L 19 RJ 203/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 369/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 203/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.11.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung des Arbeitnehmeranteils der zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge streitig.

Der 1941 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat ist, hat in Deutschland vom 01.12.1964 bis 07.01.1976 versicherungspflichtig gearbeitet.

Am 13.11.2000 fragte der Kläger bei der Beklagten an, ob ihm auch seine Beiträge von Dezember 1971 bis 07.01.1976 erstattet würden. Nach seinen Belegen habe er lediglich die Beiträge für die Zeit bis Dezember 1971 bekommen. Er schrieb: "Meine Rentenrückerstattung 10054,45 DM". Zur Begründung legte er eine Kopie aus dem Erstattungsbescheid der LVA Rheinprovinz vor, in der die Brutto-Arbeitsentgelte und die erstattungsfähigen Beitragsanteile für die Zeit von Dezember 1964 bis Dezember 1971 in Höhe von 4.432,20 DM und der Erstattungsbetrag für die Zeit ab 01.01.1972 in Höhe von 5.622,25 DM verzeichnet sind, ebenso ein gesamter Erstattungsbetrag in Höhe von 10.054,45 DM.

Nach Beinahme eines Speicherausdrucks der LVA Rheinprovinz lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2001 eine weitere Beitragserstattung für den Kläger ab, da sämtliche in der Zeit vom 01.12.1964 bis 07.01.1976 entrichteten Beiträge erstattet seien.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 15.04.2002 erlassen. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe seit 24 Jahren die Beitragserstattung beantragt, jedoch keine Antwort erhalten. Deswegen habe er sich vorgenommen, sein 65. Lebensjahr abzuwarten und Rentner zu werden. Da er aber im Jahr 2000 verschuldet gewesen sei und Geld benötigt habe, habe er die Beitragserstattung beantragt.

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22.11.2002 abgewiesen. Da sich in den Restakten kein Hinweis befinde, dass der an den Kläger überwiesene Betrag zurückgeflossen sei, gehe das SG davon aus, dass der Zahlbetrag tatsächlich an die vom Kläger angegebene Bank überwiesen wurde. Das SG schloss sich außerdem dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.02.1997 (L 4 J 16/95) an, dass nämlich im Wege der tatsächlichen Vermutung davon auszugehen sei, dass die Auszahlung dem Kläger zugeflossen ist, weil er sich trotz behaupteter Nichtzahlung jahrelang nicht nach dem Erstattungsbetrag erkundigt habe. Man könne vom Kläger verlangen, dass er sich zeitnah nach der Antragstellung und dem Zugang des Bescheides nach dem Verbleib des Erstattungsbetrages erkundigt.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung bestreitet der Kläger, den Erstattungsbetrag in Höhe von 10.054,45 DM im Jahre 1977 erhalten zu haben. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil seien nicht richtig und könnten nicht akzeptiert werden. Wenn die Beklagte mitteile, dass der Erstattungsbetrag entweder über eine Bank oder durch eine Postüberweisung erfolgt sei, sei das nicht richtig. An die M. Bankasi sei der Betrag nicht geflossen. Deshalb müsse die Beklagte durch Vorlage von Unterlagen (Quittungen o.dgl.) beweisen, wie sie die Beiträge erstattet und welche Person das Geld erhalten habe.

Aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers ergibt sich der Antrag, das Urteil des SG Bayreuth vom 22.11.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2002 zu verurteilen, die vom Kläger zur deutschen Rentenversicherung der Arbeiter vom 01.12.1964 bis 07.01.1977 entrichteten Beiträge (Arbeitnehmeranteil) zu erstatten.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie auf die vom Senat beigezogenen Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22.11.2002 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (nochmalige) Beitragserstattung hat.

Nach Würdigung aller für den vorliegenden Fall maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat zu der Entscheidung gelangt, dass, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 01.12.1964 bis 07.01.1976 entrichteten Beiträge von der LVA Rheinprovinz im Anschluss an den Bescheid vom 26.01.1977 erstattet wurden. Zwar konnte dieser Bescheid dem Kläger nicht zugestellt werden, da der an die vom Kläger angegebene Anschrift gerichtete Bescheid von der türkischen Post als unzustellbar zurückgesandt wurde. Der Bescheid wurde dann aber nochmals dem Kläger unter dem 26.05.1977 zugestellt. Damit steht fest, dass der Kläger den Erstattungsbescheid auch erhalten hat. Denn das Einschreiben vom 26.05.1977 hat der Kläger in Kopie dem SG vorgelegt.

Das Berufungsgericht ist außerdem der Überzeugung, dass der Kläger den gesamten Erstattungsbetrag in Höhe von 10.054,45 DM erhalten hat. Zum einen hat die LVA Rheinprovinz im Einschreiben vom 26.05.1977 den Kläger darauf hingewiesen, dass dieser Erstattungsbetrag an die im Schreiben des Klägers vom 09.02. (wohl 1977) angegebene Anschrift zur Auszahlung angewiesen wurde. Zum anderen ist das Vorbringen des Klägers, er habe den Erstattungsbetrag nicht erhalten, nicht glaubwürdig. Denn schon im Antrag vom 13.11.2000 hat der Kläger angegeben, ihm seien die Beiträge für die Zeit vom Dezember 1971 bis Januar 1976 nicht erstattet worden, sondern nur die Beiträge für die Zeit von 1964 bis Dezember 1971. Erst nachdem der Kläger durch einen Bevollmächtigten vertreten wurde, wurde behauptet, er habe überhaupt keine Erstattung erhalten. Zwar handelt es sich bei den von einem Rentenversicherungsträger zu erbringenden Sozialleistungen, zu denen auch Beitragserstattungen gehören (vgl. § 11 Abs 1 SGB I und § 1235 RVO in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung) grundsätzlich um Holschulden. Die Rentenversicherungsträger sind jedoch zulässigerweise von Anfang an dazu übergegangen, die Leistungen durch die Post auszahlen zu lassen. Dadurch wurde die Holschuld zu einer Bringschuld, die am Wohnort des Berechtigten zu erfüllen ist (vgl. § 270 Abs 1 BGB). Dies gilt auch, wenn das Geld unbar auf ein Konto des Versicherten eingezahlt wurde. Zwar ist der Rentenversicherungsträger, wie der Kläger zu Recht vortragen lässt, im Bestreitensfalle beweispflichtig für die Erfüllung seiner Schuld, d.h. die Beklagte kann sich nur dann auf die Erfüllungswirkung des § 362 Abs 1 BGB berufen, wenn ihr der Nachweis gelingt, dass der Erstattungsbetrag an den Kläger ausgezahlt wurde. Das ist aber hier der Fall.

Denn das Vorbringen des Klägers im Antrag vom 13.11.2000 und die von der Beklagten und vom Kläger vorgelegten Unterlagen lassen nur den Schluss zu, dass der Erstattungsbetrag an den Kläger "bewirkt" wurde. Dafür spricht nach dem Beweis des ersten Anscheins eine tatsächliche Vermutung. Der Senat stimmt im Anschluss an das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.02.1997 - L 4 J 16/95 - und seine eigene Rechtsprechung im Urteil vom 14.05.2002 - L 19 RJ 3/02 - der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil vom 22.11.2002 zu, wonach der Beweis des ersten Anscheins auch für die Wirksamkeit von Beitragserstattungen nach dem Rentenversicherungsrecht gilt, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt. Ein solcher liegt zur Überzeugung des Senats vor, da dem Kläger im Einschreiben der LVA Rheinprovinz vom 26.05.1977 mitgeteilt wurde, dass der Erstattungsbetrag an die von ihm angegebene Anschrift zur Auszahlung angewiesen worden ist. Da sich der Kläger erst nach etwa 23 Jahren nach seinem Erstattungsantrag erkundigt hat, kann im Wege der tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen werden, dass ihm die Auszahlung zugegangen ist. Dem Vorbringen des Klägers, er habe nie einen Erstattungsbetrag erhalten, vermag der Senat somit nicht zu folgen. Insgesamt liegen nämlich keine Anhaltspunkte vor, die die tatsächliche Vermutung erschüttern könnten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Bankverkehr zwischen Deutschland und der Türkei im Jahre 1977 ungeordnete Verhältnisse bzw. zwischen Deutschland und der Türkei keine geordneten postalischen Verhältnisse herrschten.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen war.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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