L 8 AL 117/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AL 515/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 117/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer sechswöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe streitig.

Die 1971 geborene Klägerin meldete sich am 12.09.2002 erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).

Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma K. Lagertechnik AG war die Klägerin dort vom 18.04.2001 bis 10.09.2002 als Sekretärin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristlose Kündigung der Klägerin vom 11.09.2002 mit sofortiger Wirkung. Unter "Sonstige Hinweise des Arbeitgebers an das Arbeitsamt" wurde vom Arbeitgeber vermerkt "Frau W. ist seit dem 11.09. nicht mehr zur Arbeit erschienen. Sie hat per E-mail fristlos gekündigt." Der Arbeitsbescheinigung beigeführt war eine Abmahnung des Arbeitgebers an die Klägerin vom 13.08.2002. Dort heißt es: "Nach Ihrem Arbeitsvertrag § 8 Abs.1 und 2 sind sie verpflichtet, ihrem Arbeitgeber schnellstmöglich über Ihre Verhinderung Mitteilung zu machen und bis zum 3. Kalendertag eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Sie sind am 8., 9. und 12. August nicht zur Arbeit erschienen und haben der Firma auch keinerlei Information über Art und Dauer ihrer Verhinderung zu kommen lassen. Für den vorstehenden Sachverhalt mahnt Sie die Firma ab". Die ordentliche Kündigungsfrist betrug vier Wochen zum Monatsende. In der Stellungnahme zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte die Klägerin aus, am 06.08.2002 habe die ihr gegenüber sitzende neue Kollegin Frau von B. (seit 15.04. 2002) in der Mittagspause deutlich gesagt, dass sie (die Klägerin) gar nichts zu sagen habe. Dies habe sie sehr verwirrt. Die Kollegin sei sich scheinbar sehr sicher gewesen, dass bei einem Streit alle in der Chefetage zu ihr halten würden. Frau von B. habe sie schon immer von oben herab behandelt. Sie habe daraufhin eine Mail an die Vorgesetzten geschrieben, in dem sie den Sachverhalt geschildert habe. Als sie aus der Mittagspause am 07.08.2002 zurückgekehrt sei, hätten ein Vorgesetzter und Frau von B. sofort aufgehört zu reden. Es seien weitere Gespräche gefolgt mit der Folge, dass ihrer Kollegin jedes Wort geglaubt worden sei. Man habe den Eindruck gehabt, dass die Geschäftsleitung sie habe los werden wollen. Diesem Druck habe sie sich nicht gewachsen gefühlt.

Ermittlungen der Beklagten bei der Firma haben ergeben, dass sich die Klägerin jedem Klärungs- und Vermittlungsversuch gegenüber nicht zugänglich gezeigt habe. Trotzdem habe man den Eindruck gewonnen, dass sich die Situation im Laufe der Zeit wieder einrenken würde.

Mit Bescheid vom 28.10.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer sechswöchigen Sperrzeit vom 11.09.2002 bis 22.10.2002 fest. Die Klägerin habe durch ihre Kündigung das Beschäftigungsverhältnis selbst aufgegeben und habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos werde. Eine Rückfrage beim ehemaligen Arbeitgeber habe ergeben, dass es am 06.08.2002 zu einem Streit zwischen ihr und einer Arbeitskollegin gekommen sei. In der Folgezeit sei durch die Firma versucht worden, die angespannte Arbeitssituation zu entschärfen, wobei ein letztes klärendes Gespräch am 10.09.2002 gescheitert sei.

Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin unter anderem aus, die Mobbingvorwürfe habe sie versucht zu erklären. Ihre Kollegin habe ihr den Mund verbieten wollen, so dass sie nichts mehr zu sagen gehabt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Konkretisierung und Objektivierung der Mobbingvorwürfe sei die Klägerin zu einem Gespräch beim Psychologischen Dienst eingeladen worden. Dies habe sie jedoch abgelehnt. Insgesamt sei es der Klägerin zuzumuten gewesen, das Beschäftigungsverhältnis solange fortzusetzen, bis sie nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis hätte eingehen können, so dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit vermieden worden wäre.

Zur Begründung der zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Mit Schreiben vom 10.09.2003 hat das SG der Klägerin mitgeteilt, dass zur Aufklärung des Sachverhalts Ermittlungen erforderlich seien, weshalb sie gebeten werde, die beigefügte Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und sozialrechtlichen Geheimhaltungspflicht abzugeben. Dieser Aufforderung ist die Klägerin nicht nachgekommen, da sie nicht nachvollziehen könne, sie als krank hinzustellen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.09.2003 hat das SG als Zeugen die ehemaligen Vorgesetzten der Klägerin - Dr.M. D. und A. S. - sowie Frau von B. als Zeugen einvernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 26.09.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein wichtiger Grund für ihr Verhalten habe die Klägerin nicht gehabt. Das Gericht habe insbesondere nach der Einvernahme der drei Zeugen, aber auch auf Grund des gesamten Akteninhalts und des persönlichen Eindrucks von der Klägerin im Erörterungstermin vom 01.08.2003 und in der mündlichen Verhandlung dem Vorwurf der Klägerin, sie sei von Mitarbeitern ihres Arbeitgebers gemobbt worden, nicht folgen können. Nach Überzeugung des Gerichts habe die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten wesentlich dazu beigetragen, dass ein im Arbeitsleben alltäglicher Konflikt zwischen Arbeitnehmern derart eskaliert sei, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr habe fortgeführt werden können. Ob die Klägerin auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen objektiv nicht in der Lage gewesen sei, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, habe das Gericht aus eigener Sachkunde nicht feststellen können. Bei der Feststellung dieses Sachverhalts habe die Klägerin nicht mitgewirkt. Da sie für das Vorliegen eines wichtigen Grundes darlegungspflichtig sei und im Zweifel dafür auch die materielle Beweislast trage, müsse das Gericht davon ausgehen, dass ein wichtiger Grund nicht vorgelegen habe.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, die Klage sei nie behandelt worden. Zudem sei behauptet worden, die Klage richte sich gegen den ehemaligen Arbeitgeber, was nicht zutreffend sei. Da ihr dringend benötigte Unterlagen nicht ausgehändigt worden seien, beantrage sie die komplette Akte des Gerichts als Kopie.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 20.07.2004 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Akten auf der Geschäftsstelle zur Einsichtnahme bereitlägen.

Eine Akteneinsichtnahme durch die Klägerin erfolgte nicht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.09.2003 sowie den Bescheid vom 28.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 11.09. bis 22.10.2002 Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Auffassung des SG im Urteil vom 26.09.2003 an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG München mit Urteil vom 26.09.2003 die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten vom 28.10.2002 und 27.03.2003 nicht zu beanstanden sind.

Denn die Klägerin hat das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Krusche durch ihre fristlose Kündigung gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Bezüglich ihrer fristlosen Kündigung kann sich die Klägerin nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Ob ein wichtiger Grund gegeben ist, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeiführen oder zu vertreten haben. Eine Sperrzeit soll nur dann eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl. BSG SozR 3-4300 § 144 Nr.12 S.34 m.w.N.). Dabei muss der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (BSG a.a.O.).

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis fristlos gekündigt hat, wohingegen die ordentliche Kündigungsfrist vier Wochen zum Monatsende betrug.

Ein wichtiger Grund kann auch nicht allein darin gesehen werden, dass eine Kündigung des Arbeitgebers, wie von diesem ausgeführt, zum 31.10. (fristgerecht) bevorstand. Denn insoweit wurde in zahlreichen BSG-Entscheidungen bereits festgehalten, dass ein Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden Kündigung des Arbeitgebers nicht ohne weiteres zuvorkommen darf. Denn grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen (BSG SozR 3-4100 § 144 Nr.12 S.34).

Weiterhin ist auch anzuführen, dass im Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin die Kündigung des Arbeitgebers gar nicht beabsichtigt war.

Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses könnte zwar grundsätzlich darin zu sehen sein, dass die Klägerin vorgetragen hat, durch das (behauptete) Mobbing befürchtete, krank zu werden. Nachdem die Klägerin aber weder im Vorverfahren noch im erstinstanzlichen Verfahren bereit war, sich diesbezüglich untersuchen zu lassen bzw. aussagefähige medizinische Unterlagen beizubringen, lässt sich nicht beurteilen, ob bereits ein Krankheitszustand vorlag, ob also ein regelwidriger Körper- und/oder Geisteszustand zu bejahen war, der vom Leitbild des gesunden Menschen so abwich, dass die Klägerin zur Ausübung der normalen psychischen/physischen Funktionen nicht mehr in der Lage war (BSGE 66, 248, 249 - SozR 3-2200 § 182 Nr.2). Grundsätzlich steht zwar der Annahme einer Krankheit nicht entgegen, dass sich die Klägerin ihren eigenen Ausführungen gemäß nicht in ärztliche Behandlung gegeben hat. Zu bedenken ist aber, dass sie selbst angegeben hat, dass sie sich allein durch die Übersendung des Vordrucks über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch das SG beleidigt gefühlt hat. Insbesondere hat sie darauf hingewiesen, dass sie es als unzumutbar finde, sie als krank hinzustellen.

Insgesamt konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, das der auf die Klägerin am Arbeitsplatz ausgeübte Druck so groß gewesen ist, dass ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar war, bzw. das Vertrauensverhältnis derart gestört gewesen ist, dass keine zumutbare gemeinsame Basis für eine weitere Zusammenarbeit mehr vorlag, was aber Voraussetzung für einen wichtigen Grund wäre (dazu BSG SozR 4-4300 § 144 Nr.4 = NZS 2004, 382).

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 26.09.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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