L 10 AL 510/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 283/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 510/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.11.2004 sowie der Bescheid vom 09.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2002 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen Eintritts einer Sperrzeit von 6 Wochen.

Der 1950 geborene Kläger bezog nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) seit 23.06.1998 mit kurzen Unterbrechungen durch eine berufliche Tätigkeit sowie den Bezug von Unterhaltsgeld Alhi (zuletzt aufgrund des Bescheides vom 02.11.2001).

Mit Schreiben vom 20.03.2002 bot die Beklagte dem Kläger eine am 08.04.2002 beginnende, achtwöchige Trainingsmaßnahme des Arbeitsförderungszentrums S. eV (AfZ) - versehen mit zwei Rechtsfolgenbelehrungen R1 und R2 - an. Während der Maßnahme könne Alg bzw Alhi weitergezahlt und weitere Kosten könnten übernommen werden.

Die Teilnahme lehnte der Kläger mit Schreiben vom 27.03.2002 ab. An dieser Trainingsmaßnahme habe er schon mehrmals teilgenommen und er könne wegen seiner Kreuzschmerzen nicht den ganzen Tag sitzen. Er bat um einen Arbeitsplatz "auf dem Band".

Laut eines Vermerkes der Beklagten hätten - was den Kläger bereits mitgeteilt worden sei - bei der Teilnahme an der Maßnahme seine gesundheitlichen Einschränkungen berücksichtigt werden können. Diese Maßnahme wäre zur Abklärung der Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlich gewesen.

Die Zahlung von Alhi stellte die Beklagte ab 09.04.2002 vorläufig ein.

Mit Bescheid vom 09.04.2002 (128 AA-A) stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen (09.04.2002 bis 20.05.2002) fest. Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Teilnahme an der Maßnahme habe nicht vorgelegen.

Den Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, er brauche Arbeit, keinen Lehrgang.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Einnahme wechselnder Körperhaltungen während des Unterrichts wäre möglich gewesen. Ergänzend - so die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheides - werde die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 09.04.2002 bis 20.05.2002 aufgehoben. Der Kläger habe grobfahrlässig nicht gewusst, dass der Anspruch auf Alhi ruhe.

Mit seiner zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der angegriffenen Bescheide.

Nach Angabe der vom SG uneidlich vernommenen Mitarbeiterin der Beklagten, Frau J. , habe mit der Maßnahme die Integrationsfähigkeit des Klägers hinsichtlich seiner gesundheitlichen Einschränkungen festgestellt werden sollen. Wechselnde Körperhaltungen wären ohne Weiteres möglich gewesen. Dies sei auch dem Kläger klar dargestellt worden.

Das SG hat mit Urteil 24.11.2004 die Klage abgewiesen. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger die Teilnahme an der Trainingsmaßnahme abgelehnt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.11.2004 sowie den Bescheid vom 09.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und auch begründet. Das Urteil des SG Würzburg ist ebenso aufzuheben wie der Bescheid vom 09.04.2002 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2002. Eine Sperrzeit von 6 Wochen ist nicht eingetreten.

Eine Aufhebung der Bewilligung von Alhi gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) kann nicht erfolgen, denn eine wesentliche Änderung ist nicht eingetreten. Der Anspruch auf Alhi ruht nämlich nicht (§ 198 Abs 1 S 1 und 2 Nr 6, 144 Abs 1 Nr 3 SGB III). Dabei kann offen gelassen werden, ob es ausreichend ist, die Bewilligungsentscheidung im Rahmen des Widerspruchsbescheides - und auch dort lediglich nebenbei in der Begründung zum Eintritt der Sperrzeit - aufzuheben, und ob der Kläger über die Rechtsfolgen zutreffend belehrt worden ist, nachdem auf dem Angebot einer Trainingsmaßnahme sowohl die Rechtsfolgenbelehrung R1 wie auch die Rechtsfolgenbelehrung R2 angekreuzt waren.

Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten, denn dem Kläger ist im Angebot der Trainingsmaßnahme nicht verbindlich zugesagt worden, welche Leistungen ihm bei der Teilnahme dem Grunde nach zustehen. Eine Sperrzeit kann nur eintreten, wenn dem Arbeitslosen verbindlich schriftlich bezeichnet worden ist, welche Leistungen ihm bei der Teilnahme an einer bestimmten Maßnahme auf Antrag dem Grunde nach zustehen (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 4). Die Beklagte muss Leistungen zusagen, die von ihr zu erbringen sind. Es liegt auf der Hand, dass der Arbeitslose beim Angebot der Maßnahme darüber unterrichtet werden muss, welche Förderungsleistungen in Aussicht stehen; denn ohne vorherige Unterrichtung ist eine Beurteilung der (finanziellen) Zumutbarkeit der Maßnahme durch den Arbeitslosen überhaupt nicht möglich. Die - unverbindliche - Unterrichtung kann dabei nicht ausreichen; denn sie gewährleistet nicht, dass der Arbeitslose diese Förderungsleistungen auch erhält, wenn er an der Maßnahme teilnimmt (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 1). Diese zu § 119 Arbeitsförderungsgesetz ergangene Rechtsprechung ist auch auf § 144 Abs 1 Nr 3 anwendbar (vgl hierzu Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 144 RdNr 73; Winkler in: Gagel, SGB III § 144 RdNr 209, Stand: Januar 2005; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, § 144 RdNr 133, Stand V/04; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts S 847, RdNr 329).

Vorliegend hat die Beklagte lediglich dem Kläger mitgeteilt, dass Alg bzw Alhi oder auch andere Leistungen von ihr erbracht werden können. Damit hat sie jedoch die Leistungen nicht konkret zugesagt, vielmehr ist der Begriff des "Könnens" ein Hinweis darauf, dass hinsichtlich der Leistungspflicht ein Ermessen besteht, das noch nicht endgültig zugunsten des Klägers ausgeübt wurde. Damit kann der Kläger nicht erkennen, welche Leistungen er bei Antritt der Maßnahme zu erwarten hat. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Rechtsprechung wie auch der Literatur ist daher nicht von einem zumutbar unterbreiteten Angebot auszugehen. Dem Kläger ist aufgrund des Angebotes nicht bekannt, welche Leistungen ihm bei einer Teilnahme dem Grunde nach zustehen. Eine unverbindliche Unterrichtung über die möglichen Leistungen reicht nicht aus (vgl Voelzke aaO). Auf den Inhalt der Maßnahme und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ist deshalb nicht einzugehen.

Eine Sperrzeit ist somit nicht eingetreten. Eine Teilnahme an der Maßnahme war dem Kläger nicht zumutbar, denn ihm ist eine Förderung nicht definitiv zugesagt worden.

Nach alledem ist das Urteil des SG Würzburg sowie der Bescheid vom 09.04.2002 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2002 aufzuheben. Der Kläger hat somit für die Zeit vom 09.04.2002 bis 20.05.2002 Anspruch auf Alhi aufgrund der Bewilligungsbescheides vom 02.11.2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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