmerztherapeutisch tätig. Die Schmerztherapien führte er überwiegend in der Wohnung der Patienten durch.

Gegen die Honorarbescheide für die streitigen Quartale legte der Kläger jeweils wegen der nicht erfolgten Anerkennung von Wegegeldern Widerspruch ein, die die Beklagte mit Bescheiden vom 23.04.2002 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, dass die Nachvergütung der Wegegelder für das Quartal I/1998 allein aus Gründen des Vertrauensschutzes erfolgt sei, für die streitigen Quartale scheide eine Vergütung der Wegegelder aus, da der Kläger auf Grund der Mitteilung vom 02.10.1998 von der geänderten HVM-Regelung Kenntnis erlangt habe.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass § 10 Abs. 6 des HVM der Beklagten seinem Wortlaut nach nicht an den Inhalt der Leistung, sondern an die Gebietsbezeichnung "Arzt für Anästhesie" anknüpfe; damit solle jedoch nur die Sondersituation berücksichtigt werden, dass Anästhesieleistungen in der Regel auch außerhalb des Praxissitzes erbracht würden; Krankenbesuche nach § 10 Abs. 1 und 2 des HVM der Beklagten würden jedoch (zusätzlich) mit der Zahlung eines Wegegeldes honoriert, weil ausnahmsweise die Erbringung einer Leistung außerhalb des Praxissitzes erfolge.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Abrechnungsbescheide für die Quartale III und IV/1999 in der Form der Widerspruchsbescheide vom 23.04.2002 für den Kläger weiteres Honorar in Höhe von 1.068,05 EUR für das dritte Quartal 1999 und in Höhe von 948,11 EUR für das vierte Quartal 1999 festzusetzen und zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die Regelung des § 10 Abs. 6 HVM gelte für alle Leistungen eines Arztes für Anästhesie; die Vorschrift unterscheide nicht zwischen Schmerztherapie und sonstiger anästhesistischer Tätigkeit.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2003 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Wegegeld zustehe, da die Vorschrift des § 10 Abs. 6 HVM erkennbar den Hintergrund habe, dass Anästhesisten typische Anästhesieleistungen erbringen, indem sie einen anderen Arzt aufsuchen und ihre Leistung in dessen Praxis erbringen. Dabei handele es sich nicht um einen "Besuch" im Sinne von § 10 Abs. 2 des HVM. Im Umkehrschluss könne daraus gefolgert werden, dass in all den Fällen, in denen Anästhesisten einen Krankenbesuch abstatten, ein Anspruch auf Leistungen nach § 10 Abs. 2 HVM besteht.

Mit der Berufung trägt die Beklagte weiterhin vor, die Regelung in § 10 Abs. 6 HVM unterscheide gerade nicht zwischen schmerztherapeutischen und sonstigen anästhesistischen Leistungen, sondern stelle insgesamt auf Leistungen zugelassener oder ermächtigter Ärzte für Anästhesie ab mit der Folge, dass statt eines Wegegeldes Fahrtkosten zu erstatten sind.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Berufung der Beklagten abzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Streitakten des Sozialgerichts Düsseldorf S 17 KA 233/98 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend die Beklagte zur Zahlung der streitigen Beträge verurteilt, da der Kläger einen Anspruch auf Wegegeld hat und der Ausschlusstatbestand des § 10 Abs. 6 des HVM der Beklagten nicht eingreift.

Gemäß § 10 Abs. 1 und Abs. 2 erhalten Ärzte für Besuche eine Wegegeldpauschale bzw. ein Wegegeld. Abs. 6 dieser Vorschrift bestimmt, dass abweichend von Abs. 1, 2 und 5 zugelassene oder ermächtigte Ärzte für Anästhesie anstelle eines Wegegeldes Fahrtkostenerstattung erhalten. § 10 Abs. 6 Satz 3 HVM bestimmt, dass diese (Fahrtkosten-)Erstattung nur gezahlt wird, wenn die Entfernung zwischen der Praxisstelle des zugezogenen Anästhesisten zum Behandlungsort des Patienten mehr als fünf Kilometer beträgt.

Der Anspruch des Klägers auf Wegegeld ergibt sich § 10 Abs. 2 des HVM der Beklagten, da der Kläger Besuche im Sinne dieser Vorschrift durchgeführt hat, wenn er die schmerztherapeutischen Behandlungen in der Wohnung der Patienten erbracht hat.

Die Ausnahmeregelung gemäß § 10 Abs. 6 HVM der Beklagten greift nicht ein. Zwar stellt der Wortlaut allein auf die Zulassung (oder Ermächtigung) als Arzt für Anästhesie ab, jedoch ergibt sich bereits aus § 10 Abs. 6 Satz 3 HVM, dass dieser Ausnahmetatbestand nur dann eingreifen soll, wenn ein Arzt für Anästhesie Anästhesien/Narkosen bei operativen Eingriffen gemäß D II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) erbringt. Der Wortlaut von Satz 3 stellt auf den "zugezogenen Anästhesisten" ab. Dies ist typischerweise nur bei Anästhesien/Narkosen bei operativen Eingriffen der Fall. Des Weiteren stellt diese Vorschrift auf den "Behandlungsort des Patienten" ab, während § 10 Abs. 2 HVM auf die "Wohnung des Patienten" Bezug nimmt. Dabei geht § 10 Abs. 6 Satz 3 HVM offensichtlich davon aus, dass der Behandlungsort des Patienten nicht seine Wohnung, sondern die Praxis eines anderen Arztes ist.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Abschnitt D des EBM zwischen Anästhesien zur Schmerztherapie (I) und Anästhesien/Narkosen bei operativen Eingriffen (II) differenziert. Da schmerztherapeutische Leistungen nicht nur von Anästhesisten, sondern auch von anderen Vertragsärzten erbracht werden können, würde der Abrechnungsausschluss gemäß Abs. 6 auch zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 197 a) SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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