L 9 AL 394/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 1111/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 394/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21. September 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gerichtsbescheid in Ziffer I des Tenors folgende Fassung erhält: Es wird festgestellt, dass das Verfahren S 40 AL 790/97 durch den Prozessvergleich vom 27.07.2001 erledigt worden ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens durch Prozessvergleich.

Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Siebdrucker und war als solcher mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit zuletzt bis April 1990 beschäftigt. Er ist Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 v.H. wegen eines Wirbelsäulenleidens. Vom 01.05.1990 bis 29.04.1991 bezog er Arbeitslosengeld sowie ab 30.04.1991, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld, Arbeitslosenhilfe. Im November 1991 legte er bei der Handwerkskammer Oberbayern die Prüfung als Siebdruckmeister, im März 1993 diejenige als Betriebswirt des Handwerks ab.

Vom 29.08.1996 bis 10.12.1996 war der Kläger wegen seines Wirbelsäulenleidens sowie wegen einer notwendigen plastischen Operation in Krankenhausbehandlung und bezog abwechselnd Krankengeld, Übergangsgeld und wiederum Krankengeld. Ab 11.12.1996 bezog er wiederum Arbeitslosenhilfe.

Ausgangspunkt der Rechtsstreitigkeiten, die dem hier zu überprüfenden gerichtlichen Vergleich zugrundelagen, waren Ende 1996 eingeleitete Bemühungen um zweckmäßige berufliche Eingliederungsmaßnahmen.

Am 19.12.1996 nahm der Kläger im Arbeitsamt R. an einer Informationsveranstaltung über eine vom 03.02.1997 bis 31.10.1997 vom "Institut für Beruf und Bildung (IBB)" durchgeführte "praxisorientierte Reintegrationsmaßnahme (PRR)" teil und wurde anschließend auf dem dafür vorgesehenen Vordruck als Teilnehmer an der Maßnahme angemeldet, ohne die Anmeldung allerdings selbst unterschrieben zu haben.

Der Kläger seinerseits beantragte in einem Schreiben an das Arbeitsamt als Leistung zur beruflichen Rehabilitation Maßnahmen zum "Erwerb von EDV-Grundlagen" in Gestalt der Betriebssysteme "System Windows95" sowie "MAC (Apple-Computer)" und der Software "Pagemaker, QuarkXPress, Photoshop, Freehand, Illustrator, MAC", jeweils in Vollzeit. Der Arbeitsberater des Klägers leitete das Schreiben am 27.12.1996 an die LVA Oberbayern als zuständigem Kostenträger weiter.

Unter dem Datum 13.01.1997 findet sich in den elektronisch gespeicherten Auszügen über die Beratungstätigkeit des Arbeitsamtes R. ("BEWA") folgender Vermerk: "13.01.1997 zur Info erschienen, nimmt an PRR-S. in R. vom 03.02.1997 bis 31.10.1997 teil. Zur Abmeldung aus Leistungsbezug an Nebenstelle W. weitergeleitet".

In den Akten der LVA findet sich ein vom 21.01.1997 datiertes Schreiben des Klägers an die LVA. Er widerspreche der Teilnahme am IBB-Lehrgang, der den Erfordernissen für seine berufliche Wiedereingliederung nicht gerecht werde. Demgegenüber führe die "W. Trainingssysteme GmbH" M. einen am 22.04.1997 beginnenden, auf 12 Monate angelegten Lehrgang "Interactive Publisching MultiMedia" durch, der auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten sei. Der Lehrgang entspreche seinen eigenen Anträgen vom 21.12.1996 und lehre weitere Möglichkeiten der graphischen Gestaltung von Web-Seiten und Internetapplikationen etc. Ein Programm der W. GmbH war beigegeben.

Mit Bescheid vom 24.01.1997 bewilligte die LVA berufsfördernde Reha-Leistungen für die Teilnahme an der vom IBB vom 03.02.1997 bis 31.10.1997 durchgeführten Reintegrationsmaßnahme PRR.

Mit Bescheid vom 03.02.1997 hob das Arbeitsamt daraufhin die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 03.02.1997 auf.

Der Kläger erschien bei Maßnahmebeginn nicht und dann nach ausdrücklicher Aufforderung durch das Arbeitsamt erstmals am 10.02.1997. Bereits am 18.02.1997 wurde er aus der Maßnahme ausgeschlossen. Der S., so das IBB am gleichen Tag an die LVA, sei am 10.02.1997 zum Unterricht erschienen und habe angegeben, dass er zur Teilnahme an der Maßnahme gezwungen worden sei. Er habe bis zum jetzigen Zeitpunkt die Zusammenarbeit verweigert, insbesondere die Anmeldung nicht unterzeichnet, habe auch keinerlei Angaben zu seiner Person gemacht. Unter diesen Umständen werde die Maßnahme aus disziplinarischen Gründen zum 18.02.1997 abgebrochen.

Der Kläger erhob vorab am 13.02.1997 Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid der LVA vom 24.01.1997. Bei der vom IBB durchgeführten Reintegrationsmaßnahme handele es sich um eine Wiedereingliederungsmaßnahme für Langzeitarbeitslose ohne spezifische berufliche Qualifikation. Dies treffe auf ihn als geprüften Siebdruckmeister, der sich auch während seiner mehrjährigen Arbeitslosigkeit laufend weitergebildet habe, nicht zu. Wesentlich sinnvoller sei die berufsspezifische Fortbildung im Bereich Digitaldruck, wie sie von der W. Trainingssysteme GmbH in M. angeboten werde, deren Prospekt er bereits vorgelegt habe. Auch sei der Stundensatz der wenn auch 12 Monate dauernden Maßnahme bei der W. GmbH günstiger als derjenige bei IBB. Das Widerspruchsverfahren fand seinen Abschluss in einem sozialgerichtlichen Überprüfungsvergleich vom 23.04.1997, worin sich die LVA verpflichtete, den Reha-Antrag des Klägers vom 21.12.1996 nochmals zu verbescheiden.

Der Kläger, der vom 10.02.1997 bis 18.02.1997 Übergangsgeld von der LVA erhalten und sich am 13.03.1997 arbeitslos gemeldet hatte, nahm ab 22.04.1997 zunächst auf eigene Kosten an der von der W. GmbH durchgeführten Maßnahme teil.

Streitgegenstand des einen der beiden Rechtsstreitigkeiten, die dem hier zu überprüfenden gerichtlichen Vergleich vom 27.07.2001 zugrundelagen, war der Bescheid des Arbeitsamtes vom 03.02.1997, mit dem das Arbeitsamt die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 03.02.1997 aufgehoben hatte, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt Übergangsgeld beanspruchen könne. Den Widerspruch des Klägers wies das Arbeitsamt mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.1997 als unbegründet zurück. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) München unter dem Aktenzeichen S 40 AL 790/97 wies die Beklagte darauf hin, dass jedenfalls die Einverständniserklärung des Klägers anläßlich der Informationsveranstaltung vom 13.01.1997 einer Abmeldung aus dem Leistungsbezug gleichkomme. Zumindest habe der Kläger der Arbeitsvermittlung seit 03.02.1997 nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dementsprechend hob die Beklagte die Bewilligung der Alhi mit Bescheid vom 29.08.1997 ab 03.02.1997 ergänzend wegen fehlender Verfügbarkeit auf. Der Kläger trug wiederum vor, dass er weder die Förderung einer Teilnahme an der IBB-Maßnahme beantragt, noch sich dort angemeldet habe. An einer Informationsveranstaltung vom 13.01.1997 habe er nicht teilgenommen.

Streitgegenstand des weiteren Rechtsstreits, der dem vom Senat zu überprüfenden gerichtlichen Vergleich vom 27.07.2001 zugrundelag, war ein weiterer Bescheid des Arbeitsamtes vom 14.05.1997, worin dieses eine 12-wöchige Sperrzeit vom 19.02.1997 bis 13.05.1997 und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für diesen Zeitraum feststellt. S. sei am 18.02.1997 wegen maßnahmewidrigen Verhaltens von der Teilnahme an der IBB-Maßnahme "Praxisorientierte Reintegration" ausgeschlossen worden. Eine besondere Härte sei nicht ersichtlich. In seinem Widerspruch trug der Kläger wiederum die bereits vorgebrachten Einwände gegen seine Teilnahme an der IBB-Maßnahme vor. Das Arbeitsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.1997 als unbegründet zurück. Das maßnahmewidrige Verhalten des Klägers könne nicht etwa damit gerechtfertigt werden, dass die Maßnahme ihm nicht zumutbar gewesen sei. Vielmehr sei die Maßnahme "Praxisorientierte Reintegration zur beruflichen Rehabilitation" auf den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen zugeschnitten gewesen, zu dem er, der S., zweifelsfrei gehört habe. Dagegen erhob der Kläger die unter dem Aktenzeichen S 40 AL 1051/97 geführte weitere Klage zum Sozialgericht (SG) München.

Die W. GmbH brach die Ausbildung des Klägers nach Absolvieren zweier Ausbildungsabschnitte am 05.09.1997 ab, da von seiten der LVA bezüglich der bisher angefallenen Lehrgangskosten noch keine Zusage erfolgt war. Die LVA bewilligte nachfolgend mit Bescheid vom 17.09.1997 nachträglich die Förderung der Teilnahme des Klägers an der von der W. GmbH durchgeführten Maßnahme "Interactive Publishing" als Maßnahme der beruflichen Rehabilitation und gewährte dem Kläger für den Zeitraum vom 22.04.1997 bis zum Zeitpunkt des Abbruchs der Maßnahme durch den Bildungsträger am 05.09.1997 Übergangsgeld. Das Arbeitsamt gewährte dem Kläger ab 06.09.1997 Arbeitslosenhilfe. Die LVA bewilligte dem Kläger nachfolgend zwecks Beendigung seiner Fortbildung die Förderung der Teilnahme an einem Kurs in Grafik-Design bei dem Bildungsinstitut "Multimedia" in M. vom 03.03.1998 bis 31.03.1999, den der Kläger mit Erfolg beendete, und gewährte dem Kläger für die Zeit vom 03.03.1998 bis 30.06.1999 Übergangsgeld. Ab 01.07.1999 erhielt der Kläger dann wiederum Arbeitslosenhilfe.

In Schriftsätzen vom 24.10.1997 erklärte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt R. aus H. , die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe durch die Beklagte vom 03.02.1997 bis zum 22.04.1997 zum Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten S 40 AL 790/97 und S 40 AL 1051/97.

Das SG hat die Streitsachen S 40 AL 790/97 und S 40 AL 1051/97 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.07.2001 unter dem führenden Aktenzeichen S 40 AL 790/97 verbunden. Anwesend waren der Kläger persönlich mit seinem langjährigen Verfahrens- und Prozessbevollmächtigten sowie der Vertreter der Beklagten. Die Verhandlung dauerte von 11.50 bis 12.45 Uhr. "Auf Anraten des Vorsitzenden" schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:

" I. Die Beklagte erklärt, dass der Aufhebungsbescheid vom 03.02.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04. 1997 insoweit abgeändert wird, als die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 10.02.1997 aufgehoben wird.

II. Der Bescheid vom 14.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.1997 wird dahingehend abgeändert, dass die Sperrzeit auf sechs Wochen verkürzt wird.

III. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Beteiligten sind sich einig, dass hiermit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist.

vorgelesen und genemigt."

Mit Schriftsatz vom 30.07.2001, Eingang 02.08.2001, erklärte der Kläger die "Anfechtung des Beschlusses vom 27.07.2001" "wegen arglistiger Täuschung und Drohung". Er trug den überwiegend unstrittigen Geschehensablauf nochmals im Einzelnen vor. Die Beklagte möge durch Zeugen beweisen, dass er am 13.01.1997 an einer Informationsveranstaltung teilgenommen, sich mit einer Teilnahme an der Maßnahme des IBB einverstanden erklärt, Kenntnis von der Anmeldung gehabt und für die Teilnahme an der Maßnahme Übergangsgeld beantragt habe. Er lege Wert auf den Hinweis, dass er erst im Februar 1997 überhaupt von der Anmeldung bei IBB durch das Arbeitsamt erfahren habe. Ferner solle Beweis über die Förderungswürdigkeit der Maßnahmen des IBB und der W. GMbH erhoben werden. Die Akten, die der 40. Kammer am 27.07.2001 vorgelegen hätten, sollten kopiert werden. Desweiteren wünsche er "genaue Aufkärung der 40. Kammer zur Drohung: Entzug der Prozesskostenhilfe".

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.09.2001 ab.

Sinngemäß habe der Kläger beantragt, 1. festzustellen, dass die Streitsache S 40 AL 790/97 durch den am 27.07.2001 geschlossenen Vergleich nicht beendet worden sei, 2. den Bescheid vom 03.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchs bescheides vom 17.04.1997 sowie des Änderungsbescheides vom 29.08.1997 aufzuheben, 3. den Bescheid vom 14.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbe scheides vom 02.07.1997 aufzuheben.

Auf die Anfechtung des Prozessvergleichs fänden entsprechend dessen Doppelnatur die Vorschriften des BGB entsprechende Anwendung. Der Anfechtbarkeit wegen Irrtums stehe entgegen, dass der in der mündlichen Verhandlung in beiden Streitsachen anwaltlich vertretene Kläger keinen Irrtum im Sinne des § 119 BGB - ein unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung - vorgetragen habe. Die im Prozeßvergleich getroffene Regelung habe dem wirklichen Willen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entsprochen. Soweit sich der Kläger anders besonnen habe und meine, mit der Fortführung der Klage in vollem Umfang Erfolg haben zu können, sei dies ein unbeachtlicher Motivirrtum. Die Ausräumung der seinerzeit bestehenden Ungewissheit über die mit der Teilnahme an der Maßnahme verbundene Abmeldung aus dem Leistungsbezug sowie den Eintritt einer Sperrzeit als Folge der vorzeitigen Beendigung der Maßnahme durch gegenseitiges Nachgeben, d.h. ohne dass letztlich Gewissheit erzielt gewesen sei, sei Wesensmerkmal eines Vergleichs.

Auch die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung, § 123 BGB, seien nicht vorgetragen. Dem Vorbringen des Klägers zum Streitstoff könne keinerlei insoweit erheblicher Sachvortrag entnommen werden. Die Behauptung, ihm sei der Entzug der Prozesskostenhilfe angedroht worden, sei zu allgemein. Eine Androhung des Entzugs der Prozesskostenhilfe, bzw. auch eine Anhörung hierzu, die unter den Voraussetzungen des § 124 ZPO grundsätzlich möglich sei, sei den Akten und dem Sitzungsprotokoll nicht zu entnehmen. Auch hätte der Kläger bei einer solchen Entscheidung gemäß § 127 Abs.2 Satz 2 ZPO das Recht der Beschwerde gehabt.

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt. Er habe dem Beschluss vom 27.07.2001 nicht zugestimmt. Er erhebe Strafantrag gegen den Kammervorsitzenden wegen Beleidigung in der öffentlichen Verhandlung und falscher Angaben bezüglich seiner medizinisch-beruflichen Rehabilitation. Das Arbeitsamt habe seine Vorleistungspflicht verletzt, indem es nicht vorläufig für die Kosten seiner Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme bei der W. GmbH aufgekommen sei. Dadurch sei es zum Abbruch dieser Maßnahme am 05.09.1997 und zur Weiterführung seiner Fortbildung erst ab 03.03.1998 im MultiMedia Seminar gekommen. Dies habe wiederum zur Folge gehabt, dass er vom 06.09.1997 bis 02.03.1998 nur Arbeitslosenhilfe statt Übergangsgeld erhalten habe und nach Abschluss der Maßnahme bei MultiMedia keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern lediglich einen solchen auf Arbeitslosenhilfe gehabt habe. Zusammengefasst habe er - mit den entsprechenden Folgen - von Februar 1997 bis Oktober 1997 nicht die ihm seitens des Arbeitsamts zustehenden Leistungen erhalten. Dem legte der Kläger Schreiben an das "Präsidium des Landessozialgerichts" vom 05.07.2001 und 08.10.2001 in den Beschwerdesachen L 9 B 89/01 AL ER und L 9 B 435/99 AL ER bei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21.09.2001 aufzuheben und die Sache zur Fortsetzung der verbundenen Rechtsstreitigkeiten S 40 AL 790/97 und S 40 AL 1051/97 an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der in der Sitzungsniederschrift vom 27.07.2001 wiedergegebene Verhandlungsverlauf gebe keinen Anhaltspunkt für die vom Kläger erhobenen Vorwürfe. Der Vergleich sei den Beteiligten ausweislich der Niederschrift vorgelesen und von diesen genehmigt worden. Einwände seien auch vom anwesenden Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erhoben worden. Die Sitzungsniederschrift sei vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefertigt und mitunterschrieben worden.

Der Senat hat die Akten des SG sowie der Beklagten und der LVA Oberbayern, außerdem die Gerichtsakten des erledigten Verfahrens am SG München S 14 VR 65/97 AR sowie der Beschwerdesache L 9 B 435/99 AL ER einschließlich der dort beigezogenen Akten beigezogen. Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die unter dem führenden Aktenzeichen S 40 AL 790/97 verbundenen Rechtsstreitigkeiten S 40 AL 790/97 und S 40 AL 1051/97 sind durch den Vergleich vom 27.07.2001 beendet worden.

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger, obwohl durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, der auch in der mündlichen Verhandlung zugegen war, grundsätzlich berechtigt ist, den Vergleich vom 27.07.2001 wegen Willensmängeln in seiner Person anzufechten. Für das Zustandekommen und die Wirksamkeit von Prozessvergleichen gelten grundsätzlich die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, Einleitung III Rz.6). Die Bestimmung des § 166 Abs.2 BGB ist auf Willensmängel des Vertretenen entsprechend anwendbar (Palandt-Heinrichs Anm.4 c zu § 166 BGB). Dem Handeln des Vertreters nach Weisungen des Vollmachtgebers steht es gleich, wenn der Bevollmächtigte das Geschäft in Anwesenheit des Vertretenen abschließt und dieser nicht widerspricht (Palandt-Heinrichs Anm.4 b zu § 166 BGB).

Dem Vortrag des Klägers ist jedoch kein Anfechtungsgrund nach den §§ 119 ff. BGB zu entnehmen. Ein Fall des Auseinanderfallens von Wille und Erklärung nach § 119 BGB ist nicht ersichtlich. Weder ist dem Vortrag des Klägers zu entnehmen, dass er sich überhaupt nicht im Klaren war, dass den Beteiligten und in der Verhandlung Anwesenden nach Erörterung des Sach- und Streitstoffs ein Vergleich des Inhalts, wie in der Sitzungsniederschrift vom 27.07.2001 festgehalten, vorgelesen und protokolliert wurde, noch, dass er sich über die Bedeutung des Vergleichs geirrt habe.

Auch ein Fall des § 123 BGB ist nicht gegeben. Der Kläger hat nicht angegeben, worüber er getäuscht worden sei.

Desweiteren hat der Kläger "genaue Aufklärung der 40. Kammer zur Drohung: Entzug der Prozesskostenhilfe" beantragt. Der Senat hat sich insoweit nicht zu einer Beweiserhebung veranlasst gesehen. Es fehlt insbesondere an einem ausreichenden Hinweis zur Ursächlichkeit einer eventuellen Andeutung, z.B. des Kammervorsitzenden, dem Kläger könne bei Fortsetzung des Verfahrens die Prozesskostenhilfe entzogen werden, für den Abschluss des Vergleichs. Der Kläger selbst hat in seiner Anfechtung des Vergleichs vom 27.07.2001 die gute Zusammenarbeit mit seinem Prozessbevollmächtigten ausdrücklich betont; dieser hat sich, wie aus den Schriftsätzen ersichtlich, auch tatsächlich äußerst intensiv in den gesamten Fall des Klägers eingearbeitet. Es spricht daher alles dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinerseits in der Verhandlung vom 27.07.2001 zu der Auffassung gelangt ist, dass bezüglich des in den Verfahren S 40 AL 790/97 und S 40 AL 1051/97 verhandelten Streitgegenstandes bei der gegebenen Beweislage ein günstigeres Ergebnis als vom Kammervorsitzenden vergleichsweise angeregt für den Kläger nicht zu erreichen sein werde und der Kläger dem gefolgt ist. Laut Sitzungsprotokoll wurde die Verhandlung nach Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses und vor Protokollierung des Vergleiches unterbrochen und hat sich der Kläger mit seinem Prozessbevollmächtigten beraten. Er hat auch seinerseits nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter ihn etwa zur Annahme des Vergleichs gedrängt habe, da das Gericht andernfalls die Prozesskostenhilfe entziehen werde.

Auch ein Fall des § 779 BGB liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen Irrtum über einen nach dem Prozessvergleich als festehend zugrundegelegten Sachverhalt vorgetragen. Grundlage des Vergleichs war vielmehr, wie aus dessen Inhalt hervorgeht, die Ungewissheit über die Abmeldung des Klägers aus dem Alhi-Leistungsbezug und die dem Sperrzeitbescheid zugrundeliegenden Tatsachen und deren Würdigung. Dem wurde mit einer teilweisen Abänderung der angefochtenen Bescheide zugunsten des Klägers Rechnung getragen.

Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 oder 2 SGG zuzulassen, ist nicht gegeben. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und das Urteil des Senats weicht nicht ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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