L 9 B 56/04 EG PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 228/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 56/04 EG PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 10.12.2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes streitig.

Die 1971 geborene Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, hat für ihr 1996 geborenes Kind B. (B.) bis 08.07.1998 Bundeserziehungsgeld (BErzg) bezogen.

Am 21.02.2003 beantragte sie Landeserziehungsgeld (LErzg) und gab an, sie betreue und erziehe das Kind in ihrem Haushalt. Sie sei bei der AOK A. als Familienangehörige versichert und wohne seit 1990 in Bayern.

Mit Bescheid vom 15.04.2003 bewilligte der Beklagte das LErzg vom 04.05.1999 bis 08.07.1999. Die Bewilligung erfolgte, weil der Beklagte aufgrund eines Kontaktes zwischen Versorgungsamt und Klägerin im Mai 1999 einen sozialrechtlichen Herstellunganspruch bejahte. Leistungen für die Zeit vor dem 04.05.1999 wurden mit der Begründung abgelehnt, dass für Zeiten vor Erlass des EuGH-Urteils vom 04.05.1999 Ansprüche nicht geltend gemacht werden könnten. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.09.2003).

Hiergegen erhob die Klägerin am 06.10.2003 beim Sozialgericht Augsburg Klage mit der Begründung, dass ihr das LErzg auch für Zeiträume vor dem 04.05.1999 aus Gründen der Gleichbehandlung und im Hinblick auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zustehe.

Ihren Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.12.2003 ab, da die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht biete. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 17.12.2003 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 19.01.2004, einem Montag, beim Sozialgericht eingelegte und mit Schriftsatz vom 21.07.2004 weiter begründete Beschwerde der Klägerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Klägerin führt im Einzelnen aus, dass hinreichende Erfolgsaussicht vorliege.

Wegen des Vortrags der Klägerin im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 10.12.2003 aufzuheben, ihr PKH zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung neben der Beschwerdeakte die Akten des Beklagten sowie des Sozialgerichts vorgelegen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt.

Nach § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a Abs.1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen hier schon deswegen nicht vor, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Beurteilung der Erfolgsaussicht legt der Senat die insbesondere vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Grunde (Beschluss vom 13.03.1990 BVerfGE 81, 347, insbesondere 356 f.; Beschluss vom 04.02.1997 NJW 1997, 2102, 2103). Danach hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Allerdings genügt es nicht für die Bewilligung der PKH, wenn die Erfolgschance nur eine ganz entfernte ist; es muss mehr als nur eine theoretische Wahrscheinlichkeit für den Erfolg sprechen.

Nach diesen Grundsätzen ist die PKH in der vorliegenden Streitsache nicht zu bewilligen. Wegen der eindeutigen Regelung im Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz konnte der Anspruch einer türkischen Staatsangehörigen auf LErzg nur auf höherrangigem europäisch-türkischem Assoziationsrecht beruhen (EuGH Urteil vom 04.05.1999 SozR 3-6935 Allg EWG Abk Türkei Nr.4; BSG Urteil vom 29.01.2002 BSGE 89, 129). Doch hat der EuGH a.a.O. S.51, 52 aus Gründen der Rechtssicherheit die Anwendung seines Urteils für Zeiten vor dessen Erlass ausgeschlossen, soweit nicht Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt war. Da in der vorliegenden Streitsache der noch streitige Anspruchszeitraum vor dem 04.05.1999 liegt und die Klägerin vor diesem Zeitpunkt keine Klage oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf erhoben hatte, kann ein Anspruch auf LErzg nicht vorliegen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X sind nicht ersichtlich; auch hat die Klägerin keine schweren Verfahrensverstöße der Verwaltung substanziiert behauptet, die zur Nichtannahme von Anträgen geführt haben könnten. Wegen der zeitlichen Beschränkung im Urteil des EuGH vom 04.05.1999 a.a.O. kann ferner der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Erfolg führen.

Vor allem im Hinblick auf den klar formulierten und unzweideutigen Ausschluss von Leistungen für zurückliegende Zeiten durch das EuGH-Urteil vom 04.05.1999 handelt es sich vorliegend nicht um schwierige, sondern um eindeutig und einfach zu entscheidende Rechtsfragen im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.02.2004 (Az.: 1 BvR 596/03) und des Bundesgerichtshofs vom 17.03.2004 (Az.: XII ZB 192/02 m.w.N.). Dementsprechend hat der Senat in vergleichbaren Fällen die Bewilligung der PKH abgelehnt. Im Unterschied zu den genannten, vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesgerichtshof im Jahre 2004 entschiedenen Streitsachen hat der Senat nicht in dem anhängigen Rechtsstreit ein Rechtsmittel wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, so dass kein Widerspruch zur Verneinung der Erfolgsaussicht festzustellen ist. Außerdem wurde am 30.06.2003 durch den Einzelrichter des Senats die Revision nicht wegen der Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfragen, sondern deswegen zugelassen, weil eine höchstrichterliche Entscheidung angesichts der großen Zahl anhängiger und zu erwartender Parallelverfahren zweckmäßig erschien. Ein Aussetzungsgrund ist nicht ersichtlich.

Die Beschwerde der Klägerin ist nach alledem zurückzuweisen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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