L 5 R 78/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 319/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 78/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung am 23.02.1994.

Der 1949 in J. geborene Kläger hat laut eigenen Angaben gegenüber der Beklagten den Beruf des Agrotechnikers erlernt. Im Sozialversicherungsausweis vom 12.05.1967 ist für die Zeit von 1966 bis 1969 eine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Lehrling eingetragen. Anschließend sind Tätigkeiten als Entladearbeiter, Chemiearbeiter und Telegramm- und Eilzusteller eingetragen. Wiederholt hat der Kläger angegeben, 1971/72 als Kraftfahrer und von 1973 bis 1975 als Taxifahrer tätig gewesen zu sein. Am 20.02.1976 hat er ausweislich einer Bescheinigung die Prüfung als Berufskraftfahrer abgelegt (Bl.27 V/89). Laut Angaben gegenüber der Beklagten war er von 1976 bis 1977 wieder als Lagerarbeiter tätig.

Vom 01.11.1977 bis 21.12.1978 war er in B. wegen Staatsverleumdung inhaftiert. Das Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung hat mit Bescheid vom 25.09.2000 festgestellt, der Kläger sei Verfolgter im Sinne des § 1 Abs.1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz und vom 01.09.1969 bis 21.12.1978 verfolgt worden. Für die Zeit vom 01.09.1969 bis 31.08.1972 sei dem Kläger die Berufsbezeichnung Student zuzuordnen. Für den Zeitraum 01.09.1972 bis 31.12.1978 sei er mit der Berufsbezeichnung Agraringenieur in die Versichertengruppe 2, den Wirtschaftsbereich 14 sowie in die Qualifikationsgruppe 2 einzugruppieren.

Am 21.12.1978 kam der Kläger in das Bundesgebiet, wo für ihn wegen AFG-Leistungsbezugs von Dezember 1978 bis Dezember 1982 Pflichtbeiträge entrichtet worden sind. Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 09.02.1987 folgte anschließend bis März 1984 eine Zeit der Arbeitslosigkeit und danach wurden vom 01.04.1984 bis 31.12.1985 freiwillige Beiträge entrichtet. Der Kläger, der am 16.12.1985 eine erneute Abbuchungsermächtigung erteilt hatte, erklärte am 11.12.1986, dass er entgegen der Belehrung von Seiten der Beklagten mit Schreiben vom 02.04.1986 vor 1984 mindestens 60 Pflichtbeiträge entrichtet habe. Er sei bereit, die Beiträge nachzuzahlen, sobald die Versicherungszeiten in der DDR, um deren Unterlagen er sich bemühe, geklärt seien. Im Versicherungsverlauf vom 09.02.1987 sind lediglich 57 Monate an Beitragszeiten ausgewiesen und die Zeiten vor 1979 ungeklärt. Am 10.02.1987 wurde der Kläger ergebnislos an die freiwillige Beitragsleistung innerhalb von drei Monaten nach Erstellung des Versicherungsverlaufs gemahnt.

Mit Bescheid vom 07.12.1979 war ihm Beschädigtenversorgung nach dem Häftlingshilfegesetz nach einer MdE von 40 wegen psychoreaktiven Versagenszustands mit neurovegetativer Fehlsteuerung und reduziertem Kräftezustand gewährt worden. Ein Antrag auf Leidensverschlimmerung war auf Grund eines Gutachtens von Dr.S. vom Juli 1984 abgelehnt worden. Der Arzt hatte eine zweckneurotische Motivation im Vordergrund gesehen. In Ausführung eines Urteils des Sozialgerichts München vom 07.07.1988 war die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit als Kraftfahrer ab 01.09.1979 auf 50 v.H. angehoben worden. Die HHG-Rente ist mit Wirkung ab 01.03.1992 im Hinblick auf ein nervenärztliches Gutachten Dr.K. vom 02.05.1991 entzogen worden. Zwischenzeitlich habe sich massiv ein schädigungsfremdes zweckneurotisches Verhalten entwickelt, das mit der mehr als zwölf Jahre zurückliegenden Haftzeit nicht mehr in Zusammenhang zu bringen sei. Die Ärztin hatte die Diagnose einer schizophrenen Psychose, die Dr.Z. , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, in ihrem Gutachten für die Staatsanwaltschaft vom 18.10.1993 gestellt hatte, bezweifelt. So habe auch diese lediglich von einem Verdacht auf eine Psychose gesprochen und weitergehende Untersuchungen mangels Mitarbeit des Klägers nicht durchführen können. Eine verwertbare Herabsetzung der Leistungsfähigkeit lasse sich ebensowenig wie eine Störung des Antriebs und des Willens feststellen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass Dr.Z. die beim Kläger eindeutig gegebene Simulation nicht gesehen habe. Das Gutachten sei auch widersprüchlich, wenn für den Zeitraum von 1986 bis 1989, in dem Strafdelikte verübt wurden, ihres Erachtens keine akute oder chronische psychotische Symptomatik vorgelegen haben könne, gleichzeitig sie aber den Beginn der Erkrankung um den Zeitraum der Inhaftierung in der DDR 1977-78 als wahrscheinlich ansehe. Der rentenentziehende Bescheid vom 07.01.1992 ist rechtskräftig. Ein Antrag auf Überprüfung dieses Bescheids wurde vom Versorgungsamt abgelehnt, dagegen ist Klage unter dem Aktenzeichen S 29 VH 1/99 anhängig. Laut Gutachten Dr.K. vom 20.01.2003 bzw. seiner Stellungnahme vom 08.05.2003 liegt bei dem Kläger zweifelsfrei eine schwere seelische Störung vor. Eine genaue differenzialdiagnostische Zuordnung sei nicht möglich. Es handle sich entweder um einen Residualzustand bei einer zu Grunde liegenden endogenen Psychose oder um eine schwere Persönlichkeitsstörung, die mit der Haft in keinem Zusammenhang stünden.

Wegen Behinderungen laut Feststellungen nach dem HHG und Schwerhörigkeit beidseits ist bei dem Kläger seit 06.09.2000 ein GdB von 80 festgestellt.

Den streitgegenständlichen Rentenantrag vom 23.02.1994 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.1994 mit der Begründung ab, in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung habe er keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt. Im ersten Halbjahr 1986 und ab 01.08.1986 bestünden Versicherungslücken. Dem widersprach der Kläger am 08.04.1994 mit der Begründung, seit 1978 durchgehend arbeitslos gemeldet zu sein. Ausweislich der Bescheinigung des Arbeitsamts M. vom 16.02.1994 war der Kläger ab November 1989 durchgehend gemeldet.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.1994 hat der Kläger am 13.01.1995 Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Versicherungslücken seien auf Grund Arbeitsunfähigkeit entstanden und deswegen sei er auch vom Arbeitsamt abgewiesen worden. Zudem sei er bereits seit 1984 erwerbsunfähig. Die AOK M. konnte über keine Arbeitsunfähigkeitszeiten berichten. Das Sozialreferat der Stadt M. hat Nachweise über Arbeitsunfähigkeitszeiten im Januar 1986 und ab Dezember 1989 vorgelegt. Nach Kenntnisnahme des Gutachtens der Dr.Z. vom 10.06.1992 (Verdacht auf Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, para- noider Typus, subchronisch mit akuten Exazerbationen bei antisozialer Persönlichkeit - Differenzialdiagnose: multiple Persönlichkeit oder andere dissoziative Störungen spätestens seit 1990/91) und des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 07.12.1989 betreffend die Erwerbsunfähigkeit wegen schwerer psychischer Störung mit massiver Verhaltensauffälligkeit hat die Beklagte die Ansicht vertreten, angesichts des Gutachtens von Dr.K. habe vor 1991 weder Erwerbsunfähigkeit noch Berufsunfähigkeit vorgelegen. Entsprechend der medizinischen Stellungnahme des Dr.S. könne von Erwerbsunfähigkeit ab etwa 1991 entsprechend dem Gutachten Dr.Z. ausgegangen werden. Mangels besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen komme eine Rentengewährung jedoch nicht in Betracht.

Von Klägerseite ist darauf hingewiesen worden, das Amtsgericht sei dem Gutachten Dr.Z. gefolgt und habe eine Psychose angenommen. Die betrügerischen geschäftlichen Transaktionen in den Jahren 1990 und 1991 seien wegen ihrer Abwicklung durch Fremde dem Kläger nicht zurechenbar. Die behandelnden Ärzte Dres. K. und L. stützten die Ansicht Dr.Z. , dass seit 1977/78 eine Psychose vorliege.

Dr.Z. hat am 17.03.2000 im Auftrag des Amtsgerichts F. erneut ein Gutachten, diesmal zur Geschäftsfähigkeit am 14.11.1989, erstellt. Ihres Erachtens ist eine endgültige Abklärung der Symptomatik erst nach einem längerem, mehrwöchigen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik möglich.

Das Gericht hat Dr.B. , den Leitenden Oberarzt einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in B. , mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung bzw. Beobachtung ausgeführt, das Gutachten der Dr.Z. sei inhaltlich und formal anfechtbar. Seit Dezember 1978 liege eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor. Der Kläger verhindere in manipulativer Weise die Kooperation. Auf Grund des psychovegetativen Befundes seien ihm stressbelastende Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Nachtschichtarbeiten unzumutbar. Es lägen keine Hinweise auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen in der Zeit vor 01.01.1984 oder 01.07.1984 vor. Der Kläger verfüge über ein gutes Konzentrationsvermögen, Reaktionsvermögen und Ausdauer. Ein Kfz sollte er wegen der psychomotorischen und vegetativen Anspannung nicht führen.

Dagegen ist von Seiten des Klägers ausgeführt worden, dieses Gutachten sei nicht nachvollziehbar, da angesichts des jahrelangen Beschwerdebildes wirklichkeitsfremd. Er hat ein Attest des Bezirkskrankenhauses H. von Juli 2002 über seinen stationären Aufenthalt vom 24.06. bis 15.07.2002 wegen einer chronisch verlaufenden psychischen Erkrankung vorgelegt.

Die Beklagte hat mitgeteilt, angesichts des aktuellen Versicherungsverlaufs vom 19.08.2002 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im März 1985 erfüllt.

Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 19.11. 2002 abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten Dr.B. gestützt, dessen Beurteilung in Übereinstimmung stehe mit der des Dr.S. , den Kurberichten 1980 und 1983, dem Gutachten Dr.W. von 1982, dem Gutachten Dr.K. und dem Verhalten des Klägers beim Arbeitsamt 1983 (Laut Aktenvermerk vom 16.03.1983 hatte der Kläger den Arbeitsvermittlern erklärt, sie könnten sich auf den Kopf stellen, ihn kriegten sie nicht. Er treibe es so lange, bis er eine Erwerbsunfähigkeitsrente bekomme.) Der Kläger sei durchgehend seit 1978 vollschichtig leistungsfähig. Er genieße keinen Berufsschutz als Agraringenieur, da ein tatsächlicher Studienabschluss trotz des Rehabilitierungsbescheids vom 25.09.2000 Spekulation sei. Der Kläger genieße Berufsschutz als Kraftfahrer, so dass er maximal als gehobener Angelernter einzustufen sei. Als solcher sei er auf eine Tätigkeit als Pförtner verweisbar.

Gegen das am 08.01.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.02.2003 Berufung eingelegt und beantragt, ihm von März 1985 an Rente wegen Berufsunfähigkeit zu bezahlen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei er seit den Siebzigerjahren wegen einer schweren paranoiden Schizophrenie mit lange dauernden Depressionsphasen erwerbsunfähig. Dies sei im Gutachten Dr.Z. bestätigt worden. Der Kläger stehe unter ständiger Medikation mit Haldol, so dass ihm nicht zumutbar sei, als Pförtner zu arbeiten. Ohne politische Verfolgung hätte er seine Ausbildung zum Agraringenieur abgeschlossen, so dass er von daher nicht auf eine Pförtnertätigkeit verwiesen werden könne. Zudem leide er unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit. Das Gutachten Dr.B. sei ohne eingesetzte Hörgeräte durchgeführt worden, so dass dieser die Fragen des Dr.B. zum Großteil gar nicht verstanden habe. Laut Attest Dr.L. vom 25.04.2000 zur Vorlage beim Versorgungsamt leide der Kläger an hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits, die die Versorgung mit Hörgeräten notwendig macht.

Laut Ansicht der Beklagten kann dem Kläger Berufsschutz als Agraringenieur nicht zuerkannt werden. Tatsächlich habe der Kläger das Studium des Agraringenieurwesens nicht aufgenommen und er habe auch nicht als Agraringenieur gearbeitet. Demgegenüber hat der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, die Bescheinigung der Rehabilitierungsbehörde sei für die Beklagte bindend. Es könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn er auf Grund von Haft und Folterfolgen aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage war, den angestrebten Beruf auszuüben.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.11.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 21.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15.12.1994 zu verurteilen, ab 01.02.1994 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.11.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Klageakten des Sozialgerichts München, der Auszüge aus den Akten des AVF M. sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.11.2002 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 21.03.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.1994. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Es mag sein, dass er derzeit berufsunfähig ist. Solange die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben waren, war der Kläger jedoch auf eine Tätigkeit als Pförtner verweisbar.

Maßgebliche Rechtsgrundlage ist, ausgehend von der Antragstellung im Jahr 1994, § 43 SGB VI a.F. Danach haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs.1 SGB VI a.F.). Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen gesunken ist (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.). Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nicht berufsunfähig ist ein Versicherter, der eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Zwar ist das Leistungsvermögen des Klägers soweit beeinträchtigt, dass er die erlernte Tätigkeit als Berufskraftfahrer seit seiner Haftentlassung 1978 nicht mehr ausüben kann. Zutreffend hat das Sozialgericht den Kläger aber auf eine Tätigkeit als Pförtner verwiesen. Solange die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch gegeben waren, konnte er diese Tätigkeit ausüben.

Ausgangspunkt für die Beurteilung eines zumutbaren und damit die Berufsunfähigkeit ausschließenden Verweisungsberufs ist der bisherige Beruf des Versicherten, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein abgestuftes Berufsgruppenschema zu Grunde zu legen und grundsätzlich von der Tätigkeit auszugehen ist, die im Arbeitsleben des Versicherten den qualitativ höchsten Wert verkörpert hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.140, 143, 151 m.w.N.). Dieses Mehrstufenschema gliedert die Arbeiter nach verschiedenen Leitberufen, nämlich demjenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten und schließlich des ungelernten Arbeiters, wobei für die Einstufung das Gesamtbild, das heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb maßgeblich ist (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.27, 33 m.w.N.). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden. Der Kläger ist allenfalls der Gruppe der gehobenen Angelernten zuzuordnen und kann daher auf eine einfache Tätigkeit wie die des Pförtners oder Lagerarbeiters verwiesen werden.

Aus der Rehabilitierungsbescheinigung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz von Seiten des Landesamts für Rehabilitierung und Wiedergutmachung vom 25.09.2000 kann der Kläger keinen Anspruch darauf herleiten, als Angestellter der obersten Stufen eingestuft zu werden. Zwar ergänzen die rentenrechtlichen Regelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes zu Gunsten des Verfolgten die allgemein anzuwendenden rentenrechtlichen Vorschriften (§ 10 Satz 1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz). Dies bedeutet, dass im Wege von Vergleichsberechnungen geprüft wird, ob die unter Berücksichtigung der Verfolgungszeiten ermittelte Rente günstiger ist als die nach den allgemein anzuwendenden Vorschriften berechnete Rente. Hat der Verfolgte wegen einer Verfolgungsmaßnahme seine Fachschulausbildung oder Hochschulausbildung nicht abschließen können, gilt die Ausbildung für die Anerkennung dieser Zeiten als Anrechnungszeit als abgeschlossen (§ 12 Abs.1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz). Darüber hinaus regelt § 13 Abs.1 dieses Gesetzes, wie Verfolgungszeiten als Pflichtbeitragszeiten zu bewerten sind. Wichtig ist, dass der Ausgleich von Nachteilen durch SED-Unrecht nicht wie im Bundesversorgungsgesetz oder im Häftlingshilfegesetz via Berufsschadensausgleich geregelt ist, sondern durch eine fiktive Ergänzung des Versicherungsverlaufs während der Verfolgungszeit. Diese dauerte im Fall des Klägers vom 01.09.1969 bis 31.12.1978. Der Schadensausgleich ist also zeitlich beschränkt und verändert den tatsächlichen Versicherungsverlauf außerhalb des Verfolgungszeitraums nicht. Dies wird auch durch § 2 Abs.1 Satz 2 BerRehaG deutlich, wonach die Verfolgungszeit mit beruflicher Betroffenheit spätestens mit Ablauf des 02.10.1990 endet.

Zutreffend wendet die Beklagte ein, die beruflichen Verhältnisse des Klägers seien im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 19.04.1983 (SozR 1200 § 1246 RVO Nr.108) nicht vergleichbar. Dort heißt es, es sei von einer Facharbeitertätigkeit auszugehen, wenn der Versicherte diese zunächst als Lehrling in versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgeübt habe, sodann die Gesellenprüfung und die Beitragsleistung während der weiteren Berufsausübung aus Verfolgungsgründen unterblieben sei und die Wartezeit unter Einbeziehung der sich anschließenden Verfolgungsersatzzeit erfüllt sei. Der dortige Kläger hat jedoch im Anschluss an die Verfolgung als Mechaniker und Dreher gearbeitet und diese Tätigkeit auch vollwertig wie ein Facharbeiter ausgeübt. Das Bundessozialgericht hat die Fiktion der Beitragsentrichtung in § 14 Abs.2 WGSVG für die Begründung des Rentenanspruchs ausreichen lassen, nicht hingegen die Fiktion der Facharbeitertätigkeit.

Zweifelhaft ist, ob der Kläger tatsächlich als Berufskraftfahrer einzustufen ist. Zwar liegt ein Zeugnis vom 20.02.1976 über die bestandene Prüfung als Berufskraftfahrer vor; ob er als solcher jedoch jemals beschäftigt war, ist nicht nachgewiesen. Gegenüber der Beklagten hat er jedenfalls angegeben, lediglich bis 1975 als Kraftfahrer bzw. Taxifahrer, also vor der Prüfung tätig gewesen zu sein. Nach seinen eigenen Angaben war er von 1976 bis 1977 als Lagerarbeiter tätig. Ob und ggf. aus welchen Gründen er sich von der Tätigkeit als Berufskraftfahrer abgewandt hat, ist ungeklärt. Der Kläger hat seinen letzten Arbeitgeber auch nicht angegeben. Selbst wenn eine Lösung vom erlernten Beruf nicht erfolgt ist, ist der Kläger jedoch im entscheidenden Zeitraum auf eine andere Tätigkeit verweisbar.

Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen waren allenfalls bis Ende Februar 1992 erfüllt. Bis dahin war als Folge einer Schädigung im Sinne des Häftlingshilfegesetzes ein psychoreaktiver Versagungszustand mit neurovegetativer Fehlsteuerung und reduziertem Kräftezustand (Bescheid vom 07.12. 1979) und eine besondere berufliche Betroffenheit als Kraftfahrer anerkannt (Bescheid vom 22.08.1988). Die damit verbundene Erwerbsminderung ist geeignet, die allgemeine Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung vorzeitig zu erfüllen (§ 53 Abs.1 Ziffer 4 SGB VI). Die Folge davon ist, dass eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit für den Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht erforderlich ist (§ 43 Abs.4 SGB VI a.F.). Entscheidend ist daher, ob der Kläger wegen der Schädigungen nach dem Häftlingshilfegesetz auch keine zumutbare Verweisungstätigkeit ausüben konnte. Da ab 01.03.1992 keine Schädigungsfolgen mehr anerkannt sind - der Bescheid vom 07.01.1992 ist bestandskräftig und bislang ergeben sich angesichts der im anhängigen V-Verfahren eingeholten Gutachten keine Anhaltspunkte für ein erfolgreiches Antragsverfahren gemäß § 44 SGB X -, ist entscheidend, ob dem Kläger bis Ende Februar 1992 keine Tätigkeit als Pförtner, Bote oder Lagerarbeiter zumutbar war. Bis dahin ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger auch für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr noch geeignet war.

Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat im Anschluss an das Sozialgericht München auf das überzeugende und ausführliche Gutachten des Dr.B ... Insoweit wird gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Die dagegen vom Klägerbevollmächtigten vorgetragenen Einwände können nicht überzeugen. Die angebliche Schwerhörigkeit des Klägers ist erstmals 2000 attestiert worden und fand in den maßgeblichen Gutachten bis 1992 keinerlei Erwähnung. Damals war der Kläger auch nicht in nervenärztlicher Behandlung und kann sonach keine massive Beeinträchtigung von Seiten der Medikation geltend machen. Ausdrücklich hat Dr.B. ein gutes Konzentrationsvermögen, Reaktionsvermögen und Ausdauer bejaht und lediglich Zeitdruck, Schichtarbeit und das Führen eines Kraftfahrzeugs für ausgeschlossen erachtet.

Soweit der Versicherungsfall nach dem Entzug der Leistungen nach dem HHG eingetreten ist, fehlen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Zeiten der Arbeitslosmeldung bzw. Arbeitsunfähigkeit, wie sie erst ab November 1989 nachgewiesen sind, stellen keine Streckungstatbestände im Sinne des § 43 Abs.3 SGB VI a.F. dar, weil sie mangels Unterbrechung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses keine Anrechnungszeiten sind (§ 58 Abs.2 SGB VI). Schließlich hat der Kläger seine Bereiterklärung zur freiwilligen Beitragsleistung vom 11.12.1986 nach der Aufforderung zur Beitragsleistung binnen drei Monate vom 10.02.1987 nicht wiederholt, so dass § 240 Abs.2 letzter Satz SGB VI keine Anwendung findet. Im Übrigen liegt eine "Bereiterklärung" im Sinn des § 420 RVO erst in dem Zeitpunkt vor, in dem dem zuständigen Versicherungsträger eine unbedingte und uneingeschränkte Erklärung zugeht, für welche Zeiträume Beiträge in welcher Höhe entrichtet werden sollen (BSG, Urteil vom 28.10.1993 in SozR 3-6485 Art.12). Die am 11.12.1986 erklärte Bereitschaft, freiwillige Beiträge zu entrichten, enthielt ausdrücklich den Vorbehalt, erst nach Klärung seiner Versicherungszeiten vor 1978 zu zahlen. Diese Erklärung ist unbestimmt und an den Eintritt eines weiteren Umstandes geknüpft, so dass sie den Grundanforderungen für eine Bereiterklärung nicht genügt.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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